Zivilrecht V (Erbrecht) Gewillkürte Erbfolge IV Auslegung und Umdeutung des Testaments, Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit von Testamenten (2)

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Zivilrecht V (Erbrecht) Gewillkürte Erbfolge IV Auslegung und Umdeutung des Testaments, Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit von Testamenten (2)

Wiederholung Was besagt die so genannte Andeutungstheorie? Äußere Umstände, die zur Auslegung eines Testaments herangezogen werden, müssen im Testament selbst einen Anhalt haben bzw. zumindest angedeutet sein

Wiederholung Welche besonderen erbrechtlichen Unwirksamkeitsgründe für ein Testament kennen Sie? Gegenstandlosigkeit Widerruf, 2253 Trennung im Fall von Zuwendungen an Ehegatten, Lebenspartner und Verlobte, 2077

Anfechtbarkeit Begriff Nichtigkeit erst bei Betätigung des Gestaltungsrechts Regelungen des Allgemeinen Teils gelten, soweit die 2078 f. nicht als Sonderregeln vorgehen Abschließende Regelung der Anfechtungsgründe in 2078 f. Keine Anfechtung durch Erblasser Sonderregel 2281 beim Erbvertrag Primat der Auslegung Feststellung des rechtlich erheblichen Sinns der Erklärung notwendig Nur negative Wirkung der Anfechtung (keine Erzeugung von Verfügungen)

Anfechtungsgründe Merkmale Kein Vertrauensschutz des Begünstigten Abschließender Charakter Erklärungs- und Inhaltsirrtum, 2078 I Kein objektiver Erheblichkeitstest wie bei 119 I ( bei verständiger Würdigung des Falles ) Allein subjektive Denk- und Anschauungsweise des Erblassers entscheidend

Anfechtungsgründe Motivirrtum, 2078 II Problem I: Positive unrichtige Vorstellung erforderlich oder auch Unkenntnis von Umständen ausreichend? BGH: selbstverständliche Vorstellungen Problem II: Umstände nach dem Erbfall als möglicher Bezugspunkt

Anfechtungsgründe Widerrechtliche Drohung, 2078 II Rechtswidrigkeit der Zweck-Mittel-Relation wie bei 123 Keine Berücksichtigung der arglistigen Täuschung (= bes. Fall des Motivirrtums)

Anfechtungsgründe Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten, 2079 Übergehung: Weder Berücksichtigung noch Ausschluss von der Erbfolge Berechtigter Unkenntnis des Erblassers oder spätere Geburt oder spätere Pflichtteilsberechtigung Sonderfall des Motivirrtums (Unkenntnis eines Umstands hier ausreichend) Kein Kausalitätsnachweis erforderlich

Vornahme der Anfechtung Anfechtungsberechtigte, 2080 Unmittelbar Begünstigter; bei mehreren jeder für sich anfechtungsberechtigt (Wirkung absolut) Einschränkungen, 2080 II, III Kein Anfechtungsrecht des Erblassers Anfechtungserklärung, 2081 Amtsempfangsbedürftigkeit nach 2081 I, III, ansonsten 143 IV 1 Entgegennahme und Mitteilungspflicht des Nachlassgerichts

Vornahme der Anfechtung Anfechtungsfrist Jahresfrist, 2082 I Beginn mit Kenntnis Anfechtungsgrund, 2082 II, spätestens aber mit Erbfall (vgl. 2080 I) Ausschlussfrist des 2082 III: 30 Jahre Anfechtbarkeitseinrede Wirkung der Anfechtung Nichtigkeit ex tunc Teilnichtigkeit im Fall von 2079? Kein Ersatz des Vertrauensschadens, 2078 III Beweislast

Fall 12: Die im Frühjahr 2006 kinderlos verstorbene Friederike Hanke, geb. Boll, hat bereits im Jahr 1994 ein formgültiges Testament folgenden Wortlauts errichtet: Hiermit setze ich diese beiden Vermächtnisse aus: Meine Nichte Vroni soll aufgrund ihrer Bedürftigkeit 5.000,- DM erhalten. Mein übriges Vermögen soll mein lieber Ehemann Franz erhalten. Nach dem Tod der Friederike stellt sich heraus, dass die Nichte Vroni aufgrund einer steilen beruflichen Karriere in den vergangenen beiden Jahren ein beträchtliches Vermögen erworben hat. Franz Hanke hatte seit 1998 ein Verhältnis mit Albertine Frei, aus dem zudem eine Tochter hervorging. Franz hatte indes vermocht, diese Beziehungen vor seiner Ehefrau geheim zu halten, zumal ihm deren strenge Auffassungen von Sitte und Moral allzu gut bekannt waren. Die beiden nächsten, noch lebenden Verwandten der Friederike Hanke sind ihre beiden Brüder Theo und Siegfried Boll. Während Siegfried erklärt, es solle beim Testament seiner Schwester bleiben, ersucht Theo einen Rechtsanwalt um Auskunft, ob für ihn Aussicht bestehe, trotz des Testaments etwas aus dem Nachlass seiner Schwester (Gesamtwert 80.000,- EURO) zu beanspruchen. Welche Auskunft wird der Anwalt geben?

Fall 12: Erbrechte Testamentarische Erbeinsetzung Zuwendung des im Wesentlichen gesamten Vermögens an den Ehemann nach 2087 I trotz Formulierung als Vermächtnis Einsetzung des Franz als Alleinerbe Gesetzliche Erben kommen nur zum Zug, wenn Testament durch Anfechtung vernichtet

Fall 12: Erbrechte Anfechtung des Testaments Anfechtungsgrund: Motivirrtum, 2078 II Bei Errichtung Unkenntnis von Untreue des Ehemanns Problem: Unkenntnis ausreichend? BGH: Unbewußte oder selbstverständliche Vorstellungen reichen, hier wohl (+) hypothet. Wille Anfechtungsberechtigung: Theo und Siegfried als gesetzliche Erben, 1925 I, III, unmittelbar Begünstigte im Sinne des 2080 Theo kann Anfechtungsrecht allein ausüben Anfechtungserklärung, 2081 I Wirkung: Erbeinsetzung ex tunc nichtig, 142 I

Fall 12: Erbrechte Gesetzliche Erbfolge Ehemann Franz: 1931 I 1, III, 1371 I: ¾ Theo und Siegfried: 1925 I, III 1, 1924 IV: je 1/8

Fall 12: Vermächtnis Nichtigkeit der Erbeinsetzung lässt Vermächtnis unberührt, 2085 Aber: Motivirrtum gemäß 2078 II bezüglich Bedürftigkeit der Vroni Unmittelbare Begünstigung der drei gesetzlichen Erben als Beschwerte isd 2147 S. 2, damit Berechtigte nach 2080 Bei Anfechtung durch Theo gegenüber Vroni (vgl. 143 IV 1) Vermächtnis nichtig gemäß 142 I