Deutsches Seminar Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

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Transkript:

Deutsches Seminar Albert-Ludwigs-Universität Freiburg PD. Dr. Peter Öhl * 203-3250 * Büro: Belfortstraße 14, Raum 102 peter.oehl@germanistik.uni-freiburg.de * http://oehl.gesus-info.de Hauptseminar: Sommersemester 2011 Sprechstunde: 'Satzmodus und Satztypen' Do 12.15-13.45 * Raum: HS 3210 Do 15.00-16.00 1. Sprechakttheorie Grundlagen der Pragmatik Gr. πράγµα 'Handlung' Die Sprechakttheorie sieht die primäre Funktion der Sprache nicht darin, die Welt abzubilden; mit allen Äußerungen werden vielmehr Handlungen vollzogen: die sog. Sprechakte. (Austin 1962; Searle 1968). 1.1. Der Aufbau eines Sprechaktes Der Äußerunsakt/ lokutionäre Akt: Etwas wird gesagt (z.b.: 'Farblose grüne Ideen schlafen wütend.'); bei AUSTIN (1962) untergliedert in phonetischer Akt (Lautbildung) und phatischer Akt (Strukturgebung). Auch: Artikulation (BUßMANN: 497). Der rhetische Akt: The use of the "pheme" "with a certain more or less definite sense and reference" (also in etwa: 'eine Aussage machen') (AUSTIN 1962: 95). Bei SEARLE (1968): 'propositionaler Akt'. pheme: the linguistic sign that describes what the speaker refers to ( proposition; no truth-value) Referenz (Bezugnahme) und Prädikation (Aussagezuordnung) Der illokutionäre Akt: das Gesagte wird auf eine bestimmte Weise verwendet, etwa als Warnung, Rat oder Empfehlung. Dieser Akt kennzeichnet den eigentlichen Handlungscharakter der Äußerung. Nach Searle besteht eine Illokution aus einer illokutionären Rolle f oder Kraft (behaupten, fragen, versprechen) und einem propositionalen Gehalt p, also einer Sachaussage. Illokutionen haben demnach folgende Gestalt: f(p). Dabei können f und p (in Grenzen) unabhängig voneinander variieren. Setzt man also für f die Rollen Behauptung und Frage und für p die Propositionen, dass es kalt ist und dass das Auto nicht anspringt, so ergeben sich vier Illokutionen: (a) Behauptung, dass es kalt ist, (b) Behauptung, dass das Auto nicht anspringt, (c) Frage, ob es kalt ist, (d) Frage, ob das Auto nicht anspringt. (BUßMANN, S. 324) Der perlokutionäre Akt schließlich bezeichnet eine Handlung, die darauf abzielt, einen bestimmten Effekt hervorzurufen, z. B. den, dass jemand aufgrund meiner Warnung (i.e. des illokutionären Akts) Der Hund ist bissig. den Weg durch den Garten zum Haus meidet ( Verhinderung). (1) a. Äußerungsakt/ lokutionärer Akt: z.b. 'Wer viel arbeitet, macht viele Fehler.' b. rhetischer oder propositionaler Akt: Bezugnahme auf eine potentielle Menge von Handelnden und einem konditionalen Zusammenhang ihres Handelns mit einer möglichen Folge. c. illokutionärer Akt: Ratschlag/ Warnung ( Sprechakttypen) d. perlokutionärer Akt: Manipulation/ Verhinderung einer bestimmten Handlung(sweise). 1.2. Illokutionstypen (auch: Sprechakttypen; vgl. Searle & Vanderveken 1985; Rosengren 1992, 1993) 1. Repräsentative Akte i. assertive Äußerungen, die Sprechereinstellungen wie Behauptung, Vermutung etc. ausdrücken Ex.: Es regnet. (= Ich stelle fest, dass es regnet.) 1 (Deklarativsatz) Weitere typische repräsentative Sprechakte wären: Einwand, Prognose, Ankündigung, Bericht,... 2. Regulierende Akte ii. direktive Äußerungen, die Sprechereinstellungen wie Anordnung, Warnung, Verlangen etc. ausdrücken Ex.: Hören Sie zu! (= Ich verlange, dass Sie zuhören.) (Imperativsatz) 1 Derartige explizit performative Formeln machen den Sprechakt durch Umschreibung eindeutig.

Satzmodus und Satztypen Sommersemester 2011-2- iii. Bitten Ex.: Darf ich fortfahren? (= Ich ersuche um Erlaubnis, fortzufahren.) (Interrogativsatz) iv. permissive Äußerungen, die Sprechereinstellungen wie Erlaubnis etc. ausdrücken Ex.: Sie dürfen bleiben. (= Ich erlaube Ihnen, zu bleiben.) (Deklarativsatz) v. komissive Äußerungen, die Sprechereinstellungen wie Versprechen etc. ausdrücken Ex.: Ich werde ihnen helfen. (= Ich verspreche, ihnen zu helfen.) (Deklarativsatz) Weitere typische regulierende Sprechakte wären: Beleidigen, Drohen, Lob, Tadel, Empfehlung, Überredung... vi. erotetische Äußerungen, die Sprechereinstellungen wie Fragestellung etc. ausdrücken Ex.: Regnet es? (= Ich stelle die Frage, ob es regnet.) (Interrogativsatz)! 'Erotetica' werden mitunter auch als selbständige Sprechakttypen angesehen. 3. Expressive Akte vii. Optativische Äußerungen stehen den regulativen Akten nahe. Jedoch kann solch ein Satz direkt weder eine direktive Illokution noch eine performative Sprechereinstellung ausdrücken. 2 Ex.: Wenn ich nur bleiben könnte. (= Ich würde es vorziehen, wenn ich bleiben könnte.) (Optativsatz) viii. Exklamationen (exklamative Äußerungen) drücken eine affektiv-emotionale Einstellung des Sprechers indirekt aus. Diese Interpretation hängt jedoch davon ab, dass der Sprecher den kommentierten Sachverhalt als unerwartet kennzeichnet. 3 Ex.: Was für eine Menge Arbeit das ist! ('Exklamativsatz' (?) ) Dass der uns das zumutet! ix. 'Expressivsätze': Deklarativsätze, die explizit eine affektiv-emotionale Einstellung des Sprechers ausdrücken. Ex.: Ich danke Ihnen. ( I believe, claim etc. that I thank you.) Ich bin überrascht, was uns hier zugemutet wird. Leider habe ich garnichts verstanden. 4. Deklarative Akte x. Deklarationen ('Erklärungen') sind einstellungsfreie, konstitutive Äußerungen. Ex.: Ich eröffne hiermit die Sitzung. (performativ ) Die Sitzung ist eröffnet. (resultativ ) 1.3. Bedingungen für das Glücken von Sprechhandlungen (SÖKELAND 1980, 94ff.) Zwar gilt für Sprechakte, dass sie nicht wahr oder falsch sein können, es kann aber sein, dass sie nicht glücken. Semantik: Wahrheitsbedingungen Pragmatik: Glückensbedingungen (Erfüllungsbedingungen) 1. Der Sprechakt muss vollzogen werden, d. h. er muss vom Hörer verstanden werden 2 3 Vgl. ROSENGREN (1993: 41): "Offensichtlich gehören Äußerungen solcher Sätze in die Nähe der Regulierungshandlungen. Der Satz kann aber (...) weder eine direktive Illokution noch eine Einstellungsbekundung (...) direkt realisieren." Vgl. ROSENGREN (1992: 265, nach FRIES 1988: 4): Die betreffenden Äußerungen [drücken] stets eine affektiv-emotionale Haltung des Sprechers zu dem durch die Proposition (...) denotierten Sachverhalt aus. (...) die Exklamativ-Interpretation (...) [ist] dadurch ausgezeichnet, dass der durch die Proposition (...) denotierte Sachverhalt als (...) vom Sprecher unerwartet gekennzeichnet ist".

-3- Grundlagen der Pragmatik 2. Der Sprechakt muss vom Hörer akzeptiert werden. Das setzt voraus, dass er den Sprecher für berechtigt hält, den vorliegenden Sprechakt auszuführen, dass ihm der Vollzug des Aktes in der gegebenen Situation nicht als unangebracht oder irrelevant erscheint und dass er grundsätzlich bereit ist, mit dem Sprecher zu kooperieren. 3. Der Hörer soll die sich aus dem akzeptierten Sprechakt ergebenden Verpflichtungen auch tatsächlich erfüllen und somit die Absicht des Sprechers verwirklichen. "Ein Sprechakt wird im folgenden dann völlig geglückt genannt, wenn er vom Hörer verstanden, akzeptiert und erfüllt worden ist. Im Zentrum der Glückensbedingungen steht das Kooperationsprinzip. 2. Konversationsmaximen (Grice 1975) A: Maxime der Quantität: Sag so viel wie nötig, und sage nicht zu viel! (2) A: Wann hast Du Hans zuletzt getroffen? B: Nachdem ich in einer Bäckerei ein Mohnbrötchen und zwei Laugenhörnchen mit Butter gekauft hatte, die aber anscheinend nichtmehr ganz frisch war, wobei ich sowieso nicht genügend Geld dabei hatte und deswegen eines geschenkt bekam, allerdings danach noch ein paar Münzen in meiner Einkaufstasche gefunden hatte, aber egal, dann hab ich aber ganz schön Bauchweh gekriegt und meinen Hausarzt angerufen, der hat mir gleich einen Termin gegeben, und als ich dann an der Ampel stand, die mindestens fünf Minuten rot war, kam dann ein Laster um die Ecke, der mich daran erinnerte, dass Hans erst letztes Jahr umgezogen ist, da dachte ich, ich ruf ihn einfach mal an... (... ) (3) A: Hat es in LA geregnet? B: It never rains in southern California. ( Redundanz vs. Pleonasmus) Verstoß gegen Maxime A als Stilmittel (4) A: Hat es letzte Woche geregnet? B: Montag bis Dienstag nicht. ( unvollständige Antwort) Kein Verstoß gegen Maxime A, wenn man nicht mehr weiß. B: Maxime der Qualität: Sag nichts, was du nicht für wahr hältst, oder dann signalisiere, welchen Grad der Wahrscheinlichkeit das Gesagte hat. (5) Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer sind die sympathischsten Menschen der Welt. ( Ironie) Verstoß gegen Maxime B als Stilmittel C: Maxime der Relation: Sei relevant. (6) Bayern wird wieder Meister. ( nicht fundiert und darum irrelevant für eine Assertion) Ein Verstoß gegen die Maxime C kann den Sprechakttyp verändern. (7) Friedrich ist nicht der dümmste. ( nur relevant als Euphemismus) Verstoß gegen Maxime C als Stilmittel. D: Maxime der Modalität: Sag Deine Sache in angemessener Art und Weise und so klar wie möglich. (8) a. Wir treffen uns in der Morgenröte. ( nur sinnvoll, wenn statt klarer Info Stil gefragt ist) b. Hans hat mich kürzlich beim Einkaufen getroffen. (Ordnung nur sinnvoll, wenn 'Hans' fokussiert ist)

Satzmodus und Satztypen Sommersemester 2011-4- 3. Indirektheit 3.1. Implikaturen Ein Sprecher kann mit einem Satz S, dessen wörtliche Bedeutung p ist, die Aussage q implizieren. (9) a. Philip hat nicht vergessen, daß Caroline heute Geburtstag hat. b. Caroline hat heute Geburtstag. konventionelle Implikaturen Präsuppositionen, idiomatische Ausdrücke... (10) a. Die Voyager ist auf der Erde gelandet. b. Er macht ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. konversationelle Implikaturen: Gezielter Verstoß gegen Maximen impliziert Interpretationsabweichung. (11) Student X beherrscht seine Muttersprache und hat meine Lehrveranstaltungen regelmäßig besucht. Der Leser kann unter der Annahme, dass der Schreiber sehr wohl eine im Kontext hilfreiche Mitteilung machen wollte, erschließen, dass der Schreiber meint, die Leistungen von X seien miserabel. (12) Wisst Ihr eigentlich, wie spät es ist? Der Adressat kann unter der Annahme, dass der Sprecher die Uhrzeit kennt, erschließen, dass er eine Aufforderung vollziehen will. 3.2. Indirekte Sprechakte Ein indirekter Sprechakt beinhaltet mindestens zwei mögliche Illokutionen, wobei die tatsächlich intendierte implizit ist. Illokutionstypen werden durch spezifische Indikatoren signalisiert. Basisillokution (wörtliche Bedeutung) und Sekundäre Illokution (eigentliche Bedeutung) (SÖKELAND 1980) Sekundäre Illokution (wörtliche Bedeutung) und Primäre Illokution (eigentliche Bedeutung) (SEARLE 1969) Als eine Bedingung für einen indirekten Sprechakt ist festzustellen, dass deutliche Indikatoren der illokutionären Rolle im geäußerten Satz zu finden sind und dass sie auf denjenigen Illokutionstyp hinweisen, der tatsächlich vollzogen wird. (SÖKELAND, S. 35) Basisindikatoren sind Merkmale, auf Grund derer man Sätzen eine Standard- oder Basisillokution zuweist. Sekundärindikatoren sind Merkmale, die mit den Basisindikatoren konkurrieren und dem Adressaten die tatsächlich gemeinte Rolle der Äußerung anzeigen. Die Konkurrenz zwischen Sekundär- und Basisindikatoren ist ein definitorisches Merkmal der Indirektheit. (SÖKELAND, S. 48) 3.2.1. Die Basisindikatoren S. 49f.: Als deutlichster Illokutionsindikator gilt in der Sprechakttheorie die explizit performative Formel. In ihr wird das Verb, das zur Benennung der vollzogenen Handlung geeignet ist, zum Vollzug dieser Handlung selbst verwendet.

-5- Grundlagen der Pragmatik (13) a. Ich weigere mich hiermit,... - Weigerung b. Ich untersage Ihnen hermit ausdrücklich,... - Untersagung c. Wir ersuchen Euch dringend,... - Ersuchen d. Es wird hiermit verfügt,... - Verfügung Bei den meisten Sprechakten fungieren die syntaktischen Verhältnisse im Satz als Indikator der Basisillokution. Einer der syntaktischen Indikatoren ist das, was die traditionelle Grammatik als Satztyp bezeichnet. (14) Satzmodi Deklarative Interrogative Imperative Optative Exklamative (cf. LOHNSTEIN 2000, 1f) (15) Satztypen Aussagesatz Fragesatz Aufforderungssatz Ausrufesatz (GREWENDORF & ZAEFFERER 1991, 270) Mit jedem nicht-deklarativen Satztyp verbindet man Basisrollen. Weniger eindeutig ist die Situation bei den Aussagesätzen, denen man als Basisrolle nur vage Begriffe wie Aussage, Mitteilung oder Behauptung zuordnen kann. Die Aussagesatzstruktur ist offenbar, verglichen mit anderen Satztypen, ein undeutlicher, vager Illokutionsindikator. (SÖKELAND, S. 51) Modalität (16) a. Basisrolle der Ankündigung: Pronomen der 1. Person + futurischer Verbalphrase b. Ich werde dich am Wochenende besuchen kommen. (17) a. Basisrolle der Empfehlung: Pronomen der 2. Person + sollen (Konjunktiv) + Infinitifphrase b. Du solltest dir einen Golf kaufen. (18) a. Basisrolle des Erlaubens: Pronomen der 2. Person + dürfen + Infinitivphrase b. Du darfst jetzt spielen gehen. (19) a. Basisrolle deontisch/ epistemisch: Er muss studieren. b. Basisrolle volitional/ epistemisch: Er mag studieren. c. Basisrolle epistemisch: Er dürfte studieren. 3.2.2. Die Sekundärindikatoren erkennbare Verstöße gegen Konversationsmaximen Bestimmte Partikeln, vor allem die so genannten Abtönungspartikeln und Satzadverbien wie hoffentlich oder bestimmt, können wichtige illokutionsindizierende Funktionen übernehmen. (20) a. Basisrolle der Frage: Gehst du jetzt zu Bett? b. Aufforderung ist sekundärer Sprechakt: Gehst du jetzt wohl zu Bett? Die Tatsache, dass Partikeln den als Basisindikatoren eingestuften Satztypen und Satzmustern zuwiderlaufen können und diese dominieren, ist ein Ausdruck dafür, sie grundsätzlich als Sekundärindikatoren einzustufen. (SÖKELAND S. 56) Da prosodische Merkmale mit den Basisindikatoren konkurrieren können und - wie auch die Partikeln - immer auf der Grundlage von Basisindikatoren arbeiten, stellen auch sie Sekundärindikatoren dar. (21) a. Willst Du jetzt still sein! b. Willst Du jetzt still sein?

Satzmodus und Satztypen Sommersemester 2011-6- 3.3. Konventionalisierte und nicht-konventionalisierte Indirektheit Die Äußerung 'Ich habe Hunger' lässt sich auf drei Ebenen interpretieren: Ebene 1: Ebene der Basisindikatoren: Ich habe Hunger ist eine Mitteilung. Ebene 2: Ebene der üblichen kommunikativen Funktion des Satzes: Ich habe Hunger ist eine Bitte. Es handelt sich dabei um eine konventionalisierten Indirektheit, da wir den Satz üblicherweise als eine Bitte verstehen. Ebene 3: Ebene der tatsächlichen illokutionären Rolle einer Äußerung. Ich habe Hunger kann - je nach Situation - auch anders als in seiner üblichen kommunikativen Funktion verwandt werden: Nichtkonventionalisierte Indirektheit. Bei der konventionalisierten Indirektheit fallen die übliche und die tatsächliche Rolle zusammen und unterscheiden sich gemeinsam von der Basisrolle. (... ) Bei der nicht-konventionalisierten Indirektheit weicht die tatsächliche Rolle nicht nur von der Basisillokution ab, sondern auch von der üblichen Illokution. (SÖKELAND, S. 39) 4. Literatur 1. Austin, J.L. (1962): How to do Things with Words. Cambridge. 2. Brandt, Margareta, M. Reis, I. Rosengeren und I. Zimmermann (1992): Satztyp, Satzmodus und Illokution. (11), 1-90. 3. Bussmann, Hadumod ( 2 1990): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner. 4. Cole, Peter & Jerry L. Morgan (1975): (eds.) Speech acts. New York : Academic Press. 5. Grewendorf, Günther & Dietmar Zaefferer (1991): Theorien der Satzmodi. (18), 270-86. 6. Grice, Herbert P. (1968): Logic and Conversation. IN (4), 41-58. 7. Hügli, Anton (Hrsg.) (1991): Philosophielexikon. Personen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart. Reinbek: Rowohlt. 8. Kußmaul, R. (ed.) (1980): Sprechakttheorie. Wiesbaden: Athenaion. 9. Linke, A./Nussbaumer, M./Portmann, P. (1994 2 ): Studienbuch Linguistik. Tübingen: Niemeyer. 10. Lohnstein, Horst (2000): Satzmodus kompositionell. Zur Parametrisierung der Modusphrase im Deutschen. Berlin: Akademie Verlag. 11. Rosengren, Inger (1992 (B1) & 1993 (B2)): (ed.) Satz und Illokution. Tübingen: Niemeyer. 12. Rosengren, Inger (1992): Zur Grammatik und Pragmatik der Exklamation. (11) Vol. I, 263-306. 13. Rosengren, Inger (1993): Imperativsatz und "Wunschsatz" zu ihrer Grammatik und Pragmatik. (11) Vol. II, 263-306. 14. Searle, J. R. (1965): What is a speech act? In: Black, M. (ed.) (1965): Philosophy in America. Ithaca: Cornell Univ. Press, 221 239. Dt. Übersetzung in: Holzer, H./Steinbacher, K. (eds.) (1972): Sprache und Gesellschaft. Hamburg: Hoffmann und Campe, 153 173. 15. Searle, J. R. (1975): Indirect Speech Acts. IN (4), 59 82. Dt. Übersetzung in: Kußmaul, R. (ed.):127 150. 16. Searle, John R. & Daniel Vanderveken (1985): Foundations of illocutionary logic. Cambridge: Cambridge Univ. Pr. 17. Sökeland, Werner (1980): Indirektheit von Sprechhandlungen. Eine linguistische Untersuchung. Tübingen: Niemeyer (= Germanistische Linguistik 26). 18. Stechow, Arnim von & Dieter Wunderlich (1991): Semantik. Berlin/ New York: de Gruyter.