Zur (Störer)Haftung bei Urheberechtsverletzungen im Internet am Beispiel der Tauschbörsen Rechtsanwalt Loy Ullmann, Haupt Rechtsanwälte Berlin, www.rechtsanwalt-haupt.com Loy Ullmann 2008. All rights reserved. Bearbeitungsstand: 30.06.2008 (05205-04) 1
I. Ausgangslage - Rund 300 Millionen Downloads unberechtigt eingestellter Musiktitel über Tauschbörsen pro Jahr in Deutschland - Weltweit sollen nach Schätzungen monatlich rund eine Milliarde Titel aus Tauschbörsen herunter geladen werden 2
I. Tauschbörsen - do ut des -Prinzip: Angebot zum Download steht eigene Möglichkeit des Herunterladens gegenüber - Eigentlich Kopierbörse, da kein Tausch der Originale sondern Kopien der Dateien von Rechner zu Rechner - Verfolgung der Rechtverletzungen über Zuordnung der IP-Adresse, d.h. Inanspruchnahme des Anschlussinhabers 3
Zivilrechte Ansprüche ( 97 105 UrhG) Unterlassungs-, Schadensersatz-, Vernichtungsund Auskunftsansprüche Besonderheiten bei Unterlassungsansprüchen ( 97 UrhG) - Möglichkeit der Durchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren - Inanspruchnahme Dritter (Störer) 4
Hochladen Öffentliche Zugänglichmachung gemäß 19 a UrhG Herunterladen -Vervielfältigung gemäß 16 UrhG - Keine Privilegierung gemäß 53 UrhG, da die öffentlich zugänglich gemachte Vorlage grundsätzlich nicht erfasst wird. 5
Grundsatz Der adäquat kausale Rechtsverletzer bzw. Teilnehmer haftet Problem - Auseinanderfallen der Person des Anschlussinhabers und der Person des Teilnehmers bzw. Rechtsverletzers - Haftung des Dritten auf Unterlassung möglich (Störerhaftung) 6
1. Störerhaftung Haftung des Dritten - wenn er in zurechenbarer Weise ein Störungszustand herbeigeführt, aufrechterhalten oder ihn nicht beseitigt hat - obwohl ihm dies möglich gewesen wäre - Störerhaftung beruht nicht auf einer Zurechnungsnorm; Grundlage ist 1004 BGB Ziel - Ausbau des Schutzes vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen - Zwei Haftende sind besser als ein Schuldner 7
2. Besonderheiten a) Prinzip der Eigenverantwortlichkeit - Störerhaftung darf nicht allein an die Kausalität anknüpfen (BGHZ 81, 247 Getarnte Werbung I) - Kein notgedrungener Rückgriff auf Störerhaftung, wenn eine Haftung als Täter in Betracht kommt 8
b) Beschränkung auf Abwehransprüche - Grundlage der Störerhaftung sind die Regelungen über die Besitz- und die Eigentumsstörung ( 862, 1004 BGB) - Haftung besteht nur bei Abwehransprüchen - Keine Haftung für Schadensersatzanspruch (BGH GRUR 2002, 618 Meißner Dekor) - Adäquat kausale Mitwirkung an der Rechtsverletzung unter Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten erforderlich 9
BGH GRUR 2004, 860 - Internet-Versteigerung I - Der Betreiber einer Plattform für Versteigerungen im Internet kann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden - Die Privilegierungen des Teledienstegesetzes (TDG) gelten nicht für den Unterlassungsanspruch - Prüfungspflicht bezieht sich nicht auf Vorabkontrolle für jedes Angebot - Unverzügliche Sperrung des Angebots und Ergreifen von Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung weitere Rechtsverletzungen bei Bekanntheit der Markenverletzung 10
BGH WRP 2007, 964 - Internet- Versteigerung II - Haftungsprivilegien des TDG/TMG finden auf im Bereich der vorbeugenden Unterlassungsansprüche keine Anwendung - Störerhaftung des Auktionshauses auch bei drohender Rechtsverletzung möglich - Entscheidend ist, ob konkrete Umstände Rückschlüsse auf das Merkmal der Erstbegehungsgefahr zulassen -Grenze: keine unzumutbaren Prüfungspflichten, die das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen 11
BGH v. Urt. 30.04.208 I ZR 73/05 Internetversteigerung III, BeckRS 2008, 11157 Die in den vorgenannten Entscheidungen aufgestellten Haftungsgrundsätze wurden durch den BGH bestätigt 12
3. Haftung des Anschlussinhabers a) Landgericht Hamburg MMR 2007, 131 - Die Zuverfügungstellung des Internetzugangs an minderjährige Mitglieder des Haushalts des Anschlussinhabers ist adäquat kausal für die Schutzrechtrechtsverletzung - Überlassen eines Internetzuganges an Dritte beinhaltet das Risiko einer Urheberrechtsverletzung - Das löst Prüf- und gegebenenfalls Handlungspflichten aus, durch die die Nutzung von Filesharing-Software verhindert wird - i.e.: Störerhaftung des Anschlussinhabers 13
b) Landgericht Frankfurt a.m. MMR 2007, 804 - Störerhaftung des Anschlussinhabers besteht unabhängig davon, ob streitgegenständlichen Dateien selbst zum Download auf der Tauschbörse bereitgehalten werden oder ob diese Handlung von einem Dritten am Rechner des Anschlussinhabers vorgenommen wird - Maßgeblich ist allein Zuordnung der IP-Adresse gegenüber dem Inhaber des Internetanschlusses 14
c) OLG Frankfurt MMR 2008, 169 - Eine die Störerhaftung des Anschlussinhabers begründende Überwachungspflicht besteht nicht schon allein vor dem Hintergrund, dass Rechtsverletzungen im Internet häufig auftreten - Eine Überwachungspflicht und damit eine Störerhaftung besteht erst bei konkreten Anhaltspunkten für einen durch Dritte begangenen Missbrauch des Internetanschlusses 15
4. Haftung bei W-LAN-Netzwerken a) Landgericht Hamburg MMR 2006, 763 Verantwortlichkeit des Betreibers (Anschlussinhabers) eines W-LAN-Netzwerkes als Störer, wenn ein ungeschützter Betrieb erfolgt 16
b) Landgericht Frankfurt a.m. MMR 2007, 675 Als Störer für eine über seinen Internetzugang begangene Rechtsverletzung haftet der Anschlussinhaber als Störer, wenn trotz zumutbarer Schutzvorkehrungen die W-LAN-Verbindung ungeschützt betrieben wird 17
5. Ausschluss der Störerhaftung auf technischer Ebene - Passwortgeschützter Betrieb der W-LAN-Verbindung - Änderung des mitgelieferte Standardpasswort - Verschlüsselte Kommunikation - Sonstigen Schutzmaßnahmen (Ausschalten des Routers während längerer Abwesenheiten) 18
I. Zusammenfassung und Ausblick 1. Grundsatz Bei Urheberrechtsverletzungen im Internet verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass eine Haftung erst dann bejaht werden kann, wenn - in zurechenbarer Weise, - unter Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten, - ein Störungszustand herbeigeführt, aufrechterhalten oder nicht beseitigt wurde. 19
2. Ausblick BGH GRUR 2007, 890 Jugendgefährdende Medien bei ebay - Übertragung der im Deliktsrecht entwickelten Lehre von den Verkehrssicherungspflichten (Dritter) auf das Wettbewerbsrecht - Konsequenz: Dritter kann auch auf Schadensersatz haften ( 9 UWG) - Einfluss der von der Rechtsprechung im Bereich des UWG entwickelten Verkehrssicherungspflichten (Dritter) auf den Bereich des Urheberrechts bislang offen - Vgl. Köhler, GRUR 2008,1, der eine entsprechende Anwendung für das Markenrecht fordert 20
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Rechtsanwalt Loy Ullmann, Haupt Rechtsanwälte Berlin, www.rechtsanwalt-haupt.com 21