Pressekonferenz anlässlich des Welttages der Suizidprävention Berlin, 07. September 2011

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Transkript:

Pressekonferenz anlässlich des Welttages der Suizidprävention Berlin, 07. September 2011 A. Schmidtke (NaSPro, MONSUE), G. Fiedler (NasPro, DGS), M. Schouler-Ocak, Charité Berlin) 1

Häufigkeiten: Eisbergmodell SUIZIDE BEHANDELTE SUIZIDVERSUCHE SUIZIDIDEEN Bei alten Menschen Direkter Sterbewunsch Nicht mehr leben zu wollen Lebensüberdruss Größe des Suizidproblems Weltweit: Ca. eine Million Suizide pro Jahr Alle 31 Sekunden tötet sich weltweit ein Mensch selbst 10 mal so viele Suizidversuche Alle 3 Sekunden versucht weltweit sich jemand selbst zu töten EU (27 Staaten): Insgesamt ca. 50.000 Suizide pro Jahr: 132 Personen jeden Tag. Deutschland: Alle 51 Minuten nimmt sich ein Mensch selbst das Leben, etwa alle 4 Minuten findet ein Suizidversuch statt. Zweithöchste Absolutzahl von Suiziden in Europa 2009: 9616 2

Suizide und Suizidversuche in der Bundesrepublik Deutschland und WHO Catchment Area Würzburg Deutschland Suizide (2009) 7229 2388 (Suizide/100.000) 17,95 5,69 Nicht Deutsche 288 188 Suizidversuche Würzburg 15+ Suizidversuche/100.000 (AM 2006-2008) Verkehrstote 2009 62,0 89,1 1: 3,5 1: 15,7 3050 102 2,4: 1 2.2:1 Suizidziffern einzelner Altersgruppen in Deutschland: Ältere Personen haben eine höhere Suizidgefährdung (Daten: 2009) Suizide/100.000 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Männer Frauen Alter in Jahren 3

Altersverteilung von Suizidversuchen 350 Suizidversuche/100.000 300 250 200 150 100 50 Männer Frauen 0 80-84 75-79 70-74 65-69 60-64 55-59 50-54 45-49 40-44 35-39 30-35 25-29 20-24 15-19 Quelle: WHO Multicenter Studie: gemittelte Raten 2001-2006 Suizidmethoden in Deutschland Alle Altersgruppen Beide Geschlechter (Daten 2009) 50 Erhängen 45 Prozent an allen Methoden 40 35 30 25 20 15 10 5 Vergiften Ertrinken Schusswaffen Scharfer Gegenstand Sturz in die Tiefe vor beweg.objekt legen Kfz Unfall 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 4

Suizidmethoden in Deutschland Alle Altersgruppen Getrennt nach Geschlecht (Daten 2009) 60 % Anteil an allen Suiziden 50 40 30 20 10 0 Männer Frauen KFZ-Unfall Ertrinken Schneiden Vor bew. Objekt Sturz Feuerwaffen Vergiftung Erhängen Verlauf der Suizidziffern in Deutschland 1952-2009 5

Suizidideen im Verlauf des Lebens Nach WHO-Studie wären als unterste Schätzung 4,5 % anzunehmen Im Verlauf des Lebens gibt es aber Umattribuierungen des Versuchs. Daher: Je älter um so weniger Suizidversuche werden angegeben. Auswirkungen auf andere Personen Jeder Suizid hat im Durchschnitt Auswirkungen auf mindestens 6-23 andere Personen (WHO, 2000) 6

Risikogruppen 1. Affektive Psychosen (4% - 15% einer Kohorte sterben durch Suizid) Depressionen besonders in Industrienationen bedeutend. 2. Alte und Vereinsamte ( ungarisches Muster ) 3. Chronisch Kranke (mit Schmerzen und fehlender Heilungsaussicht) 4. Alkoholabhängige (bis 14%, besonderes Risiko nach 8 10 Jahren) 5. Drogenabhängige (bis 30 % der Drogentoten sind sicher Suizide) Risikogruppen 6. Personen mit Suizidankündigungen 7. Personen nach Suizidversuch (10% Wiederholungen in den ersten 12 Monaten) 8. Schizophrene (14% einer Kohorte; besonders gefährdet junge Männer) 9. Andere sexuelle Orientierung (Schätzungen: 2 3fach höher) 10. Haft (besonders U-Haft) 11. Personen mit Migrationshintergrund (besonders weibliche Jugendliche) 7

Wirtschaftliche Probleme und Suizidalität Ökonomische Schwierigkeiten erhöhen für bestimmte Gruppen das Risiko psychischer Probleme - Psychisch Kranke - Jugendliche mit Migrationshintergrund - Alte Menschen Ökonomische Faktoren und Suizidalität Arbeitslosigkeit Untersuchung in 26 EU Ländern für den Zeitraum 1970-2007 Korrektur für Altersveränderung, frühere Arbeitssituation in dem jeweiligen land und Veränderung der Todesur-sachenstatistik 1 % Erhöhung der Arbeitslosigkeit > 0,79 % Erhöhung der Suizidraten für < 65jährige Generell keine Auswirkungen auf andere Todesursachen Kurzfristig: steigen alkoholbedingte Todesfälle an (Stuckler et al., 2009) 8

Migration/Immigration Die Ergebnisse der WHO/EURO Multicentre Study (MONSUE) zeigen, dass 27 von 56 Immigrantengruppen im Vergleich zum Gastland höhere Suizidversuchraten aufweisen. Nur 4 Gruppen weisen niedrigere Raten auf Die Raten sind zum Teil 2 5 fach höher (Razum & Zeeb, 2004 ; Löhr et al., 2006; Sayil, 2006; Wohner et al., 2006; Bursztein et al., 2009, 2010) Ausländeranteile an allen Suiziden 9

Aufgrund der Größe des Problems ist Prävention suizidalen Verhaltens nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation WHO und der EU ein vordringliches gesundheitspolitisches Problem. 10

Nationales Suizidpräventionsprogramm 18 Arbeitsgruppen 2 Expertengruppen Über 80 beteiligte Organisationen Mehr als 180 bisher mitarbeitende Personen Nationales Suizidpräventionsprogramm Publikationen Für Angehörige 11

Wer sich für die Problematik interessiert und Material haben möchte: weitere Informationen zu dem Programm, zur Mitarbeit, den Arbeitsgruppen und zu Kontaktadressen unter: www.suizidpraevention-deutschland.de 12