D&O-Versicherung als Manager-Airbag?



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Held, D&O-Versicherung als Manager-Airbag? BEITRÄGE HAFTUNG UND AUFSICHT 29 CB-BEITRAG Franz Held, RA* D&O-Versicherung als Manager-Airbag? Manager in großen und mittelständischen Unternehmen sind nur noch bereit Organtätigkeiten zu übernehmen, wenn ausreichender D&O-Versicherungsschutz besteht. D&O-Versicherungen unterscheiden sich jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Regelungswerke und Bedingungen in mannigfaltiger Weise. Der Beitrag stellt die verschiedenen Haftungsmöglichkeiten dar und zeigt auf, welche Wirkung eine D&O-Versicherung unter welchen Voraussetzungen entfalten kann. I. Einführung Es wird behauptet, dass Unternehmensleiter nicht selten davon überzeugt seien, dass sie keine Fehler machen. Unternehmer sind wie Heiratswillige: überzeugt, von der Statistik ausgenommen zu sein. 1 Doch das größte Risiko ist ja bekanntlich das Risiko, das man (noch) nicht kennt. Und so sind die Manager in Deutschland vom Sensibilisierungsgrad tatsächlich wohl bereits deutlich weiter als Heiratswillige. Denn Manager (Geschäftsführer und Vorstände), aber auch Aufsichtsräte und Beiräte, tragen in Deutschland nicht nur eine große Verantwortung für ihre Unternehmen, sie sind auch dem steigenden Risiko ausgesetzt, bei Fehlentscheidungen bzw. Pflichtenverstößen mit ihrem gesamten Privatvermögen haften zu müssen. Das Arbeitsumfeld von Unternehmensleitern wird immer schwieriger. Die Gesetzesentwicklung sowohl in Deutschland als auch international sowie die gestiegene Anspruchsmentalität führen zu einem verschärften Haftungsumfeld für Manager 2 Die persönliche Haftung von Managern und deren Absicherung durch eine D&O-Versicherung hat deshalb sehr große Bedeutung erlangt, da heutzutage kaum noch ein Manager bereit ist, ohne adäquaten D&O-Versicherungsschutz die jeweilige Organtätigkeit zu übernehmen. Dies gilt nicht nur für die Top-Unternehmen in Deutschland, sondern zusehends auch für mittelständische Gesellschaften, deren Geschäftsführer laut den Erkenntnissen einer Umfrage wohl bereits zu zwei Dritteln über eine D&O-Police abgesichert sind. 3 Doch was heißt das genau? Da jeder D&O-Anbieter über ein eigenes Bedingungswerk ergänzt durch eine Vielzahl sog. Besonderer Vereinbarungen verfügt, wird bei der Thematisierung der D&O-Versicherung wegen mangelnder Differenzierung nicht selten über Äpfel und Birnen gesprochen. So kann sich der Manager bspw. persönlich mit einer individuellen D&O-Versicherung oder aber als versicherte Person im Rahmen einer Unternehmens- D&O-Deckung absichern (lassen). Während die persönliche D&O- Deckung durch den einzelnen Manager üblicherweise nur dann eingekauft wird, wenn er aus dem Unternehmen ausscheidet oder aber kein oder kein ausreichender Versicherungsschutz über das Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, stellt die Unternehmens- D&O nach wie vor den überwiegend nachgefragten Versicherungsschutz zur Absicherung von Managerhaftungsrisiken dar. Dabei ist das Unternehmen Versicherungsnehmer und Prämienschuldner, die Rechte aus dem Vertrag stehen jedoch sämtlichen Managern der von der Versicherungsdeckung umfassten (Konzern-)Gesellschaften zu. Die folgende Darstellung soll bestehende Missverständnisse ausräumen und einen aktuellen Überblick zum Thema Managerhaftung und Schutz durch eine D&O-Versicherung geben, wobei die grundsätzlichen Feststellungen für beide Formen der D&O-Versicherung gelten. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, einen Manager in Anspruch zu nehmen. Der häufigste Anwendungsfall der Inanspruchnahme eines Managers ist die sog. Innenhaftung. Dabei nimmt die Gesellschaft selbst ihren jeweiligen Manager auf Schadensersatz in Anspruch, weil er ihr gegenüber seine Pflichten aus dem Anstellungsvertrag und/ oder seiner Organstellung verletzt hat. Daneben besteht auch eine Organhaftung gegenüber Dritten, die sich in der Praxis aber deutlich weniger und überwiegend nur dann realisiert, wenn sich das Unternehmen in einer wirtschaftlichen Schieflage befindet und dann z. B. Finanzbehörden oder Sozialversicherungsträger Ansprüche stellen. Bei beiden Varianten der Inanspruchnahme greift die Absicherung über eine D&O-Deckung. Die D&O-Versicherung schützt also das Privatvermögen von Managern für den Fall, dass sie wegen einer in ihrer jeweiligen Organtätigkeit begangenen Pflichtverletzung für den daraus resultierenden Vermögensschaden von dem eigenen Unternehmen oder von Dritten persönlich in Anspruch genommen werden. Einfach formuliert handelt es sich um eine Berufshaftpflichtversicherung für Manager. D&O-Policen entsprechen damit dem Interesse der Manager an der Wahrung der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung. Ist die D&O-Versicherung also der Manager-Airbag? II. Haftung gegenüber der Gesellschaft Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen normiert die Pflichten, die mit der Tätigkeit eines Managers verbunden sind. Maßgeblich für deren * Der Autor gibt ausschließlich seine persönliche Meinung wieder. 1 Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens, 2011, S. 14. 2 Im Interview: Dr. Stefan Sigulla, BJU Sonderedition Gesellschaftsrecht 2013, S. 30 f. 3 VOV Umfrage (Managerhaftung & D&O-Versicherung).

30 BEITRÄGE HAFTUNG UND AUFSICHT Held, D&O-Versicherung als Manager-Airbag? Haftung gegenüber ihrer eigenen Gesellschaft ist der Generaltatbestand des 43 GmbHG bzw. 93 AktG. Danach hat der jeweilige Manager die Sorgfalt eines ordentlichen (und gewissenhaften) Geschäftsleiters anzuwenden. Das verpflichtet ihn, zum Vorteil der Gesellschaft zu handeln und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Problematisch dabei ist die Abgrenzung des für die täglichen Entscheidungen anzuwendenden Ermessensspielraumes einerseits bis zu den hierdurch verursachten Formen des Missmanagements andererseits. Jeder Manager kennt die Situation, dass er auch bewusst einmal Risiken eingehen muss, um den entscheidenden Schritt weiterzukommen. Somit gehören zu jeder unternehmerischen Tätigkeit notwendigerweise Risiken. Neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken sind Manager grundsätzlich auch der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen ausgesetzt, Um Manager in diesen Fällen nicht automatisch haftbar zu machen, hat die Rechtsprechung Kriterien herausgestellt, wann eine Haftung ausgeschlossen sein soll und wann eine solche durchgreifen kann. Im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht wurde in diesem Zusammenhang die sog. Business Judgment Rule entwickelt, deren Regelungen teilweise auf das deutsche Recht übertragen wurden. Der mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) am 1.11.2005 eingeführte 93 Abs. 1 S. 2 AktG trägt diesem Umstand bei Aktiengesellschaften mit folgender Formulierung ausdrücklich Rechnung: (1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. (2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei dem Merkmal der Pflichtverletzung bewusst auch eine subjektive Komponente berücksichtigen möchte. Die Grenzen des unternehmerischen Ermessens sind allerdings dann überschritten, wenn durch das Verhalten des Managers gleichzeitig auch Gesetzesverstöße begangen oder grundsätzliche betriebswirtschaftliche Regeln außer Acht gelassen werden. Dabei kommt es nicht auf die individuellen Fähigkeiten an, sondern allein auf die konkrete Tätigkeit. In diesem Zusammenhang sind Faktoren wie z. B. die jeweilige Branche oder die Unternehmensgröße zu berücksichtigen. Der betroffene Manager kann sich demzufolge keineswegs mit dem Argument entlasten, er sei der konkreten Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Der Grat zwischen einer erlaubten Ausnutzung des unternehmerischen Ermessensspielraums und einer Pflichtverletzung ist schmal und nur im Einzelfall genau zu definieren. Klare Grenzen, wann der grüne Bereich verlassen wird, kennt der Manager somit nicht. Im Streitfall liegt die Beweislast immer bei ihm. In der Praxis ist eine Entlastung nur möglich, wenn auf Zeugen verwiesen oder Unterlagen wie Niederschriften von Gesprächen, Protokolle der Gesellschafterversammlungen etc. vorgelegt werden können. Eine saubere Dokumentation sollte deshalb oberste Priorität haben. Selbst bei einer Ressortaufteilung haften die jeweiligen Manager, und zwar gesamtschuldnerisch, sofern die konkreten Pflichten nicht delegiert werden konnten und somit in der Gesamtverantwortung des Gremiums stehen. Bei nicht ressortführenden Managern wandelt sich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung in eine Überwachungspflicht, für die insbesondere in Krisensituationen strenge Maßstäbe gelten. In einem solchen Fall kann bereits die fehlerhafte Überwachung eine Haftungsvoraussetzung sein. Haftungskritisch ist auch, wenn ein Manager weitere Organfunktionen in ausländischen Tochterunternehmen der Gesellschaft wahrnimmt. In diesem Fall bewegt er sich in einer vom deutschen Recht oftmals wesentlich abweichenden Rechtsordnung und wird zumeist nicht in der Lage sein, seine Haftungsrisiken realistisch abzuschätzen. Die gute Nachricht sei an dieser Stelle vorweg genommen: Der D&O-Versicherungsschutz gilt grundsätzlich weltweit, so dass auch Organtätigkeiten bei mitversicherten Auslandstöchtern in den Schutzbereich fallen. Falls Treue- und Überwachungspflichten schuldhaft verletzt worden sind, kann das Unternehmen sogar auch Aufsichtsratsmitglieder schadenersatzpflichtig machen. Da die Mitglieder des Aufsichtsrates zur Vermeidung von Pflichtenverstößen Risiken frühzeitig erkennen sollten, empfiehlt sich die Einrichtung eines Risikoüberwachungssystems im jeweiligen Unternehmen. Ferner sollten Aufsichtsratsmitglieder immer für eine angemessene Informationsgrundlage als Grundlage der zu treffenden Entscheidungen sorgen, alle Entscheidungen auffindbar dokumentieren und regelmäßige Compliance-Checks im Unternehmen durchführen. Denn anderenfalls können sich auch die Mitglieder von Aufsichtsräten wie das Mitglied eines Führungsgremiums einer persönlichen Haftung aussetzen. Verletzen Aufsichtsratsmitglieder also ihre Pflichten schuldhaft, wobei Fahrlässigkeit bereits ausreichend sein kann, so haften sie bspw. gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) für einen etwaigen Schaden wie ein Vorstand bzw. ein Geschäftsführer. Einschlägige Rechtsvorschrift ist 116 AktG, die sich wiederum auf 93 als Generaltatbestand der Haftung von Vorstandsmitgliedern (Parallelvorschrift für die Geschäftsführerhaftung ist 43 GmbHG) bezieht. III. Haftung gegenüber Dritten Die Manager können des Weiteren auch von Dritten (Finanzamt, Sozialversicherungsträger, Vertragspartner) haftbar gemacht werden, wenn sie ihre Pflichten als Unternehmensleiter verletzen und hierdurch bei diesen Dritten einen Schaden verursachen. Zentrale Anspruchsnormen dieser sog. Außenhaftung sind die 823 ff. BGB. Nach 823 Abs. 2 S. 1 BGB ist zum Schadenersatz verpflichtet, wer gegen ein Gesetz verstößt, welches einen Dritten schützen soll. Solche Schutzgesetze sind bspw. Strafvorschriften wie 263 (Betrug), 266 StGB (Untreue) und Insolvenzstraftaten gem. 283 ff. StGB. Bedeutung bei der Außenhaftung haben die Fälle der Nichtabführung von Steuern gem. 69 AO i. V. m. 34 AO. Persönlich haften Manager außerdem, wenn sie dem Sozialversicherungsträger nach Maßgabe des 823 Abs. 2 BGB i. V. m. 266 a StGB Arbeitnehmerbeiträge vorenthalten. Die Außenhaftung stellt trotz des im Verhältnis zu den Innenansprüchen deutlich geringeren Verwirklichungsgrades ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Da der Manager als ausführendes Organ unmittelbar mit Wirkung nach außen hin tätig wird, ist er dem permanenten Risiko ausgesetzt, in die Rechte Dritter einzugreifen, wofür er entsprechend haftbar gemacht werden kann. In der D&O- Schadenpraxis betreffen jedoch weit mehr als 80 % der Schadenfälle die Innenhaftung.

Held, D&O-Versicherung als Manager-Airbag? BEITRÄGE HAFTUNG UND AUFSICHT 31 IV. Wirkung der D&O-Versicherung Die D&O-Versicherung wurde ursprünglich für den US-amerikanischen Markt entwickelt. D&O steht als Abkürzung für Directors and Officers die Unternehmensleitung angloamerikanischer Kapitalgesellschaften. In Deutschland gab es bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts erste Überlegungen, eine Haftpflichtversicherung für Aufsichtsräte anzubieten. Die Einführung scheiterte jedoch an dem damals vorherrschenden Rechtsempfinden. 4 In Deutschland haben sich D&O-Versicherungen zur Absicherung von Haftungsrisiken der Führungs- und Aufsichtsorgane jedenfalls erst gegen Mitte der 1990er-Jahre durchgesetzt. Die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen zeigen, wie wichtig entsprechend guter Versicherungsschutz ist, sodass die Nachfrage nach D&O-Versicherungen in den letzten Jahren auch angehalten hat. Konkret übernimmt die D&O-Versicherung die Deckungsprüfung, die Kosten der qualifizierten Schadenabwehr bei unberechtigten Ansprüchen und sofern der Anspruch berechtigt ist die aufgrund der Pflichtverletzung zu leistende Schadenersatzzahlung. Dabei hat die D&O-Versicherung auch eine Bilanzschutzfunktion für das Unternehmen, da gerade bei summenmäßig hohen Ansprüchen mit dem Versicherer ein leistungsstarker Partner zur Seite steht. In der Praxis werden die meisten D&O-Schadenfälle durch eine vergleichsweise Einigung beigelegt. Das ist i. d. R. nicht nur für den betroffenen Manager als versicherte Person, sondern auch für die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und in manchen Fällen sogar für den Versicherer von Vorteil. Auf diese Weise wird oftmals eine Ausweitung des Verfahrens auf andere Verantwortliche wie Mitglieder des Aufsichtsrates/ Beirates oder Geschäftsführungs-/ Vorstandskollegen verhindert. Ebenso kann eine oftmals ungewollte Öffentlichkeitswirkung vermieden und damit evtl. Reputationsverlusten entgegengewirkt werden. V. Prämien und Versicherungssumme Die Prämienhöhe hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, z. B. von der Branche, der Deckungssumme, der Beteiligungsstruktur, Abhängigkeiten zu anderen Gesellschaften, etwaigen USA-Geschäften usw. Die vom Versicherer angebotene Höhe der Deckungssumme hängt neben der Wirtschafts- und Ertragslage auch von der Bilanzsumme und der Eigenkapitalausstattung der Versicherungsnehmerin ab. VI. Der Fragebogen als Bestandsteil der D&O-Versicherung Der ausgefüllte Fragebogen sowie mögliche Anlagen sind für die D&O-Versicherer grundlegender Bestandteil einer Risikoprüfung. Sie bilden die Basis einer D&O-Versicherung. Kommt der Versicherungsvertrag zustande, werden die in dem Fragebogen und eventuellen Anlagen gemachten Angaben zum Bestandteil des Versicherungsvertrages und gelten als vorvertragliche Angaben i. S. d. 19 ff. Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Allein schon deswegen ist es ratsam, die Fragen sehr sorgfältig zu lesen und auszufüllen. In der Regel werden in einem Fragebogen neben allgemeinen Fragen spezifische Angaben zu Beteiligungsverhältnissen, zur wirtschaftlichen Situation und zu Vorversicherungen der Versicherungsnehmer abgefragt. Da derjenige, der den Fragebogen unterzeichnet, möglicherweise nicht weiß, ob z. B. Organmitglieder von Tochterunternehmen Kenntnisse in Bezug auf mögliche Schadenfälle oder Pflichtverletzungen haben, sollte in dem Fragebogen ein Satz mit folgender oder ähnlicher Formulierung aufgenommen werden: Abweichend von 47 Abs. 1 VVG wird der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin hinsichtlich der in diesem Fragebogen gemachten Angaben ausschließlich die Kenntnis folgender versicherter Personen zugerechnet: Vorsitzende/ r des Aufsichtsrats oder Beirats, Sprecher/ in des Vorstands bzw. der Geschäftsführung, Alleinvorstand/ Alleingeschäftsführer/ in, Finanzvorstand/ Geschäftsführer/ in Ressort Finanzen und/ oder Leiter/ in der Rechtsund/ oder Versicherungsabteilung. VII. D&O-Versicherungsbedingungen D&O-Versicherungen bieten oft maßgeschneiderten Versicherungsschutz. Das bedeutet, es gibt große Unterschiede bei den auf dem deutschen Markt angebotenen Policen. Anders als bei den meisten anderen Versicherungszweigen kann wie bereits gesagt nicht von einem einheitlichen Bedingungswerk ausgegangen werden, d. h. Begrifflichkeiten und deren genaue Bedeutungen können variieren. Hinzu kommt, dass die D&O-Versicherer bei der Gestaltung des Umfangs des Versicherungsschutzes dem Vertragswerk neben den Allgemeinen Bedingungen üblicherweise auch sog. Besondere Vereinbarungen zugrunde legen. Hier steckt der Teufel meist im Detail, denn die Besonderheiten des jeweiligen Bedingungswerkes und natürlich die Art und Weise der Schadenbearbeitung bestimmen maßgeblich den Wert einer D&O-Deckung. Hier gilt unter Transparenzaspekten zweifellos: Weniger ist manchmal mehr. Es ist geradezu kontraproduktiv, wesentliche Teile der Versicherungssumme für nicht bedarfsgerechte Deckungserweiterungen (z. B. Medikamententransport in die Untersuchungshaft) oder für einen oft uferlos anmutenden Kreis versicherter Personen aufzuzehren. Dies macht deutlich, dass eine intensive Auseinandersetzung mit den Deckungsinhalten einer D&O- Versicherung zwingend erforderlich ist und dass sich deshalb jeder Manager persönlich um den für ihn jeweils optimalen Versicherungsschutz bemühen und sich idealerweise auch in weitestgehend konkretisierter Form dienstvertraglich zusichern lassen sollte. Grundsätzlich wird im Rahmen einer Unternehmens-D&O die gesamte Unternehmensleitung versichert, was der gesamtschuldnerischen Haftungssituation bei Pflichtverletzungen von Organmitgliedern entspricht. Darüber hinaus ist auch die Mitversicherung von Prokuristen und leitenden Angestellten üblich geworden. Da leitende Angestellte nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung jedoch grundsätzlich haftungsprivilegiert sind, empfiehlt sich i. S. d. Schutzzweckes einer D&O-Versicherung eine klare Abgrenzung. Als praktikable Lösung hat sich erwiesen, alle Arbeitnehmer mitzuversichern, die eine faktische Organfunktion wahrnehmen und wie Organmitglieder haften. Ebenso ist heutzutage z. B. die Mitversicherung des Compliance Officers möglich. 5 4 Plück/ Lattwein, Haftungsrisiken für Manager Deckungskonzepte und Praxisbeispiele für Geschäftsführer und Vorstände; Teil B 1., 2. Aufl. 2004, S. 187 ff. 5 S. auch Held, CCZ 2009, 231 f.

32 BEITRÄGE HAFTUNG UND AUFSICHT Held, D&O-Versicherung als Manager-Airbag? Bedeutsam ist auch die Mitversicherung von sog. Fremdmandaten. Hierbei handelt es sich v. a. um Aufsichtsratsmandate, die versicherte Personen im Interesse oder auf Weisung der Versicherungsnehmerin bei dritten Unternehmen wahrnehmen. VIII. Versicherungsfall und Claims-Made-Prinzip Versicherungsfall ist die erstmalige schriftliche Geltendmachung eines Haftpflichtanspruches gegen einen versicherten Manager während der Laufzeit des Versicherungsvertrages aufgrund einer (tatsächlichen oder behaupteten) Pflichtverletzung, die zu einem Vermögensschaden geführt hat. Es gilt also das Claims-Made-Prinzip. Folglich muss sowohl die Pflichtverletzung als auch die Anspruchserhebung im versicherten Zeitraum erfolgen. Die strikte Auslegung dieses Prinzips hätte zur Konsequenz, dass einerseits Anspruchserhebungen von während der Vertragsdauer erfolgten Pflichtverletzungen nach Ablauf des Vertrages nicht versichert wären und andererseits auch während der Vertragsdauer erfolgte Anspruchserhebungen für vor Vertragsbeginn begangene Pflichtenverstöße nicht gedeckt wären. Um diesen möglichen Deckungslücken entgegenzuwirken, sehen die meisten D&O- Policen in Deutschland sowohl eine Rückwärtsversicherung, als auch eine Nachhaftungsregelung vor. Mit der Regelung zur Rückwärtsversicherung umfasst der Versicherungsschutz frei von bekannten Pflichtverletzungen auch Versicherungsfälle aufgrund von Pflichtverletzungen vor Vertragsbeginn und es wird vor dem Hintergrund des angewandten Claims-Made- Prinzips somit nur noch auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des jeweiligen Schadenersatzanspruchs abgestellt. Ohne die Gewährung einer Nachmeldefrist wären sämtliche Ansprüche, die nach Vertragsbeendigung erhoben würden, nicht im Versicherungsschutz eingeschlossen. Da Pflichtverletzungen aber selten zeitnah eine Anspruchserhebung nach sich ziehen, sondern i. d. R. erst einige Zeit später evident werden, würde sich die strikte Anwendung des Claims-Made-Prinzips als sehr nachteilig darstellen. Als Korrektiv sollten die D&O-Bedingungswerke deshalb eine (unverfallbare) Nachmeldefrist-Regelung von mindestens 3 Jahren aufweisen. IX. Versicherungsausschlüsse Den Ausschlüssen kommt gemeinsam mit den Besonderen Vereinbarungen erhebliche Bedeutung zu, da sie den Umfang des Versicherungsschutzes bestimmen. Die Beweislast für einen etwaigen Ausschlusstatbestand trägt grundsätzlich der Versicherer. Nicht vom Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung erfasst sind grundsätzlich solche Schäden, die durch vorsätzliche bzw. wissentliche Pflichtverletzungen verursacht worden sind. Es handelt sich hierbei um den zentralen Ausschlusstatbestand von D&O-Deckungen. Die Erfahrungen in jüngeren D&O-Verfahren hat aber gezeigt, dass nicht selten der Versuch unternommen wird, klar wissentliche/ vorsatzträchtige Pflichtverletzungen im Rahmen von Fahrlässigkeitsvorwürfen gegen die Organe geltend zu machen, die es dann unterlassen haben sollen, ein hinreichend effizientes Compliance-System zu schaffen. 6 Hier wird mehr als deutlich, welchen Herausforderungen ein D&O-Schadenmanager heutzutage ausgesetzt ist. Ebenso vom Versicherungsschutz ausgenommen sind üblicherweise Ansprüche aufgrund oder in Folge von Geldstrafen und Geldbußen, wobei ein hieraus resultierender Innenregress zum Teil wieder Gegenstand der Deckung sein kann. Bedeutung kommt noch dem Dienstleistungsausschluss zu. Dieser Ausschluss dient der klarstellenden Abgrenzung der operativen Tätigkeit zur versicherten organschaftlichen Tätigkeit, wobei Fälle des Auswahl-, Überwachungs- und Organisationsverschuldens dann wiederum ausdrücklich der Deckung zugeordnet werden. Soweit es vertretbar erscheint, sollte der Katalog an Ausschlüssen in D&O-Verträgen überschaubar bleiben und sich grundsätzlich auf die Ausschlusstatbestände der jeweiligen Allgemeinen Bedingungen der einzelnen Versicherer beschränken. X. Obliegenheits- und Anzeigepflichten Während der Vertragsdauer spielen insbesondere die Obliegenheitsund Anzeigepflichten der Versicherungsnehmerin eine wichtige Rolle, denn eine Verletzung dieser Vertragspflichten kann u. U. zum Verlust der Versicherungsdeckung führen. Diese Pflichten sind in den Bedingungen der verschiedenen D&O-Versicherer unterschiedlich geregelt. Häufig wird der Versicherungsnehmerin die Verpflichtung auferlegt, möglicherweise haftungsbegründende Sachverhalte oder Gefahrerhöhungen bereits in einem sehr frühen Stadium zu schildern. Dazu können etwa ein Börsengang (IPO) oder die Änderung des Gesellschaftszweckes gehören. Zudem sind dem D&O-Versicherer üblicherweise eingeleitete Ermittlungsverfahren oder Strafbefehlsverfahren, die den Ersatz eines Vermögensschadens zum Gegenstand haben (können), zu melden. Wird eine dem Versicherer gegenüber zu erfüllende Obliegenheit verletzt, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung aber nur dann frei, wenn die Verletzung auf Vorsatz beruht. Vorsatz führt zum Verlust des Versicherungsschutzes, grobe Fahrlässigkeit zu einer Quotelung des Versicherungsanspruchs (Kürzung des Leistungsanspruchs um einen dem Verschulden angemessenen Prozentsatz), leichte Fahrlässigkeit hingegen kann den Versicherungsschutz nicht mindern. Hinzu kommt, dass die Versicherungsnehmerin bzw. die versicherte Person vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung nur gegen sich gelten lassen muss, wenn sie bzw. er zuvor vom Versicherer entsprechend belehrt worden ist. Hat die versicherte Person ihre Obliegenheiten dadurch verletzt, dass sie den Versicherer über erhebliche Umstände arglistig täuschte, so verliert sie üblicherweise sämtliche Ansprüche auf Deckung aus diesem Versicherungsfall. XI. Pro und Contra D&O-Versicherung Die Natur scheint sich nicht groß zu kümmern, ob unsere Entscheidungen perfekt sind oder nicht, solange wir uns einigermaßen sicher durchs Leben manövrieren und solange wir aufpassen, wenn es um die Wurst geht. 7 Dennoch gibt es in Deutschland jedes Jahr mehr 6 Lenz, in: van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 5. Aufl. 2012, 26 Rn. 142. 7 Dobelli, Die Kunst des klaren Denkens, 2011, S. 220.

Held, D&O-Versicherung als Manager-Airbag? BEITRÄGE HAFTUNG UND AUFSICHT 33 als 10 000 Schadenersatzansprüche allein gegen GmbH-Geschäftsführer. In der Praxis sind überwiegend die sog. Innenhaftungsansprüche, also Ansprüche des eigenen Unternehmens gegen das jeweilige Organmitglied, mit mehr als 80 % aller D&O-Schadenfälle, einschlägig. Und hier gibt es auch schon das erste Contra : Im Klartext: Der Versicherungsnehmer (die Gesellschaft) zahlt eine Prämie dafür, dass ihm in der Mehrzahl der Fälle die Durchsetzung seiner Ansprüche erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht wird. ( ) Eine Versicherung, mit der ein Versicherungsnehmer sich Erschwernis bei der Durchsetzung seiner Ansprüche, also einen wirtschaftlichen Nachteil erkauft, ist auf jeden Fall ein Unding, aus psychiatrischer Sicht eine unspezifische Perversion mit stark masochistischem Einschlag. 8 Als Gegenargument lässt sich anführen, dass sich auch ohne das Bestehen einer D&O-Versicherung jeder auch im Innenverhältnis in Anspruch genommene Manager beinahe instinktiv gegen die Vorwürfe verteidigen will und dass er diese Abwehr auch unter Zuhilfenahme entsprechender anwaltlicher Expertise voranbringen wird. Insofern erkauft sich das Unternehmen also gerade keinen Nachteil, mal davon abgesehen, dass heutzutage viele Manager ihr Tätigwerden von einem dienstvertraglich vereinbarten Anspruch auf D&O-Versicherungsschutz abhängig machen. Hinzu kommt der bereits erwähnte Bilanzschutz-Aspekt für die Gesellschaft, der sicherlich einen großen Vorteil für das Unternehmen bringt. Die versicherungsnehmende Gesellschaft hat somit ein eigenes Interesse am Abschluss einer D&O-Versicherung denn Die D&O- Versicherung nimmt der Gesellschaft das Risiko einer Insolvenz der versicherten Person (Manager) ab. 9 So ist die D&O-Versicherung mit Recht als konstitutives Element zur Sicherung unternehmerischer Handlungsfreiheit bezeichnet worden. Ein weiterer oft geäußerter Kritikpunkt ist der, dass die D&O-Versicherer im Schadenfall angeblich nur selten zahlen würden. Wie bereits ausgeführt, ist eine wesentliche Leistungskomponente von D&O-Policen die Abwehr unberechtigter Ansprüche. Und da eine qualifizierte Abwehr selbstredend nur durch hochspezialisierte Rechtsanwälte erfolgen kann, können je nach Komplexität der Schadensache ganz schnell bereits einige hunderttausend Euro nur an Abwehrkosten auflaufen die der D&O-Versicherer zahlt! Hinzu kommt, dass der überwiegende Teil an D&O-Schadenfällen (außergerichtlich) vergleichsweise erledigt werden kann. Wie ebenfalls bereits ausgeführt, ist ein solches Vorgehen in den meisten Fällen sach- und interessengerecht und geschieht vor dem Hintergrund der Vermeidung einer Eskalation der jeweiligen Angelegenheit. Die Kehrseite dieses Vorgehens ist aber, dass die meisten so getätigten Vergleichszahlungen nicht medienwirksam in Szene gesetzt werden, sondern der Sache geschuldet im Gegenteil meist sehr vertraulich und diskret behandelt werden. Schließlich gibt es noch den Vorwurf, dass ohne das Bestehen einer D&O-Versicherung viele Inanspruchnahmen gar nicht erst erfolgen würden also Deckung schafft Haftung! Dieser Kritikpunkt greift sehr kurz. Denn im Zusammenhang mit der Haftung und Inanspruchnahme von Aufsichtsratsmitgliedern war das sog. ARAG/ Garmenbeck-Urteil (BGHZ 135, 244) einschneidend. Der Aufsichtsrat hatte hier den Entschluss gefasst, keine Schadenersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, obwohl in diesem Fall große Aussicht auf Erfolg bestanden hatte. Der BGH erkannte hierin eine Pflichtverletzung, weil der Aufsichtsrat nach entsprechender Prüfung zur Durchsetzung der Haftpflichtansprüche gegenüber dem Vorstand verpflichtet ist und hat somit für derartige Sachverhalte die Voraussetzungen einer entsprechenden Reduzierung des Ermessens festgestellt. Lediglich dann, wenn gewichtige Gründe des Unternehmenswohls entgegenstehen, kann der Aufsichtsrat ausnahmsweise von einer Geltendmachung von Ansprüchen absehen. Dies zeigt bereits mehr als deutlich, dass die strengen Haftungsvoraussetzungen der Managerhaftung in Deutschland durch Gesetzgebung und Rechtsprechung und nicht durch das Vorhandensein von D&O-Versicherungsschutz geprägt sind. Auffällig ist lediglich so manches Vorgehen von Insolvenzverwaltern. Hier kann ab und an schon der Eindruck entstehen, dass die bei einer Unternehmensinsolvenz durch den Verwalter erhobenen Ansprüche im Falle des Bestehens einer D&O-Versicherung hinsichtlich der Forderungshöhe sportlicher ausfallen dies hat dann häufig den nachteiligen Nebeneffekt, dass eine evtl. objektiv vorhandene sachund interessengerechte Vergleichsmöglichkeit deutlich erschwert wird. XII. Der D&O-Schadenfall Der Zweck der D&O-Versicherung besteht darin, dem von einem Haftpflichtvorwurf betroffenen Organmitglied nach Maßgabe des Versicherungsvertrags zur Seite zu stehen. Das geschieht im Wesentlichen, indem der Versicherer zunächst eine Deckungsprüfung vornimmt und dann, soweit Deckung besteht, entweder den Haftpflichtanspruch für die versicherte(n) Person(en) abwehrt oder die Haftpflichtforderung des Geschädigten ausgleicht. Die unter einer D&O-Police versicherten Manager sollten sich deshalb rechtzeitig eine Vertragskopie der jeweils gültigen D&O-Versicherung aushändigen lassen spätestens jedoch mit ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft. Wenn der Versicherer dem Manager zur Seite steht und ihn bei Innenhaftungsansprüchen sogar gegen sein Unternehmen verteidigt, hat das nicht zur Konsequenz, dass Versicherer und Unternehmen sich im Haftpflichtfall bekämpfen müssen. Denn der Versicherer sollte zunächst versuchen, zwischen den streitigen Parteien zu vermitteln, um eine letztlich einvernehmliche Beilegung der Auseinandersetzung zu erreichen. In solchen Konflikten kommt dem Versicherer eine Mediationsfunktion zu. 10 Vor allem diese Vermittlungsfunktion des D&O-Versicherers macht es notwendig, dass der Schadenmanager auch Möglichkeiten des alternativen Konfliktmanagements kennt und beherrscht, um ggf. unter Einschaltung von Schlichtern und Mediatoren zu einem interessengerechten Ergebnis zu gelangen. D&O-Schadenfälle sind zumeist sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht komplexe und interessante Sachverhalte, die in Abhängigkeit von der jeweils opportunen Verteidigungsstrategie geführt werden müssen. In der Praxis haben sich ein schnelles Reagieren und eine pro-aktive Schadenbearbeitung als erfolgversprechend herausgestellt, da hierdurch einer Eskalation des Falles frühzeitig entgegengewirkt werden kann. Dies gilt umso mehr, wenn neben der Haftungsinanspruchnahme auch noch strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden sind. Hier kann ein entsprechendes Vorgehen des D&O-Versicherers u. U. sogar zugunsten der betroffenen versicher- 8 Peltzer, in: Aderhold u. a. (Hrsg.), FS Westermann, 2008, S. 1257, 1268. 9 OLG München, 25.4.2005 25 U 3940/04, AG 2005, 817. 10 Lange, in: Veith/ Gräfe, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, 16 Rn. 251.

34 BEITRÄGE HAFTUNG UND AUFSICHT Held, D&O-Versicherung als Manager-Airbag? ten Person positive Wirkung auf den Fortgang des Strafverfahrens haben. Was dem Versicherer mit einer Schadenanzeige gemeldet wird, ist zunächst meistens sehr überschaubar. Nach Erhalt einer Schadenanzeige besorgt sich der Versicherer deshalb meist selbst die Informationen, die er zur Schadenbearbeitung benötigt. Zu diesem Zweck wendet er sich an den bzw. die betroffenen Manager als versicherte Person(en) und an das versicherungsnehmende Unternehmen, ggf. den Drittanspruchsteller. Da er von allen Beteiligten derjenige ist, der den Sachverhalt am Wenigsten kennt, ist die ständige Kommunikation mit sämtlichen Beteiligten erforderlich, um die versicherungsvertraglichen Aufgaben erfüllen zu können. In diesem Zusammenhang ist es oftmals von Vorteil, wenn der Versicherer in der Lage ist, sog. Interessendiagramme zu erstellen, um die Rollen der Beteiligten besser einschätzen zu können. Auch möglicherweise hochschießende Emotionen können hierdurch im Einzelfall voraussehbarer sein, wodurch dann wiederum einer Eskalation frühzeitig entgegengewirkt werden kann. Erfahrungsgemäß benötigt die Ermittlung des relevanten Sachverhalts nicht wenig Zeit. Die Praxis zeigt, dass am Ende der Sachverhaltsermittlung nahezu kein Haftpflichtanspruch genau so berechtigt ist, wie er erhoben wird. So ist auch nicht jede Vermögenseinbuße, die ein Unternehmen erleidet, ein im Rahmen der Managerhaftung ersatzpflichtiger Schaden. Häufiger Auslöser für Versicherungsfälle sind Trennungssituationen. Hier hat der ausscheidende bzw. bereits ausgeschiedene Manager das Problem, dass er keine Kontrolle mehr über das Schicksal des D&O-Vertrages hat. Wegen der dargestellten Geltung des Claims- Made-Prinzips steht für potentielle Pflichtverletzungen der Vergangenheit die zum Zeitpunkt der entsprechenden Auslösung des Versicherungsfalls bestehende Versicherungssumme zur Verfügung. Sollte das Unternehmen also nach dem Ausscheiden nur noch über einen bedingungs- und/ oder summenseitig eingeschränkten Versicherungsschutz für seine Manager verfügen, so könnte dies zu Deckungslücken führen, über die der ausscheidende Manager üblicherweise gar nicht mehr informiert würde. Um also nach dem ordentlichen Ausscheiden auch weiterhin ruhig schlafen zu können, sollte der Manager sich über entsprechende Angebote für eine auf diese Fälle zugeschnittene höchstpersönliche Absicherung im Rahmen einer Individualpolice mit einer eigenen Versicherungssumme informieren. XIII. Deckungsklagen Deckungsklagen gegen D&O-Versicherer kommen relativ selten vor. Das liegt daran, dass Deckungsablehnungen von erfahrenen Versicherern nur ausgesprochen werden, wenn sich der Versicherer hundertprozentig sicher ist. In der veröffentlichten Meinung wird zwar bisweilen ein negatives Bild der D&O-Versicherung gezeichnet, indem behauptet wird, dass Deckungen verweigert oder Regulierungen verschleppt würden. In der Regel wird aber verkannt, dass eine Hauptleistung des Versicherers in der Abwehr von Haftpflichtansprüchen besteht und viele D&O-Schadenfälle, wie bereits unter Pro und Contra ausgeführt, vergleichsweise erledigt werden können. Immer von Vorteil ist aber sicherlich eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem gut ausgewählten Versicherer. Als Hilfestellung bei der richtigen Wahl des D&O-Versicherers empfiehlt sich folgender Kurz-Leitfaden: Ist das Bedingungswerk transparent und verständlich gibt es keine versteckten Ausschlüsse? Lassen sich die Bedingungen auf den individuellen Bedarf anpassen? Habe ich einen festen Ansprechpartner bei meinem D&O-Anbieter? Gilt das auch für den Schadenfall? Verfügt der D&O-Anbieter über ausreichende eigene Expertise um stets auf Augenhöhe zu sein? Werden die Abwehrkosten auch dann übernommen, wenn der Haftpflichtanspruch die Deckungssumme übersteigt? Werden vorläufige Abwehrkosten auch dann übernommen, wenn der konkrete Vorwurf Vorsatz bzw. einen wissentlichen Pflichtenverstoß beinhaltet? Bleibt der D&O-Versicherungsschutz auch bei einem Eigentümerwechsel des Unternehmens (change of control) erhalten? Werde ich durch meinen D&O-Anbieter regelmäßig über aktuelle Entwicklungen der Managerhaftung informiert? Werden die Bedingungen stets aktuell gehalten? XIV. Fazit Der Airbag ist kein Ersatz für den Sicherheitsgurt, sondern nur eine sinnvolle Ergänzung. Die Statistik zeigt, dass der Gurt weiterhin der Hauptlebensretter bei Autounfällen ist. Airbags erhöhen die Chance, einen Autounfall zu überleben, um weitere 30 % sofern die Insassen angeschnallt sind. 11 Manager sollten ihre täglichen Entscheidungen auf einer angemessenen Informationsgrundlage sorgfältig treffen und über eine Compliance-Organisation und ein Risikomanagementsystem verfügen. Dies ist mit dem Sicherheitsgurt bei KFZ vergleichbar. Tritt dennoch ein nicht vorhersehbarer Unfall ein, dann ist die D&O-Versicherung existenz- und reputationssichernd und ist in diesem Sinne sicherlich als Manager-Airbag zu verstehen. AUTOR Franz Held ist Mitglied der Geschäftsleitung des D&O-Anbieters VOV GmbH in Köln. Er ist Rechtsanwalt sowie ausgebildeter Wirtschaftsmediator (MuCDR) und zählt in Deutschland zu den D&O-Experten der ersten Stunde. Durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Vorträge gibt er sein Expertenwissen weiter. Hinweis der Redaktion: Vgl. dazu auch den Überblick zu Anbietern von D&O-Versicherungen im Service auf S. VII. 11 Quelle: Wikipedia Airbag.