Geruchs- und Lärmimmissionen durch eine Schweinemastanlage in Borstel / Anfrage zum Umweltausschuss am

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Transkript:

SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS KREISTAGSFRAKTION LANDKREIS HARBURG, GRUPPE SPD/UNABHÄNGIGER SPD-Kreistagsfraktion Lkr. Harburg, Steinbecker Str. 24, 21244 Buchholz An den Landrat des Landkreises Harburg Herrn Rainer Rempe Kreishaus 21423 Winsen (Luhe) Per E-Mail Vorsitzender/Sprecher: Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens Matthias Westermann Winsen, den 16. September 2014 Geruchs- und Lärmimmissionen durch eine Schweinemastanlage in Borstel / Anfrage zum Umweltausschuss am 18.9.2014 Ich bitte um Beantwortung der nachfolgenden Anfrage im Umweltausschuss am 18.9.2014, hilfsweise schriftlich im Nachgang zur Sitzung: 1. Wird durch den Betreiber einer Schweinemastanlage im Winsener Ortsteil Borstel hinsichtlich der von der Anlage ausgehenden Geruchs- und Lärmimmissionen das Vermeidungsgebot nach dem Stand der Technik ( 22 I 1 Nr. 1 ivm 3 VI BImSchG) eingehalten? 2. Wird bei den Geruchs- und Lärmimmissionen jeweils das Mindestmaßgebot ( 22 I 1 Nr. 2 BImSchG) eingehalten? Gibt es Messwerte? 3. Werden durch Maßnahmen des Betreibers (Filteranlagen) die Geruchsimmissionen aktuell bereits soweit reduziert, dass alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden? 4. Gibt es geeignete Filtertechnik, die eingesetzt werden kann, und in welchem Umfang kann und wird die Immissionsschutzbehörde sie nachträglich anordnen? 5. Liegen daneben Verstöße gegen das Baurecht vor? 6. Ist der Landkreis Harburg in der Angelegenheit bereits tätig geworden, und wie ist der aktuelle Sachstand? 7. Besteht Anlass für ein Einschreiten der Immissionsschutzbehörde? Hintergrund: Im Winsener Ortsteil Borstel wird in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnbebauung eine Schweinemastanlage betrieben. Anwohner klagen über massive Lärm- und vor allem Geruchsimmissionen. SPD-Kreistagsfraktion Landkreis Harburg Vorsitzender: Prof. Dr. Ahrens Steinbecker Str. 24 21244 Buchholz info@spdfraktion-lkharburg.de www.spdfraktion-lkharburg.de Telefon (04183) 3999 Fax (04183) 50661

In der Schweinemastanlage wurden nach Aussagen eines Anwohners im bisherigen Sauenstall mit Ferkelaufzucht etwa 200 Zuchtsauen mit den dazugehörenden ca. 2.000 Ferkeln gehalten. Im ersten Halbjahr 2014 soll eine Nutzungsänderung des Stalles in eine Schweinemastanlage mit einem Schweinebestand von bis zu rund 1.200 Schweinen von der Stadt Winsen als Baugenehmigungsbehörde baurechtlich genehmigt und vom Landwirt oder einem Betreiber durchgeführt worden sein. Die Baugenehmigung nach den 63, 64 NBauO ist in Niedersachsen anders als in anderen Bundesländern ohne Konzentrationswirkung hinsichtlich des Immissionsschutzrechts ausgestaltet, auch bei den nach dem BImSchG nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen. Inwieweit das baurechtliche Rücksichtnahmegebot bei der Erteilung der Baugenehmigung für die Nutzungsänderung zu prüfen war, bedürfte einer eingehenden Untersuchung. Die Baugenehmigung und ein baurechtlich möglicherweise gegebener Bestandsschutz vermögen jedenfalls mögliche Verstöße gegen das Immissionsschutzrecht schon wegen der fehlenden Konzentrationswirkung der Baugenehmigung keinesfalls zu legitimieren. Bei dem Schweinestall handelt es sich um eine sog. nicht genehmigungsbedürftige Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, für die die 22-25 BImSchG gelten. Um eine genehmigungsbedürftige Anlage nach dem BImSchG würde es sich nach 1 Abs. 1 der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung nur handeln, wenn die Werte des Anhangs 1 der 4. BImSchV erreicht oder überschritten werden. Dies sind nach Nr. 7.1.8.1 des Anhangs 1 der 4. BImSchV 560 Sauenplätze (einschließlich dazugehörender Ferkelaufzuchtplätze) bzw. nach Nr. 7.1.7.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV 1500 Mastschweinplätze. Beide Werte werden vom Betreiber unterschritten. Der Schweinestall ist gleichwohl eine immissionsschutzrechtliche Anlage nach 3 V BImSchG, und für nach dem BImSchG nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gelten immissionsschutzrechtliche Betreiberpflichten u.a. nach 22 BImSchG. Es besteht ggf. die Möglichkeit und sogar Rechtspflicht der zuständigen Immissionsschutzbehörde, bei Verstößen gegen das Immissionsschutzrecht nachträglich repressiv vorzugehen, nachträgliche Anordnungen zu treffen oder bestimmte Nutzungen zu untersagen. Sowohl die Erheblichkeitsschwelle wie auch das Mindestmaßgebot werden im Regelfall konkretisiert durch Rechtsverordnungen nach 23 I BImSchG, aber auch durch Verwaltungsvorschriften wie die TA Luft und die TA Lärm sowie durch Verwaltungsrichtlinien wie GIRL (= die Geruchs-Immissionsrichtlinie, vgl. Ministerialblatt NRW, Ausgabe 2009 Nr. 31 vom 27.11.2009, Seite 529 bis 544), ferner durch technische Regelwerke wie die VDI- Richtlinie 3894 Blatt 2, die die früheren VDI-Richtlinien 3471 und 3472 abgelöst hat. 2

Nach Aussagen von Nachbarn soll die Lärmbelästigung allein durch die Lüftungsanlage einen Pegel von 60 db (A) erreichen. Nach Nr. 4.2 in Verbindung mit Nr. 6.1.1 der TA Lärm sind bestimmte Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden einzuhalten, die abhängig vom Baugebietstyp sind. In ReGis ist für den genannten Bereich des Schweinestalls kein Bebauungsplan hinterlegt. Die vorhandene Bebauung entspricht einem Dorfgebiet i.s.d. 5 BauNVO mit einer Mischung aus Wohnnutzung und landwirtschaftlichen Betrieben. Für das westlich unmittelbar angrenzende Gebiet befindet sich der B-Plan Nr. 10 Im Ort in Aufstellung. Am 18.9.2014 soll der Planungsausschuss der Stadt Winsen (Luhe) darüber beraten, und anschließend der VA empfehlen und der Rat beschließen. Der Satzungsentwurf sieht für den südlichen Bereich an der Lüneburger Straße eine Nutzung als Dorfgebiet (MD) vor und als Folgenutzung nach Aufgabe der letzten Nutzung die Festsetzung als Allgemeines Wohngebiet (WA), für den nördlichen Bereich eine Festsetzung WA. Als textliche Festsetzung ist im Satzungsentwurf (siehe Anlage 3) vorgesehen: Innerhalb des MD 1-Gebietes sind sonstige Wohngebäude gemäß 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig, wenn eine dadurch bedingte Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung hinsichtlich der von ihr ausgehenden Lärm- und Geruchsbelastungen ausgeschlossen ist. Diese Regelung knüpft die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von neuen Wohnnutzungen an die Einhaltung des Immissionsrechts. Umgekehrt hat aber die Schweinemastanlage die Grenzwerte der TA Lärm hinsichtlich des gebietsadäquaten Immissionsniveaus einzuhalten. Nach Nr. 6.1 lit. c) und d) TA Lärm sind in Dorfgebieten tagsüber 60 db (A) zulässig, nachts 45 db (A). In allgemeinen Wohngebieten sind tagsüber 55 db (A) zulässig, nachts 40 db (A). Diese Werte muss auch die Schweinemastanlage einhalten, soweit dies mit Maßnahmen nach dem Stand der Technik möglich ist. Im Übrigen ist das Mindestmaßgebot zu beachten. Sollten wie berichtet Werte von 60 db (A) vorliegen, so wären diese zumindest nachts in Dorfgebieten und in allgemeinen Wohngebieten unzulässig. Für die Geruchsbelastung sind maßgeblich die TA Luft (analog) und die Geruchs- Immissionsrichtlinie (GIRL), ferner die VDI-Richtlinie 3894, die u.a. Methoden zur Abstandsbestimmung für die Geruchsbelästigung enthält. Nach Nr. 1 Absatz 3 TA Luft regelt die TA Luft nicht den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen, sondern diesbezüglich nur die Vorsorge. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen bestehen jedoch keine Vorsorgepflichten, vgl. 22 BImSchG. Damit ist die TA Luft hier nicht direkt anwendbar [vgl. auch VG Hannover, Beschluss vom 31.10.2012, Az.: 4 B 5501/12, Rn. 32]. In NR. 1 der GIRL heißt es: Handelt es sich um eine Tierhaltungsanlage, so kann die Genehmigungsbehörde auf die Ermittlung der Kenngrößen nach Nummer 4 verzichten 3

und das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen mit der Einhaltung des Abstandsdiagrammes (Nummer 5.4.7.1 TA Luft) begründen, sofern nicht die besonderen Umstände des Einzelfalles (z.b. besondere topografische Verhältnisse, Geruchsvorbelastung) eine andere Vorgehensweise erfordern. Bei nicht genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlagen kann in derartigen Fällen die Genehmigungsbehörde die Entscheidung auf die Einhaltung der Abstände nach den entsprechenden Richtlinien VDI 3471 (1986) und VDI 3472 (1986) gründen. Nach GIRL kann demnach im Regelfall, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, auf die Mindestabstandskurve nach Nr. 5.4.7.1 der TA Luft zurückgegriffen werden. Der Mindestabstand von der nächstgelegenen Wohnbebauung hängt von der Zahl der Großvieheinheiten ab. Dazu gibt es eine Tabelle 10 in der TA Luft. Mastschweine bis 110 kg entsprechen 0,13 Großvieheinheiten/Tier, bis 120 kg sind es 0,15 GV/Tier. Bei 1200 Mastschweinen sind es also nach der Nutzungsänderung zwischen 156 und 180 Großvieheinheiten. Die frühere Nutzung mit 200 Zuchtsauen mit den dazugehörenden ca. 2.000 Ferkeln entsprach bei einem Wert für Sauen mit Ferkeln bis 10 kg bei 0,4 Großvieheinheiten/Tier vor der Nutzungsänderung 80 Großvieheinheiten. Es ist davon auszugehen, dass die Geruchsimmissionen durch die Nutzungsänderung in 2014 noch einmal deutlich zugenommen haben. Der Zahl der Großvieheinheiten entspricht ein notwendiger Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung von ca. 250-275 Metern (zuvor ca. 225 Meter) nach der Abb. 1 zur Nr. 5.4.7.1 TA Luft. Diese Mindestabstände werden in Borstel nicht eingehalten. Von der Immissionsschutzbehörde wäre allerdings zu prüfen, ob aufgrund besonderer Umstände eine Sonderfallprüfung durchzuführen ist. Die neue Richtlinie VDI-Richtlinie 3894 Blatt 2, die die VDI-Richtlinien 3471 und 3472 abgelöst hat, stellt nur eine Methode zur Abstandsbestimmung (Geruch) zur Verfügung, regelt aber nicht wie ursprünglich vorgesehen selbst konkrete Abstände. Die Abstandsbestimmung erfolgt danach nach Geruchsstundenhäufigkeiten (für Einzelheiten vgl. zur VDI-Richtlinie 3894: https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/technik/immissionsschutz/vdi-3894.htm). Auch bei einer Unterschreitung von Mindestabständen ist die Prüfung noch nicht zu Ende. Im nicht direkt anwendbaren Nr. 5.4.7.1 TA Luft heißt es weiter: Der Mindestabstand kann unterschritten werden, wenn die Emissionen an Geruchsstoffen durch primärseitige Maßnahmen gemindert werden oder das geruchsbeladene Abgas in einer Abgasreinigungseinrichtung behandelt wird. Die durch die Minderung der Emissionen an Geruchsstoffen mögliche Verringerung des Mindestabstandes ist mit Hilfe eines geeigneten Modells zur Geruchsausbreitungsrechnung festzustellen, dessen Eignung der zuständigen Fachbehörde nachzuweisen ist. 4

Es stellt sich also die Frage, ob die Immissionsschutzbehörde bei Unterschreiten von Mindestabständen eventuell durch geeignete Anordnungen (z.b. Filteranlagen) sicherstellen kann, dass die Geruchsbelastung ein erträgliches Maß erreicht. Begrenzt wird dies allerdings durch den Stand der Technik und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach einem Beschluss des VG Hannover [vom 31.10.2012, Az.: 4 B 5501/12] war der Bau bzw. die Sanierung eines Schweinestalls rechtmäßig, obwohl die Grenzwerte für Geruchsimmissionen deutlich überschritten wurden. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass bereits ein Schweinestall bestanden hätte und die Sanierungsmaßnahmen durch den Einbau von Biofiltern zu einer deutlichen Verbesserung der Immissionssituation beitragen würde. Ob sich dieses Urteil auf die Verhältnisse in Borstel übertragen lassen, wo Wohnnutzung in unmittelbarer Nähe zur Schweinemastanlage besteht, könnte eine Überprüfung im konkreten Einzelfall durch die Immissionsschutzbehörde bzw. ein entsprechendes Gutachten ergeben. Fraglich ist, ob es mit Filtertechnik überhaupt gelingen kann, die Geruchsimmissionen auf ein zulässiges Maß zu reduzieren, so dass ein Schutz der Wohnbevölkerung erreicht werden kann. Das VG Braunschweig [Urteil vom 23.11.2005, Az.: 2 A 455/04] hat entschieden, dass ein Landwirt die Kosten für ein entsprechendes Gutachten zur Geruchsbelastung tragen muss. In unmittelbarer Nähe zur Schweinemastanlage wurde mehr und mehr Wohnnutzung zugelassen. Es ist fast der klassische Fall der heranrückenden Wohnbebauung an einen landwirtschaftlichen Betrieb. Es wird berichtet, dass der Eigentümer oder sein Vater Grundstücke in unmittelbarer Nähe für Wohnbauzwecke verkauft haben. Jedenfalls sind sie auch nicht gegen eine wohnbauliche Nutzung in unmittelbarer Nachbarschaft vorgegangen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich die Geruchsimmissionen durch die Nutzungsänderung in der ersten Jahreshälfte 2014 vermutlich stark erhöht haben. Sofern durch Filteranlagen kein ausreichender Schutz der Wohnbevölkerung erreicht werden kann, muss eventuell der Anlagenbetrieb (Umfang der Nutzung) am vorhandenen Standort so umgestellt bzw. reduziert werden, dass ein ausreichender Schutz der Nachbarschaft gewährleistet werden kann. Die Kreisverwaltung wird um eine umfassende Prüfung des Sachverhalts und Beantwortung der Anfrage gebeten. Für die SPD-Kreistagsfraktion gez. Matthias Westermann 5