Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern

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Transkript:

Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az.: LVerfG 5/16 e.a. Beschluss In dem Organstreitverfahren David Petereit, Mitglied des Landtags Mecklenburg-Vorpommern, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin - Antragsteller - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Peter Richter, LL.M., Birkenstraße 5, 66121 Saarbrücken gegen Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch das Justizministerium, Puschkinstraße 19-21, 19055 Schwerin - Antragsgegnerin - 1

Beteiligt nach 38 Abs. 2 LVerfGG: Landtag Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch die Landtagspräsidentin, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin wegen Verletzung des parlamentarischen Fragerechts hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 29. September 2016 durch die Präsidentin Kohl, den Vizepräsidenten Thiele, den Richter Nickels, den Richter Brinkmann, den Richter da Cunha, die Richterin Lass und den Richter Dr. Schmidt beschlossen: Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt. Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet. Der Gegenstandswert für die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wird auf 10.000 Euro festgesetzt. 2

Gründe: I. Mit Beschluss vom 30. Juni 2016 (LVerfG 2/15) hatte das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern nach übereinstimmendem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung auf den Antrag des Antragstellers hin festgestellt, dass die Antragsgegnerin diesen dadurch in seinen Rechten aus Art. 40 Abs. 1 Satz 1 der Landesverfassung LV verletzt hat, dass sie dessen Kleine Anfrage auf Landtagsdrucksache 6/3927 vom 26. Mai 2015 nicht vollständig beantwortet habe. Mit dieser Kleinen Anfrage zum polizeilichen Umgang mit dem Rechtsextremismus wollte der Antragsteller den Wortlaut der Regelung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern vom 03. April 2011 erfragen, auf die der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Reden und Publikationen Bezug genommen hatte. Die Landesregierung hatte diese Anfrage dahin beantwortet, dass in der Verwaltungsvorschrift polizeitaktische Ziele und Aufträge sowie dienstinterne Festlegungen zum Informationsaustausch, zur Vorgehensweise bei Ermittlungen, aber auch zur Ausstattung und möglichen Einsatzszenarien formuliert seien und die Herausgabe der Verwaltungsvorschrift die Aufgabenerfüllung der Polizei erheblich erschweren oder sogar gefährden würde. Die Vorschrift sei VS-NfD eingestuft und die Nennung des Wortlautes daher ausgeschlossen. Mit an die Poststelle des Innenministeriums gerichtetem E-Mail-Schreiben vom 02. Juli 2016 und einer Erinnerung an dessen Erledigung vom 07. Juli 2016, gerichtet an die E-Mail-Adresse eines Mitarbeiters des Innenministeriums, forderte der Antragsteller mit dem Betreff Aushändigung der Verwaltungsvorschrift zur Bekämpfung des Rechtsextremismus unter Berufung auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2016 zunächst vergeblich zur unverzüglichen Beantwortung der Kleinen Anfrage bzw. zügigen Erledigung seines Anliegens auf. Am 24. August 2016 hat der Antragsteller zeitgleich mit einem erneuten Organstreitverfahren (LVerfG 4/16), in dem er rügt, dass seine Kleine Anfrage auch 3

nach Ergehen des Beschlusses des Gerichts immer noch nicht beantwortet worden sei, beim Landesverfassungsgericht das vorliegende Verfahren mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Anordnung anhängig gemacht. Mit Blick auf das absehbare Ende der laufenden Legislaturperiode (Neuwahl am 04. September 2016) drohe eine gänzliche Rechtsvereitelung, weil mit Sicherheit zu erwarten sei, dass die Antragsgegnerin ihm im Falle seines Ausscheidens aus dem Landtag das inzwischen feststeht die gegenständliche Verwaltungsvorschrift keinesfalls mehr zugänglich machen würde. Es sei nicht hinzunehmen, dass die Antragsgegnerin das verfassungsmäßige Fragerecht eines Abgeordneten durch bloßes Aussitzen letztlich komplett vereiteln könne. Diesem Recht müsse durch die einstweilige Anordnung zur Durchsetzung verholfen werden. Demgegenüber drohten der Antragsgegnerin bei Offenlegung der Verwaltungsvorschrift keine Nachteile; solche seien nicht substantiiert geltend gemacht. Es sei eines Rechtsstaates unwürdig, mit geheim gehaltenen Rechtsvorschriften zu operieren; die Bürger und insbesondere er als Mitglied der NPD- Fraktion und gewählter Volksvertreter hätten ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, nach welchen Verwaltungsrichtlinien sie seitens des Staates, insbesondere der Polizei, behandelt würden. Die nunmehr im Verfahren in Aussicht gestellte, neu, aber ebenfalls ablehnend formulierte Antwort, die die Antragsgegnerin mit ihrer Stellungnahme vom 15. September 2016 übermittelt habe (wobei ein Teil der Ausführungen mit speziellem Persönlichkeitsbezug nur dem Antragsteller zugänglich gemacht werden solle), erfülle seinen verfassungsrechtlichen Anspruch gleichfalls nicht. Auch zur Begründung dieser erneuten Auskunftsverweigerung könne sich die Landesregierung nicht mit Erfolg auf die in Art. 40 Abs. 3 LV genannten Ausnahmetatbestände (entgegenstehende gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen Einzelner, insbesondere des Datenschutzes, bzw. Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung) berufen. Das Bundesverfassungsgericht habe anerkannt, dass ein parlamentarischer Informationsanspruch des einzelnen Abgeordneten selbst dort gegeben sein könne, wo es um die Arbeitsweise der Inlandsgeheimdienste gehe und daher Überschneidungen mit den Befugnissen des Parlamentarischen Kontrollgremiums bestehen; auch dränge es sich selbst bei Fragen, die Auskünfte über die Sammlung, Speicherung und Weitergabe von Daten über Abgeordnete des Bundestages durch die Nachrichtendienste des Bundes beträfen, 4

nicht ohne weiteres auf, dass mit der Beantwortung dieser Fragen eine Offenlegung von Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste einherginge, die deren Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährdeten. Erst recht müsse dies dann im vorliegenden Fall gelten, wenn es lediglich um den Wortlaut einer die Arbeit der Landespolizei betreffenden Verwaltungsvorschrift gehe, die eine Regelung auf rein abstrakt-genereller Ebene betreffe und keine Rückschlüsse auf konkrete Handlungs- oder Arbeitsweisen der Polizeibehörden im Einzelfall zulasse. Die Ausführungen der Landesregierung in der neu formulierten Antwort lägen neben der Sache. Zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein Vorgehen nach der Geheimschutzordnung nicht als milderes Mittel gegenüber einer vollständigen Auskunftsverweigerung in Betracht komme. Schon die an die Verwaltungsvorschrift vergebene niedrige Geheimhaltungsstufe lasse auf eine nur geringe Geheimhaltungsbedürftigkeit schließen. Wenn die Antragsgegnerin zusätzlich in unzulässiger Weise auf seine Parteimitgliedschaft und seine diesbezüglichen Aktivitäten abstelle, verkenne sie die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung im Verhältnis zwischen Abgeordneten und Regierung. Nachdem er seinen Antrag in der Hauptsache (LVerfG 4/16) zunächst dahin formuliert hatte, festzustellen, dass die Antragsgegnerin sein parlamentarisches Fragerecht aus Art. 40 Abs. 1 Satz 1 LV dadurch verletzt hat, dass sie seine Kleine Anfrage auf Landtagsdrucksache 6/3927 auch nach dem Beschluss des Gerichts vom 30. Juni 2016 (LVerfG 2/15) nicht beantwortet habe, hat er diesen Antrag mit Blick auf die zwischenzeitlich eingegangene Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 15. September 2016 zunächst dahingehend geändert, dass jetzt beantragt wird, festzustellen, dass die Antragsgegnerin sein parlamentarisches Fragerecht aus Art. 40 Abs. 1 Satz 1 LV dadurch verletzt hat, dass sie seine Kleine Anfrage auf Landtagsdrucksache 6/3927 erneut unvollständig beantwortet hat. Mit Schriftsatz vom 27. September 2016 wurde sodann mitgeteilt, dass der ursprüngliche Antrag parallel zu dem weiteren Antrag vom 23. September 2016 aufrechterhalten bleibe. 5

Die im vorliegenden Eilverfahren gestellten Anträge, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, dem Antragsgegner Zugang zu der polizeilichen Verwaltungsvorschrift betreffend die Regelung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Mecklenburg- Vorpommern vom 03. April 2011 zu gewähren, hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Kleine Anfrage des Antragstellers auf Landtagsdrucksache 6/3927 binnen einer von dem erkennenden Gericht zu bestimmenden kurzen Frist zu beantworten, erhält der Antragsteller ausweislich seines Schriftsatzes vom 23. September 2016 ausdrücklich aufrecht, weil auch die nunmehr vorgelegte Antwort der Antragsgegnerin unvollständig sei, ihn in seinem Fragerecht verletze und angesichts der auf den 04. Oktober 2016 anberaumten konstituierenden Sitzung des neuen Landtages, dem er nicht mehr angehöre, in besonderer Weise ein Bedürfnis für den zeitnahen Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung bestehe, um Rechtsschutz nicht leerlaufen zu lassen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hält den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bereits für unzulässig, weil er im Ergebnis auf eine abschließende stattgebende Sachentscheidung im Sinne eines Verpflichtungsausspruchs und damit auf Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sei. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet, weil kein Anspruch des Antragstellers bestehe, ihm Zugang zu der polizeilichen Verwaltungsvorschrift zu gewähren. Sie habe inzwischen auf dem vorgeschriebenen parlamentarischen Weg erneut zu der Kleinen Anfrage Stellung genommen. Mit dieser Antwort werde sie den vom Gericht in der früheren Entscheidung aufgestellten Anforderungen gerecht, indem sie sämtliche für maßgeblich erachteten tatsächlichen und rechtlichen Interessen dargelegt habe; ihre Antwort enthalte konkrete Sachaussagen, sei nicht inhaltsleer und formelhaft, stelle den spezifischen Einzelfallbezug dar und benenne überprüfbare 6

Anknüpfungstatsachen, was eine Kontrolle erlaube. Soweit ersichtlich ist die neu ausgearbeitete Antwort auf die Kleine Anfrage noch nicht im Rahmen des parlamentarisch vorgesehenen Geschäftsgangs öffentlich geworden. Der Landtag wurde gemäß 38 Abs. 2 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes LVerfGG vom Eingang der Anträge unterrichtet. Er verzichtet auf eine Äußerung. II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann ( 30 Abs. 2 Satz 1 LVerfGG), hat keinen Erfolg. Das Landesverfassungsgericht sieht nach Prüfung des Begehrens des Antragstellers weder hinsichtlich des Haupt- noch des Hilfsantrages Anlass für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach 30 Abs. 1 LVerfGG. 1. Nach dieser Vorschrift kann das Landesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des 30 Abs. 1 LVerfGG vorliegen, ist nach ständiger Rechtsprechung wegen der meist weit reichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Verfassungsgericht in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans eingreifen müsste (LVerfG M-V, Beschl. v. 01.09.2015 - LVerfG 6/15 e.a. -, NordÖR 2015, 475 m.w.n.), wie es hier mit rechtsgestaltender Wirkung bei einer stattgebenden Entscheidung der Fall wäre. Die Erfolgsaussichten des Streits in der Hauptsache sind dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts wie auch anderer Landesverfassungsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts in der Regel nicht zu prüfen, es sei denn, die Anträge erwiesen sich im Hauptsacheverfahren als unzulässig, offensichtlich unbegründet oder 7

offensichtlich begründet (Beschl. v. 25.07.2013 - LVerfG 6/13 e.a. -, m.w.n.); ansonsten ist regelmäßig eine Folgenabwägung maßgeblich (zuletzt LVerfG M-V, Beschl. v. 01.09.2015 - LVerfG 6/15 e.a. -, a.a.o.). Die Formulierung im Streitfall erfordert, dass sich das geltend gemachte konkrete Begehren grundsätzlich einem der Entscheidungskompetenz des Landesverfassungsgerichts unterfallenden Streitverhältnis zuordnen lässt und in dessen Rahmen eine vorläufige Regelung mit dem erstrebten Rechtsschutzziel überhaupt in Betracht kommen kann. Zusätzlich sind eventuelle Besonderheiten der jeweiligen Verfahrensart aus dem Zuständigkeitskatalog des Art. 53 LV zu beachten (LVerfG M-V, Beschl. v. 01.09.2015 - LVerfG 6/15 e.a. -, a.a.o.). Grundsätzlich kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch im Organstreit in Betracht kommen; allerdings gewinnt dabei wegen der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte, die Gegenstand eines Organstreits sein können, die Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere auch das Verhältnis von Antrag in der Hauptsache zu Begehren im Eilverfahren besondere Bedeutung (siehe etwa LVerfG M-V, Beschl. v. 24.09.2015 - LVerfG 5/15 e.a.: Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss; Beschl. v. 27.08.2015 - LVerfG 4/15 e.a. -, NVwZ-RR 2015, 882: Ausübung der Selbstinformations- und Kontrollrechte von Abgeordneten; Beschl. v. 25.07.2013 - LVerfG 6/13 e.a.: Zahlung von Zulagen an bestimmte Fraktionsmitglieder in anderen Fraktionen; Beschl. v. 29.03.2012 - LVerfG 2/12 e.a.: Außervollzugsetzung einer Änderung des AbgG; Beschl. v. 29.03.2010 - LVerfG 6/10: Untersagung der Ernennung eines zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs Gewählten). Unzulässig sind Anträge nach 30 LVerfGG regelmäßig dann, wenn sie einen Inhalt haben sollen, den selbst die Entscheidung in der Hauptsache nicht haben könnte (vgl. Lenz/Hansel, BVerfGG, 32 Rn. 31); zwingend identisch mit der Entscheidung im Hauptsacheverfahren müsste die im Eilverfahren getroffene Regelung allerdings nicht sein (vgl. Graßhof in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 32 Rn 167; siehe etwa BVerfGE 19, 284; BVerfGE 82, 353). 2. Zugunsten des Antragstellers geht das Gericht zunächst davon aus, dass sich das Eilverfahren insgesamt nicht schon dadurch erledigt hat, dass am 04. September 2016 der Landtag neu gewählt worden ist und der Antragsteller diesem nicht mehr angehört, 8

weil seine Partei die NPD nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis weniger als 5 Prozent der Stimmen erreicht hat. Denn die Wahlperiode und damit das Abgeordnetenmandat endet gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 2 LV erst mit dem Zusammentritt eines neuen Landtages; die konstituierende Sitzung soll am 04. Oktober 2016 stattfinden. 3. Der im Rahmen des Eilverfahrens gestellte Antrag, den der Antragsteller ausdrücklich aufrechterhalten hat, ohne auf die von ihm als geändert bezeichnete Antragstellung im Hauptsacheverfahren näher einzugehen, hat sich hinsichtlich des Hilfsantrages schon deswegen erledigt, weil die Antragsgegnerin diesem inzwischen durch Fertigung der neuen, in das vorliegende Verfahren eingeführten ausführlichen Beantwortung der Kleinen Anfrage Rechnung getragen hat. Wenn der Antragsteller dies wie die nunmehr im Hauptsacheverfahren LVerfG 4/16 angekündigten Anträge deutlich machen im Ergebnis anerkennt, weil auch er diese neue Beantwortung dort zum Verfahrensgegenstand macht, wirkt sich das auch auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aus. Dieser neue Antrag im Organstreitverfahren ist auch als Grundlage der rechtlichen Betrachtung im Eilverfahren heranzuziehen. Deshalb kommt eine einstweilige Anordnung im Sinne des im Eilverfahren formulierten Hauptantrags hier schon nicht in Betracht, weil das Gericht bei Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes etwas zusprechen würde, was im Hauptsacheverfahren nicht erreicht werden könnte; es wird mit dem Antrag mehr verlangt, als das Gericht in der Hauptsache leisten kann. In dieser könnte höchstens festgestellt werden, dass die beanstandete Maßnahme (hier: eine erneute, vermeintlich die verfassungsrechtlichen Vorgaben ebenfalls nicht wahrende Antwort) gegen eine Bestimmung der Verfassung verstößt ( 39 LVerfGG). Damit wäre aber ein Anspruch auf Kenntnisnahme von der Verwaltungsvorschrift gerade nicht zugesprochen. Demgegenüber soll im Eilverfahren die Antragsgegnerin zu einem bestimmten Verhalten ( Zugang zu einer Verwaltungsvorschrift Gewähren ) verpflichtet werden. Die Stattgabe wäre keine vorläufige Sicherung des Hauptsacheanspruchs, sondern die nicht wieder rückgängig zu machende Erfüllung eines Anspruchs, der so wie behauptet in der Hauptsache unter verfassungsrechtlichen Aspekten gerade nicht besteht. 9

Es würden vollendete Tatsachen geschaffen, ohne dass ersichtlich wäre, weshalb sich aus Verfassungsrecht ein entsprechender Anspruch zwingend ergeben würde, nachdem Art. 40 Abs. 3 LV dem Frage- und Auskunftsrecht von Abgeordneten Grenzen setzt und das Gericht wie hier in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2016 (LVerfG 2/15) die in der unzureichenden Beantwortung einer Kleinen Anfrage liegende Verletzung von Abgeordnetenrechten ausschließlich im Verstoß gegen die Pflicht zur sorgfältigen Begründung einer ablehnenden Entscheidung gesehen und angenommen hat, dass eine ordnungsgemäße Begründung im unmittelbar anschließenden Verfassungsrechtsstreit nicht hat nachgeschoben werden können. Vor diesem Hintergrund ist auch eine vorläufige Regelung, die hinter dem im Anordnungsverfahren gestellte Antrag zurückbliebe, nicht ersichtlich. III. Die Entscheidung über die Kosten und die Auslagen beruht auf 33 Abs. 1, 34 Abs. 2 LVerfGG. Anlass, eine Kostenerstattung anzuordnen, besteht nicht. Den Gegenstandswert bewertet das Gericht auf der Grundlage des 37 Abs. 2 Satz 2 i.v.m. 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände (Bedeutung der Sache sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit) nach billigem Ermessen wie in vergleichbaren Fällen antragsgemäß auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit einem Betrag von 10.000 Euro. Kohl Thiele Nickels Brinkmann da Cunha Lass Dr. Schmidt 10