Tuberkulose in Schwangerschaft und Stillzeit: Update Vorgehen und Therapie Stefan Zimmerli Universitätsklinik für Infektiologie Inselspital 3010 Bern
Tuberkulose in der Schwangerschaft Schwangere Frauen nicht vermehrt anfällig für Tuberkulose Tuberkulose in der Schwangerschaft verläuft nicht schwerer Intrauterine Übertragung auf werdendes Kind sehr selten Verzögerte Diagnose und Therapie: schlechte Prognose Diagnose mittels Sputum-Untersuchung und Kultur Thorax-Röntgenaufnahme mit einem Abdominalschutz ohne Risiken für das werdende Kind Patel JS et al. RadioGraphics 2007;27:1705
Vom Fötus absorbierte Strahlendosis 0.1 mgy Dosis durch natürliche Hintergrundstrahlung während SS ~1 mg Dosen <50 mg sind unbedenklich Patel JS et al. RadioGraphics 2007;27:1705
Behandlung der Tuberkulose ohne Resistenzen Standardtherapie wie bei nicht-schwangeren Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol sind Schwangerschafts-Klasse C Medikamente: keine adäquaten und gut kontrollierten Studien in Menschen; in langjährigen Beobachtungsstudien keine Hinweise auf teratogenen Effekt. Loto OM. et al. J Pregnancy 2012;doi10.1155/2012/379271
Medikamentenexposition des Fötus Medikament Spiegel Nabelschnurblut/Spiegel Blut Mutter Isoniazid 0.75 Rifampicin 0.12-0.33 Ethambutol 0.75 Pyrazinamid Streptomycin <0.5 Ormerod P. Thorax 2001;56:494
Behandlung der Tuberkulose ohne Resistenzen Rifampicin Keine kongenitalen Schäden bei Mäusen, Ratten und Kaninchen nach Exposition mit hohen Rifampicin-Dosen (2.5 10x intrauterine Konzentration beim Menschen). Mögliches Risiko von Blutungskomplikationen beim Neugeborenen (manche Experten empfehlen Vitamin K 10 mg/tag während der letzten 4-8 Wochen der Schwangerschaft).
Behandlung der Tuberkulose ohne Resistenzen Isoniazid Im Tierversuch keine Wachstumsverzögerung bei Ratten, keine Fehlbildungen bei Mäusen und Kaninchen bei Exposition mit Dosen bis 60 x humanäquivalent. Mit Pyridoxin-Schutz keine Demyelinisierung im Hühnerembryo Keine Assoziation mit Karzinomen bei der Mutter Gilt als sicher auch in der Frühschwangerschaft Pyridoxin-Supplement 50 100 mg/tag empfohlen
Behandlung der Tuberkulose ohne Resistenzen Ethambutol Kaum Tierversuchsdaten 2.2% fötale Fehlbildungen bei 638 Neugeborenen, deren Mütter Ethambutol erhielten (320 davon im 1. Trimester) Keine Hinweise auf schädigenden Effekt auf Augenentwicklung
Behandlung der Tuberkulose ohne Resistenzen Pyrazinamid Keine Hinweise auf teratogenen Effekt Streptomycin Im Tierversuch einzig fötale Ototoxizität nachgewiesen Bei Menschen unterschiedliche Häufigkeit von Hörstörungen bei Kindern berichtet (0/50; 2/33; 4/13). Kein sicherer Zusammenhang zwischen Hörstörung und Gestationsalter während der Exposition.
Hörverlust nach intrauteriner Streptomycin-Exposition Zusätzlich Gangunsicherheit bei Vestibularisschaden Robinson GC. NEJM 1964;271:949
WHO Empfehlungen
Anteil der MDR TB unter den gemeldeten Fällen - WHO 2011 Lange Ch et al. Eur Respir J 2014; 44: 23 63
Second-line Medikamente für MDR-TB Dheda K et al. Lancet Respir Med 2014;2:321
Behandlung der multi-resistenten Tuberkulose Therapiestart vorzugsweise im zweiten Trimester (stabile Klinik, HIV-negativ) Ziel: Sputum- oder Kulturkonversion vor der Geburt Bei lebensbedrohlich schwerer Tuberkulose (respiratorisches Versagen, Meningitis, fortgeschrittene Erkrankung, HIV-positiv): sofortiger Therapiebeginn Therapieregime mit 5 wirksamen Medikamenten, einschliesslich Fluorochinolon und i.v. Medikament entsprechend Resistenztestung
Behandlung der multi-resistenten Tuberkulose Capreomycin, ein Polypeptid, einziges i.v. Medikament in Klasse C; Amikacin und Kanamycin mit erwiesenem teratogenem Potential, können aber in lebensbedrohlichen Situationen angewendet werden (vorzugsweise nach der 20. Schwangerschaftswoche) Zur Auswahl stehen neben den Fluorochinolonen:, Cycloserin/Terizidone, PAS, Ethionamid, Clofazimin, Clarithromycin, Amoxicillin/Clavulanat und Linezolid Keine Daten zu Bedaquilin und Delamanid
Second-line TB Therapie in der Schwangerschaft S. Shin et al. Clinical Infectious Diseases 2003; 36:996 1003
Stillzeit - WHO Empfehlungen
First-line TB Therapie in der Stillzeit Tran JH J Hum Lact 1998 ;14: 337 S. Shin et al. Clinical Infectious Diseases 2003; 36:996 1003
Second-line TB Therapie in der Stillzeit Tran JH J Hum Lact 1998 ;14: 337 S. Shin et al. Clinical Infectious Diseases 2003; 36:996 1003
Zusammenfassung Schwangere Frauen mit TB (einschliesslich MDR-TB) sollen mit den üblichen Medikamenten und für die übliche Dauer behandelt werden. Alle gängigen Tuberkulostatika ausser den Aminoglycosiden können angewendet werden. Für die neuen Medikamente, die v.a. bei XDR-TB zur Anwendung kommen, gibt es keine Daten. Stillen unter Therapie ist für alle antituberkulösen Medikamente unbedenklich. Die über die Muttermilch aufgenommene Dosis ist ungenügend für die Prophylaxe beim Neugeborenen.