Qualitätsgemeinschaft Soziale Dienste e.v. Fachgruppe Berliner Wohnungslosenhilfe

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Transkript:

Qualitätsgemeinschaft Soziale Dienste e.v. Fachgruppe Berliner Wohnungslosenhilfe Das Trägerwohnungsmodell im Betreuten Einzelwohnen nach 67 SGB XII Funktion, Erfolge, Kritik und Perspektiven Ausgangslage Im sog. Trägerwohnungsmodell werden durch Trägerorganisationen der Wohlfahrtspflege nicht nur persönliche Betreuungsleistungen erbracht, sondern diese mit der Unterbringung durch die Untervermietung von Wohnraum verbunden. Vorrangig betrifft dies die unterschiedlichen Leistungstypen des Betreuten Einzel- und Gruppenwohnens gem. SGB VIII und SGB XII. Obwohl das Modell im Berliner Hilfesystem eine wichtige und erfolgreiche Rolle spielt, hat es auch Schwächen und erfährt mancherlei Kritik etwa hinsichtlich der Kopplung von Betreuungs- und Untermietverträgen oder der nur noch selten funktionierenden Übernahme von Trägerwohnungen durch die Klient*innen. Die Fachgruppe Berliner Wohnungslosenhilfe der QSD greift mit diesem Beitrag diese Fragestellungen für das Betreute Einzelwohnen (BEW) gem. 67 SGB XII auf. Wir wollen hier darlegen 1. welche Funktion das Trägerwohnungsmodell im Berliner Hilfesystem hat, 2. welche fachlichen Vorteile und konkreten Erfolge es aufzuweisen hat, 3. welche Nachteile und Kritikpunkte es gibt sowie 4. welche Perspektiven und Möglichkeiten wir sehen, um das Modell zu stärken, zu verbessern und weiter zu entwickeln. Funktion Formalrechtlich beinhaltet das Modell einen Untermietvertrag nach 549 BGB zur Wohnraumüberlassung an Personen mit dringendem Wohnungsbedarf. Hiermit sind einige mietrechtliche Regelungen und insbesondere der übliche Kündigungsschutz eingeschränkt. Zusätzlich erfolgt eine direkte Kopplung des Untermietvertrages mit einem Vertrag über die Betreuungsleistung gemäß SGB. Die Kopplung wirkt als auflösende Bedingung nach 158 BGB, so dass der Wohnraum in der Praxis zweckgebunden tatsächlich nur für die Dauer der Betreuungsmaßnahme vermietet wird. [1]

Lange Zeit übernahm der Hilfeträger in diesem Modell im Idealfall eine vorübergehende Vermittlungsrolle zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen: Der Hilfeträger mietete Wohnraum an und vermietete diesen an eine wohnungslose Person unter, die selber aktuell keinen Hauptmietvertrag erhalten würde, gleichzeitig federte sie damit die Risiken des Vermieters ab; nach Schuldenklärung, persönlicher Stabilisierung und insgesamt erfolgreicher Hilfe konnte der/die Klient*in den Hauptmietvertrag übernehmen, und der Hilfeträger mietete für den/die nächste/n Klient*in eine neue Wohnung an. Vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem aktuellen Berliner Wohnungsmarkt sind allerdings Übernahmen durch Klient*innen selten geworden. Zum einen sind Vermieter weniger bereit dazu, haben höhere Anforderungen an Schufa-Auskünfte, Einkommensnachweise etc. und erhöhen bei Neuvermietung die Miete häufig über die Obergrenze der SGB-II- Unterkunftskosten. Zum zweiten ermöglicht der Wohnungsmarkt es den Trägern kaum noch, nach Abschluss einer Maßnahme eine neue Wohnung für die nächste Maßnahme anzumieten und wenn doch, dann nur zu deutlich höheren Mietkosten; die Träger müssen demnach ihre vorhandenen Wohnungen festhalten, wenn sie die Leistung Betreutes Einzelwohnen mit Unterbringung weiterhin anbieten wollen. Im Berliner Hilfesystem gilt der Leistungstyp BEW als ambulante Leistung, obwohl die Wohnraumversorgung an die Betreuung geknüpft ist und häufig vom Sozialleistungsträger erwartet wird. Das bedeutet, Miete, Kautionen, Nebenkostennachzahlungen etc. sind nicht Teil des Leistungsentgeltes, sondern müssen von den Klient*innen über ihren Lebensunterhalt, in der Regel über Kosten der Unterkunft nach SGB II oder SGB XII, aufgebracht werden. Zur Anzahl der Trägerwohnungen in Berlin liegen keine offiziellen Zahlen vor. Nach aktuellen Praxiserfahrungen stehen ca. 6.000 Trägerwohnungen in den Hilfen nach 53 und 67 SGB XII zur Verfügung. Die Träger sehen sich dabei nicht als Akteure der Wohnungswirtschaft, die selbst anstreben, Wohnungen mit Hauptmietverträgen zu vermieten, sondern als gemeinnützige Dienstleistungsunternehmen der Sozialhilfe, die den Betroffenen die bestmöglichen Chancen zur Überwindung von Wohnungslosigkeit und von sozialer Ausgrenzung eröffnen wollen. Trägerwohnungen werden eingesetzt für ein optimales Setting im Betreuten Wohnen und als ein Instrument für wirksame Hilfeleistungen. Die nachhaltige Erlangung einer sicheren Wohnsituation mit Hauptmietvertrag ist hier ein zentrales, aber nicht das einzige Hilfeziel in der Betreuung gem. 67 SGB XII. Erfolge Das Trägerwohnungsmodell bietet im Rahmen des Betreuten Einzelwohnens (BEW) eine vorübergehende Unterbringung in normalem Wohnraum. Im Vergleich mit anderen Unterbringungs- und Betreuungssettings (z.b. Leben auf der Straße, Nutzung von Notunterkünften, ungesichertes Mitwohnen bei Bekannten, Unterbringung in Wohnheimen) weist das Modell damit erhebliche Vorteile auf: [2]

Es vermeidet bzw. vermindert Gefährdungen und negative Effekte wie physische Verelendung, soziale Abhängigkeiten, Stigmatisierung und Hospitalisierung. Es fördert die soziale Teilhabe und den Erhalt der persönlichen Bezüge, z.b. durch die Möglichkeiten einer eigenen Möblierung und einer normalen Kontaktpflege zu Familie und Freundeskreis. In einem geeigneten Setting kann erfolgreich an der Überwindung sozialer Schwierigkeiten, am Aufbau neuer Kompetenzen und an der Erlangung gesellschaftlicher Integration gearbeitet werden. Die Trägerwohnung dient als Lernkontext zur Eingewöhnung in eine selbständige Wohnsituation (z.b. regelmäßige Zahlung von Miete und Verbrauchskosten, technische Handhabung, Verhalten bei Problemen, Einhaltung einer Hausordnung, Kontaktgestaltung zu Nachbarn, Umgang mit Besuchern). Manche Träger setzen darüber Schulungsprogramme wie Wohn- und Mietkompetenzscheine um; in mehreren Modulen und kleinen Gruppen werden die praktischen Alltagskompetenzen für das (An)Mieten und (Er)Halten einer Wohnung vermittelt (bei regelmäßiger Teilnahme kann meist ein Zertifikat erworben und für Wohnungsbewerbungen verwendet werden). Bezogen auf das Hilfeziel der nachhaltigen selbständigen Wohnsituation erfolgt eine frühzeitige und intensive Unterstützung bei der Wohnungssuche insbesondere durch: gemeinsame Planung der konkreten Aktivitäten (wie gehe ich vor, wie suche ich, wie bewerbe ich mich, wie trete ich auf ); Sicherung eines Zuganges zu den Instrumenten des Berliner Marktsegments und des Wohnberechtigungsscheins; Klärung von Schulden bzw. Optimierung der Schufa; Ausstellung von Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, positiver Sozialprognose und ggf. Schulungs-Zertifikat. Erfahrungsgemäß fällt die Wohnungssuche deutlich leichter, wenn sie aus einer Situation erfolgt, bei der bereits alleine eine Wohnung statt z.b. eines Zimmers in einer Sammelunterkunft bewohnt wird. Insgesamt wird auf diesem Wege das Ziel verfolgt, bei einer schwierigen persönlichen Ausgangslage die bestmöglichen Chancen für die Wohnungssuche herzustellen. In den Statistischen Jahresberichten des Leistungsbereiches BEW gem. 67 SGB XII wird der Zusammenhang zwischen der Unterbringung in Trägerwohnungen und der Erlangung von Hauptmietverträgen nicht abgebildet. Die Daten der Jahresberichte und gezielte Auswertungen einzelner Trägerorganisationen weisen aber darauf hin, dass es in ca. 60% aller Fälle mit Trägerwohnung gelingt, zum Ende der Maßnahme eine Wohnung mit Hauptmietvertrag zu erlangen. Das bedeutet: Wenn ein Hilfeverlauf im Schnitt ein Jahr dauert, und selbst wenn nur jeder zweite Fall mit einem Hauptmietvertrag endet, dann kann mit Hilfe des Instruments einer einzelnen Trägerwohnung alle zwei Jahre einem Menschen nachhaltig aus der prekären Lebenslage Wohnungslosigkeit herausgeholfen werden. [3]

Kritik Das Trägerwohnungsmodell in dieser Form hat mehrere Schwächen und zwar aus Sicht aller Beteiligten. Zunächst einmal können sich nachteilige Verläufe für die Klient*innen ergeben, denn auch bei eigentlich erfolgreicher Bewährung in der Trägerwohnung und adäquater Mitwirkung bei der Wohnungssuche gelingt es nicht immer, einen eigenen Hauptmietvertrag zu erlangen. Gründe dafür können im Wohnungsmarkt liegen z.b. weil die Anforderungen der Vermieter*innen an die Schufa zu hoch sind oder weil es rein summarisch einfach zu wenig Wohnungen im Rahmen der angemessenen Kosten der Unterkunft gibt. Gründe können aber auch in Maßnahmeabbrüchen seitens des Sozialhilfeträgers liegen z.b. weil aus Sicht des Sozialamtes die Wohnungssuche zu lange dauert und/oder der/die Klient*in an weiteren Hilfezielen, wie beruflicher Integration, Therapie oder Abstinenz, nicht ausreichend mitwirkt. Im ungünstigsten Fall kann daher die Maßnahme mit der Unterbringung im Wohnheim oder mit der Entlassung in andere ungesicherte Wohnverhältnisse enden. Dies gilt zwar ebenso auch für Wohngemeinschaften, Übergangshäuser und alle anderen Settings, in denen Betreuung und Unterbringung miteinander gekoppelt sind. Wenn jedoch eine Wohnsituation mit Trägerwohnung bestand, wird ein solcher Verlauf häufig von allen Beteiligten trotz ggf. anderer in der Maßnahme erzielter Erfolge besonders stark als Rückschritt wahrgenommen. Manche Sozialhilfeträger kritisieren, dass die Trägerwohnungen nicht mehr wie früher zum Betreuungsende durch die Klient*innen übernommen werden können. Dadurch würden sich Betreuungsverläufe verlängern und Maßnahmekosten erhöhen, weil am Ende die Wohnungssuche zu lange dauere oder nicht immer erfolgreich sei. Die Trägerorganisationen ihrerseits haben hohe Aufwendungen und Risiken zu tragen, insbesondere für Wohnungsakquise (steigend wegen des engen Wohnungsmarktes), Verwaltung, Instandhaltung, Reparaturen und Investitionen (steigend wegen der zunehmend schlechter werdenden Verhandlungsposition gegenüber den Hauptvermieter*innen). Im Berliner Modell existiert hierfür, trotz eines neuen Zuschlages in der AV Wohnen ( Umlage für Trägerwohnungen ), keine ausreichende Gegenfinanzierung. Die Trägerwohnungsbestände sind zudem laufend von Kündigungen auf Grundlage des Gewerbemietrechts bedroht. Aktuell hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG-W) sowohl in einer neu verabschiedeten Empfehlung als auch im Rahmen ihrer Bundestagung sehr kritisch gegenüber der Kopplung von Maßnahme und Wohnraum positioniert, weil hiermit die Mieterrechte eingeschränkt würden. Perspektiven Insgesamt bewertet die Fachgruppe Berliner Wohnungslosenhilfe das Trägerwohnungsmodell trotz mancher Schwächen als eine gut funktionierende Übergangslösung auf zwei Ebenen: [4]

1. Auf Ebene des Einzelfalles machen wir die Erfahrung, dass Trägerwohnungen ein gutes Setting für die Bearbeitung sozialer Schwierigkeiten und gute Chancen für die Überwindung besonderer Lebenslagen bieten. Sie stellen in der Mehrzahl der Fallverläufe eine erfolgreiche Übergangsphase auf dem Weg aus einer prekären Lebenssituation zum eigenen Wohnraum dar. Zusätzlich ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass mit einer einzelnen Trägerwohnung im Laufe der Zeit einer größeren Anzahl von benachteiligten, ausgegrenzten Menschen geholfen werden kann. Dies ist nur möglich durch die Vertragskopplung zwischen Untervermietung und Betreuung. Deren Abschaffung würde beim jetzigen Stand dazu führen, dass alle Trägerwohnungen dauerhaft durch Personen belegt würden, die sich nicht mehr in Betreuung befinden. Damit würden die betroffenen Trägerorganisationen mittelfristig von Anbietern der Sozialen Arbeit zu Akteuren der Wohnungswirtschaft werden und für das Betreute Einzelwohnen nach 67 SGB XII in Berlin keine Trägerwohnungen mehr zur Verfügung stehen. 2. Auf Ebene des Hilfesystems wird mit der Akquirierung von Trägerwohnungen, quasi als ein gemeinnütziges Marktsegment, für die Zielgruppen der Hilfen nach 67 SGB XII vorübergehender Wohnraum erschlossen. Das Modell ist damit nach unserer Einschätzung ein pragmatischer Lösungsweg, bis ggf. genügend bessere Wege, wie z.b. Modelle des Housing First mit direkter Wohnraumversorgung und flankierenden freiwilligen Betreuungsangeboten, in ausreichendem Umfang verfügbar sind. Die Mitglieder der Fachgruppe fördern alternative Ansätze, gehen aber nicht davon aus, dass absehbar im Berliner Hilfesystem auf das Trägerwohnungsmodell verzichtet werden kann. Daher gilt es aus unserer Sicht, das vorhandene Trägerwohnungsmodell zu stärken, zu verbessern und weiter zu entwickeln. Wir sehen hierfür folgende Ansatzpunkte: Konsequente Einbindung des Themas in die Leitlinienentwicklung zur Wohnungslosenpolitik sowie in die Strategiekonferenzen und Arbeitsgruppen unter Federführung der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (mit LIGA- Verbänden und Trägerorganisationen). Aufnahme in die Leistungstypbeschreibungen der entsprechenden Maßnahmen nach 67 SGB XII als Teil der Leistung; damit Sicherstellung einer fundierten Finanzierung des Modells, um die Träger handlungsfähiger bzgl. Akquise und Instandhaltung zu machen. Gemeinsames Vorgehen der Trägerorganisationen zur laufenden Neuakquise und langfristigen Sicherung von Trägerwohnraum (z. B. durch systematische Kooperation mit den landeseigenen Wohnungsgesellschaften und gezielte Förderung von Genossenschaftsmodellen). Einführung eines Wohnraumtauschmodells, d.h. Ersatzversorgung durch Bestände der kommunalen Wohnungsgesellschaften, wenn Übernahmen von Trägerwohnungen durch Klient*innen erfolgen. [5]

In diesem Sinne würden wir uns sehr freuen, wenn alle relevanten Akteure Trägerorganisationen und Verwaltungen, Verbände und Politik sich an einer bestmöglichen Umsetzung und konstruktiven Weiterentwicklung des Trägermodells beteiligen würden. Für jeglichen Austausch hierzu stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung. Berlin, den 08.02.2018 Für die Fachgruppe Berliner Wohnungslosenhilfe Ingo Bullermann (Neue Chance ggmbh) i.bullermann@neuechanceberlin.de Tel 030 6840 928 100 Hartmut Heidt (Lukas Gemeinde) h.heidt@lukas-gemeinde.de Tel 030 623 99 03 Sara Janina Zielke (Internationaler Bund) sara.janina.zielke@internationaler-bund.de Tel 030 6290 1721 [6]