1.11 Leberzirrhose 1.11 Leberzirrhose

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F 1.11 Leberzirrhose 621 F-1.28 Schwangerschaftsassoziierte Lebererkrankungen Erkrankung Bemerkungen Schwangerschaftscholestase akute Schwangerschaftsfettleber Leberbeteiligung bei Präeklampsie/ Eklampsie/HELLP-Syndrom Ikterus bei Hyperemesis gravidarum Im 3. Schwangerschaftstrimenon treten, oft bei familiärer Disposition, Juckreiz und ein Ikterus auf. Die Transaminasen und Serumgallensäuren sind erhöht. Nach Entbindung ist die Schwangerschaftscholestase innerhalb weniger Tage reversibel. Es besteht keine Gefahr für die Mutter, das Kind ist jedoch durch eine erhöhte perinatale Mortalität und erhöhte Frühgeburtenrate (20 %) gefährdet. Therapeutisch wird Ursodeoxycholsäure eingesetzt (lindert den Juckreiz, vermindert die Frühgeburtenrate). Bei dieser seltenen Erkrankung entwickelt sich im 3. Schwangerschaftstrimenon ein fulminantes Leberversagen, gelegentlich in Verbindung mit einer gastrointestinalen Blutung oder Pankreatitis. Meist findet sich eine Gerinnungsstörung, die nierenpflichtigen Substanzen steigen an. Therapeutisch ist, neben supportiven Maßnahmen, v. a. die möglichst rasche Entbindung anzustreben. Die mütterliche Mortalität liegt heute bei ca. 5 %, die fötale bei 8 %. s. Kapitel Nephrologie, S. 843. Näheres siehe Lehrbücher der Gynäkologie und Geburtshilfe. Unstillbares Erbrechen während der Schwangerschaft, das je nach Intensität zu einer Verfettung der Leber und einem Anstieg von Transaminasen und Bilirubin (Ikterus) führen kann. Die Prognose ist gut (sisitiert das Erbrechen spontane Remission) 1.11 Leberzirrhose 1.11 Leberzirrhose 1.11.1 Krankheitsbild der Leberzirrhose 1.11.1 Krankheitsbild der Leberzirrhose Definition. Bei der Zirrhose als Spätstadium verschiedener Lebererkrankungen liegt ein meist irreversibler Umbau des Leberparenchyms mit diffuser Bindegewebevermehrung und Zerstörung der Läppchenstruktur vor, wobei Regeneratknoten das makroskopische Erscheinungsbild prägen. Funktionelle Folgen sind Leberinsuffizienz und portale Hypertension. Epidemiologie: Pro Jahr sterben in der Bundesrepublik etwa 25 30 Patienten pro 100 000 Einwohner an den Folgen einer Leberzirrhose. Bei Männern findet sich eine alkoholinduzierte Zirrhose etwa doppelt so häufig wie bei Frauen. Ätiologie: Bei über 50 % aller Zirrhosepatienten findet sich anamnestisch ein Alkoholabusus, wobei eine enge Korrelation zwischen der Höhe des Alkoholkonsums und dem Auftreten einer Zirrhose besteht (s. S. 611). Zweithäufigste Ursache einer Leberzirrhose ist mit 15 30 % die Virushepatitis (besonders im Mittelmeerraum, Afrika und Asien verbreitet), wobei die Entwicklung zur Zirrhose relativ rasch im Rahmen einer akuten nekrotisierenden Hepatitis oder mehr schleichend über eine chronische Hepatitis (B, C, D, Einzelheiten s. dort) erfolgen kann. Bei 10 15 % der Leberzirrhosen ist die Ursache nicht feststellbar. Sie werden als kryptogene Leberzirrhosen bezeichnet. Ein Großteil der kryptogenen Leberzirrhosen konnte auf eine NASH oder eine autoimmune Genese zurückgeführt werden. Weitere Ursachen sind Tab. F-1.29 zu entnehmen. Definition. Epidemiologie: Die Sterbefälle an Leberzirrhose liegen zwischen 25 und 30 pro 100 000 Einwohner pro Jahr. Ätiologie: Über 50 % aller Zirrhosen sind äthyltoxischer Natur. In 15 30 % dürfte eine Virushepatitis Ursache einer Zirrhose sein. Bei 10 15 % der Zirrhosen ist die Ursache nicht feststellbar. Weitere Ursachen s. Tab. F-1.29. F-1.29 Ätiologie der Leberzirrhose Toxine und Medikamente Alkohol Fremdstoffe und Arzneimittel (z. B. Tetrachlorkohlenstoff, Methotrexat, INH) Infektionen Virushepatitis B, C und D Schistosomiasis Autoimmunerkrankungen autoimmune chronische Hepatitis primär biliäre Zirrhose primär sklerosierende Cholangitis Gallenwegserkrankungen Gallengangsatresie und -stenose Stoffwechselerkrankungen Morbus Wilson, Hämochromatose α 1 -Antitrypsinmangel Glykogenose, Galaktosämie Tyrosinämie Mukoviszidose kardiovaskuläre Erkrankungen Budd-Chiari-Syndrom Pericarditis constrictiva chronische Rechtsherzinsuffizienz kryptogene Zirrhose

622 F 1 Leber Unter makroskopischen Gesichtspunkten werden eine mikro- (Alkohol), makronoduläre (Hepatitis) und gemischtknotige Zirrhose unterschieden (Tab. F-1.30, Abb. F-1.18a, b). F-1.30 Makroskopische Einteilung: Nach makroskopischen Gesichtspunkten wird eine mikronoduläre (Regeneratknoten bis 3 mm Durchmesser), eine makronoduläre (Durchmesser > 3 mm bis 3 cm) und eine gemischtknotige Form der Leberzirrhose unterschieden (Tab. F-1.30). Die mikronoduläre Form findet sich gehäuft bei der alkoholtoxischen Leberschädigung, die makronoduläre Form bei der hepatitischen Zirrhose (Abb. F-1.18a, b), wobei die pathologische Einteilung keinen Rückschluss auf die Ätiologie zulässt. F-1.30 Morphologische Einteilung der Leberzirrhose Klinisch Leber tastbar vergrößert Leber normal groß Leber nicht tastbar (klein) laparoskopisches Bild Knotengröße makronodulär > 0,3 cm mikronodulär 0,3 cm gemischtknotig Aufbau multilobulär monolobulär pseudolobulär F-1.18 Leberzirrhose Leber a b C a Schnitt durch eine zirrhotisch umgebaute menschliche Leber. Massiv zerstörte Architektur mit vielen Regeneratknoten und narbigen Einziehungen. b Minilaparoskopie eines Patienten mit grobknotiger Leberzirrhose auf dem Boden einer Koinfektion von Hepatitis B und D. c Leberzirrhose und Aszites im sonografischen Bild: inhomogene Binnenstruktur und höckrige Oberfläche mit unterbrochenem Kapselreflex (dicker Pfeil) und das gleichzeitige Vorliegen von Aszites (dünner Pfeil) sind charakteristisch für die sonografische Diagnose. a aus: Ratgeber für Patienten: Was Sie über Leberzirrhose wissen sollten. Gastro-Liga e.v.; Gießen Klinik: Eine kompensierte Leberzirrhose verläuft häufig klinisch stumm, allenfalls finden sich uncharakteristische Beschwerden mit Müdigkeit, Leistungsschwäche, Inappetenz und Gewichtsverlust. Leberhautzeichen wie Spider naevi, Palmarerythem, Caput medusae, Geldscheinhaut, Weißnägel, Dupuytren-Kontraktur und Zungenatrophie sowie Lacklippen weisen auf eine Leberzirrhose hin (Abb. F-1.3, S. 585). Meist nur geringer Ikterus, außer bei der PBC (hier progredienter Ikterus, frühzeitig einsetzender Juckreiz, Xanthelasmen und Xanthome typisch). Eine Kardiomyopathie geht auf eine Alkoholzirrhose oder eine Hämochromatose zurück. Dekompensationszeichen im engeren Sinne sind Ikterus, Aszites und hepatische Enzephalopathie. Petechiale Hautblutungen gehen auf eine Thrombozytopenie und auf Gerinnungsstörungen zurück. Klinik: Der zirrhotische Umbau der Leber kann zunächst klinisch stumm verlaufen bzw. sich ähnlich der chronischen Hepatitis oder der Fettleber nur durch uncharakteristische Symptome wie leichte Ermüdbarkeit, Leistungsschwäche, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme bemerkbar machen. Mit zunehmender Progredienz des Parenchymumbaus finden sich jedoch Zeichen der Leberinsuffizienz und der portalen Hypertension (s. S. 625). Leberhautzeichen wie Spider naevi, Palmarerythem, Caput medusae, Geldscheinhaut, Weißnägel, Dupuytren-Kontraktur und Zungenatrophie sowie Lacklippen deuten auf eine Leberzirrhose hin (s. Abb. F-1.3, S. 585). Hormonelle Störungen machen sich beim Mann durch einen zunehmend femininen Behaarungstyp (Bauchglatze) und eine Gynäkomastie bemerkbar, die auf einen gestörten Östrogenabbau in der Leber zurückzuführen sind. Potenz und Libido nehmen ab, bei Frauen ist der Menstruationszyklus gestört (s. Abb. F-1.3, S. 585). Mit Ausnahme der primär biliären Zirrhose (PBC), bei der sich sehr früh ein Juckreiz einstellt, findet sich meist nur ein gering- bis mäßiggradiger Ikterus. Xanthelasmen und Xanthome sieht man praktisch nur bei der PBC. Beim Zirrhotiker besteht eine hyperdyname Kreislaufsituation (Haut fühlt sich warm an). Kardiomyopathien mit Rhythmusstörungen finden sich vor allem bei der Alkoholzirrhose und der Hämochromatose. Die Dekompensation der Leberzirrhose ist durch Zeichen des Pfortaderhochdrucks wie Ösophagusvarizen und Aszites sowie durch Störungen der Entgiftungsfunktion (hepatische Enzephalopathie) und der Syntheseleistung bzw. der Exkretionsfunktion (Bilirubin) gekennzeichnet. Petechiale Hautblutungen gehen sowohl auf die Thrombozytopenie (verstärkter Abbau in großer Milz, splenogene Markhemmung)

F 1.11 Leberzirrhose 623 als auch auf Gerinnungsstörungen (verminderte Produktion von Gerinnungsfaktoren) zurück, sie werden noch provoziert durch Kratzeffekte bei Juckreiz. Unterschenkelödeme sind häufig (meist hypoproteinämisch, selten kardial bedingt). Wichtige Begleiterkrankungen einer Leberzirrhose sind das hepatogene Ulkus (verminderter Gastrinabbau, portale Hypertension) in 5 13 %, die Neigung zu Gallensteinen, meist aus Bilirubinat bestehend, eine chronische, ebenfalls alkoholinduzierte Pankreatitis und ein Diabetes mellitus. Diagnostik: Labor: Die wichtigsten biochemischen Veränderungen bei einer Leberzirrhose sind in Tab. F-1.31 zusammengefasst, sie geben Auskunft über die Aktivität der Zirrhose. F-1.31 Die wichtigsten biochemischen Veränderungen bei Leberzirrhose Störung der Eiweißsynthese (Albumin, Cholinesterase und Gerinnungsfaktoren erniedrigt, abfallender Quick-Wert), Hypergammaglobulinämie Störung der exkretorischen Funktion (direktes Bilirubin erhöht) entzündliche Aktivität (Transaminasen erhöht) Störung der Entgiftungsfunktion (Hyperammoniämie, Medikamente oder deren Metaboliten) Wichtige Begleiterkrankungen sind das hepatogene Ulkus, die Neigung zu Gallensteinen, eine chronische Pankreatitis und ein Diabetes mellitus. Diagnostik: Labor: Zahlreiche biochemische Veränderungen weisen auf die gestörte Leberfunktion hin (Tab. F-1.31). F-1.31 Die Transaminasen informieren über die Aktivität des Leberzellschadens. Hohe Bilirubinwerte beinhalten meist eine ernste Prognose. Die AP ist in erster Linie bei cholestatischen Verlaufsformen und bei der biliären Zirrhose stark erhöht. Eisen und Kupfer sind ebenfalls erhöht, das Kalium erniedrigt oder im unteren Normbereich, das Natrium eher im Sinne eines sekundären Hyperaldosteronismus erhöht (verminderter Abbau von Aldosteron in der Leber). Es muss jedoch betont werden, dass normale Leberwerte (z. B. Bilirubin, Transaminasen) eine Zirrhose keineswegs ausschließen. Eine breitbasige Erhöhung der Gammaglobuline betrifft vorwiegend die IgM-Fraktion, die insbesondere bei der PBC stark erhöht ist, während bei der Alkoholzirrhose in erster Linie die IgA-Fraktion, bei der posthepatitischen Zirrhose die IgG-Fraktion betroffen ist. Oft findet man eine leichte hypochrome Anämie, bei Alkoholikern öfter auch eine makrozytäre Anämie, desgleichen leichte Hämolysen. Eine ausgeprägte Thrombound Leukozytopenie weist auf eine splenogene Markhemmung hin. Besteht der Verdacht auf eine hepatische Enzephalopathie, kann das Serumammoniak bestimmt werden. Zusatzuntersuchungen zur Ursachenklärung bei Leberzirrhose: Hepatitisserologie, Antikörper gegen glatte Muskulatur, antinukleäre und antimitochondriale Antikörper, α 1 -Antitrypsin, α-fetoprotein (Leberzellkarzinom), Serumferritin, Transferrinsättigung (Hämochromatose) und Coeruloplasmin (Morbus Wilson). Child-Pugh-Kriterien: Eine gute Orientierung über den Schweregrad der Zirrhose erlaubt die Klassifikation nach Child-Pugh, bei der einige klinische Parameter und Laborbefunde Anhaltspunkte über die Prognose liefern (Tab. F-1.32). Die 1-Jahres- Überlebensrate bei Child A beträgt nahezu 100 %, die bei Child B 85 %, bei Child C 35 %. Normale Leberwerte schließen eine Zirrhose jedoch nicht aus. Hohe Bilirubinwerte beinhalten in der Regel eine schlechte Prognose. Häufig besteht ein sekundärer Hyperaldosteronismus. Häufig finden sich eine Hypergammaglobulinämie, besonders der IgM-Fraktion (die insbesondere bei der PBC stark erhöht ist) und eine hypochrome Anämie. Bei V. a. hepatische Enzephalopathie kann Serumammoniak bestimmt werden. Zusatzuntersuchungen sind: Hepatitisserologie, SMA, ANA, AMA, α 1 -Antitrypsin, α-fetoprotein, Serumferritin, Transferrinsättigung und Coeruloplasmin. Child-Pugh-Kriterien: Eine gute Einschätzung des Schweregrades der Leberzirrhose und damit der Prognose des Patienten erlaubt die Klassifikation nach Child-Pugh (Tab. F-1.32). F-1.32 Klassifikation des Schweregrades der Leberzirrhose nach Child-Pugh Parameter 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte Stadium Punktsumme Bilirubin (mg/dl) < 2,0 2,0 3,0 > 3,0 A 5 6 Albumin (g/dl) > 3,5 3,0 3,5 < 3,0 B 7 9 Quick (%) >70 40 70 <40 C 10 15 Aszites leicht schlecht zu behandeln Enzephalopathie (HE) HE 1 und 2 HE 3 und 4 Weiterführende Diagnostik: Die Leber ist meist vergrößert, von derber Konsistenz, erst im Spätstadium einer Leberschrumpfung ist die Leber nicht mehr palpabel. Eine Milzvergrößerung sowie oberflächliche Kollateralvenen im Thorax- und Abdominalbereich, insbesondere ein Caput medusae (erweiterte Periumbilikalve- Weiterführende Diagnostik: Eine Splenomegalie, ein Kollateralkreislauf im Thoraxund Abdominalbereich sowie ein Caput medusae sind Zeichen einer portalen Hypertension (s. S. 625).

624 F 1 Leber Die Sonografie (Abb. F-1.18c) erlaubt eine Beurteilung der Leber- und Milzgröße, der Leberoberfläche, der Bindegewebevermehrung von Aszitesbildung und der Portalvene. Mithilfe der Duplexsonografie können Fließgeschwindigkeit und Flussrichtung in der V. portae bestimmt werden. In unklaren Fällen ist die direkte Inspektion der Leber (Laparoskopie) mit Biopsie (Verfahren der Wahl) der alleinigen perkutanen Leberpunktion vorzuziehen (Abb. F-1.18). Letztere weist eine Fehlerquote von 20 % auf. Differenzialdiagnose: Hier ist an eine Infiltration bei Systemerkrankungen, eine Schistosomiasis, eine Pfortader- und/oder Milzvenenthrombose sowie eine Stauungsleber zu denken. Therapie: Allgemeinmaßnahmen: hepatotoxische Substanzen meiden! Ausgewogene Diät mit 1 g Protein/kg KG/d, bei beginnender Enzephalopathie Eiweißreduktion. Kalorienzufuhr von 2000 3000 kcal/d. Bei Ödemen und Aszites Kochsalzeinschränkung. Behandlung der Grundkrankheit: Beispiele s. Tab. F-1.33. nen, Cruveilhier-Baumgarten-Syndrom = Rekanalisation der Nabelvene) weisen auf eine portale Hypertension (s. S. 625) hin. Die Sonografie erlaubt eine sehr gute Beurteilung der Umbauvorgänge der Leber (abgerundeter Leberrand und unregelmäßige Leberoberfläche, vermehrte Echogenität, Form- und Größenveränderung, rarefizierte intrahepatische Gefäße; Abb. F-1.18c). Zudem lassen sich Komplikationen wie Aszites (schon geringe Mengen nachweisbar) und indirekte Zeichen einer portalen Hypertension (Splenomegalie, weite Pfortader) gut darstellen. Die farbcodierte Duplexsonografie erlaubt die Bestimmung der Fließgeschwindigkeit und Flussrichtung in den portalen Gefäßen und ist eine wichtige, die Sonografie ergänzende Untersuchung. Über die veränderte Schallreflexion der fibrotisch und zirrhotisch veränderten Leber lässt sich mittels eines sog. Fibroscans (Elastografie) nicht invasiv der Fibrosegrad einschätzen. Hierbei kann allerdings nur zwischen leichter und schwerer Fibrose sicher unterschieden werden. Da die Leberpunktion bei nodulärer Zirrhose eine Fehlerquote von 20 30 % aufweist, stellt die laparoskopische Leberbiopsie in unklaren Fällen mit anschließender Histologie das diagnostische Verfahren der Wahl dar. Die makroskopische Beurteilung liefert wichtige Hinweise über Genese und Aktivität der Zirrhose, Zeichen der portalen Hypertension sowie Hinweise auf ein Leberzellkarzinom auf dem Boden einer Zirrhose (Abb. F-1.18). Lymphektasien oder Lymphzystchen gelten als Vorstufen einer Aszitesbildung. Gastroskopisch müssen Ösophagus- und Fundusvarizen ausgeschlossen werden. Differenzialdiagnose: Im Rahmen der Differenzialdiagnose ist an eine Infiltration der Leber bei Systemerkrankungen, eine Schistosomiasis, eine Pfortaderthrombose und eine Stauungsleber zu denken. Bei der isolierten Milzvenenthrombose, meist auf dem Boden einer chronischen Pankreaserkrankung, finden sich in der Regel isolierte Magenvarizen ohne Ösophagusvarizen. Therapie: Allgemeinmaßnahmen: Wesentlich ist es, hepatotoxische Substanzen zu meiden, also kein Alkohol, keine hepatotoxischen Arzneimittel. Empfohlen werden eine ausgewogene Diät mit 1 g Protein/kg KG/d und eine Kalorienzufuhr von 2000 3000 kcal/d. Bei einer beginnenden portalen Enzephalopathie muss die Eiweißzufuhr jedoch vorübergehend begrenzt werden. Ödeme und Aszites machen eine Einschränkung der Kochsalzzufuhr (< 3 g/d) erforderlich. Behandlung der Grundkrankheit: Tab. F-1.33 fasst Behandlungsmöglichkeiten in Abhängigkeit von der Ätiologie zusammen. F-1.33 Ätiologie Alkohol Spezielle Behandlungsmöglichkeiten der Leberzirrhose in Abhängigkeit von der Ätiologie Behandlung Alkoholabstinenz Virushepatitis (B, C und D) bei chronischer Virushepatitis Versuch der antiviralen Therapie (s. S. 597) Autoimmunhepatitis Immunsuppressiva (s. S. 601) Toxine oder Medikamente (z. B. Methotrexat, Amiodaron) metabolisch Eisenüberlastung (Hämochromatose) Kupferüberlastung (Morbus Wilson) Cholestase (biliäre) Exposition vermeiden Aderlass, Desferrioxamin Penicillamin (s. S. 606) Beseitigung des Gallenstaus Behandlung der Komplikationen: s. S. 628 bzw. 625ff. Behandlung der Komplikationen: Zu portaler Hypertension s. S. 625, zu Aszites s. S. 628, zu hepatorenalem Syndrom s. S. 630 und zu hepatischer Enzephalopathie s. S. 631. Merke. Merke. Wesentlich ist die Früherkennung des hepatozellulären Karzinoms, das einer Resektionsbehandlung zugängig sein kann. Daher sind halbjährliche sonografische Kontrollen und AFP-Bestimmungen durchzuführen.

F 1.11 Leberzirrhose 625 Exkurs. Lebertransplantation: In zunehmendem Maße gewinnt die Lebertransplantation an Bedeutung. Sie stellt eine Behandlungsmöglichkeit für Endstadien von Lebererkrankungen dar, die mit anderen Methoden nicht mehr effektiv behandelbar sind. Die Indikationen (Tab. F-1.34) werden unterteilt in elektive (Allgemeinzustand stabil, Leberfunktion limitiert), späte (Komplikation der Lebererkrankung) und Notfallindikation (akute Komplikation und Terminalphase der Lebererkrankung). Die Selektion der Patienten für eine Lebertransplantation richtet sich nach dem MELD-Score, der sich aus Bilirubin, INR und Kreatinin errechnen lässt und eine Prognoseeinschätzung für das kurzfristige Überleben der Patienten zulässt. Ein MELD-Score > 18 weist auf eine schlechte Prognose hin. Die Lebertransplantation bei Leberzellmalignomen im Frühstadium ohne extrahepatische Manifestation zeigt 5-Jahres-Überlebensraten von 75 % und stellt die effektivste Therapie des HCC dar (Einschränkung durch Mangel an Spenderorganen). Rezidive der Grundkrankheit treten auf bei Virus- und Autoimmunhepatitiden, Budd-Chiari-Syndrom und primär biliärer Zirrhose (in 30 %). Die wichtigsten Kontraindikationen der Lebertransplantation sind extrahepatische Malignomherde, septisch-entzündliche Krankheitsbilder, eine eingeschränkte Operabilität und ausgedehnte Pfortaderthrombosen. Die Operationstechniken können hier nur aufgezählt und nicht näher erläutert werden (s. hierzu Lehrbücher der Chirurgie). Bei der Split-Lebertransplantation werden die Segmente V VIII abgetrennt und einem Empfänger implantiert. Hierzu werden hochwertige Spenderorgane benötigt. Bei der Reduce Size -Modifikation werden Teile einer Erwachsenenleber einem kindlichen Empfänger transplantiert. Die Leberlebendspende, die dem Spenderorganmangel entgegenwirkt, beinhaltet auch Risiken für den Spender, die weiter evaluiert werden. Der Einsatz von Stammzellen oder kultivierten Hepatozyten bei akutem Leberversagen wird noch wissenschaftlich untersucht. Von großer Bedeutung für den dauerhaften Erfolg ist die Immunsuppression nach der Lebertransplantation zur Verhinderung der Organabstoßung. Hierfür werden Steroide und Immunsuppressiva kombiniert eingesetzt (z. B. Ciclosporin A, FK 506, Rapamycin, Mycophenolat-Mofetil). Das Nebenwirkungsprofil ist zu beachten (v. a. bei Diabetikern und Niereninsuffizienz). Die 5-Jahres-Überlebensraten zeigen eine steigende Tendenz (z. B. ca. 70 % bei posthepatitischer Zirrhose, ca. 50 70 % bei akutem Leberversagen). Exkurs. F-1.34 Zirrhose Erkrankungen, die für eine Lebertransplantation infrage kommen (Auswahl) kryptogen, autoimmun, Virus B (HBV-DNA negativ) und C, alkoholisch cholestatische Lebererkrankungen PBC, Gallengangsatresie, PSC, Graft-versus-Host-Disease, cholestatische Sarkoidose primäre Stoffwechselkrankheiten α 1 -Antitrypsinmangel, Morbus Wilson, Tyrosinämie, Glykogenspeicherkrankheit, Crigler-Najjar-Syndrom, erythropoetische Protoporphyrie fulminantes Leberversagen hepatorenales Syndrom maligne primäre Lebertumoren hepatozelluläres Karzinom, Hämangioendotheliom, Sarkom Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate der Leberzirrhose liegt bei 50 %. Der Verlauf wird wesentlich durch die im Folgenden aufgeführten Komplikationen bestimmt. Häufigste Todesursachen sind die Leberinsuffizienz und das Leberzellkarzinom, gefolgt von der Varizenblutung. Am längsten leben Patienten, deren Zirrhose durch eine Hämochromatose bedingt ist, die schlechteste Prognose hat die kryptogene Zirrhose. Bei alkoholbedingter Genese ist die Frage der Alkoholabstinenz entscheidend. Die Prognose der weiter trinkenden Patienten ist, insbesondere dann, wenn einmal Komplikationen eingetreten sind, deutlich schlechter als bei abstinenten. Grundsätzlich kann sich eine Leberzirrhose auch zurückbilden, wenn die Ursache kausal therapiert werden kann. So wurde eine Besserung des Fibrosegrades unter erfolgreicher antiviraler Therapie bei viral ausgelösten Zirrhosen beobachtet. Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate der Leberzirrhose beträgt 50 %. Die beste Prognose hat die Hämochromatose, die schlechteste die kryptogene Zirrhose. Die Prognose der alkoholbedingten Zirrhose bessert sich unter Alkoholabstinenz, v. a. wenn sich noch keine Dekompensationszeichen finden. 1.11.2 Komplikationen der Leberzirrhose 1.11.2 Komplikationen der Leberzirrhose Portale Hypertension und Ösophagusvarizenblutung Definition. Steigt der Druck im Pfortaderbereich über 12 mmhg an, spricht man von einer portalen Hypertension. Folgen des Pfortaderhochdrucks können eine Ösophagusvarizenblutung, Aszites und eine hepatische Enzephalopathie sein. Portale Hypertension und Ösophagusvarizenblutung Definition. Pathogenese: Die Zerstörung der Leberarchitektur führt zu einem reduzierten hepatischen Gesamtgefäßquerschnitt, der präsinusoidal, sinusoidal oder postsinusoidal lokalisiert sein kann. Posthepatische Ursachen stellen Verschlüsse der Lebervenen dar. Prähepatische Ursachen für eine portale Hypertension entsprechen meist Pathogenese: Die Zerstörung der Leberarchitektur führt zu einem reduzierten Gesamtgefäßquerschnitt, wodurch sich der Gefäßwiderstand präsinusoidal, sinusoidal oder postsinusoidal und damit im Pfortadergebiet

626 F 1 Leber erhöht (Tab. F-1.35). Ein vermehrter Blutzufluss aus dem Splanchnikusgebiet zur Pfortader trägt zur Ausbildung der portalen Hypertension bei. thrombotischen Verschlüssen der Pfortader (Tab. F-1.35). Zum Pfortaderdruck (p) trägt aber nicht nur ein erhöhter Widerstand (R) sondern auch ein vermehrter splanchnischer Blutzufluss (Q) zur Leber analog dem Ohm schen Gesetz bei (p=q R). F-1.35 Erkrankungen, die mit einer portalen Hypertension einhergehen können Lokalisation des Strömungshindernisses häufige Erkrankungen seltene Erkrankungen prähepatisch Pfortaderthrombose arterioportalvenöse Fisteln intrahepatisch (75 %) präsinusoidal primär biliäre Zirrhose Schistosomiasis* Sarkoidose, Kollagenosen, Hämoblastosen, myeloproliferatives Syndrom, lymphatische Systemerkrankungen kongenitale hepatische Fibrose, idiopathische portale Hypertension sinusoidal Leberzirrhose, alkoholbedingte Leberschädigung noduläre Hyperplasie postsinusoidal Leberzirrhose, akute alkoholbedingte Leberschädigung, Medikamente posthepatisch Rechtsherzinsuffizienz, Trikuspidalinsuffizienz, Pericarditis constrictiva * weltweit eine der häufigsten Ursachen der portalen Hypertension, in Europa selten sinusoidales Obstruktionssyndrom (SOS) z. B. unter Zytostatika, Budd-Chiari-Syndrom Budd-Chiari-Syndrom, Fehlbildung der Lebervene oder V. cava, Thrombose der Lebervene oder Vena-cava-Kompression (Tumor) Folge ist ein Umgehungskreislauf, der z. B. über die ösophagealen Venen, Bauchdeckengefäße (Caput medusae) oder den Plexus haemorrhoidalis erfolgen kann. Ösophagusvarizen (Abb. F-1.19) finden sich bei 20 60 % aller Zirrhotiker (häufiger bei der alkoholischen als bei der posthepatitischen Zirrhose). Ursachen der Varizenblutung sind eine plötzliche Druckerhöhung im Pfortadersystem oder die Wandverletzung einer Varize. Diagnostik: Der Pfortaderdruck kann z. B. intraoperativ oder durch den Lebervenenverschlussdruck gemessen werden. Therapie: Mittel der Wahl einer Ösophagusvarizenblutung ist heute die Gummibandligatur (Erfolgsrate 90 %) oder die endoskopische Sklerotherapie in Kombination mit Vasokonstriktiva (Somatostatinanaloga). Bei Versagen dieser Therapie kommen ein TIPS oder eine vorübergehende Ballontamponade (Sengstaken-Blakemore-Sonde) infrage (Abb. F-1.19). Magenfundusvarizen werden durch Injektion von Histoacryl thrombosiert. Folge der gestörten Strömungsverhältnisse ist die Ausbildung eines Umgehungskreislaufes. Dieser kann über die ösophagealen Venen erfolgen, aber auch über den Plexus haemorrhoidalis, gastrophrenikorenale bzw. umbilikale Kollateralen oder über retroperitoneale Venen. Ösophagusvarizen finden sich bei 20 60 % aller Patienten mit Leberzirrhose, häufiger bei der alkoholischen als bei der posthepatitischen Form. Magenfundusvarizen (Fornixvarizen) sind dickwandiger als Ösophagusvarizen, stellen aber trotzdem eine sehr relevante Blutungsquelle dar (Duodenal- und Kolonvarizen sind eher selten) und sind in 15 20 % Ursache einer endoskopisch verifizierten gastrointestinalen Blutung. Ursache der Varizenblutung kann eine plötzliche Druckerhöhung im Pfortadersystem, z. B. nach einem Alkoholexzess in Verbindung mit lokalen Schäden der Venenwand (z. B. entzündliche Erosionsvorgänge) sein. Auch Varizen auf Varizen (cherry-red spots) signalisieren bei stark prominenten Varizen das Vorhandensein solcher Wandschäden und damit eine Blutungsgefahr. Nicht jede obere gastrointestinale Blutung bei Leberzirrhose beruht aber auf einer Blutung aus Ösophagus- oder Fundusvarizen: in 25 % d. F. liegt ein Ulkus, in 25 % liegen Erosionen im Magen oder Duodenum vor. Diagnostik: Der Druck im Pfortadersystem kann intraoperativ durch Umbilikalvenenkatherisierung, durch transjuguläre oder transhepatische Punktion, durch Lebervenen-Verschlussdruckmessung, aber auch durch direkte Punktion (z. B. von Ösophagusvarizen) gemessen werden. Therapie: Mittel der Wahl bei einer diagnostizierten Ösophagusvarizenblutung ist heute die Gummibandligatur (Erfolgsrate 90 %) bzw. die endoskopische Sklerotherapie (Abb. F-1.19) mit Polidocanol (Aethoxysklerol). Die Gummibandligatur wird bevorzugt, weil sie nebenwirkungsärmer als die Sklerotherapie ist. Magenfundusvarizen werden durch Injektion von Histoacryl thrombosiert und somit verschlossen. Adjuvant werden über einige Tage Vasokonstriktiva (Somatostatinanaloga)gegeben, die den Blutfluss in den splanchnischen Arteriolen und damit den Pfortaderdruck senken. Die Gabe von Antibiotika mindert in dieser Situation die Infektionsrate und senkt somit die Mortalitätsrate. Bei Versagen der endoskopischen Behandlung kommen ein TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt) oder eine Ballontamponade (Sengstaken-Blakemore-Sonde) infrage. Wegen der Gefahr von Drucknekrosen sollte die Sengstaken-Sonde max. 6 h geblockt bleiben (Abb. F-1.19). Weitere Komplikationen sind eine Atemwegsobstruktion im Falle eines Hochrutschens des Ösophagusballons sowie die Aspiration von Blut und Sekret mit konsekutiver Aspirationspneumonie (regelmäßiges Absaugen erforderlich).

F 1.11 Leberzirrhose 627 F-1.19 Ösophagusvarizen und deren Behandlung a Stark ausgeprägte Ösophagusvarizen. b Sklerotherapie von Ösophagusvarizen. c Gummibandligatur. d Sengstakensonde bei Ösophagusvarizenblutung. Zusätzlich kann als adjuvante Maßnahme bei akuter Blutung eine medikamentöse Behandlung der portalen Hypertension mit Somatostatinanaloga (Octreotid) oder Vasopressinderivaten (z. B. Terlipressin) durchgeführt werden (diese werden zur Vermeidung von Nebenwirkungen mit Nitraten kombiniert). Zur Komaprophylaxe muss das Blut aus dem Darm durch eine orale Darmlavage oder Einläufe rasch eliminiert und die bakterielle Ammoniakproduktion durch Gabe von Laktulose und ggf. nicht resorbierbaren Antibiotika wie Neomycin oder Paromomycin reduziert werden. Prognose: Die Letalität der akuten Ösophagusvarizenblutung beträgt 25 50 %, über die Hälfte der Patienten verstirbt im Leberversagen. Die Letalität ist von der Blutungsintensität, dem Ausmaß der Leberschädigung (Child-C-Stadium > 70 %) und dem Auftreten von Rezidivblutungen abhängig. In bis zu 50 % ist innerhalb der ersten Woche mit einem Blutungsrezidiv zu rechnen. Prophylaxe der Ösopagusvarizenblutung: Die medikamentöse Drucksenkung durch Gabe von β-rezeptoren-blockern ist zur Primärprophylaxe der Ösophagusvarizenblutung bei großen Varizen erfolgreich. Eine prophylaktische Ligatur kann bei großen Ösophagusvarizen und Medikamentenunverträglichkeit durchgeführt werden. Zur Verhütung von Blutungsrezidiven (Sekundärprophylaxe) sind nicht kardioselektive β-rezeptoren-blocker (z. B. Propranolol) ebenso wirksam wie die Eradikation der Varizen durch Gummibandligatur. Kommt es trotzdem zu einer Rezidivblutung, wird ein transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt implantiert (Abb. F-1.20). Dieses Verfahren, das die Shuntoperation fast ersetzt hat, ist wegen der Reduktion der portalen Perfusion bei Zirrhosen im Stadium Child C kontraindiziert. Die Stenosegefahr ist allerdings, längerfristig betrachtet, relativ hoch, was regelmäßige duplexsonografische Kontrollen erfordert. Zusätzlich kann bei akuter Blutung eine adjuvante medikamentöse Behandlung der portalen Hypertension mit Somatostatinanaloga (Octreotid) oder Vasopressinderivaten (z. B. Terlipressin) durchgeführt werden. Parallel zur Behandlung der Hypovolämie geht die Komaprophylaxe durch eine orale/rektale Darmlavage, die Gabe von Laktulose und ggf. nicht resorbierbarer Antibiotika. Prognose: Die Letalität der akuten Ösophagusvarizenblutung beträgt 25 50 %, in bis zu 50 % Rezidivblutung. Prophylaxe der Ösopagusvarizenblutung: Die endoskopische Ligatur ist nach erfolgreicher Blutstillung bis zum vollständigen Verschwinden der Varizen fortzuführen (Sekundärprophylaxe). Blutungsrezidive erfordern bei Versagen der erneuten endoskopischen Therapie die Implantation eines TIPS (bei Child-C-Patienten kontraindiziert) oder eine Lebertransplantation. F-1.20 Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) Hierbei wird nach Punktion der Halsvene und Schaffung einer Kommunikation zwischen Lebervene und Pfortader unter sonografischer oder röntgenologischer Kontrolle ein Stent implantiert. F-1.20

628 F 1 Leber Prophylaktische Shuntoperationen werden nicht mehr praktiziert. Der Notfallshunt konnte die Prognose nicht verbessern. Dagegen sollte stets eine Lebertransplantation in dieser Situation evaluiert werden. Aszites Aszites Definition. Definition. Unter Aszites versteht man die Ansammlung von freier Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Ätiologie: Ursächlich ist meist die Leberzirrhose. Weitere Ursachen s. Tab. F-1.36. Ätiologie: Die mit Abstand häufigste Ursache für einen Aszites ist die dekompensierte Leberzirrhose (ca. 80 % der Fälle). Weitere mögliche Ursachen zeigt Tab. F-1.36. F-1.36 Verschiedene Aszitesformen und ihre Ursachen portaler Aszites Leberzirrhose akute alkoholische Hepatitis Budd-Chiari-Syndrom, Lebervenenthrombose, Pfortaderthrombose (selten) kardialer Aszites schwere Rechtsherzinsuffizienz Pericarditis constrictiva maligner Aszites Peritonealkarzinose, intraabdominale Tumoren hepatozelluläres Karzinom, Metastasenleber Mesotheliom, lymphatische Systemerkrankungen, Pseudomyxom Ovarialkarzinom entzündlicher Aszites bakterielle Peritonitis Vaskulitis eosinophile Gastroenteritis Tuberkulose pankreatogener Aszites Pankreatitis vom Schweregrad II III Pankreasfisteln seltene Aszitesformen schwere Hypalbuminämie, Mesenterialvenenthrombose, Peritonealdialyse, Morbus Whipple, Hypothyreose, Amyloidose, Stärkeperitonitis Pathogenese: Die Entwicklung eines portalen Aszites (häufigste Aszitesursache) ist ein multifaktorielles Geschehen: Die Verminderung des effektiven Plasmavolumens und eine endokrin bedingte Nierenfunktionsstörung bedingen eine Salz- und Wasserretention. Eine Erhöhung des portalen und sinusoidalen Drucks sowie die Abnahme des kolloidosmotischen Drucks führen zu einer intraperitonealen Flüssigkeitsansammlung. Aszites im Rahmen einer portalvenösen oder venösen Stauung = Transsudat. Aszites im Rahmen entzündlicher oder maligner Prozesse = Exsudat. Klinik und Komplikationen: Kennzeichnend sind Gewichts- und Bauchumfangszunahme, verstrichener Nabel, evtl. Nabelhernie. Bei massivem Aszites bestehen Dyspnoe und ein abdominales Spannungsgefühl (Abb. F-1.21a). Ca. 10 20 % der Patienten mit Leberzirrhose und Aszites entwickeln eine spontan bakterielle Peritonitis, die mit Fieber, Bauchschmerzen und Abwehrspannung einhergeht. Im Aszites sind dann > 250 Ganulozyten/μl (> 500 Leukozyten/µl) nachweisbar. Pathogenese: Die Entwicklung eines portalen Aszites, der mit Abstand häufigsten Aszitesursache, ist ein multifaktorielles Geschehen, welches in der Regel an eine sinusoidale portale Hypertension bei Leberzirrhose gebunden ist. Der Pfortaderdruck steigt bei erhöhtem intrahepatischem Gefäßwiderstand infolge der zirrhotischen Umbauprozesse und der gesteigerten splanchnischen Durchblutung. Der kolloidosmotische Druck des Blutes sinkt wegen der reduzierten hepatischen Albuminsynthese. Eine bei Leberzirrhose vorhandene arterielle Vasodilatation führt zusätzlich zur Abnahme des effektiven Plasmavolumens mit Stimulation arterieller Barorezeptoren und kardiopulmonaler Volumenrezeptoren (Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, des sympathischen Nervensystems und der ADH-Ausschüttung). Diese Mechanismen bewirken in der Summe eine ausgeprägte Natrium- und Flüssigkeitsrestriktion, mit dem Ziel, den Blutdruck im großen Kreislauf anzuheben. Dies ist der Versuch einer Gegenregulation auf die vor allem im Splanchnikusgebiet bestehende arterioläre Vasodilatation mit daraus resultierender relativer Hypovolämie und Hypotonie. Aszites als Folge einer Druckerhöhung im portalvenösen (Leberzirrhose) oder venösen (Rechtsherzinsuffizienz) System ist immer ein Transsudat (Proteinkonzentration < 3 g/dl). Bei Tumorerkrankungen und Entzündungen wird Aszites als Exsudat (Proteinkonzentration > 3 g/dl) gebildet. Hierfür sind komplexe Ursachen (v. a. Zellmembranschäden) verantwortlich. Klinik und Komplikationen: Die Patienten bemerken einen Anstieg des Körpergewichtes, eine Bauchumfangszunahme, einen verstrichenen Nabel, evtl. eine Nabelhernie. Bei ausgeprägtem Aszites bestehen ggf. eine Dyspnoe, ein abdominales Spannungsgefühl oder eine Refluxösophagitis (durch Zwerchfellhochstand) (Abb. F-1.21a). Etwa 10 20 % aller Patienten mit Leberzirrhose und Aszites entwickeln eine spontan bakterielle Peritonitis (SBP). Diese ist meist hämatogen bedingt bzw. Folge einer lokalen Durchwanderung (es liegt keine Hohlorganperforation vor), in 60 80 % werden aerobe gramnegative Keime nachgewiesen (z. B. E. coli). Im Aszites finden sich dann > 250 neutrophile Granulozyten/μl oder > 500 Leukozyten/µl. Fieber, Bauchschmerzen, Abwehrspannung und systemische Leukozytose weisen auf diese Komplikation hin, die häufig mit einer Dekompensation der Leberfunktion und einer hepatischen Enzephalopathie vergesellschaftet ist.

F 1.11 Leberzirrhose 629 F-1.21 a Bauchumfangszunahme bei Aszites (a) und sonografisch geführter Aszitesnachweis (b) b a Massiv ausgeprägter Aszites bei alkoholischer Leberzirrhose. Die vermehrte Venenzeichnung der Bauchdecke entspricht einem Caput medusae. b aus: Delorme S., Debus J., Jenderka K.-V.: Duale Reihe Sonografie. Thieme; 2012 Diagnostik: Der Aszitesnachweis kann klinisch durch Ballotement (Fluktuationswelle), Flankendämpfung und Dämpfungswechsel bei Lageänderung und durch Perkussion in Knie-Ellenbogen-Lage verifiziert werden. Am sensitivsten (ab 50 ml) ist die Sonografie (Abb. F-1.21b). Im Rahmen einer diagnostischen Punktion (bei Erstdiagnose, stationären Patienten oder V. a. spontan bakterielle Peritonitis) unter sonografischer Kontrolle werden bestimmte Laboruntersuchungen durchgeführt (Tab. F-1.37). Initial sollten die Zellzahl, nach Möglichkeit mit Zelldifferenzierung, und das Gesamteiweiß bestimmt sowie eine mikrobiologische Kultur angelegt werden. Eine Beimpfung von aeroben und anaeroben Kulturflaschen sollte mit mindestens 10 20 ml Aszitesflüssigkeit unmittelbar am Patientenbett unter sterilen Bedingungen erfolgen. Diagnostik: Der Aszites kann klinisch z. B. durch eine Flankendämpfung, Dämpfungswechsel bei Lageänderung und durch Perkussion in Knie-Ellenbogen-Lage verifiziert werden. Am sensitivsten ist die Sonografie (Abb. F-1.21b). Durch diagnostische Punktion sollten initial die Zellzahl, nach Möglichkeit mit Zelldifferenzierung, und das Gesamteiweiß bestimmt sowie eine mikrobiologische Kultur angelegt werden (Tab. F-1.37). F-1.37 Untersuchung der Aszitesflüssigkeit Eiweiß, Albumin, Amylase oder Lipase, CEA, Cholesterin, Leukozyten-/Granulozytenzahl F-1.37 Zytologie Gramfärbung, ggf. Tuberkelbakterien- und Pilzkultur aerobe und anaerobe Kultur Ein Serum-Aszites-Albumin-Gradient (SAAG = Differenz zwischen der Albuminkonzentration im Serum und Aszites) > 1,1 g/dl spricht mit einer Treffsicherheit von über 97 % für eine portale Hypertension als Genese des Aszites. Ein Gradient < 1,1 g/dl weist auf eine andere Ursache hin (Pankreatitis, Tuberkulose, Peritonealkarzinose, Myxödem). Ein kardial bedingter Aszites zeigt in der Regel ebenfalls einen SAAG > 1,1 g/dl, wobei die Albuminkonzentration zumeist bei > 2,5 g/dl liegt (bei zirrhotischem Aszites < 2,5 g/dl). Bei einem entzündlich oder maligne bedingten Aszites findet sich eine Albuminkonzentration > 3 g/dl. Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung eines malignen Aszites eignet sich insbesondere die zytologische Untersuchung, wobei eine zusätzliche Bestimmung der Cholesterin- (> 45 mg/dl) oder CEA-Spiegel (> 5 ng/ml) im Aszites empfohlen wird. Differenzialdiagnose: Zur Differenzialdiagnose des Aszites muss ein weites Spektrum an Erkrankungen einbezogen werden (s. Tab. F-1.36). Aussehen (z. B. hämorrhagisch, milchig-trüb, chylös) bzw. Ausfall der diagnostischen Parameter im Aszites und/oder noch vorhandene weitere Symptome grenzen die Diagnose ein. Therapie: Die Therapie hat sich nach der Ursache zu richten. Für den portal bedingten Aszites gilt der in Tab. F-1.38 aufgeführte Stufenplan. Zur Durchführung einer Parazentese s. Exkurs und Abb. F-1.22. Ein Serum-Aszites-Albumin-Gradient (SAAG) > 1,1 g/dl spricht für eine portale Hypertension als Aszitesursache. Differenzialdiagnose: s. Tab. F-1.36. Therapie: s. Tab. F-1.38. Zu Aszitespunktion s. Abb. F-1.22 und Exkurs.

630 F 1 Leber F-1.38 Stufenplan der Aszitestherapie Stufe 1 (leichter Aszites): Bettruhe (Besserung der renalen Perfusion, Diurese, Natriurese) Natriumrestriktion ( 5 g/d) und Wasserrestriktion (1,5 l/d, nur bei Hyponatriämie [ < 125 mval/l]) evtl. Kaliumsubstitution Albuminzufuhr, wenn Serumalbumin < 3 g/dl (435 μmol/l) Gewichtskontrolle (Ziel maximal 500 g/d, bei Ödemen bis 1 000 g/d Gewichtsabnahme) Enzephalopathiekontrolle Stufe 2 (mäßiger bis ausgeprägter Aszites bzw. wenn nach 4 Tagen kein Gewichtsverlust von 500 g/d): Spironolacton (100 mg/d) und ggf. zusätzlich Furosemid (40 mg/d) oder Torasemid (20 mg/d) bei Wirkungslosigkeit (d. h. Gewichtsverlust < 500 g/d) Dosiserhöhung: Spironolacton auf 400 mg/d, zusätzlich Furosemid (max. 160 mg/d) oder Torasemid (max. 20 mg/d); Elektrolyt-, Kreatinin-, Enzephalopathiekontrolle bei Elektrolytentgleisung, Kreatininanstieg oder Enzephalopathiezeichen Diuretika absetzen Stufe 3: wenn bei maximaler Diuretikatherapie kein Gewichtsverlust Ursachen der Therapieresistenz überprüfen (z. B. SBP) nach Beseitigung eventueller Ursachen erneut Stufe 2 Stufe 4 (therapierefraktärer oder rezidivierender Aszites): Aszitespunktion mit Albuminsubstitution (6 8 g/l Aszitespunktat) (Abb. F-1.22) Evaluation einer Lebertransplantation oder eines TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt eines intrahepatischen Pfortaderastes mit einer Lebervene über einen Stent, wirksame Maßnahme zur Verbesserung der Nierenfunktion) F-1.22 F-1.22 Parazentese Punktionsstellen Ablauf des Aszites in Beutel Merke. Merke. Bei der Punktion größerer Aszites mengen (> 5 l) muss eine Eiweißsubstitution (6 8 g Albumin/l Aszites) erfolgen, um Kreislaufreaktionen und eine Niereninsuffizienz zu vermeiden. Exkurs. Exkurs. Parazentese: Die Punktionstelle (Punktion optimalerweise im linken Unterbauch) wird am liegenden Patienten markiert, desinfiziert und ggf. lokal betäubt. Mit einer Punktionsnadel wird die Abdominaldecke unter sonografischer Kontrolle durchstochen und die Aszitesflüssigkeit durch eine aufgesetzte Spritze aspiriert (= diagnostische Punktion). Im Rahmen einer Entlastungspunktion wird die Nadel entfernt und nur das Kunststoffröhrchen in der Bauchdecke belassen, durch welches der Aszites abfließen und in einen Beutel abgeleitet werden kann. Nach Beendigung der Punktion werden Nadel bzw. Röhrchen gezogen und die Punktionsstelle verbunden. Die vollständige Entleerung des Aszites (totale Parazentese) ist wegen des Risikos der Entwicklung eines prärenalen Nierenversagens möglichst zu vermeiden. Bei Vorliegen einer SBP ist eine Breitbandantibiose mit Cephalosporinen oder Gyrasehemmern indiziert. Prognose: Nach 2 Jahren leben nur noch 50 % der Zirrhotiker mit Aszitesbildung. Hepatorenales Syndrom (HRS) Bei Vorliegen einer SBP ist eine Breitbandantibiose mit Cephalosporinen (Cefotaxim, Ceftriaxon) oder Gyrasehemmern (Norfloxacin, Ofloxacin) indiziert, auch dann, wenn keine klinischen Symptome bestehen, aber mehr als 500 Leukozyten/μl Aszites nachgewiesen werden können. Prognose: Die Prognose ist abhängig von der Ursache des Aszites. Sie ist ernst, v. a. wenn der ph-wert des Aszites unter ph 7,15 abfällt. Bei Zirrhosepatienten ist sie mit einer 2-Jahres-Überlebensrate von 50 % ungünstig. Hepatorenales Syndrom (HRS) Definition. Definition. Funktionelles Nierenversagen bei fortgeschrittener Hepatopathie (z. B. bei Zirrhose, fulminanter Hepatitis). Es kommt zur Minderperfusion der Niere mit starker Vasokonstriktion der glomerulären Arteriolen im Rindenbereich. Pathohistologisch zeigen die Nieren typischerweise keine Veränderungen.