Artenschutzrechtliches Gutachten

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Transkript:

Artenschutzrechtliches Gutachten für das Bauvorhaben HAU, X-berg Tower, Block 608 Projekt Ehemaliges Arbeitsstand: 08. September 2015 Auftraggeber: Auftragnehmer: Artists Living Berlin - PB GmbH &Co. KG trias- Wilmersdorfer Straße 39 Schönfließer Straße 84 10627 Berlin 16548 Glienicke/Nordbahn Bearbeiter: Dipl. Ing. K. Dedek

Inhalt: 1. Anlass und Aufgabenstellung...4 2. Grundlagen...4 2.1 Rechtliche Grundlagen... 4 2.2 Beschreibung des Untersuchungsgebiets... 6 3. Vorhabensbeschreibung und Wirkungen des Vorhabens...7 4. Bestandsdarstellung und Betroffenheitsabschätzung...8 4.1 Methodik der faunistischen Untersuchung... 8 4.2 Ergebnis der faunistischen Untersuchung Bestandsdarstellung... 8 4.2.1 Europäische Vogelarten... 8 4.2.2 Arten des Anhang IV FFH-Richtlinie... 9 4.3 Betroffenheitsabschätzung und Einschätzung der Zugriffsverbote... 10 4.3.1 Europäische Vogelarten... 10 4.3.2 Arten des Anhang IV der FFH-Richtlinie... 11 5. Ausgleichskonzept... 11 5.1 Vermeidungsmaßnahmen... 11 5.2 Voraussetzung von Ausnahmen von den Zugriffsverboten... 11 5.3 Kompensationsmaßnahmen... 12 6. Zusammenfassung... 14 7. Quellen... 15 Anhang... 17 2

Tabellen: Tabelle 1: Nachweise von Brutvögeln im Bereich des Bauvorhabens... 9 Tabelle 2: Arten mit Bedarf einer Ausnahmegenehmigung... 12 Tabelle 3: Kompensationsbedarf (Stand 2015)... 13 Abbildungen: Abbildung 1: Lageplan (BING 2015, ergänzt)... 6 Abbildung 2: Lageplan Hallesches Ufer 40-60... 7 Abbildung 3: Beispiele für Nisthilfen (SCHWEGLER Vogel- & Naturschutzprodukte GmbH)... 13 Abbildung 4: Brutplätze Haussperling an der Ostseite des Towers... 17 Abbildung 5: Fassade eines Abrissgebäudes neben dem Tower... 18 Abbildung 6: Begehbarer Dachbereich eines Abrissgebäudes... 18 Abbildung 7: Nordfassade des Towers... 18 Abbildung 8: Dach westlich des Towers (1) mit Verkleidung der Fassade... 19 Abbildung 9: Dach westlich des Towers (2)... 19 Abbildung 10: Innenhof des Gebäudes westlich vom Tower... 20 Abbildung 11: Platz mit Platanen Hallesches Ufer/Ecke Großbeerenstraße... 20 3

1. Anlass und Aufgabenstellung Der Bereich des Postscheckamtes am Halleschen Ufer im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg soll im Rahmen des Bauvorhabens HAU, X-berg Tower, Block 608, Projekt Ehemaliges Postscheckamt Hallesches Ufer entwickelt werden. Dazu sollen alle vorhandenen Gebäude mit Ausnahme des Hochhauses (Tower) abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Die Planung kann Auswirkungen auf besonders geschützte Arten haben, insbesondere auf Arten der FFH-Richtlinie, Anhang IV und auf europäische Vogelarten. Die vorhandenen Strukturen können Fortpflanzungs- und Ruhestätten für besonders geschützte Tierarten, insbesondere Vögel und Fledermäuse beherbergen. Im Rahmen der Planung ist durch eine artenschutzrechtliche Untersuchung zu prüfen, ob Zugriffsverbote nach 44 BNatSchG verletzt werden können. Sind Zugriffsverbote auf europäisch geschützte Arten nicht abwendbar durch Vermeidungs- und vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen, so ist die Ausnahme bzw. Befreiung von Zugriffsverboten des 44 BNatSchG vorzubereiten. Nach Hinweisen des Umwelt- und Naturschutzamtes Friedrichshain Kreuzberg sollte insbesondere das Dach des Towers auf das Vorhandensein eines Nistplatzes von Turmfalken kontrolliert sowie der alte Baumbestand auf Vorhandensein von nutzbaren Baumhöhlen geprüft werden. Das artenschutzrechtliche Gutachten wird auf Grundlage des Lageplans für das Bauvorhaben mit Informationen zum Bebauungsplan der Machleidt GmbH erstellt. 2. Grundlagen 2.1 Rechtliche Grundlagen Die artenschutzrechtlichen Verbote nach 44 BNatSchG sind bereits auf der Ebene der Bebauungsplanung beachten, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt, dass ein Bebauungsplan nach 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich und daher unwirksam ist, wenn er aus rechtlichen Gründen vollzugsunfähig ist und die mit seinem Erlass gesetzte Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht erfüllen kann (BVerwG, Beschluss vom 25.08.1997). Jedoch kann es erst durch die Verwirklichung einzelner Bauvorhaben zu einem Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Verbote nach 44 BNatSchG kommen, da noch nicht der Bebauungsplan selbst, sondern erst das Vorhaben die verbotsrelevante Handlung darstellt. (SCHARMER - RECHTSANWÄLTE 2009, Arbeitshilfe Artenschutz und Bebauungsplanung) Die Verbote des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 39 BNatSchG (allgemeine Störungs- und Schädigungsverbote wild lebender Arten) gelten nicht für nach 15 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft. Unabhängig davon sind nach 44 BNatSchG die Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten zu beachten. 4

Europäisch geschützte Arten (Anhang IV der FFH-RL und europäische Vogelarten) Bezüglich der Tierarten nach Anhang IV a) FFH-RL sowie der europäischen Vogelarten nach Art. 1 VS- RL ergibt sich somit aus 44 Abs.1, Nr. 1 3 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG für nach 15 BNatSchG zulässige Eingriffe folgende Verbote: Störungsverbot ( 44 Abs. 1 Nr. 2 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG): Erhebliches Stören von Tieren während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten. Abweichend davon liegt ein Verbot nicht vor, wenn die Störung zu keiner Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population führt. Schädigungsverbot ( 44 Abs. 1 Nr. 1 und 3 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG): Beschädigung oder Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten und damit verbundene vermeidbare Verletzung oder Tötung von Tieren oder ihrer Entwicklungsformen. Abweichend davon liegt ein Verbot nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gewahrt wird. Werden diese Verbotstatbestände nach 44 Abs. 1 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG bezüglich der gemeinschaftsrechtlich geschützten Arten erfüllt, müssen die Ausnahmevoraussetzungen des 45 Abs. 7 BNatSchG erfüllt sein. Es muss nachgewiesen werden, dass: zumutbare Alternativen [die zu keinen oder geringeren Beeinträchtigungen der relevanten Arten führen] nicht gegeben sind, zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art vorliegen oder im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt, sich der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Arten nicht verschlechtert und bezüglich der Arten des Anhangs IV FFH-RL der günstige Erhaltungszustand der Populationen der Art gewahrt bleibt. Besonders geschützte Arten mit Ausnahme von Arten nach Anhang IV FFH-RL und der Vogelschutz-RL Sind nur national geschützte Arten (besonders geschützte Arten mit Ausnahme von Arten nach Anhang IV FFH-RL und der Vogelschutz-RL) betroffen und handelt es sich um ein beabsichtigtes Vorhaben, das als Eingriff in Natur und Landschaft nach 15 BNatSchG zulässig ist, so ordnet 44 Abs. 5 Satz 1 und 5 BNatSchG an, dass ein Verstoß gegen ein Verbot nach 44 Abs. 1 BNatSchG nicht vorliegt. Der Eingriff ist gem. BNatSchG über Vermeidung und Ausgleich/Ersatz zu kompensieren und nach 1a Abs. 3 BauGB im Rahmen der Abwägung zu bewältigen. 5

2.2 Beschreibung des Untersuchungsgebiets Die zu untersuchende Fläche befindet sich auf den Grundstücken am Halleschen Ufer 40-60, in Berlin- Kreuzberg. Alle derzeit auf dem Gelände befindlichen Gebäude sind 2015 in Nutzung. Der sogenannte Postbank-Tower ist Teil eines zusammenhängenden Gebäudekomplexes (vgl. Abbildung 1). Darüber hinaus befindet sich ein Parkhaus (zwei Garagenebenen) auf dem zu untersuchenden Gelände. Das Untersuchungsgebiet wird begrenzt: im Osten von der Großbeerenstraße, im Süden von der Straße Hallesches Ufer, im Westen vom Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg und im Norden von einem Bolzplatz sowie der Clara-Grunwald-Grundschule. Abbildung 1: Lageplan (BING 2015, ergänzt) Die Flächen im Bereich des zu untersuchenden Grundstücks sind weitestgehend versiegelt. Der Baumbestand, vor allem aus Feldahorn (Acer campestre), Silberahorn (Acer saccarinum) und Hainbuche (Carpinus betulus) zusammengesetzt, konzentriert sich auf die Randlagen des Grundstücks, insbesondere an der Großbeerenstraße, der nördlich angrenzenden Schule sowie zum Amtsgericht Kreuzberg. Der Platz an der Großbeerenstraße/Ecke Hallesches Ufer ist mit Platanen (Platanus spec.) bestanden. Im Bereich des BV befinden sich keine nach 30 BNatSchG gesetzlich geschützten Biotope. 6

3. Vorhabensbeschreibung und Wirkungen des Vorhabens Das städtebauliche Konzept sieht vor, die vorhandenen Gebäude im Bereich des Geländes der Postbank bis auf den Tower abzureißen und das Gelände mit einer anderen Bebauung zu entwickeln. Abbildung 2: Lageplan Hallesches Ufer 40-60 Die Umsetzung von Maßnahmen im Bereich des Bauvorhabens ist möglicherweise mit Auswirkungen auf europäische Vogelarten und streng geschützte Arten (FFH-Richtlinie, Anhang IV) verbunden: Durch den Baubetrieb (temporär) können Störungen von Brutplätzen vorkommender Vogelarten sowie von Quartiersplätzen von Fledermäusen verursacht werden. Bei Gebäudeabriss bzw. umbau kann es an den Gebäuden zum Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten, insbesondere von Niststätten von Gebäudebrütern und Fledermausquartieren kommen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit von Beschädigungen von Nestern, Eiern und Entwicklungsformen von Individuen. Die Beseitigung von Bäumen kann zum Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten (v.a. Brutvögel) führen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit von Beschädigungen von Nestern, Eiern und Entwicklungsformen von Individuen. Im nachfolgenden Kap. 4 ist zu untersuchen, welche europäisch geschützten Arten im Gebiet des Bebauungsplans vorkommen und inwieweit sie von einzelnen Maßnahmen des Bauvorhabens betroffen sein können. 7

4. Bestandsdarstellung und Betroffenheitsabschätzung Nach erster Einschätzung im Rahmen der Angebotslegung für das artenschutzrechtliche Gutachten 2015 bot das Plangebiet Potenziale zum Vorkommen von Brutvögeln und Fledermäusen. Als Brutvögel im Bereich von Gebäuden im innerstädtischen Bereich gelten nach FLADE (1994) Haussperling, Mauersegler, Türkentaube, Straßentaube, Turmfalke, Dohle, Mehlschwalbe, Schleiereule und Star. Von denen Messtischblatt (MTB) 3446 (SW) vorkommenden Fledermausarten (TEUBNER ET AL. 2008) nutzen vor allem der Große Abendsegler, die Breitflügelfledermaus, die Zwergfledermaus sowie die Zweifarbfledermaus Fassadenbereiche von Gebäuden als Quartiere (http://fledermaus-bayern.de). 4.1 Methodik der faunistischen Untersuchung Die Untersuchungen zum artenschutzrechtlichen Gutachten basieren auf eigenen Erhebungen im Zeitraum Mai bis Juli 2015 (TRIAS 2015). Zwischen Mai und Juli 2015 wurden insgesamt 3 Begehungen (am 27.05., am 09.07. und am 14.07.2015) zur Erfassung von Gebäudebrütern und Fledermäusen durchgeführt. Dabei wurden die Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Postcheckamtes auf das Vorhandensein von Nestern überprüft sowie an Gebäuden brütende Arten registriert. Bezüglich des Vorkommens von Fledermäusen wurden alle (begehbaren) Gebäudeteile nach möglichen Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie indirekten Hinweisen (Kotspuren und Fraßspuren) untersucht. Darüber hinaus wurden alle auf dem Gelände befindlichen Bäume auf Höhlen als potenzielle Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Fledermäusen und Vögeln überprüft. Die Begehungen fanden alle am Tage statt. Zur Erfassung von Mauerseglern wurde gem. SÜDBECK ET AL. (2005) eine Begehung in die Abendstunden bis Sonnenuntergang gelegt. Verwendet wurden Taschenlampe, Fernglas und Endoskop (Findoo Profiline Plus). 4.2 Ergebnis der faunistischen Untersuchung Bestandsdarstellung 4.2.1 Europäische Vogelarten Im Rahmen von zwei Begehungen wurden im Zeitraum Mai bis Juli 2015 insgesamt 5 Arten festgestellt, davon 2 Arten als Brutvögel und 3 Arten als Nahrungsgäste. Von den in der Untersuchungsfläche vorkommenden Brutvögeln gilt ausschließlich der Haussperling als am Gebäude brütend. So wurden an der Ostseite des Towers potenzielle Brutplätze (ca. 10) festgestellt. Eine Kohlmeise brütete in einem der 3 Nistkästen auf der Nordseite der Untersuchungsfläche. Die zwei weiteren Nistkästen waren nicht besetzt. Als Nahrungsgäste wurden Amsel, Nebelkrähe und Mehlschwalbe innerhalb der Untersuchungsfläche beobachtet. 8

Im Bereich des Towers wurden weder Brutplätze von Mauerseglern (im Fassadenbereich) noch der eines Turmfalken (auf dem Dach) festgestellt. Bei der Überprüfung der Bäume auf dem Gelände der Postbank wurden keine Höhlen als potenzielle Quartiere von Vögeln und Fledermäusen gefunden. Tabelle 1: Nachweise von Brutvögeln im Bereich des Bauvorhabens Art Rote Liste Reviere/ Nachweis im Bemerkung Berlin Brutpaar B-Plan (BP) 2015 Haussperling Passer domesticus Kohlmeise Parus major - geschätzt mind. 10 BP an der Ostseite des Towers - mind. 1 BP Nistkasten im Norden des UG Nachweis: Nester, Fütterung von Jungvögeln nach Ausflug Brutzeit: E 03 A 09, Höhlen-/(Frei-)brüter, nutzt ein System mehrerer i.d.r. jährlich abwechselnd genutzter Nester/Nistplätze, i.d.r. erneute Nutzung der Fortpflanzungsstätte in der nächsten Brutperiode Nachweis: 1 BP im Nistkasten Brutzeit: M 03 A 08, Höhlenbrüter, nutzt ein System mehrerer i.d.r. jährlich abwechselnd genutzter Nester/Nistplätze, i.d.r. erneute Nutzung der Fortpflanzungsstätte in der nächsten Brutperiode; Nest v.a. in Fäulnis- u. Spechthöhlen, Spalten, Nistkästen NG = Nahrungsgast, A = Anfang (1.Dekade), M = Mitte (2.Dekade), E = Ende (3.Dekade), V = Vorwarnliste der Roten Liste (WITT 2005) 4.2.2 Arten des Anhang IV FFH-Richtlinie Fledermäuse Die Gebäude waren zum Zeitpunkt der Begehung alle in Nutzung und ohne Öffnung zum Innenbereich hin, so dass sich die Kontrolle ausschließlich auf den Außenbereich der Gebäude beschränkte. Dabei wurden die Traufbereiche der Dächer (dort wo es möglich war) untersucht sowie die Wände der Gebäude und Garage nach Spalten und Kotspuren abgesucht. Bei der Untersuchung wurden keine direkten und indirekten Hinweise auf das Vorkommen von Fledermäusen festgestellt. Insgesamt wird die Quartierseignung der vorhandenen Gebäude als sehr gering bewertet, da die vorhandenen Jalousiekästen alle offen und ständig in Bewegung sind, keine geeigneten Spalten im Bereich der Gebäude und Garage vorhanden sind und die Lage des Towers sehr windanfällig ist. Dennoch ist eine Untersuchung des Fassadenbereichs des Towers auf Quartiere von Fledermäusen vor Baubeginn im Zuge der Einrüstung der Fassade vorgesehen. 9

4.3 Betroffenheitsabschätzung und Einschätzung der Zugriffsverbote Im Rahmen der Betroffenheitsabschätzung werden die Ergebnisse der faunistischen Untersuchung sowie hinsichtlich artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nach 44 BNatSchG (vgl. Kap. 2.1) bewertet. Können artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nicht ausgeschlossen werden, sind Vermeidungs- und Ausgleichs-/ Kompensationsmaßnahmen vorzusehen und ggf. Ausnahmengenehmigungen von Zugriffsverboten bei der zuständigen Naturschutzbehörde zu beantragen. 4.3.1 Europäische Vogelarten Schädigungsverbot ( 44 Abs. 1 Nr. 1 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG) Für den nachgewiesenen Arten innerhalb des BV (Haussperling und Kohlmeise) können bei Umsetzung der geplanten Baumaßnahmen Beschädigungen von Brutgelegen (Tötung oder Verletzung von Einzelindividuen und ihren Entwicklungsstadien) ohne Vorsehung von Vermeidungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Der eintretende Verbotstatbestand gem. 44 Abs.1 Nr.1 BNatSchG kann ohne geeignete Vermeidungsmaßnahmen nicht abgewendet werden. Störungsverbot ( 44 Abs. 1 Nr. 2 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG) Eine Störung während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten (Verbotstatbestand gem. 44 Abs.1 Nr.2 BNatSchG) tritt dann ein, wenn sich durch Vorhabens bedingt auftretende Störungen der Erhaltungszustand der vorkommenden Arten verschlechtert. Die im Bereich des BV vorkommenden Arten sind in Berlin nicht gefährdet (Rote Liste, WITT 2005), aufgrund ihrer bevorzugten Brutstättenwahl in Siedlungsgebieten nicht besonders lärmempfindlich und werden in Berlin/Brandenburg als sehr häufig eingestuft (WITT 2005, RYSLAVY & MÄDLOW 2008). Eine Verschlechterung ihres Erhaltungszustandes (lokale Population) durch Störung während der Fortpflanzungszeit ist nicht anzunehmen. Daher wird von keinem Störungsverbot ( 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) ausgegangen. Schädigungsverbot ( 44 Abs. 1 Nr. 3 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG) Als Fortpflanzungsstätte geschützt sind alle Orte im Gesamtlebensraum eines Tieres, die im Verlauf des Fortpflanzungsgeschehens benötigt werden, z.b. die Bruthöhle / der Brutbaum des Steinkauzes, die Brutkolonie von Uferschwalben oder das Brutrevier der Nachtigall (LANA 2009). Im Plangebiet gibt es Arten, die in Höhlen oder Nischen brüten (vgl. Tabelle 1). Der Schutz von Fortpflanzungsstätten von Höhlenbrütern erlischt i.d.r. mit der Aufgabe des Reviers bzw. der Fortpflanzungsstätte (MUGV 2010 1 ). Abriss bzw. Sanierung/Umbau von Gebäuden wie auch die Fällung von Bäumen kann zum Verlust von Brutstätten (Entnahme aus der Natur) führen. Davon betroffen sind die Arten Haussperling und Kohlmeise. Eintretende Zugriffsverbote nach 44 Abs.1 Nr.3 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG sind durch entsprechende Maßnahmen (Ersatzniststätten) zu vermeiden bzw. auszugleichen. 1 Die Angaben zum Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der in Brandenburg heimischen europäischen Vogelarten (MUGV 2010) sind aufgrund der geographischen Lage übertragbar auf die Fläche von Berlin. 10

4.3.2 Arten des Anhang IV der FFH-Richtlinie Fledermäuse Fledermäuse wurden bei der Kontrolle der Gebäude nicht gefunden. Mit Ausnahme des Towers, der erst zum Zeitpunkt der Einrüstung auf Quartiere kontrolliert wird, können Zugriffsverbote nach 44 BNatSchG derzeit ausgeschlossen werden. 5. Ausgleichskonzept In die Beurteilung, ob gem. 44 Abs. 1 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG ein Zugriffsverbot vorliegt, werden Maßnahmen zur Vermeidung und/oder vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen zur Wahrung der kontinuierlichen ökologischen Funktionalität) mit einbezogen, soweit diese erforderlich sind. Die Erforderlichkeit dieser Maßnahmen richtet sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Können Zugriffsverbote nicht vermieden werden, so muss die Gemeinde prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach 45 Abs. 7 BNatSchG vorliegen und durch geeignete Kompensationsmaßnahmen (Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustandes der lokalen Population einer betroffenen Art) in eine solche Ausnahmelage hineingeplant werden kann. (SCHARMER RECHTSANWÄLTE 2009) 5.1 Vermeidungsmaßnahmen Generell kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Umsetzung von Maßnahmen des Bebauungsplans Zugriffsverbote gem. 44 BNatSchG während der Brut- bzw. Wochenstubenzeit von vorkommenden Vögeln und Fledermäusen eintreten. Die Brutzeit vorkommender Arten erstreckt sich von Mitte März bis Anfang September (vgl. Tabelle 1). Im Umkehrschluss heißt das, dass bauvorbereitende Maßnahmen des Bebauungsplans nur außerhalb der Brut- bzw. Wochenstubenzeit durchführbar sind. Darüber hinaus können flexiblere, artspezifische Bauzeitenregelungen festgesetzt werden. Im Einzelnen sind folgende Bauzeitenregelungen (V ASB) einzuhalten: V ASB1: Maßnahmen zum Abriss von Bestandgebäuden sind in den Wintermonaten (Anfang Oktober bis Ende Februar) durchzuführen. Damit wird das Tötungsverbot ( 44 Abs.1 Nr.1 BNatSchG) der im Bereich der Untersuchungsfläche vorkommenden Brutvögel vermieden. V ASB2: Vorhandene Nistkästen, die von Baumfällungen betroffen sind, müssen im Geltungsbereich des Bebauungsplans wieder aufgehängt oder ersetzt werden. 5.2 Voraussetzung von Ausnahmen von den Zugriffsverboten Eine Ausnahme nach 45 BNatSchG ist immer dann erforderlich, wenn Zugriffsverbote nach 44 BNatSchG nicht durch geeignete Vermeidungsmaßnahmen und/oder vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF) überwunden werden können. 11

Zwar kann eine Ausnahme oder Befreiung noch nicht zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplans erteilt werden, da erst das konkrete Vorhaben den verbotenen Eingriff darstellt. Die Gemeinde/Stadt muss bei einem drohenden Verbot aber bereits auf der Ebene des Bebauungsplans die notwendigen Voraussetzungen für die Überwindung des drohenden Verbots durch ein Hineinplanen in die Ausnahme-/Befreiungslage schaffen. (SCHARMER RECHTSANWÄLTE 2009) Eine Ausnahme darf gem. 45 Abs.7 BNatSchG nur dann zugelassen werden, wenn 1. andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art vorgebracht werden können, 2. zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und 3. sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. Die Punkte 1 und 2 sind im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans vom Bauherrn darzulegen bzw. zu prüfen. Bezüglich des Erhaltungszustandes betroffener Arten (Pkt. 3) kann der vorliegende Artenschutzbeitrag allgemeine Aussagen treffen. Eine Ausnahme ist für folgende Arten zu beantragen: Tabelle 2: Art Arten mit Bedarf einer Ausnahmegenehmigung Reviere/ Quartiere Vorkommen in der Untersuchungsfläche Haussperling geschätzt mind. 10 Ostseite der Towers Der Haussperling ist in Berlin/Brandenburg sehr häufig und steht nicht auf der Roten Liste gefährdeter Arten (WITT 2005). Sein Erhaltungszustand ist demnach als günstig zu betrachten. 5.3 Kompensationsmaßnahmen Zur Sicherung des Erhaltungszustandes sind für betroffene Arten/Artengruppen (vgl. Tabelle 2) Kompensationsmaßnahmen vorzusehen. Diese setzen nicht wie die vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen (CEF) unmittelbar am Erhalt der Funktionalität einer konkreten Fortpflanzungsoder Ruhestätte an, sondern schaffen losgelöst von der beeinträchtigten Örtlichkeit einen Ausgleich für die zerstörte oder beeinträchtigte Funktion einer Lebensstätte (SCHARMER - RECHTSANWÄLTE 2009). Artenschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen sind nicht abwägungsrelevant. Folgende Kompensationsmaßnahmen sind vorzusehen: A ASB1 Schaffung von Ersatzquartieren Der Verlust von Niststätten der Art Haussperling ist im Bereich des Bebauungsplans an den zu planenden Gebäuden durch geeignete Ersatzquartiere (vgl. Abbildung 3) zu realisieren. Insgesamt ist pro verloren gegangenem Brutplatz eine Ersatzniststätte vorzusehen. Die Ausführung der Planung sollte durch eine fachkundige Person begleitet werden. 12

Tabelle 3: Kompensationsbedarf (Stand 2015) Art Reviere/ Quartiere Kompensationsbedarf an Niststätten Haussperling geschätzt mind. 10 10 Als Ersatz bieten sich an der Fassade angebrachte oder darin integrierte Nisthilfen als Kompensation an (vgl. folgende Beispiele für Nisthilfen). Beispiele für Nisthilfen (SCHWEGLER Vogel- & Naturschutzprodukte GmbH) sind: Abbildung 3: Beispiele für Nisthilfen (SCHWEGLER Vogel- & Naturschutzprodukte GmbH) 13

6. Zusammenfassung Die Planungen im Bereich des Bauvorhabens HAU, X-berg Tower, Block 608 Projekt Ehemaliges, sehen den Abriss von Bestandsgebäuden sowie eine Neubebauung der Fläche vor. Im Rahmen dieser Planung war zu prüfen, ob bei Umsetzung der Maßnahmen des Vorhabens artenschutzrechtliche Zugriffsverbote nach 44 BNatSchG eintreten und wie diese vermieden werden können. Das artenschutzrechtliche Gutachten kommt zu folgendem Ergebnis: Es wurden Brutvögel, jedoch keine Fledermäuse als europarechtlich geschützte Arten an Gebäuden und im Bereich der Untersuchungsfläche (Geltungsbereich des Bebauungsplans) festgestellt. Ohne Berücksichtigung artenschutzrechtlicher Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen werden Zugriffsverbote gem. 44 BNatSchG verletzt. Diese können nicht im Rahmen der Beteiligung abgewogen werden. Unter Anwendung von artenschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahmen, insbesondere Bauzeitenregelungen können artenschutzrechtliche Zugriffsverbote gem. 44 BNatSchG teilweise vermieden werden. Beschädigungen bzw. Verluste von Fortpflanzungsstätten von Vögeln (Haussperling) infolge der Abrissmaßnahmen von Bestandsgebäuden können nicht abgewendet werden, so dass für die genannten Arten / Artengruppen Ausnahmen gem. 45 Abs. 7 BNatSchG bei der zuständigen Behörde beantragt werden müssen. Für an/in Gebäuden bzw. in Höhlen brütenden Arten müssen Kompensationsmaßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustandes innerhalb des Bebauungsplanes in Form von Nisthilfen (Nistbausteine und Nistkästen) erfolgen. 14

7. Quellen Literatur BLAB, J. 1993: Grundlagen des Biotopschutzes für Tiere. Kilda-Verlag 4. Auflage, Bonn Bad Godesberg. FLADE 1994: Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschland. IHW Verlag, Eding 1994. KLAWITTER, J., ALTENKAMP, R., KALLASCH, C., KÖHLER, D., KRAUSS, M., ROSENAU, S. & TEIGE, T. 2005: Rote Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) von Berlin. In: DER LANDESBEAUFTRAGTE FÜR NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE / SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG (Hrsg.): Rote Listen der gefährdeten Pflanzen und Tiere von Berlin. LANA (Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz) 2009: Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes. LÜTKES, S.; EWER, W. (2011): Kommentar zum Bundesnaturschutzgesetz. München. MUGV 2010: Angaben zum Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der in Brandenburg heimischen europäischen Vogelarten, Fassung vom 21. 10. 2010. Potsdam. SCHARMER RECHTSANWÄLTE 2009, Arbeitshilfe Artenschutz und Bebauungsplanung. Berlin. SÜDBECK ET AL. 2005: Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands, Radolfzell. TEUBNER ET AL. 2008: Säugetierfauna des Landes Brandenburg Teil 1: Fledermäuse. Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg, 17(2,3), Beilage. Potsdam WITT, K. 2005: Rote Liste und Liste der Brutvögel (Aves) von Berlin 2. Fassung (17.11.2003). In: DER LANDESBEAUFTRAGTE FÜR NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE / SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG (Hrsg.): Rote Listen der gefährdeten Pflanzen und Tiere von Berlin. 15

Rechtssachen und Rechtsvorschriften BNATSCHG: Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 24 des Gesetzes vom 6.Juni 2013 (BGBl. I S. 1482). BUNDESARTENSCHUTZVERORDNUNG 2005: Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 11, Bonn 2/2005 RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (2009): Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten ( Vogelschutz- Richtlinie ). RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (1997): Richtlinie 97/62/EWG des Rates vom 27.Oktober 1997 zur Anpassung der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 305, 40. Jahrgang, 8.November 1997. Internet SCHWEGLER Vogel- und Naturschutzprodukte GmbH: http://www.schwegler-natur.de, zuletzt besucht am 27.05.2015. 16

Anhang Dokumentation Artenschutz Abbildung 4: Brutplätze Haussperling an der Ostseite des Towers 17

Abbildung 5: Fassade eines Abrissgebäudes neben dem Tower Abbildung 6: Begehbarer Dachbereich eines Abrissgebäudes Abbildung 7: Nordfassade des Towers 18

Abbildung 8: Dach westlich des Towers (1) mit Verkleidung der Fassade Abbildung 9: Dach westlich des Towers (2) 19

Abbildung 10: Innenhof des Gebäudes westlich vom Tower Abbildung 11: Platz mit Platanen Hallesches Ufer/Ecke Großbeerenstraße 20