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Transkript:

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 1 Lösungsvorschlag Fall 4 I. I. Strafbarkeit von A wegen der versuchten Entwendung von Teppichen Versuchter Diebstahl ( 15 Abs 2, 127) OTB: Nichtvollendung: der Diebstahl wurde nicht vollendet, weil A letztendlich das Geschäft wieder verlässt, ohne Teppiche mitgehen zu lassen. Ausführungsnahe Handlung is des 15 Abs 2: Diese muss nach dem Tatplan des Täters unmitelbar (ohne weitere Zwischenakte) in die Ausführungshandlung übergehen. Die hrsp nimmt bei einem Betreten des in Aussicht genommenen Diebstahl-Tatorts bereits eine ausführungsnahe Handlung an. Dies lässt sich aber angesichts der hier vertretenen Definition mit guten Gründen auch verneinen; denn das alleinige Betreten des Geschäfts ist nach dem Tatplan des Täters noch nicht jene Handlung, die unmittelbar in die Wegnahme der Teppiche münden soll. Je nach Argumentation lässt sich eine ausführungsnahe Handlung also bejahen oder verneinen. Wer bejaht muss weiter prüfen: Fehlende absolute Untauglichkeit: ein absolut untauglicher Versuch liegt nicht vor, weil es aus der Sicht eines begleitenden Beobachters nicht ausgeschlossen gewesen wäre, dass das Betreten des Geschäfts nicht auch zur Wegnahme der Teppiche hätte führen können. STB: 1) Tatvorsatz: A kam es wohl sogar darauf an, Teppiche und damit fremde bewegliche Sachen wegzunehmen. 2) Erweiterter Vorsatz: A kam es darauf an, sich durch Zueignung der Teppiche unrechtmäßig zu bereichern. Er weiß, dass die Bereicherung unrechtmäßig wäre, weil er weiß, dass er keinen Anspruch auf die Teppiche hat. Strafbarkeit ies: Strafaufhebung durch Rücktritt vom Versuch gem 16 Abs 1?

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 2 Es liegt ein unbeendeter Versuch vor; denn A hat geglaubt, noch nicht alles getan zu haben, um den Diebstahl zu verwirklichen. Rücktrittsvoraussetzung ist daher die freiwillige und endgültige Aufgabe der Tatausführung. Problem hier: liegt überhaupt eine endgültige Aufgabe der Tatausführung vor? Dies ist wohl schon zu verneinen, da A gleich am nächsten Tag die Wegnahme der Teppiche wieder in Angriff nimmt. Insofern kann man wohl nicht von einer endgültigen Tataufgabe sprechen. Geht man jedoch von einer endgültigen Tataufgabe aus, müsste das weitere Problem geklärt werden, ob A freiwillig zurückgetreten ist. Konkret liegt Unfreiwilligkeit vor, weil der Rücktritt hier situationsbedingt erfolgt und infolge der vielen anwesenden Kunden zudem ein zwingender Grund vorliegt, den Tatplan aufzugeben, also nicht auf autonomen Motiven des Täters beruht. Ergebnis: A verwirklicht nach der Rsp 15, 127, nach anderer vertretbarer Meinung ist er mangels ausführungsnaher Handlung straflos. II. Strafbarkeit von A wegen der Entwendung von Teppichen Waffenraub ( 142 Abs 1, 143 Satz 1, zweiter Fall) OTB: Fremde bewegliche Sache: Die Teppiche sind nicht im Alleineigentum des A und daher fremd; sie sind unproblematisch beweglich und haben einen nicht unerheblichen Tauschwert. Gewalt: Einsatz nicht unerheblicher physischer Kraft oder eines zerstörerischen Mittels; A wendet Gewalt an, indem er dem V mehrmals und heftig mit einer Eisenstange auf den Kopf schlägt. Dies stellt den Einsatz erheblicher physischer Kraft dar, die sich gegen den Körper des V richtet. Wegnahme: Gewahrsamsbruch; A bricht den Gewahrsam des V an den Teppichen und begründet eigenen, indem mit den Teppichen aus dem Geschäft läuft und mit einem bereit gestellten Fahrzeug davon fährt. Denn damit hat er den räumlichen Machtbereich des V verlassen. Verwendung einer Waffe?: Eisenstange als Waffe is des 143? Nach der Rsp und einem Teil der Lehre ist dies zu bejahen, weil 143 von einem funktionalen und nicht von einem technischen Waffenbegriff ausgeht. Demnach fallen auch Gegenstände unter den

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 3 Waffenbegriff, die nicht als Waffen is des WaffenG anzusehen sind, aber wie Waffen eingesetzt werden können. Demzufolge erfüllen etwa auch Eisenstangen den Waffenbegriff. Dagegen aber ein anderer Teil der Lehre: 143 spreche nur von Waffen is des WaffenG und nicht (auch) von waffengleichen Gegenständen, sodass eine Eisenstange nach dieser Auffassung keine Waffe is des 143 ist. STB: Vorsatz Tatvorsatz: A kam es darauf an, gegen V Gewalt zu üben und die Teppiche wegzunehmen; dies war sein Zwischenziel, um seine Geldnot zu lindern. Darüber hinaus war ihm klar, dass es sich bei den Teppichen um fremde bewegliche Sachen mit Tauschwert handelt. Bejaht man die Waffeneigenschaft bei der Eisenstange, ist auch der ein darauf gerichteter Vorsatz des A zu bejahen. Erweiterter Vorsatz: Bereicherungsvorsatz; A kam es darauf an, sich durch Zueignung der Teppiche zu bereichern; er weiß, dass die Bereicherung unrechtmäßig ist, weil er weiß, dass er keinen Anspruch auf die Teppiche hat. Ergebnis: A verwirklicht 142 Abs 1, 143 Satz 1, 2. Fall. Keine weiteren Qualifikationen des Raubes zu bejahen: 143 Satz 2, 1. Fall scheitert, weil die Bewusstlosigkeit für sich genommen noch keine schwere KV is des 84 Abs 1 darstellt; Wertqualifikationen gibt es beim Raub nicht. III. Strafbarkeit des A wegen des Bewusstlos-Schlagens des V Schwere Körperverletzung ( 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1) OTB: Gesundheitsschädigung: A schlägt V mit der Eisenstange mehrfach heftig auf den Kopf, sodass dieser bewusstlos wird. Eine Bewusstlosigkeit ist eine Gesundheitsschädigung is des 83 Abs 1. 84 Abs 2 Z 1: dadurch, dass A mehrmals und heftig mit einer Eisenstange auf den Kopf des V einschlägt, setzt er das abstrakt lebensgefährliche Mittel (= Eisenstange) in einer konkret lebensgefährlichen Weise ein.

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 4 STB: Verletzungsvorsatz: A hat auch den bedingten Vorsatz, V am Körper zu verletzen, weil er diese Verletzung billigend in Kauf nimmt, um die Teppiche wegnehmen zu können. Vorsatz auf 84 Abs 2 Z 1: A weiß zudem, dass er mit einer Eisenstange dem V mehrfach auf den Kopf schlägt und dass darin ein konkret lebensgefährlicher Einsatz der Eisenstange liegt. Ergebnis: A verwirklicht 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1. IV. Strafbarkeit des A wegen des Liegenlassens des bewusstlosen V Imstichlassen eines Verletzten ( 94 Abs 1) OTB: Durch den Täter verursachte Körperverletzung: A hat die Bewusstlosigkeit des V verursacht (siehe oben). Unterlassen der erforderlichen Hilfe: Da V bewusstlos ist,, war Hilfe erforderlich. Diese hätte darin bestehen können, dass A selbst Erste-Hilfe leistet oder aber Hilfe von dritter Seite (insb Rettung) herbeiruft. Da A hingegen den Tatort mit den Teppichen verlässt, hat er die erforderliche Hilfe unterlassen. Tatsächliche Möglichkeit der Hilfeleistung: A wäre nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten sicherlich in der Lage gewesen, Hilfe zu leisten. STB: Vorsatz A hielt es aufgrund der erkennbaren Bewusstlosigkeit des V wohl sogar für gewiss, dass er ihn durch seine Schläge mit der Eisenstange verletzt hat. Zudem wusste er, dass er die erforderliche Hilfe unterlässt, wenn er einfach davon läuft, ohne den bewusstlosen V erst zu versorgen bzw Hilfe von dritter Seite herbeizuholen. Zudem war dem A klar, dass er in der Lage gewesen wäre, Hilfe zu leisten. Insgesamt verwirklicht A 94 subjektiv also in Form der Wissentlichkeit. Schuld: Keine Unzumutbarkeit gem 94 Abs 3. Ergebnis: A verwirklicht 94 Abs 1.

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 5 V. Strafbarkeit von H wegen der Zusage des Weiterverkaufs 1) Beitrag zum Diebstahl ( 12, 3. Fall, 127) OTB Beitragshandlung: Die Zusage des Weiterverkaufens der Teppiche ist ein psychischer Beitrag; denn die sichere Möglichkeit, die Teppiche zu Geld zu machen, erleichtert die Wegnahme der Teppiche durch A. Tatvollendung durch A: A vollendet die Wegnahme der Teppiche; siehe oben. Die Tatsache, dass A sogar Raub verwirklicht, ändert an der vollendeten Wegnahme nichts. STB: Tatvorsatz: H hat den Vorsatz, die Wegnahme der Teppiche durch A zu fördern, indem er eine Verkaufszusage erteilt (Beitragsvorsatz). H hält es ernstlich für möglich und findet sich damit ab, dass A Teppiche und damit fremde bewegliche Sachen wegnimmt. Bereicherungsvorsatz: Ferner hat er den Vorsatz, sich und den A durch Zueignung der Teppiche unrechtmäßig zu bereichern. H verwirklicht 12, 3. Fall, 127. 2) Kein Beitrag zum Raub, weil H der Vorsatz auf die Gewaltanwendung des A fehlt (Exzess des unmittelbaren Täters). 3) Keine versuchte Hehlerei nach 15, 164 Abs 1, weil H ohnehin zum Diebstahl beiträgt (Achtung: Annahme der versuchten bzw vollendeten Helherei wäre hier ein schwerer Fehler!). Wer Stehler ist, kann nicht zugleich Hehler sein. Zudem ist die bloße Zusage des Verkaufs is der Hehlerei eine straflose Vorbereitungshandlung. 4) Kein Beitrag zu 83 Abs 1, weil H der Vorsatz auf eine Körpervereletzung fehlt. VI. Strafbarkeit des W wegen Nichteinschreitens gegen A

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 6 1) Beitrag zum Diebstahl durch Unterlassen ( 2, 12, 3. Fall, 127) OTB Beitrag durch Unterlassen: W bleibt untätig, als A die Teppiche aus dem Gesachäft trägt. Dadurch fördert er die Wegnahme der Teppiche durch A durch Unterlassen. Garantenstellung: W wäre kraft Arbeitsvertrag dazu verpflichtet gewesen, gegen die Wegnahme der Teppiche einzuschreiten. Gerade das war sein Auftrag als Wachdeinstler. Gleichwertigkeit: Die Beitragshandlung durch Nichteinschreiten kommt einem Beitrag zum Diebstahl durch Tun gleich. Tatvollendung durch A: A vollendet die Wegnahme der Teppiche; siehe oben. Die Tatsache, dass A sogar Raub verwirklicht, ändert an der vollendeten Wegnahme nichts. STB: Tatvorsatz: W hat den Vorsatz, die Wegnahme der Teppiche durch A zu fördern, indem er untätig bleibt, weil er sich dadurch letztlich an seinem Chef rächen will (Beitragsvorsatz). W hält es zudem ernstlich für möglich und findet sich damit ab, dass A Teppiche und damit fremde bewegliche Sachen wegnimmt. W weiß ferner, dass er aus Vertrag verpflichtet gewesen wäre, gegen den Diebstahl einzuschreiten (Vorsatz auf Garantenpflicht). Bereicherungsvorsatz: Ferner hat er den Vorsatz, dass sich A durch Zueignung der Teppiche unrechtmäßig bereichert. W verwirklicht 2, 12, 3. Fall, 127. VII. Konkurrenzen 83 Abs 1 wird von 143 verdrängt (unstreitig); umstritten ist aber, ob dies auch für 84 Abs 2 Z 1 gilt. Hier ist auch echte Konkurrenz zwischen 143 und 84 Abs 2 Z 1 vertretbar. 94 Abs 1 tritt hinter 84 Abs 2 Z 1 zurück (ausdrückliche Subsidiarität gem 94 Abs 4). Rest: echte Konkurrenz.

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 7 II. 1. Zuständig für eine HV wegen 87 Abs 1 StGB ist der Einzelrichter am LG ( 31 Abs 4 Z 1 StPO). Die Angaben des Opfers und des Angeklagten deuten allerdings auf eine versuchte Tötung auf Verlangen hin ( 15, 77 StGB). Einer Ausdehnung der Anklage durch den StA ( 488 Abs 1 ivm 263 StPO) bedarf es zur Aburteilung der 15, 77 StGB nicht, weil sich das Anklagefaktum selbst nicht ändert, sondern bloß die rechtliche Beurteilung (Identität von Anklage- und Urteilsfaktum). Allerdings ist der Einzelrichter für die Aburteilung des 15, 77 StGB sachlich unzuständig. Denn 77 StGB fällt in die Zuständigkeit des Schöffengerichts ( 31 Abs 3 Z 2 StPO Sonderzuständigkeit). Der Einzelrichter hat daher ein Unzuständigkeitsurteil gem 488 Abs 3 StPO zu fällen. Nach Rechtskraft dieses Urteils muss der StA eine Anklageschrift wegen 15, 77 StGB beim zuständigen Schöffengericht einbringen. 2. G ist Beamter gem 74 Abs 1 Z 4 StGB, weil er bestellt ist, im Namen des Landes Wien als dessen Organ Rechtshandlungen vorzunehmen. Wenn Beamte im Amt eine Körperverletzung mit Dauerfolgen begehen, ist die Strafschärfung gem 313 StGB anwendbar. Es knn demzufolge die Höchststrafe des 85 Z 1 StGB um die Hälfte überschritten werden. Diese Strafschärfung ist gem 29 Abs 2 StPO für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit relevant. Denn nach dieser Vorschrift ist die Möglichkeit der Überschreitung der Obergrenze nach 313 StGB bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall ergibt sich daher eine für die Zuständigkeit relevante Höchststrafdrohung des 85 Z 1 StGB von 7,5 Jahren, weil 313 StGB eine Überschreitung des Höchstmaßes der angedrohten Freiheitsstrafe um die Hälfte ermöglicht. Folglich ist gem 31 Abs 3 Z 1 StPO das Schöffengericht zuständig.

UE Straf- und Strafverfahrensrecht WS 08/09 Hinterhofer 8 b) aa) Gem 27 Abs 1 Z 2 StGB tritt ex lege mit dem Urteil Amtsverlust ein, weil die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe 6 Monate übersteigt (8 Monate unbedingt). bb) Das Urteil ist mit Nichtigkeitsbeschwerde nach 493 Abs 2 ivm 281 Abs 1 Z 11 StPO bekämpfbar, weil das Schöffengericht bei der Strafbemessung gegen 43a Abs 3 StGB (teilbedingte Strafnachsicht) verstoßen hat. Denn der unbedingt verhängte Teil der Freiheitsstrafe darf nicht mehr als ein Drittel der Gesamtstrafe ausmachen, hier also nicht mehr als 4 Monate. Da aber insgesamt 8 Monate der Freiheitsstrafe unbedingt verhängt wurden, ist die teilbedingte Nachsicht im vorliegenden Fall gesetzwidrig.