Markttransparenz und. Produktionseffizienz in der. deutschen Lebensversicherung



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Transkript:

Markttransparenz und Produktionseffizienz in der deutschen Lebensversicherung Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades Doctor oeconomiae publicae (Dr. oec. publ.) an der Ludwig-Maximilians-Universität München 2001 vorgelegt von Referent: Prof. Ray Rees Ekkehard Kessner Korreferent: Prof. Stephan Klasen, Ph. D. Promotionsabschlußberatung: 25. Juli 2001

dissertation.de - Verlag im Internet GmbH Sonderausgabe des Werkes mit der ISBN / Special edition of the book with the ISBN: 3-89825-329-5 dissertation.de - Verlag im Internet GmbH Pestalozzistr. 9 10 625 Berlin URL: http://www.dissertation.de

Inhaltsverzeichnis Vorwort V 1 Markttransparenz und Preisdispersion auf dem deutschen Lebensversicherungsmarkt 1 1.1 Einleitung................................... 1 1.2 Ein Literaturüberblick............................ 2 1.3 Die Modelle.................................. 7 1.3.1 Das Heterogene Qualitätsmodell................... 7 1.3.2 Das Modell gleichgewichtiger Preisdispersion............ 12 1.4 Lebensversicherung in Deutschland..................... 18 1.5 Empirische Ergebnisse............................ 22 1.5.1 Der Einfluß der Qualität....................... 23 1.5.2 Der Effekt einer Subvention..................... 30 1.6 Schlußfolgerung................................ 38 1.7 Anhang.................................... 41 1.7.1 Daten zu Tabelle 1.6 und 1.7..................... 41 1.8 Literatur zu Kapitel 1............................ 42 2 Ein Effizienzvergleich deutscher und britischer Lebensversicherungen 45 2.1 Einleitung................................... 45 2.2 Ein Literaturüberblick............................ 47 I

II 2.3 Regulierung in Deutschland und Großbritannien.............. 51 2.3.1 Marktzugang............................. 51 2.3.2 Prämienkalkulation.......................... 53 2.3.3 Kosten................................. 55 2.3.4 Kapitalanlagen............................ 58 2.3.5 Überschußbeteiligung......................... 60 2.3.6 Solvabilitätsspanne.......................... 64 2.4 Hypothesen.................................. 68 2.5 Empirische Methoden............................. 71 2.5.1 Input- und Outputeffizienz...................... 73 2.5.2 Skalenerträge............................. 75 2.6 Empirische Ergebnisse............................ 78 2.6.1 Mittelwertsvergleich......................... 84 2.6.2 Regressionsanalyse.......................... 88 2.6.3 Verteilungsvergleich.......................... 91 2.6.4 Einsparpotentiale........................... 94 2.6.5 Variation der Stichprobe....................... 95 2.7 Diskussion................................... 103 2.8 Tabellenanhang................................ 105 2.9 Literatur zu Kapitel 2............................ 146 3 Skaleneffizienz und Produktivitätswachstum in der deutschen Lebensversicherung 149 3.1 Einleitung................................... 149 3.2 Ein Literaturüberblick............................ 151 3.3 Hypothesen.................................. 155 3.4 Empirische Methoden............................. 159

III 3.4.1 Skaleneffizienz............................. 160 3.4.2 Produktivitätsentwicklung...................... 162 3.5 Empirische Ergebnisse............................ 165 3.5.1 Datenbeschreibung.......................... 165 3.5.2 Technologiebereiche.......................... 170 3.5.3 Entwicklung der Skaleneffizienz................... 178 3.5.4 Produktivitätsveränderungen.................... 183 3.5.5 Marktkonzentration.......................... 188 3.6 Zusammenfassung............................... 193 3.7 Anhang.................................... 194 3.7.1 Zerlegung des Produktivitätsindex................. 194 3.7.2 Tabellenanhang............................ 196 3.8 Literatur zu Kapitel 3............................ 203

IV

Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand zwischen 1996 und 2001, während ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Versicherungswissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München unter der Leitung von Prof. Ray Rees gearbeitet habe. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei meinem Doktorvater Prof. Ray Rees bedanken. Seine Anregungen und seine Hilfe haben entscheidend zu dieser Dissertation beigetragen. Prof. Stephan Klasen war so freundlich, das Korreferat zu übernehmen, wofür ich mich bei ihm bedanken möchte. Die angenehme Arbeitsatmosphäre am Lehrstuhl von Prof. Rees war ein Faktor, der wesentlich zu den guten Bedingungen für die wissenschaftliche Arbeit beigetragen hat. Mein Dank gilt auch meinen Kollegen, Florian Englmaier, Gregor Gehauf, Andreas Knaus, Astrid Kühn, Mattias Polborn, Achim Wambach und Florian Wöhlbier, die wesentlich zu einer guten Stimmung am Institut beigetragen haben. Mattias Polborn, dessen strenge aber konstruktive Kritik mich wiederholt auf den richtigen Weg zurückbrachte, sei dafür ausdrücklich gedankt. Bedanken möchte ich mich weiterhin bei unseren studentischen Hilfskräften Basak Akbel, Martin Bandulet, Naime Bicer, Christa Dallat, Susanne Gehweiler, Annette Kleinknecht, Ingrid Königbauer, Erich Kogler, Caroline Magnis, Sonja Ossig, Rüdiger Reißaus, Florian Scholtz, Martin Staudacher, Brigitte Stieghorst, Robert Walch und Christian Walz, deren unermüdlicher Einsatz in der Bibliothek des Lehrstuhls, beim Gang zur Staatsbibliothek, am Kopiergerät und beim Abtippen unermeßlicher Datenkolonnen mich signifikant entlastet hat. Mein Dank gilt weiterhin Irmgard von der Herberg, die stets sämtliche Verwaltungsarbeiten auf sich und somit von mir genommen hat. Denjenigen Personen, die mich im Lauf der letzten Jahre im nicht-akademischen Bereich unterstützt und jeder auf seine Art dazu beigetragen haben, daß diese Arbeit entstehen konnte, sei an dieser Stelle ebenfalls sehr herzlich gedankt. Das erste Kapitel der Arbeit befaßt sich mit der Markttransparenz und Preisdispersion auf dem deutschen Lebensversicherungsmarkt. Die bisher in der Literatur erschienenen empirischen Studien zur Preisdispersion auf Märkten homogener Güter hatten V

VI lediglich das Ziel, die beobachtete Preisdispersion mit theoretischen Suchmodellen in Einklang zu bringen. Die mögliche Existenz von Produktheterogenitäten wurde in diesem Zusammenhang nicht betrachtet. Da die wohlfahrtstheoretischen Implikationen von Preisdispersion gerade von der Existenz von Informationsdefiziten abhängen, ist die empirische Untersuchung der Ursache von Preisdispersion bisher zu Unrecht vernachlässigt worden. Die hier vorliegende Untersuchung stellt eine theoretisch fundierte Methode vor, die Ursache von Preisdispersion mittels eines indirekten Tests ökonometrisch festzustellen. Der Test beruht auf der Wirkung einer Subventionierung des untersuchten Gutes, die bei Produktheterogenitäten zu einem Sinken und beim Vorliegen von Informationsdefiziten zu einem Anstieg des durchschnittlichen Marktpreises führt. Die De-facto-Subventionierung der Kapitalerträge auf kapitalbildende Lebensversicherungsverträge durch Einführung einer Quellensteuer auf die meisten Kapitalerträge (außer Lebensversicherungen) im Jahr 1988 ist Grundlage der ökonometrischen Untersuchung am Beispiel des deutschen Marktes für Lebensversicherungen. Eine frühere Version des ersten Kapitels wurde 1999 im Rahmen des 26. Seminars der European Group of Risk and Insurance Economists in Madrid vorgetragen. Diese erste Fassung ist unter dem Titel A New Test of Price Dispersion erschienen. 1 Ich möchte mich bei Matthias Messner, Ray Rees, Monika Schnitzer und Achim Wambach für hilfreiche Kommentare und Verbesserungsvorschläge, sowie bei Mattias Polborn für die gute Zusammenarbeit beim Verfassen der veröffentlichten Version dieses Aufsatzes bedanken. Das zweite Kapitel Ein Effizienzvergleich deutscher und britischer Lebensversicherungen beschäftigt sich mit der Auswirkung von Regulierungsmaßnahmen auf die Produktionseffizienz von Lebensversicherungsunternehmen. Vor Umsetzung der 3. EU-Richtlinie für Lebensversicherungen galten in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland relativ strenge Vorschriften, insbesondere in den Bereichen der Vertragsgestaltung, Prämientarifierung und Kapitalanlagen. Nach der Umsetzung der Richtlinien wäre eine Lockerung der Regulierung möglich gewesen; die meisten Länder haben jedoch die bisher geltende Praxis beibehalten. Die vorliegende Untersuchung stellt zunächst unterschiedlich strenge Regulierungsvorschriften exemplarisch am Beispiel des deutschen und britischen Lebensversicherungsmarktes dar. In der anschließenden ökonometrischen Untersuchung wird gezeigt, daß die differierenden Maßnahmen zu signifikanten Unterschieden in der Effizienz bei der Produktion des Gutes Lebensversicherung führen. Ständen 1 Vgl. Kessner, E., Polborn, M. (2000): A New Test of Price Dispersion, German Economic Review 1, S. 221-237.

deutschen Lebensversicherungsunternehmen die gleichen Möglichkeiten wie britischen Unternehmen zur Verfügung, könnte ein großer Teil der Produktionskosten eingespart werden. Die empirische Untersuchung verwendet im Gegensatz zu den meisten in der Literatur vorliegenden Analysen die Data Envelopment Analysis (DEA), einen nichtstochastischen und nicht-parametrischen Ansatz. Durch diese Methode ist es möglich, die der Produktion zu Grunde liegende Technologie ohne Spezifizierung einer funktionalen Form alleine aus den vorliegenden Daten zu ermitteln. Anders als bei Anwendung ökonometrischer Verfahren, die lediglich einen Vergleich der Effizienz einzelner Unternehmen mit dem Durchschnitt aller Unternehmen ermöglichen, läßt diese Methode einen Vergleich mit den auf dem effizienten Rand der Technologie produzierenden Unternehmen zu. Eine Vorstudie zur vorliegenden Analyse wurde 1999 im Rahmen der 100. Jahreskonferenz des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft in Berlin vorgetragen und unter dem Titel Eine Effizienzanalyse der deutschen Lebensversicherer die Best Practice Methode veröffentlicht. 2 Schwerpunkt dieser Untersuchung ist die Anwendung der DEA auf Daten des deutschen Lebensversicherungsmarktes. Eine weitere frühe Version wurde 1999 in Frankfurt am Main beim 29. Economic Policy Panel Meeting präsentiert und ist unter dem Titel Regulation and Efficiency in European Insurance Markets erschienen. 3 Diese Studie konzentriert sich auf den Vergleich der Regulierungssysteme und verwendet die DEA für den internationalen Vergleich der Produktionseffizienz von Lebensversicherungsunternehmen. Mein Dank gilt den Teilnehmern des 29. Economic Policy Panel Meeting, insbesondere Paul Klemperer, Kai Konrad und Carmen Matutes für wertvolle Ratschläge sowie vor allem Mattias Polborn und Ray Rees für die gute Zusammenarbeit bei den früheren Versionen der Untersuchung. Das dritte Kapitel Skaleneffizienz und Produktivitätswachstum in der deutschen Lebensversicherung beschäftigt sich ausschließlich mit dem deutschen Lebensversicherungsmarkt. Im Gegensatz zum 2. Kapitel, das sich auf die internationalen Unterschiede in der Produktionseffizienz konzentriert, steht in dieser Untersuchung die zeitliche Entwicklung der Technologie sowie die Reaktion der Unternehmen auf diese Veränderungen im Mittelpunkt der Analyse. Aufbauend auf der im 2. Kapitel eingeführten DEA erlaubt die Malmquist-Analyse, Änderungen in der technischen Produktionseffizienz in Komponen- 2 Vgl. Kessner, E., Polborn, M. (1999): Eine Effizienzanalyse der deutschen Lebensversicherer die Best Practice Methode, Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 88 2/3, S. 469-488. 3 Vgl. Rees, R., Kessner, E. (1999): Regulation and Efficiency in European Insurance Markets, Economic Policy 29, S. 363-397. VII

VIII ten der technologischen Änderung sowie der Effizienzänderung in der Produktionsweise des Unternehmens zu zerlegen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, daß ein Großteil der betrachteten Unternehmen dauerhaft im Bereich steigender oder fallender Skalenerträge produziert und daß somit eine skalenineffiziente Produktion vorliegt. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu einer Vielzahl empirischer Untersuchungen, die lediglich einen Bereich steigender Skalenerträge für kleine Unternehmen mit einem anschließenden Bereich konstanter Skalenerträge für die größten Unternehmen feststellen. Im Beobachtungszeitraum von 1989 bis 1994 verschiebt sich die obere Grenze des Bereiches steigender Skalenerträge, in dem die kleinsten Unternehmen produzieren, auf Grund technologischer Veränderungen in Richtung größerer Zugänge und Bestände an Versicherungssumme. Eine gleichgerichtete Entwicklung läßt sich für den anschließenden Bereich konstanter Skalenerträge sowie für den Bereich fallender Skalenerträge, in dem die Produktion der größten Unternehmen liegt, feststellen. Im Beobachtungszeitraum verbessert sich die Skaleneffizienz insbesondere der großen Unternehmen im Bereich fallender Skalenerträge während sich kleine Unternehmen trotz überdurchschnittlich hoher Wachstumsraten auf Grund der vorliegenden technischen Änderungen in der Mehrzahl von einer optimalen Betriebsgröße entfernen. Durch Veränderungen in der Produktion entstehen insbesondere im Bereich steigender Skalenerträge Effizienzsteigerungen wohingegen sich im Bereich fallender Skalenerträge im Durchschnitt eine Verringerung der Effizienz ergibt.

Kapitel 1 Markttransparenz und Preisdispersion auf dem deutschen Lebensversicherungsmarkt 1.1 Einleitung Seit Stiglers (1961) Aufsatz The Economics of Information istdasphänomen der Preisdispersion, also die Tatsache, daß auf einem Markt für offensichtlich identische Produkte verschiedene Preise gezahlt werden, ein wichtiger Bereich der Informationsökonomik. Die Ursache der Preisdispersion wird in der Regel in unvollkommener Information einer oder beider Marktseiten über Preise bzw. vorhandene Zahlungsbereitschaften für ein Gut gesehen. Price dispersion is a manifestation and, indeed, it is the measure of ignorance in the market, vgl. Stigler (1961), S. 214. Stigler schreibt somit zumindest einen Teil der Preisunterschiede Informationsproblemen zu, wenn das Maß der Streuung diese auch nicht gänzlich erklären kann, sondern auf Grund anderer Einflüsse verzerrt werden kann. Eine weitere Ursache für verschiedene Preise sind eventuell unbeobachtbare Heterogenitäten, die dadurch bedingt sind, daß Güter niemals vollkommen homogenseinkönnen. So sind Güter beispielsweise schon dadurch verschieden, daß sie bei unterschiedlichen Händlern gekauft werden, wenn diese Tatsache aus Sicht des Konsumenten in die Charakteristik des Gutes eingeht. Für die Beurteilung der Markteffizienz ist die Ursache der Preisdispersion von entscheidender Bedeutung. Sind die gehandelten Güter aus der Sicht der Konsumenten heterogen und existieren somit unterschiedlich hohe Zahlungsbereitschaften für diese Güter, so muß Preisdispersion kein Indikator für 1

2 Marktversagen sein, vorausgesetzt, daß verschiedene Qualitäten zu unterschiedlichen Kosten hergestellt werden. Bis heute existieren keine empirischen Analysen, die Preisdispersion von diesem Standpunkt aus betrachten. Die vorhandenen Untersuchungen wie beispielsweise Telser (1978), Dahlby und West (1986) und Shephard (1991) beschränken sich vielmehr darauf, vorhandene theoretische Preisdispersionsmodelle wie das von Carlson und McAfee (1983) mit empirischen Beobachtungen in Einklang zu bringen. Auf die mögliche Existenz heterogener Qualitäten wird dabei nicht eingegangen. Ein Grund für dieses Vorgehen liegt darin, daß die von den Konsumenten subjektiv empfundenen Heterogenitäten empirisch nur schwer oder gar nicht quantifizierbar sind, da es de facto unmöglich ist, die gesamte Präferenzordnung eines Individuums zu messen. In der hier vorliegenden, auf Kessner und Polborn (2000) basierenden Untersuchung werden nach einem einführenden Überblick über die vorhandene Literatur zunächst ein Modell mit heterogenen Produktqualitäten und ein Modell mit gleichgewichtiger Preisdispersion vorgestellt. Auf dieser Basis wird der Effekt einer Subvention des Gutes untersucht, der je nach Modell zu entgegengerichteten Effekten auf den durchschnittlichen Marktpreis führt. In der anschließenden empirischen Untersuchung des deutschen Lebensversicherungsmarktes erlaubt dieser Effekt im Rahmen eines neu entwickelten Tests, ohne Kenntnis der Präferenzordnung der Konsumenten zwischen den beiden Modellen zu unterscheiden. Diese Methode läßt einen Rückschluß auf die Ursache der Preisdispersion zu. Die ökonometrischen Ergebnisse für den deutschen Lebensversicherungsmarkt weisen auf Preisdispersion auf Grund von Informationsproblemen hin. Die dadurch entstehenden Wohlfahrtsverluste könnten durch staatliche Eingriffe mit dem Ziel einer erhöhten Markttransparenz verringert werden. 1.2 Ein Literaturüberblick In der Folge der Arbeit von Stigler wurde die Modellierung der dort initiierten Suchmodelle stetig weiterentwickelt. Stigler (1961) geht von einer exogen gegebenen Preisverteilung aus und untersucht lediglich das Verhalten der Konsumenten als ein statisches Optimierungsproblem bei der Suche nach dem niedrigsten Preis. In diesem Fall legt ein Konsument bei einer gegebenen und bekannten Preisverteilung ex ante die Anzahl der Suchen nach einem günstigen Preis fest. Rothschild (1973) hält die Argumentation von Stigler (1961) nicht für überzeugend, da einerseits die von Stigler angenommene statische Suchregel suboptimal sei. Andererseits werde Preisdispersion nur durch ständige Schocks

3 und die begrenzte Fähigkeit der Konsumenten, Preise zu kalkulieren gestützt, vgl. Rothschild (1974). Die statische Modellierung von Stigler (1961) ist auch deshalb nicht befriedigend, da ein sequentieller Suchprozeß aus Sicht des Konsumenten in der Regel zu besseren Ergebnissen führt. Im Rahmen dieser sequentiellen Modellierung entscheidet ein Konsument nach jeder einzelnen Suche erneut, ob der Suchprozeß fortgesetzt oder das Gut gekauft wird, falls der aktuell niedrigste Preis unterhalb des Reservationspreises des Konsumenten liegt. Auf die explizite Modellierung des Produzentenverhaltens wird in Stiglers Modell ebenfalls verzichtet. Eine frühe Arbeit, die beide Marktseiten simultan betrachtet, stammt von Diamond (1971). In diesem dynamischen Suchmodell entsteht im Gleichgewicht jedoch keine Preisdispersion, sondern alle Unternehmen verlangen einheitlich den Monopolpreis für das Gut. Rothschild (1974) betrachtet ein dynamisches Modell, das auf der Angebotsseite Unsicherheit über die Marktnachfrage beinhaltet. Durch das wiederholte Ausprobieren verschiedener Preise erhalten Verkäufer zusätzliche Information über die Wahrscheinlichkeit, daß ein Kunde bei einem gegebenen Preis kauft. Dieses Ausprobieren ist deshalb mit Kosten verbunden, da ein zu hoch angesetzter Preis die Kaufwahrscheinlichkeit verringert und somit der erwartete Gewinn unter den momentan erreichten sinken kann. Auf diesen Suchprozeß wird genau dann verzichtet, wenn der daraus resultierende abdiskontierte erwartete zukünftige Gewinn kleiner als der im Moment mit dem aktuellen optimalen Preis erreichbare Gewinn ist. Auf Grund der stochastischen Komponente, daß Kunden einen Händler zufällig wählen und dort das Gut mit einer vom Preis negativ abhängigen Wahrscheinlichkeit kaufen, resultieren unterschiedliche Erfahrungen der Händler und eine im Zeitablauf stabile Preisverteilung. Ein Problem der Modellierung ist das von den anderen Verkäufern unabhängige Agieren jedes einzelnen Händlers und somit der fehlende Wettbewerb zwischen den Händlern. Aus diesem Grund wird auch das Verhalten der Konsumenten stark vereinfacht modelliert, indem Kunden einen Händler zu jedem Zeitpunkt mit einer konstanten Wahrscheinlichkeit aufsuchen. Rothschild ist sich dieses Schwachpunktes durchaus bewußt, We do not provide such a (complete) model here, but the results of this paper provide a foundation on which such a model can be built., er konzentriert sich aber auf die Beschreibung der Angebotsseite, vgl. Rothschild (1974), S. 187. In der Realität wird sich das Preissetzungsverhalten der vergangenen Perioden jedoch über einen Mund-zu-Mund-Propaganda-Effekt auf die Anzahl potentieller Kunden auswirken. Wilde und Schwartz (1979) gehen von heterogenen Konsumenten in dem Sinne aus, daß nur ein Teil der Kunden bei einer festen Anzahl von Händlern nach dem niedrigsten

4 Preis sucht, der Rest kauft in jedem Fall beim erstbesten Anbieter. Die Entscheidung des Konsumenten über die Dauer des Suchprozesses wird nicht explizit modelliert. Dies wird beispielsweise bei Salop und Stiglitz (1977) in einem sequentiellen Suchmodell analysiert. In dem Modell von Wilde und Schwartz (1979) ergibt sich eine Preisverteilung, falls der Anteil der suchenden Konsumenten einen kritischen Wert unterschreitet. Für höhere Werte liegt ein Massenpunkt der Preisverteilung auf den Grenzkosten, und die diesem Preis zugeordnete Wahrscheinlichkeitsmasse steigt mit dem Anteil suchender Konsumenten. Sadanand und Wilde (1982) erhalten unter allgemeineren Bedingungen qualitativ die gleichen Ergebnisse wie Wilde und Schwartz (1979). Auch bei typischen fallenden Nachfragen und beliebigen U-förmigen Durchschnittskosten gibt es einen kritischen Anteil von Konsumenten, die Preisvergleiche unter einer festen Zahl von Anbietern durchführen. Wird dieser Wert überschritten, ergibt sich ein singulärer Gleichgewichtspreis, der gerade den Durchschnittskosten entspricht. Die Resultate unterscheiden sich lediglich quantitativ von denen, die Wilde und Schwartz (1979) finden, da der höchste verlangte Preis im Modell von Sadanand und Wilde (1982) kleiner als der Preis unter monopolistischer Konkurrenz ist. Reinganum (1979) verbindet Suchkosten auf der Seite der identischen Konsumenten und die damit einhergehende optimale sequentielle Suche mit dem Preissetzungsverhalten unter unterschiedlichen konstanten Grenzkosten auf Seite der Produzenten. Im Unterschied zum Modell von Butters (1977) wird die Annahme einer preisunelastischen Nachfrage zugunsten einer preisabhängigen Nachfragefunktion aufgegeben. Diese Annahme erscheint für viele Güter realistisch. Optimales Suchverhalten impliziert, daß kein Konsument über einem bestimmten Reservationspreis kauft. Die erwartete Anzahl von Konsumenten ist auf Grund der statischen Struktur des Spiels unabhängig vom gesetzten Preis, so daß jeder Produzent de facto als Monopolist agiert und den Preis entsprechend der durch die individuellen Grenzkosten bestimmten Optimalbedingung setzt. Preisdispersion entsteht in diesem Modell lediglich durch die unterschiedlichen Grenzkosten und die preiselastische Nachfrage. Reinganum (1979) betrachtet den möglichen Markteintritt neuer Unternehmen auf Grund positiver Gewinne nicht, da dessen Einfluß wegen der unendlich hohen Anzahl von Konsumenten vernachlässigt werden kann. In diesem Modell ist die gleichgewichtige Verteilung der Preise allein durch die Kostenverteilung und den Reservationspreis der Konsumenten bestimmt. Die angesprochenen Modelle führen zu dem Ergebnis, daß sowohl bei einem steigenden Anteil von suchenden Konsumenten als auch bei einer steigenden Zahl von Preisver-

5 gleichen pro Kunde ein kompetitives Gleichgewicht mit einem einzigen Gleichgewichtspreis wahrscheinlicher wird. Für die nachfolgenden Betrachtungen ist der Umkehrschluß von Interesse: Liegt kein solches Gleichgewicht vor, so gibt es eher viele Konsumenten, die beispielsweise wegen hoher Suchkosten keine Preisvergleiche durchführen, sondern nur einen Anbieter aufsuchen und dort die Kaufentscheidung fällen. Um die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt zu erhöhen, sollten deshalb Suchkosten durch geeignete Instrumente möglichst niedrig gehalten werden. Dadurch kann die Wahrscheinlichkeit gesenkt werden, daß Konsumenten mit einer Zahlungsbereitschaft oberhalb der Grenzkosten auf Grund von fehlender Information nicht kaufen. Wilde und Schwartz (1979) schlagen in diesem Zusammenhang vor, Produkte durch staatliche Vorschriften oder auf private Initiative zu standardisieren, kartellrechtliche Regelungen, die auf Standardisierung hinwirkende Initiativen blockieren, zu lockern, und Werbung zu erleichtern. Von unabhängigen Instituten durchgeführte und publizierte Tests können das Marktergebnis ebenfalls positiv beeinflussen. In Deutschland werden solche Tests beispielsweise von der Stiftung Warentest für eine Vielzahl von Gütern auch für Lebensversicherungen durchgeführt. Im Rahmen dieser Tests werden jedoch nicht nur Preis-, sondern auch Qualitätsvergleiche durchgeführt. Es ist auffällig, daß sich die publizierten Testergebnisse (Renditen, Rückkaufwerte etc.) im Bereich Lebensversicherung offensichtlich nicht wesentlich auf die Marktanteile der Unternehmen auswirken. 1 Dies ist einerseits ein Indikator dafür, daß die untersuchten Qualitätsmerkmale bei Lebensversicherungen aus Sicht der Konsumenten keine wesentlichen Unterschiede darstellen. Andererseits läßt sich daraus schließen, daß die in den Testergebnissen enthaltene Information so gering ist, daß für die Konsumenten keine Unterschiede ersichtlich sind. Die zunehmende Zahl von theoretischen Arbeiten auf dem Gebiet der Preisdispersion führte zu mehreren empirischen Untersuchungen. Eine frühe umfangreiche empirische Analyse stammt von Pratt et al. (1979) mit einer Untersuchung von etwa 40 zufällig ausgewählten Produkten. Pratt et. al. (1979) finden eine empirische Bestätigung für persistente Preisdispersion bei mehreren ihrer Ansicht nach homogenen Produkten auf Grund von Suchkosten auf Seite der Konsumenten. Ein Hauptproblem der empirischen Analyse der Preisdispersion ist jedoch die adäquate Erfassung der nötigen Daten. Das in der Untersuchung von Pratt et al. (1979) vorrangige Problem von potentiell existenten 1 Im Gegensatz zu Lebensversicherungen haben die Testergebnisse der Stiftung Warentest bei vielen Gütern durchaus einen Einfluß. Dies zeigt sich auch daran, daß viele Hersteller positive Testergebnisse als Werbeargument benutzen.

6 Produktheterogenitäten wird bereits von Carlson und McAfee (1983) erkannt, die die Vorgehensweise von Pratt et al. (1979) kritisieren: Most (of the products in their sample) have an important service component or may be perceived as nonhomogeneous, vgl. Carlson und McAfee (1983), S. 481. Trotzdem gehen Carlson und McAfee (1983) in ihrem eigenen Modell auf mögliche Heterogenitäten ebenfalls nicht ein. Auch die auf diesem Modell basierende empirische Untersuchung von Dahlby und West (1986) berücksichtigt diese Möglichkeit nicht. Die bisher in der Literatur vorhandenen empirischen Analysen konzentrieren sich auf die ökonometrische Feststellung der Existenz von Preisdispersion auf verschiedenen Märkten. Telser (1978) untersucht Preisdispersion auf den Märkten für Benzin, Fruchtsäfte und Lebensmittel. Die Analyse führt zu dem Ergebnis, daß lediglich ein kleiner Teil der Preisstreuung durch unvollkommene Information der Konsumenten entsteht, wohingegen der größte Teil durch Heterogenitäten der Produkte bedingt ist. Die der Panel- Schätzung zugrunde liegende Argumentation beruht auf der Differenzierung transitorischer und permanenter Preisunterschiede. Lediglich kurzfristige Preisunterschiede können auf Informationsmängel zurückgeführt werden, da langfristig ein Teil des Informationsdefizites kostenlos abgebaut wird. Langfristig bestehende Preisunterschiede werden auf heterogene Qualitäten zurückgeführt. Die mehrperiodige Modellierung Telsers steht im Gegensatz zur gängigen Erklärung der theoretischen Modelle, die sich lediglich auf eine Periode beziehen. Eine Erweiterung zu mehrperiodigen Modellen würde das Gleichgewicht aus dem einperiodigen Modell bestehen lassen, da jedes Unternehmen prinzipiell das eigene Preissetzungsverhalten von Periode zu Periode ändern kann, falls die Konsumenten keine Preisinformation aus der Vergangenheit ziehen können. Die von Telser implizit getroffene Annahme, daß Konsumenten im Zeitablauf aus den Preisen der Vergangenheit lernen, ist allenfalls für die von ihm untersuchten wiederholt gekauften Güter sinnvoll. Auf dem im folgenden untersuchten Lebensversicherungsmarkt, auf dem ein Konsument in der Regel nur wenige Male auftritt, ist sie sicherlich nicht gerechtfertigt. Dahlby und West (1986) untersuchen den kanadischen Markt für Kfz- Versicherungen. Ihre Analyse, die sich an dem Modell von Carlson und McAfee (1983) orientiert, zeigt die Existenz von Preisdispersion auf dem untersuchten Markt. Dies wird insbesondere durch die Überprüfung der von Carlson und McAfee aufgestellten Marktanteilsgleichungen bestätigt, da sich ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen den Grenzkosten und dem erreichten Marktanteil eines Unternehmens ergibt. Eine weitere Untersuchung findet sich bei Shepard (1991). Diese Analyse bezieht sich allerdings nicht in erster Linie auf die Ursache unvollkommener Information der Konsumenten

7 als vielmehr auf unterschiedliche Marktmacht auf der Seite der Unternehmen, die zu unterschiedlichen Preisen führt. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die vorliegenden empirischen Untersuchungen die Existenz von Preisdispersion im wesentlichen bestätigen. Ein Mangel aller Analysen liegt aber darin, daß sie die Frage nach der aus wohlfahrtsökonomischer Sicht wichtigen Ursache von Preisdispersion nicht beantworten können. In der vorliegenden Untersuchung des deutschen Lebensversicherungsmarktes wird ein Test entwickelt, der es ermöglicht, empirisch zu überprüfen, ob Preisdispersion durch unvollkommene Information oder durch das Vorliegen heterogener Produktqualitäten entsteht. Der verwendete Test beruht auf den entgegengerichteten Effekten einer Subvention für das untersuchte Produkt. 1.3 Die Modelle Das folgende Kapitel stellt die theoretischen Modelle vor, auf deren Grundlage die abgeleiteten Hypothesen anschließend empirisch überprüft werden. Dazu wird zunächst ein Modell heterogener Produktqualitäten entwickelt und mittels einer komparativ statischen Analyse der Effekt einer qualitätsunabhängigen Subvention auf den durchschnittlichen Marktpreis abgeleitet. Daran schließt sich die Präsentation eines Modells mit durch Informationsmängel bedingter gleichgewichtiger Preisdispersion an. In diesen Modellen können, je nach Modell entgegengesetzt gerichtete, Effekte einer Subvention des Produktes abgeleitet werden. Diese können in der anschließenden empirischen Untersuchung zur Bestimmung der Ursache von Preisdispersion herangezogen werden. 1.3.1 Das Heterogene Qualitätsmodell In einem Markt befindet sich ein Kontinuum von Firmen, die ein Produkt x mit der Qualität θ anbieten. Die minimale Qualität des Gutes ist durch θ gegeben. Die Produktionskosten der Menge x mit der Qualität θ sind gegeben durch die Kostenfunktion C(x, θ) =x θ (1.1) Unter dem Begriff Qualität werden in diesem Zusammenhang vom Konsumenten subjektiv empfundene Heterogenitäten zwischen den Produkten verschiedener Firmen zusammengefasst. Dazu gehören für die Lebensversicherung beispielsweise die Beratungs-

8 leistungen vor dem Vertragsabschluß, Informationen während der Vertragslaufzeit oder die Bearbeitungszeit im Falle eines Auszahlungsanspruchs. Im folgenden wird angenommen, daß der Versicherungsmarkt vollkommen kompetitiv ist und der Preis des Gutes mit der Qualität θ damit durch die Grenzkosten der Produktion gegeben ist. p(θ) =θ (1.2) Die Konsumenten haben ein identisches Anfangseinkommen von ȳ und können entweder x = 0 oder x = 1 Einheit des Gutes zum Preis p kaufen. Auch wenn für den Lebensversicherungsmarkt die Annahme einer einheitlichen Nachfragemenge auf Grund unterschiedlich hoher Versicherungssummen zunächst unrealistisch wirkt, ist diese doch gerechtfertigt. Wenn die Versicherungssumme als Menge angesehen wird, läßt sich die obige Konstruktion stützen, indem eine hohe Versicherungssumme als eine entsprechend häufige Nachfrage nach der Einheitsmenge interpretiert wird, da in diesem Modell nicht die absolute Anzahl der Konsumenten, sondern lediglich deren Verteilung relevant ist. Die Konsumenten haben quasilineare Nutzenfunktionen der Form v = y + u(x) (1.3) mit einem auf 1 normierten Preis für das Numerairegut y. Die indirekte Nutzenfunktion ist damit durch ȳ p + u(θ, λ) falls x =1 U(x, θ, λ, ȳ, p) = (1.4) ȳ falls x =0 gegeben. Ohne Versicherung erhält das Individuum gerade den Reservationsnutzen ȳ, der seinem Anfangseinkommen entspricht. Durch den Kauf eines Versicherungsvertrags der Qualität θ zum Preis p (falls u(θ, λ) >p)mitdemmonetären Äquivalent u(θ, λ) steigt der erreichte Nutzen über den Reservationsnutzen von ȳ. Für die Nutzenfunktion u(θ, λ) wird angenommen, daß der Grenznutzen der Qualität positiv, aber abnehmend ist. u θ > 0, 2 u θ < 0 (1.5) 2 Durch den Parameter λ wird die Präferenz eines Individuums für Qualität ausgedrückt. Weiterhin wird davon ausgegangen, daß die Präferenz für Qualität mit λ steigt und daß die Single-Crossing Annahme gilt, d.h. 2 u λ > 0, 2 u λ θ > 0 (1.6)

9 ȳ y λ 1 ȳ θ + s ȳ θ λ 1 λ 1 <λ 2 λ 2 λ 2 θ (λ 1 ) θ (λ 2 ) θ Abbildung 1.1: Indifferenzkurven Im folgenden wird ein Konsument betrachtet, der sich für den Kauf des Gutes entschieden hat. Wenn der Konsument beim Kauf des Gutes in Höhe von s (unabhängig von der Qualität des Gutes) subventioniert wird, dann sieht das Entscheidungsproblem des Konsumenten über die Qualität θ wie folgt aus: max θ θ ȳ + s θ + u(θ, λ) (1.7) Die Bedingung erster Ordnung dieses Maximierungsproblems ist durch 1+ u θ 0, θ θ, ( 1+ u)(θ θ) = 0 (1.8) θ gegeben. Die Lösung, das optimale Qualitätsniveau für einen Konsumenten mit dem Typ λ, wird mit θ (λ) bezeichnet. Mit dem impliziten Funktionen Theorem folgt 2 Vgl. Abbildung 1.1. θ λ = u θλ u θθ > 0 (1.9)

10 Dieser Ausdruck ist auf Grund der Annahme (1.6) positiv. Für die zusätzlich mögliche Randlösung θ = θ mit u/ θ < 1istθ unabhängig von marginalen Änderungen des Präferenzparameters. Die optimale Qualität θ (λ) ist demnach eine nicht-fallende Funktion des Präferenzparameters, vgl. Abbildung 1.1. θ (λ) 0 (1.10) λ Weiterhin ist die optimale Qualität unabhängig von der Subvention s. 3 Die Höhe der Subvention beeinflußt jedoch die Entscheidung, ob das Gut überhaupt gekauft wird. Ein Konsument entscheidet sich genau dann für den Kauf des Gutes, wenn ȳ + s + u(θ (λ),λ) θ (λ) ȳ (1.11) Da die Nutzenfunktion in λ steigt, gibt es einen marginalen Konsumenten λ c,dergerade indifferent zwischen dem Kauf des Gutes und dem Nichterwerb ist. Weiterhin gilt, daß x =1für alle λ λ c, daß also eine höhere Präferenz für Qualität als λ c immer zum Kauf des Gutes mit der jeweils optimalen Qualität θ (λ) führt. Konsumenten mit λ<λ c kaufen das Gut nicht. Im folgenden wird der Effekt einer Erhöhung der Subvention auf den kritischen Präferenzwert λ c untersucht. Es gilt: Totales Differenzieren der Gleichung (1.12) liefert: ȳ + s + u(θ (λ c ),λ c ) θ (λ c )=ȳ (1.12) λ c s = 1 u λ + u θ θλ θ λ = 1 u λ θλ (1 u θ) < 0 (1.13) Im Falle einer inneren Lösung (θ >θ)istu θ = 1 und somit λ c / s = 1/u λ < 0. Für den Fall einer Randlösung ergibt sich u θ 1 woraus ebenfalls λ c / s < 0 folgt. Somit sinkt der kritische Präferenzwert nach einer Erhöhung der Subvention s. Abbildung 1.2 veranschaulicht den Effekt der Subventionierung auf die Kaufentscheidung. Konsumenten vom Typ λ 2 kaufen x unabhängig von einer Subventionierung. Die 3 Dieses Ergebnis hängt wesentlich von der Annahme (1.3) einer quasilinearen Nutzenfunktion und der daraus folgenden Abwesenheit von Einkommenseffekten auf die Versicherungsnachfrage, insbesondere die Qualitätsentscheidung ab. Für eine allgemeinere Nutzenfunktion u(y, θ) kann ohne zusätzliche Annahmen über die Präferenzordnung keine allgemeingültige Aussage über θ (λ)/ λ und somit über θ (λ, s)/ s gemacht werden.