FINANZGERICHT HAMBURG



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FINANZGERICHT HAMBURG Az.: 3 V 16/13 Hinweisbeschluss des Einzelrichters vom 13.05.2013 Rechtskraft: - Normen: AO 241, AO 361, FGO 69, FGO 142, GG Art. 3, GG Art. 14, GG Art. 19 Abs. 3-4, GG Art. 20, ZPO 116 Leitsatz: 1. Bei europarechtlichen Zweifeln kommt es für die AdV nicht notwendig an auf die - bei verfassungsrechtlichen Zweifeln zwischen den BFH-Senaten divergierende - Voraussetzung des besonderen Interesses am vorläufigen Rechtsschutz, das gegenüber dem öffentlichen Interesse an geordneter Haushaltsführung vorgeht. 2. AdV ist ohne Sicherheitsleistung zu gewähren, wenn keine Anhaltspunkte für eine Steuergefährdung bestehen. Letztere kommen in Betracht angesichts branchenüblich häufiger Marktbewegung (hier Spielhallenbetreiber), hoher Verlustvorträge, unzureichender oder fehlender Eigenkapitalausstattung und fehlender Sachwerte. 3. Zwar kann das Verlangen nach Sicherheitsleistung wegen unzumutbarer Härte bei Existenzgefährdung oder drohenden irreversiblen Nachteilen unbillig sein; jedoch nicht, wenn der Verzicht auf Sicherheitsleistung ungeeignet ist, um konkret auf die wirtschaftliche Lage einzuwirken, weil diese bei hohen Schulden nicht ohne weiteres behebbare andere oder strukturelle Ursachen hat (wie z. B. unzureichende Kapitalausstattung). Überschrift: AO/FGO/GG: Aussetzung der Vollziehung, unbillige Härte der Sicherheitsleistung? Den Beteiligten werden zur Förderung des Verfahrens folgende Hinweise erteilt: 1. Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuer auf die Spielgeräte-Umsätze ist zu erwägen gemäß 69 Abs. 4 FGO aufgrund der ernstlichen Zweifel gemäß der EuGH-Vorlage des FG Hamburg vom 21. September 2012 3 K 104/11 (EFG 2012, 2241, DStR 2012, 2013), auch wenn nach nationaler Rechtsprechung bisher AdV abgelehnt wurde (vgl. FG Hamburg vom 16. November 2011 3 V 166/11, EFG 2012, 983; vom 5. November 2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925; BFH vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58, Aufhebung FG Hamburg vom 10. Juni 2009 3 V 75/09, EFG 2009, 1602, IStR 2009, 589 m. Anm. Weinschütz). Für die AdV genügt unter Umständen die ernstliche Möglichkeit, dass der EuGH die ihm vorgelegte Rechtsfragen für die Steuerpflichtigen günstiger und anders beantwortet, als sie zuletzt nach der Rechtsprechung des BFH beantwortet worden sind (vgl. BFH vom 19. Dezember 2012 V S 30/12, BFH/NV 2013, 779; vom 5. Mai 1994 V S 11/93, BFH/NV 1995, 368). Diese Möglichkeit ist zu prüfen nach den vorgelegten Zweifeln an der kumulativen Besteuerung der Spielgeräte-Umsätze mit Umsatzsteuer und der nationalen örtlichen Sonderabgabe in Form der (Spiel-)Vergnügungsteuer (u. U. entgegen FG Münster vom 18. Januar 2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

Bei europarechtlichen Zweifeln kommt es nicht notwendig an auf die - bei verfassungsrechtlichen Zweifeln zwischen den BFH-Senaten streitige - Voraussetzung eines besonderen Interesses am vorläufigen Rechtsschutz, das gegenüber dem öffentlichen Interesse an geordneter Haushaltsführung vorgeht (BFH vom 24. März 1998 I B 100/97, BFHE 185, 467, HFR 1998, 751; vgl. vom 19. Dezember 2012 V S 30/12, BFH/NV 2013, 779; vom 5. Mai 1994 V S 11/93, BFH/NV 1995, 368; Jochen Lüdicke/ Bowitz, DStR 2013, 791, 796 m.w.n.). 2. Bei der vorliegenden umsatzsteuerlichen Organschaft ist über die AdV gegenüber der steuerpflichtigen Organträgerin zu entscheiden (vgl. BFH vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493). 3. Trotz ernstlicher Rechtmäßigkeitszweifel kann die AdV bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens von einer Sicherheitsleistung (vgl. 241 ff. AO) abhängig gemacht werden, und zwar gemäß 69 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 4 FGO nach Ermessen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 69 FGO Rd. 84). Die Ausübung der Ermessensbefugnisse darf nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz führen (BFH vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615 zu 2 d cc Rd. 24 m. w. N.; BVerfG vom 22. September 2009 1 BvR 1305/09, DStR 2009, 2146 zu 1 a-b Rd. 14 ff.). 4. Regelmäßig ist AdV ohne Sicherheitsleistung zu gewähren, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Durchsetzung des Steueranspruchs bestehen, falls der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren unterliegt (BFH vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58 zu 1 c Rd. 17 m. w. N.). 5. Anhaltspunkte für eine Steuergefährdung kommen möglicherweise hier in Betracht im Hinblick auf branchenüblich häufige Marktbewegung, Rechtsform GmbH und wirtschaftliche Lage des Unternehmens bei Finanzierung im Wesentlichen durch hohe Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt zum Ausgleich entsprechend hoher Verlustvorträge und bilanzieller Überschuldung (jeweils...stellig); insbesondere wenn keine verfestigten Sachwerte den sich akkumulierenden Steuerrückständen gegenüberstehen (BFH vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58, Rd. 18 zu 1 c aa; vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403 zu 1 b bb Rd. 23). 6. Für die gebotene summarischen Prüfung ist es Sache der Beteiligten, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen; sei es das Finanzamt für die Steuergefährdung oder sei es die Steuerpflichtige für Umstände, die das Sicherungsbedürfnis entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (BFH vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615 zu 3 c Rd. 37 m. w. N.). 7. Eine Sicherheitsleistung darf allerdings nicht gefordert werden, wenn sich ergibt ( 96 FGO), dass der Steuerpflichtige dazu im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht imstande ist (BFH vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403 zu 1 b ee Rd. 30 m. w. N.). Unter diesen Umständen kann das Verlangen nach einer Sicherheit auch bei einer AdV wegen ernstlicher Rechtmäßigkeitszweifel ( 69 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 FGO) zu einer - i. S. v. 69 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 i. V. m. Abs. 4 FGO - unbilligen

Härte der Vollziehung und deshalb zugleich zu einer aus verfassungsrechtlicher Sicht unzumutbaren Beschränkung des effektiven vorläufigen Rechtsschutzes führen (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 GG); und zwar auch gegenüber der laufend festgesetzten (Spielgeräte- )Umsatzsteuer bei noch zu klärender Abwälzbarkeit (vgl. BFH vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58 zu II, II 1 c, d Rd. 12, 17, 24 ff.; BVerfG vom 22. September 2009 1 BvR 1305/09, DStR 2009, 2146 zu 1 b cc Rd. Ff.). Eine unbillige Härte in diesem Sinne liegt m. a. W. vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerfestsetzung wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (BVerfG vom 11. Oktober 2010 2 BvR 1710/10, DStR 2010, 2296 m. w. N.; ständ. Rspr.). 8. Eine unbillige Härte der Vollziehung liegt nicht schon bei solchen Nachteilen vor, die typischerweise mit einer Vollziehung verbunden sind (BFH vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325 zu 5 Rd. 32 (m. w. N.) oder die nicht über die allgemeinen Nachteile der Zahlung oder des Vollzugs nicht bestands- oder rechtskräftiger Steuerfestsetzungen hinausgehen; im Übrigen muss der Fiskus nicht zurückstehen und ergibt sich noch keine unbillige Härte, weil andere Gläubiger Ansprüche geltend machen (BFH vom 2. November 2004 XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490 zu 3 Rd. 19) oder weil sich Auswirkungen bei verbundenen Gesellschaften ergeben (BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94, BFHE 173, 420, BStBl II 1994, 398 zu 2 Rd. 22) oder sich Gewinnausschüttungen verzögern (FG Hamburg vom 16. November 2011 3 V 166/11, EFG 2012, 983 betreffend die Antragstellerin). Ebenso wenig genügt die Berufung auf die schlechte Ertragslage der Branche (BFH vom 9. Mai 1969 III B 4/67, BFHE 96, 117, BStBl II 1969, 547 Rd. 10 ae). 9. Zu prüfen sind für die unbillige Härte die Höhe der Forderung oder einer u. U. niedrigeren Sicherheit im Verhältnis nicht nur zum Vermögen, sondern auch zur Ertragssituation und zu den Kreditmöglichkeiten (vgl. BFH vom 29. März 2001 III B 79/00 und III B 80/00, BFH/NV 2001, 1244 und BFH/NV 2001, 1294 betreffend Spielhallenbetreiber; vom 21. Oktober 1993 IV S 4/93, BFH/NV 1994, 788); geeignetenfalls unter Berücksichtigung der Liquiditätslage und der Zahlungsflüsse gemäß BWA und Kontoauszügen (FG Hamburg vom 5. November 2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925; vom 26. Oktober 2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111). 10. Die Darlegung und Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Frage der unbilligen Härte wegen drohender irreversibler Nachteile und Existenzgefährdung obliegt im summarischen Verfahren ebenfalls den Beteiligten; insbesondere der Antragstellerseite aus ihrer Sphäre (BVerfG vom 22. September 2009 1 BvR 1305/09, DStR 2009, 2146 zu 1 c Rd. 24; BFH vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58 Rd. 27; vom 20. September 1995 I B 197/94, BFH/NV 1996, 366 zu 2 Rd. 20). Insoweit trifft die Antragstellerseite eine qualifizierte Nachweispflicht (BFH vom 17. Februar 1984 III S 2/83, III S 3/83 und III S 4/83, jeweils Juris m. w. N.). 11. Nötigenfalls ist bei drohenden irreversiblen Nachteilen und existenzgefährdenden Umständen aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob nur

teilweise Sicherheit geleistet werden soll und kann (BFH vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFH/NV 2013, 436 zu 2 d bb Rd. 22). 12. Ferner ist hinzuweisen auf teilweise vergleichbare Maßstäbe für persönliche bzw. wirtschaftliche Billigkeitsgründe im Abgabenrecht, insbesondere beim Steuer- Billigkeitserlass ( 163, 227 AO) und bei der Steuerstundung ( 222 AO). a) Danach wird eine wirtschaftliche Unbilligkeit u. a. verneint, wenn es an der Geeignetheit der begehrten Maßnahme fehlt, konkret auf die wirtschaftliche Lage einzuwirken, weil diese bei hohen Schulden nicht ohne weiteres behebbare andere oder strukturelle Ursachen hat und durch die Nichterhebung der Steuer nur andere Gläubiger begünstigt werden (FG Rheinland-Pfalz vom 29. Januar 1997 1 K 2555/96, Juris; vgl. oben 8). b) Eine wirtschaftliche Unbilligkeit liegt auch nicht schon dann vor, wenn die Organträgerin keine ausreichenden Mittel von der Organgesellschaft zur Steuerentrichtung erhalten hat (vgl. BFH vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493 zu 3 a dd Rd. 33). In die Prüfung der wirtschaftlichen Unbilligkeit sind neben Ergebnisabführungen ggf. weitere Besonderheiten in den Beziehungen zu den verbundenen Unternehmen einzubeziehen, z. B. Zahlungsflüsse oder unzureichende Ausstattung einer Gesellschaft mit eigenem Aktivvermögen (FG Hamburg vom 30. November 2011 4 K 151/10, Juris Rd. 70 ff.; vgl. oben 8-9). 12. Zum Rechtsschutz - auch bei Existenzgefährdung - von Kapitalgesellschaften ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass nach Art. 19 Abs. 3 GG für sie die Grundrechte (nur) gelten, soweit diese ihrem Wesen nach auf juristische Personen - als bloße Zweckgebilde - anwendbar sind (vgl. BVerfG vom 26. Februar 1997 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220). 14. Insoweit decken sich die vorbeschriebenen Grundsätze zur wirtschaftlichen Unbilligkeit im Steuerrecht teilweise mit der Rechtsprechung zu - 142 FGO i. V. m. - 116 ZPO ( 114 Abs. 4 i. d. F. vor 1981), wonach für die Prozesskostenhilfe (früher Armenrecht) bei einer juristischen Person bzw. Kapitalgesellschaft ohne hinreichende Mittel auch auf Verhältnisse der wirtschaftlich Beteiligten abzustellen ist und der Gesellschaft die diesbezügliche Darlegung und Belegführung obliegt (vgl. BFH vom 4. April 1996 V S 1/96, V B 6/96, BFH/NV 1996, 795). Diese eingeschränkte soziale Regelung im Bereich der Rechtspflege verstößt nicht ohne weiteres gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art. 3, 19 und 20 GG (vgl. BVerfG vom 26. Januar 1983 1 BvR 1036/82, 1 BvR 26/73, HFR 1983, 227). Hinsichtlich der Prinzipien des sozialen Rechtsstaats (Art. 20 GG) und der Menschenwürde natürlicher Personen (Art. 1 GG) unterscheiden sich Kapitalgesellschaften als juristische Personen u. a. durch die wirtschaftlichen Vorteile der Haftungsbegrenzung für die hinter ihr stehenden Personen; deshalb ist die Rechtsträgerschaft und Existenzberechtigung der Gesellschaft an ein ausreichendes Vermögen gebunden, nicht nur für ihre Gründung, sondern auch für ihre weitere Existenz (grundlegend BVerfG vom 3. Juli 1973 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348).

Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, die auch für juristische Personen gilt, schützt nicht schon vor der Auferlegung von Steuern, greift aber dann ein, wenn die Steuer den Abgabepflichtigen übermäßig belastet bzw. erdrosselnd wirkt oder die Ausübung des Eigentumsrechts wirtschaftlich unmöglich macht (BFH vom 22. Juni 1983 I B 24/83, Juris m. w. N.; vom 26. Mai 1982 I B 98-99/81, BFHE 136, 62, BStBl II 1982, 600). Diesbezüglich zu prüfende Gesichtspunkte werden ggf. auch nach den vorbeschriebenen Grundsätzen zur unbilligen Härte bei unzumutbarer Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sein (oben 7, 9 ff.). 15. Für die danach erforderliche Prüfung der tatsächlichen Umstände und wirtschaftlichen Situation des Einzelfalls nach Aktenlage, Beteiligtenvortrag und Glaubhaftmachung bleibt es bei dem bereits anberaumten Erörterungstermin Mittwoch, 15. Mai 2013, 13.15 Uhr. Hinweis: Das Verfahren ist unstreitig erledigt worden.