Einflusslinien und ihre Anwendung



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Einflusslinien und ihre Anwendung Bachelor Projekt eingereicht am Institut für Baustatik der Technischen Universität Graz im Mai 2009 Verfasser: Betreuer: Christiana Köppl Dipl. Ing. Klaus Thöni

II

Inhaltsverzeichnis Einleitung. Aufgabenstellung........................................2 Motivation.......................................... 2 Streifzug durch die Geschichte der Einflusslinie 3 2. Vorwort............................................ 3 2.2 Entwicklung der Einflusslinie................................ 3 3 Anwendungsbeispiele 3. Allgemeines.......................................... 3.2 Artikel in Zeitschriften.................................... 3.3 Diplomarbeiten........................................ 3 4 Grundlagen zur Einflusslinie 5 4. Allgemeines.......................................... 5 4.. Bedeutung der Einflusslinie............................. 5 4..2 Definition....................................... 5 4..3 Zustandslinie contra Einflusslinie.......................... 5 4..4 Auswertung...................................... 6 4.2 Theoretische Grundlagen.................................. 8 4.2. Grundbegriffe der Kinematik starrer Scheiben................... 8 4.2.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung (PvV)..................... 24 4.2.3 Weitere Energieaussagen............................... 24 4.2.4 Satz von and (882) - Herleitung......................... 26 5 Berechnung der Einflusslinie 29 5. Einflusslinien für Kraftgrößen statisch bestimmter Systeme............... 29 5.. Analytische Methode - Schnittprinzip....................... 29 5..2 Kinematische Methode................................ 3 5.2 Einflusslinien für Kraftgrößen statisch unbestimmter Systeme.............. 35 5.2. Verwendung eines statisch bestimmten Grundsystems.............. 35 5.2.2 Verwendung eines (n-)-fach statisch unbestimmten Hauptsystems....... 4 5.3 Einflusslinien für Weggrößen................................. 42 5.3. Einflusslinien für Verschiebungen.......................... 43 5.3.2 Einflusslinien für Verdrehungen........................... 43 6 Beispiel: Fachwerk 45 6. Kinematische Methode.................................... 46 6.2 aststellungsmethode.................................... 49 III

IV

Einleitung. Aufgabenstellung In der vorliegenden Bachelorarbeit soll den Studierenden das Prinzip der Einflusslinie nähergebracht werden. Hierfür erfolgt zunächst ein historischer Rückblick, zu den Wurzeln der Einflusslinie. Anhand einer Sammlung von Artikeln und Diplomarbeiten soll dann gezeigt werden, dass diese Methode nach wie vor Anwendung in der Praxis findet. Weiters werden die erforderlichen, theoretischen Grundlagen zur Bestimmung der Einflusslinie aufbereitet, und die Unterschiede bei deren Ermittlung bei statisch bestimmten und statisch unbestimmten Tragwerken aufgezeigt. Diese Arbeit wird zum Abschluss mit einem ausgearbeiteten Beispiel abgerundet..2 Motivation Die Anwendungsmöglichkeiten und der Nutzen der Einflusslinie werden häufig unterschätzt und folglich wird ihr oft nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, wie es bereits zu ihren Anfängen geschehen ist. Deswegen soll in der vorliegenden Arbeit ein vollständiges Bild der Einflusslinie gegeben werden, um den Studierenden und allen Interessierten den Zugang zur notwendigen Theorie zu erleichtern und so das Interesse wieder zu wecken. Abb..: Modellierung einer Eisenbahnbrücke []

Einleitung 2 Einflusslinien und ihre Anwendung

2 Streifzug durch die Geschichte der Einflusslinie 2. Vorwort Das Wort Influenzlinie, heute Einflusslinie, ist auf das Jahr 873 rückzudatieren und wird Weyrauch zugesprochen. Johann Jakob Weyrauch (845-97) gab der Einflusslinie zwar ihren Namen, doch kann er keinesfalls als ihr Schöpfer angesehen werden. Vielmehr ist er einer von vielen, die sich im aufe der Zeit mit ihr beschäftigt und versucht haben, ein allgemeines Prinzip zur Anwendung der Einflusslinie aufzustellen. Somit ist hier nicht nur eine Person zu erwähnen, die sie ins eben gerufen hat, sondern eine Vielzahl. So liegt mehr als ein Jahrhundert zwischen den ersten schriftlichen Aufzeichnungen und der Durchsetzung der Einflusslinie in der Baustatik als anerkanntes Prinzip. Im Folgenden sollen auch ein paar Persönlichkeiten erwähnt werden, die maßgeblich zur ihrer Entwicklung beigetragen haben und das Prinzip der Einflusslinie zu jener eleganten Methode werden ließen, die heutzutage noch an Universitäten gelehrt wird. Dem ist weiters hinzuzufügen, dass die Einflusslinie nicht nur ein Relikt aus früheren Zeiten, sondern sehrwohl ein aktuelles Thema ist und Anwendung in der Praxis findet, wie in Kap. 3 an einigen Beispielen gezeigt werden soll. 2.2 Entwicklung der Einflusslinie Zunächst soll ein Überblick der Entwicklung der Einflusslinie anhand des Dreisprunges der Disziplinbildungsperiode der Baustatik gegeben werden [24, vgl. S.2]. Darunter versteht man den Zeitraum von 825 bis 900, wobei diese wiederum in drei Abschnitte eingeteilt wird: die Konstituierungsphase, die Etablierungsphase und die Vollendungsphase. Zur Konstituierungsphase (825-850) zählt kein geringerer als Claude-ouis Navier (785-836), der als der Begründer der Baustatik gilt und mit seiner Elastizitätstheorie in die Geschichte einging. Auch befasste er sich als einer der ersten mit der Einflusslinie. Er behandelte in seiner Mechanik der Baukunst [Navier, 833/878] einen parabelförmigen symmetrischen, einfach statisch unbestimmten Zweigelenkbogen, für den er die Einflusslinie des Horizontalschubes H(χ) bei vertikaler Wanderlast P ableitete. [24, S.6](Abb. 2.) χ P H(χ) H(χ) f Abb. 2.: Zur Berechnung der Einflusslinie des Horizontalschubes H(χ) nach Navier 3

2 Streifzug durch die Geschichte der Einflusslinie In der zweiten Phase, der sogenannten Etablierungsphase (850-875), sind Karl Culmann (Abb. rechts) und die graphische Statik zu erwähnen. Anfang des 9. Jahrhunderts entwickelte der Franzose Jean Victor Poncelet (788-867) die sogenannte projektive Geometrie, die von Karl Culmann (82-88) aufgegriffen wurde. Er selbst, W. Ritter, O.C. Mohr, E. Winkler und. Cremona sind als die Schöpfer der graphischen Statik anzusehen, wobei Culmann als ihr Begründer gilt. Er ist der Verfasser von Die graphische Statik [Culmann, 864/866]; sein Werk ist Ausgangspunkt sowohl der graphischen Statik als auch der Graphostatik. etztere wurde von den Ingenieuren dieser Zeit bevorzugt; auch der Schüler und Nachfolger Culmanns an der ETH Zürich, W. Ritter, schrieb in Folge ein Werk über die Graphostatik. In dieser Periode beschäftigte man sich ebenfalls mit der Einflusslinie: neben vielen anderen der anfangs erwähnte Weyrauch und weiters Wilhelm Fränkel (84-895), der 876 selbst eine zusammenfassende Arbeit über die Einflusslinie schrieb, der allerdings nie größere Beachtung geschenkt wurde. Die Graphostatik wurde auch in aufe der Vollendungsphase (875-900) angewandt und ausgebaut und diente als Basis zur Ermittlung der Einflusslinie. In dieser Phase wurde die Baustatik vor allem durch Persönlichkeiten wie Castigliano, Maxwell, Winkler, Mohr, Müller-Breslau, Weyrauch und and geprägt. Und auch auf die Einflusslinie wirkten sie alle ein: denn in der Vollendungsphase der Baustatik wurde die allgemeine Theorie der Einflusslinie ins eben gerufen. Heinrich Müller-Breslau (85-925) meinte etwa zur Graphostatik: (...) die Auftragung der Verschiebungspläne und die Benutzung dieser iniengebilde zur Herleitung der Einflusslinien und Einflusszahlen, welche auf alle bei der Untersuchung eines gegebenen Fachwerks zu stellenden Fragen die bündigste Antwort geben. [Müller-Breslau, 903, S.VI] (Abb. 2.2, Abb. 2.3) Nun noch einmal ein Schritt zurück in der Geschichte: Die Industrielle Revolution brachte die okomotive und das Eisenbahnnetz mit sich. Um neue Gebiete erschließen zu können, mussten tiefe Geländeeinschnitte überwunden werden. Die Notwendigkeit von Brücken und besonders das Aufkommen von eisernen Fachwerkbrücken brachte auch die Frage mit sich, wie sich die Schnittkräfte in der Konstruktion mit der age der okomotive ändern und bei welcher Position die Brücke den größten Belastungen ausgesetzt sei. Zuerst setzte man die größtmögliche ast als verschmierte Gleichstreckenlast über das gesamte Feld an und verwendete das resultierende maximale Moment zur Dimensionierung des gesamten Brückenquerschnitts. Aufgrund der daraus resultierenden Materialverschwendung und dieser recht trivialen ösung beschäftigten sich Brückenbauer wie Schwedler, Bäusel, aissle 2 und Schübler 3 seit den 850er Jahren mit bewegten astmodellen. [24, vgl. S.6] Allerdings wurde die Einflusslinie in dieser Zeit nur für Einzelfälle überlegt. Ein einheitliches Konzept zur Ermittlung der maximalen Schnittkräfte aufgrund von Wanderlasten wurde daher nicht entwickelt. Mitte des 9. Jahrhunderts besuchte Emil Winkler das Dresdener Polytechnikum, wo er die Vorträge von J.A. Schubert hörte. Johann Andreas Schubert (808-870) war einer der letzten Polytechniker. Er war unter anderem Schwedler, Johann Wilhelm (823-894) 2 aissle, Franz: Der Bau der Brückenträger (864) 3 Schübler, Adolf: Der Bau der Brückenträger (864) 4 Einflusslinien und ihre Anwendung

2.2 Entwicklung der Einflusslinie Abb. 2.2: Verschiebungsplan eines Fachwerkträgers nach Müller-Breslau [Müller-Breslau, 903, Tafel 2] Einflusslinien und ihre Anwendung 5

2 Streifzug durch die Geschichte der Einflusslinie Abb. 2.3: Müller-Breslaus graphische Bestimmung des Einflusses wandernder asten auf Stabkräfte in statisch bestimmten Fachwerken mit Hilfe kinematischer Methoden [Müller-Breslau, 887/, Tafel 6, Fig. 398] 6 Einflusslinien und ihre Anwendung

2.2 Entwicklung der Einflusslinie Abb. 2.4: Schuberts Ansatz zur Berechnung des Horizontalschubes von Gewölben infolge einer Wanderlast sowohl im Maschinen- als auch im Bauwesen sehr bewandert. So entwickelte er die erste deutsche Dampflokomotive Saxonia und konstruierte die 85 eröffnete Göltzschtalbrücke. 845 veröffentlichte er seine Stützlinientheorie, die auf einem Starrkörpersystem basiert und Elastizitäten außer Acht lässt. Auch wenn seine Vorstellungen über die von ihm eingeführte vorgeschriebene Stützlinie die Gewölbetheorie nicht voranbrachte, erahnte er als Brückenbauer schon in Ansätzen das Wesen der Einflusslinie. [24, S.50] In Abb. 2.4 ist ein Gewölbe als gelenkig gelagerte starre Bogenscheibe nach Schubert dargestellt. Nun aber zurück zu Emil Winkler (835-888). Schubert hatte in ihm großes Interesse an der Gewölbestatik und der Elastizitätstheorie geweckt. Ab 865 wirkte er selbst am Polytechnikum in Prag als Professor für Ingenieurbaukunde. Während dieser Zeit befasste er sich eingehend mit der mathematisch-naturwissenschaftlich orientierten Elastizitätstheorie und gemeinsam mit F. Grashof wandelte er diese in eine Technische Elastizitätstheorie um. 868 wird er Professor für Eisenbahn- und Brückenbau am Wiener Polytechnikum. Aufgrund der Möglichkeit, sich mit der Baustatik, besonders der Elastizitätstheorie und der Fachwerktheorie, einerseits und dem Eisenbahn- und Brückenbau andererseits so ausführlich beschäftigen zu können und aufgrund des Zusammenspiels dieser Gebiete war es ihm möglich, das Konzept der Einflusslinie zu entwickeln: 867 publiziert Winkler sein Hauptwerk, die ehre von der Elasticität und Festigkeit [Winkler, 867]. Neben der allgemeinen Theorie des ebenen elastischen Bogens enthält es neuartige Ansätze und ösungen die Berechnung von Einflusslinien für innere Kräfte unter vertikaler Wanderlast beim freiaufliegenden Träger auf zwei Stützen, beim Dreigelenk- und Zweigelenkbogen sowie bei eingespannten Bogen. [24, S.235] Mit der Zeit entfalteten sich zwei Theorien in der Baustatik: der energetische Imperativ, vertreten durch Castigliano und Maxwell sowie in Folge auch durch Müller-Breslau, und der kinematische Imperativ geprägt von Mohr, die beide in der Theorie der Einflusslinie Eingang fanden. In den 880er kam es auch zu einem Streit zwischen Müller-Breslau und Mohr, ob die von ihnen vertretenen Theorien als Basis der Baustatik gleichwertig wären.[24, vgl. S.250] Zunächst wird auf den energetischen Imperativ eingegangen: James Clerk Maxwell (83-879) führte 864 das energetische Maschinenmodell der Fachwerktheorie ein. Er betrachtet das Fachwerk als Maschine mit dem Wirkungsgrad, an welcher die Kraft einen elastischen Widerstand S i überwindet. (... ) Das als energetische Maschine modellierte Fachwerk verwandelt die äußere Arbeit A a gemäß dem Energieerhaltungssatz verlustfrei in die Formänderungsenergie Π. [24, S.250] Maxwells Theorie wird in Abb. 2.5(a) anhand eines statisch bestimmten Fachwerks veranschaulicht. Um die Verschiebung δ F eines bestimmten Knotens des gegebenen Systems bestimmen zu können, Einflusslinien und ihre Anwendung 7

2 Streifzug durch die Geschichte der Einflusslinie lässt er am selben Knoten die virtuelle Kraft v unendlich langsam in die gleiche Richtung wirken, woraus sich die Stabkraft S v i berechnen lässt und daraus - nach dem Satz von Clapeyron 4 - wiederum die gesuchte Knotenverschiebung: oder 2 v δ v F,i = 2 Sv i l v i (2.) δ v F,i = S v i l v i (2.2) Wie aus Abb. 2.5(a) ersichtlich wird, nimmt er dazu bis auf den beobachteten Stab alle anderen Stäbe als starr an. Möchte man nun die Verschiebung unter realer Belastung berechnen, muss man in die Kalkulation alle elastischen Stäbe miteinbeziehen und erhält mit die Arbeitsgleichung δ F = l v i = l i = S i l i E A i (2.3) s δ F,i = i= s i= S v i Si l i E A i. (2.4) Weiters schließt er aus Glg. (2.4) das Vertauschungsgesetz δ ik = δ ki, bekannt unter dem Satz von Maxwell (Abs. 4.2.3). Danach löst er auch statisch unbestimmte Fachwerke auf der von ihm auf diesem Wege geschaffenen Basis des Kraftgrößenverfahrens [24, vgl. S. 24ff.]. (a) A v a + A v i = 0 (b) A v a = 0 Abb. 2.5: Fachwerkanalyse nach (a) Maxwell und (b) Mohr 4 Clapeyron, Benoît-Pierre-Emile (799-864), Eisenbahningenieur 8 Einflusslinien und ihre Anwendung

2.2 Entwicklung der Einflusslinie Dem gegenüber steht der kinematische Imperativ: Otto Mohr (835-98) entwickelt 874/875 eine Theorie zur ösung statisch unbestimmter Fachwerke, analog zu Maxwell, aber unabhängig von dessen Arbeit, bringt er ebenfalls eine Kraft am Ort der gesuchten Knotenverschiebung auf (Abb. 2.5(b)). Der Unterschied zwischen den energetischen und dem kinematischen Maschinenmodell des Fachwerks liegt lediglich darin, dass Maxwell von der inneren virtuellen Arbeit und dem Energiesatz und Mohr von der äußeren virtuellen Arbeit und dem allgemeinen Arbeitssatz ausgeht. [24, S.250] Das kinematische Maschinenmodell des Fachwerks nach Mohr geht auf Franz Reuleaux 875 veröffentlichte (aber bereits 87 vorabgedruckte) Theoretische Kinematik und dem darin durch ein Gelenkviereck veranschaulichten Maschinenbegriff zurück (Abb. 2.6). Abb. 2.6: Fest montiertes Gelenkviereck [Reuleaux, 875, S.5] Abb. 2.7: Polplan des Gelenkvierecks nach and [and, 887/, S.367] Franz Reuleaux (829-905), der eigentlich Maschinenbauer war, konnte sich mit seinen Theorien im Maschinenwesen nicht durchsetzen, erarbeitete aber zugleich für den Bauingenieur, und zu Beginn besonders für Otto Mohr sehr wertvolle Grundlagen. Reuleaux geht es um die Transmission der Bewegung, welche zwischen der Kraftquelle der Bewegung und dem Ort der Einwirkung des Werkzeuges auf den Arbeitsgegenstand liegt. Auch die Fachwerkbrücke ist ein Transmissionsmechanismus. Ihre Stäbe und Knoten verändern die age auf Grund von astursachen und übertragen sie als Auflagerkräfte in die Erde. Von dieser Transmission aus gesehen, kann das Fachwerk als Werkzeugmaschine deren Arbeitsorgane auf die Erde einwirken, begriffen werden; wie umgekehrt das Fachwerk durch die Brille des Transmissionsmechanismus als Kraftmaschine wahrgenommen werden kann, die äußere Arbeit verrichtet. [24, S.252] Dies bildet also die Grundlage für Mohrs Fachwerktheorie und schließlich für den kinematischen Imperativ. Robert and (857-899), der ein Schüler Mohrs war, publizierte 887 den Artikel Die Gegenseitigkeit elastischer Formänderungen als Grundlage einer allgemeinen Darstellung der Einflusslinien aller Einflusslinien und ihre Anwendung 9

2 Streifzug durch die Geschichte der Einflusslinie Trägerarten, sowie einer allgemeinen Theorie der Träger überhaupt [and, 887/2]. Darin entwickelte er die kinematische Fachwerktheorie zur kinematischen Theorie der Stabwerke. Weiters enthält es auch einen Beweis für die Zwangsläufigkeit der Beweglichkeit des Kurbelvierecks nach Reuleaux in geometrischer Form der Polplan war geboren (Abb. 2.7). Anfang des 20. Jahrhunderts geriet ands Arbeit in Vergessenheit, da diese von den Werken Mohrs und Müller-Breslaus in den Schatten gestellt wurde. Erst in den 930ern näherte man sich wieder der kinematischen Perspektive der Baustatik, und zwar im Zuge der Entwicklung des Weggrößenverfahrens. In Folge wurde ands Verfahren zur Bestimmung der Einflusslinie Satz von and getauft ein Verfahren, dass uns bis heute erhalten geblieben ist. Unter Abs. 4.2.4 soll es genauer erläutert werden. Abb. 2.8: Graphische Ermittlung der Einflusslinien von Kraftgrößen des Dreigelenksbogens [and, 888, S.72] 0 Einflusslinien und ihre Anwendung

3 Anwendungsbeispiele 3. Allgemeines Wandernde asten treten zum Beispiel bei Kranbahnen, befahrbaren Decken, Straßen und aller Arten von Brücken (Eisenbahn-, Straßen-, Weg-, Fußgängerbrücken usw.) auf. Für all dies Bauwerke ist die Einflusslinie somit ein geeignetes Hilfsmittel zur Ermittlung der größten inneren Kräfte im Tragwerk aufgrund ortvariabler asten. Im Folgenden werden einige ausgewählte Artikel von 97 bis 2004 in chronologischer Reihenfolge und einige Diplomarbeiten der letzten Jahre vorgestellt, die vor allem die praktische Anwenung der Einflusslinie und zum Teil auch ihren theoretischen Hintergrund zum Inhalt haben. 3.2 Artikel in Zeitschriften Bebr, A. Einflußlinien torsionssteifer Trägerroste In diesem Artikel beschreibt A. Bebr eine Methode die Knickmethode mit der die Einflusslinien aller Trägerrostsysteme effizient ermittelt werden können. Im Vergleich zu anderen Verfahren ist der Zeitaufwand geringer und diese Methode setzt keine Vereinfachungen voraus, wodurch die Berechnung der Einflusslinien torsionssteifer Trägerroste relativ genau wird. [5] Tschemmernegg, F. Zur Berechnung der Pylonen der Rheinbrücke Duisburg - Neuenkamp F. Tschemmernegg berichtet in diesem Artikel über die Ausführungs- und Montageberechnung der vollständig geschweißten Pylone der Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp. Für die Berechnung des Schrägseilbrückensystems nach Theorie I. Ordnung wurde ein Programm nach dem Reduktionsverfahren aufgestellt. Dieses Programm rechnet astfälle und Einflusslinien sowie beliebige Kombinationen von Einflusslinien aller Schnitt- und Verformungsgrößen. Mit Hilfe der von den Querschnitten der Pylonen und von den statischen Systemen abhängigen Faktoren α und β konnte in diesem speziellen Fall unter Verwendung der Einflussflächen für die Kernpunktsmomente nach Theorie I. Ordnung der Zuwachs der Momente nach Theorie II. Ordnung eingefangen werden. [30] Rudolph, C.. Die Fuldatalbrücke Bergshausen C.. Rudolph behandelt hier die statische Berechnung der Fuldatalbrücke Bergshausen. Zur Berechnung der Schnittkräfte des Haupttragsystems wurde die Belastung in einen symmetrischen und einen antimetrischen Teil aufgespalten. Die Berechnung der Einflusslinie des symmetrischen Belastungszustandes erfolgte mit einem eigenen Fachwerkträgerprogramm auf einer IBM 650, während die Auswertung der Einflusslinien manuell vorgenommen wurde. Desgleichen wurden die Schnittkräfte infolge antimetrsicher Belastung manuell berechnet. [27], [28]

3 Anwendungsbeispiele Krzizek, H. Zur direkten Bestimmung extremaler Schnittgrößen bei Durchlaufträgern und eingeschossigen Rahmen mit unverschieblichen Knotenpunkten Die hier von H. Krzizek dargestellte Bedeutung der Festpunkte in Bezug auf die Eigenschaften der Einflusslinien für verschiedene Aufpunkte waren bereits zu jener Zeit, als die Festpunktmethode entwickelt wurde, bekannt. Dienten die Festpunkte seinerzeit dazu, die Auflösung von Gleichungssystemen zu umgehen, können sie nun zur schnelleren Ermittlung von Extremalschnittgrößen verwendet werden. Vor allem aber gestatten sie, jene Bereiche anzugeben, für die die bei feldweise Belastung erhaltenen Werte dem exakten Extremwert entsprechen. [2] Krzizek, H. Zur direkten Bestimmung extremaler Schnittgrößen bei Durchlaufträgern und eingeschossigen Rahmen mit unverschieblichen Knotenpunkten Hier wird ebenfalls versucht, eine Alternative zu der sonst üblichen Aufstellung und Auswertung von Einflusslinien zu entwickeln. Es werden sogenannte astenzug-einflusslinien verwendet, welche für einen festen Ort die von der ortsveränderlichen astgruppe bewirkte Schnittgröße zeigen. Die größte oder die kleinste Ordinate liefert dann unmittelbar den Extremwert, wodurch sich vor allem bei komplizierten Belastungen erhebliche Vorteile gegenüber der herkömmlichen Ermittlung der Einflusslinie ergeben. [22] Ebel, H. Zur Berücksichtigung von Verformungslastfällen in den Reziprozitätssätzen von Betti, Maxwell und Krohn-and Dieser Artikel stellt einen Beitrag zu theoretischen Fundierung des Prinzips der Einflusslinie dar. H. Ebel behandelt die Sätze von Betti und Maxwell als Grundlage für die Ermittlung der Einflusslinie für Weggrößen infolge Wanderlast mit dem Betrag und den Satz von Krohn-and als Basis für die Berechnung der Einflusslinie für Schnittgrößen oder agerreaktionen. [9] Brancaleoni, F. Verformungen von Hängebrücken unter Eisenbahnlasten In dieser Arbeit untersucht f. Brancaleoni die Verwendungsmöglichkeiten von Hängebrücken für den Eisenbahnverkehr. Wegen der großen Verformbarkeit der Hängebrücke einerseits und der kleinen, auf wichtigen Eisenbahnstrecken zulässigen Steigung andererseits war diese parametrische Untersuchung erforderlich. Als Ergebnis werden einige Beispiele von Einflusslinien der Durchschnittssteigung und die Kurven der maximalen Steigung in Abhängigkeit von der Spannweite für alle Belastungszustände dargestellt. Diese Kurven ermöglichen eine generelle Beurteilung der Einwirkung der verschiedenen untersuchten Parameter sowie auch der Verformbarkeit und der Anwendungsgrenzen von Hängebrücken, was letztlich das Ziel der Untersuchung war. [8] Schade, D. Einflußlinien für Ausnutzungsgrade in Stabwerken Wenn in Querschnittsnachweisen von Stabwerken Kombinationen von Schnittgrößen eingehen und Einflusslinien zur ungünstigen Anordnung von Verkehrslasten benutzt werden, sind Einflusslinien für Ausnutzungsgrade wie die bisher in einfachen Fällen benutzten Einflusslinien für Kernmomente nützlich. [29] 2 Einflusslinien und ihre Anwendung

3.3 Diplomarbeiten Unterweger, H.; Kaim, P. Zur Effizienz von Queraussteifungen und unteren Verbänden bei breiten Straßendeckbrücken H. Unterweger und P. Kaim betrachten Alternativen zum bestehenden Tragsystem einer mehrfeldrigen Straßendeckbrücke in Verbundbauweise. Sie untersuchen unter anderem die Variation von Steifigkeit und Anzahl der Verbände für alle Systeme, wobei die Ergebnisse in Form von vertikalen Durchbiegungen sowie Einflusslinien und Beanspruchungen in repräsentativen Hauptträger- und Verbandsquerschnitten vergleichend dargestellt werden, wodurch die Effizienz der Modifikationen am System direkt ablesbar wird. [32] Unterweger, H. Zur maßgebenden Verkehrslaststellung bei Schrägseilbrücken In diesem Artikel geht H. Unterweger auf die Ermittlung der ungünstigsten Verkehrslaststellungen für zwei repräsentative Fahrbahnquerschnitte einer Schrägseilbrücke mit Verbundquerschnitt unter anderem unter Zuhilfenahme der Einflusslinie ein. [3] 3.3 Diplomarbeiten Kress, Sigurd (FH Nordostniedersachsen) Entwicklung eines webbasierten ehrmoduls über Einflusslinien für beliebige Biegeträger Im Zuge seiner Diplomarbeit entwickelt Sigurd Kress ein webbasiertes ehrmodul über Einflusslinien für beliebige Biegeträger. Hierbei geht er zunächst auf theoretsiche Grundlagen und die Verfahren zur Berechnung der Einflusslinien für statisch bestimmte und unbestimmte Systeme ein und untermauert diese in Folge mit Übungen und Aufgaben mit ösungen. [5] Materna, Daniel (Universität Kassel) Finite Elemente und Einflussfunktionen Darin behandelt Daniel Materna die Berechnung von Einflussfunktionen mithilfe finiter Elemente. Dazu beschreibt er zuerst die nötigen Grundlagen (Einflussfunktion am einfachen Balken, Satz von Betti, Green sche Funktion), und geht danach auf die ösung mit finiten Elemten und die Berechnung von Einflussfunktionen zur anschließenden Implementierung in ein FE-Programm ein. [4] Panke, Thorsten (Universität Kassel) Berechnung von Einflussfunktionen mit der Methode der finiten Elemente In dieser Diplomarbeit werden zunächst die Grundlagen der klassischen Statik, wie z.b. das Prinzip der virtuellen Arbeiten und der Satz von Betti hergeleitet. Mithilfe des Projektionsatzes können diese auf die Methode der finiten Elemente umgelegt werden, was durch einige Beispiele gezeigt wird. [3] Carl, Oliver (Universität Kassel) Sensitivitätsanalyse mit Einflussfunktionen In seiner Diplomarbeit führt Oliver Carl eine Sensitivitätsanalyse mit Einflussfunktionen durch. Dabei geht er stark auf Einflussfunktionen in Abhängigkeit von Steifigkeitsänderungen ein und stellt dann eine Vielzahl von numerischen Ergebnissen dar. [2] Einflusslinien und ihre Anwendung 3

3 Anwendungsbeispiele Wang, Yidong (Universität Stuttgart) Statische Untersuchung einer Netzwerk - Bogenbrücke Am Beispiel der Brücke über den uznice bei Bechyne in der tschechischen Republik werden die statischen Eigenschaften dieser Konstruktionen untersucht. Ziel der Arbeit ist es, das prinzipielle Tragverhalten des Systems zu untersuchen, sowie die wesentlichen Unterschiede zu konventionellen Bauweisen aufzuzeigen.[7] [6] 4 Einflusslinien und ihre Anwendung

4 Grundlagen zur Einflusslinie 4. Allgemeines 4.. Bedeutung der Einflusslinie Die Einflusslinie dient zur Festlegung von maximalen und minimalen Grenzwerten der Belastung von Tragwerken, die durch ortsvariable asten beansprucht werden. Dabei beobachtet man einen bestimmten Querschnitt des Tragwerks und lässt die ast über dasselbe wandern. Es ergeben sich daraus je nach aststellung unterschiedliche innere Kräfte, aus denen man die Extremwerte herausfiltern muss. Dazu bedient man sich der Einflusslinien, durch deren Auswertung die Grenzwerte der größten und kleinsten Belastung festgelegt werden können. Somit können die einzelnen Tragwerkselemente effizient bemessen werden. 4..2 Definition Die Einflusslinie M i (x) bzw. η Mi (x) beschreibt den Einfluss einer wandernden Einheitslast auf eine Auflagerreaktion, auf eine Schnittgröße (M, N, Q, M T ), sowie Formänderungen und Spannungen in einer bestimmten Schnittstelle des Systems. i M i (x) = η Mi (x) Abb. 4.: Definition der Einflusslinie für das Moment M i im Aufpunkt i 4..3 Zustandslinie contra Einflusslinie Im Folgenden sollen die Zustandslinie und die Einflusslinie zum besseren Verständnis anhand der Momentenlinien gegenübergestellt werden. 5

4 Grundlagen zur Einflusslinie x P i x P = x x M(x) η Mi (x) (a) Schnittkraftzustandslinie (b) Einflusslinie Abb. 4.2: Gegenüberstellung von Zustandslinie und Einflusslinie Die Schnittkraft-Zustandslinie beschreibt die Schnittgrößen, die aufgrund einer gegebenen, ortsfesten Belastung in jedem Punkt des Systems entstehen. Dabei werden die Schnittkräfte direkt unter den jeweiligen Schnittstellen aufgetragen (Abb. 4.2(a)). Die Einflusslinie hingegen stellt die Schnittgrößen nur in einem bestimmten Punkt i des Systems aufgrund einer ortsvariablen Einheitslast dar. Dabei werden die Schnittkräfte in i direkt unter dem Ort ihrer Verursachung aufgetragen, und nicht unter dem Wirkungsort (Abb. 4.2(b)). Die Einflussordinate η Mi (x) an der Stelle x stellt demnach das Moment im Punkt i aus der Wanderlast mit dem Betrag in x dar. Die Angriffsstelle x der Einzellast wird in Folge auch als astort bezeichnet, der beobachtete Systempunkt i als Aufpunkt. Unter astgurt ist der Weg der Wanderlast zu verstehen. 4..4 Auswertung Auswertung für Einflusslinien aus Einzellasten Wenn man die tatsächliche Belastung an der Stelle x mit der zugehörigen Einflussordinate resultierend aus der Einheitslast multipliziert, so erhält man das Moment M i (x) an der Stelle i es gilt das Superpositionsprinzip. Hat die tatsächlichen Belastung den Wert, so entspricht der Verlauf der Einflussordinate dem des Moments in i. P = Z(x) = η i (x) (4.) P Z(x) = P η i (x) (4.2) Bei mehreren Einzellasten P j mit j =, 2,..., n wird jede einzelne ast mit ihrer jeweiligen Einflussordinate multipliziert und danach werden die Produkte aufsummiert. Z i = n P j η i (x j ) (4.3) Für die Auswertung des Moments an der Stelle i aus zwei Einzellasten folgt beispielsweise: j= M i = P η i (x ) + P 2 η i (x 2 ) (4.4) 6 Einflusslinien und ihre Anwendung

x x 2 4. Allgemeines x x 2 i P P 2 η i (x) η i (x 2 ) η i (x ) Abb. 4.3: Auswertung einer Einflusslinie für zwei Einzellasten Auswertung für Einflusslinien aus Streckenlasten Bei Streckenlasten wird über das Produkt aus Belastung q(x) und Einflussordinate integriert: dp = q(x) dx dp η(x) = q(x) η i (x) dx x2 x q(x) η i (x) dx (4.5) dp q(x) dx Abb. 4.4: Balkenelement mit Streckenlast Für die Zustandsgröße Z i ergibt sich also Z i = q(x) η i (x) dx (4.6) bzw. für q(x) = konstant Z i = q η i (x) dx } {{ } A q = q A q (4.7) wobei A q die Fläche der Einflusslinie im Bereich der ast ist. Einflusslinien und ihre Anwendung 7

4 Grundlagen zur Einflusslinie x 2 x i q A q η i (x) Abb. 4.5: Auswertung einer Einflusslinie für Streckenlasten Allgemein gilt gemäß Superpositionsprinzip Z i = P j η j + q(x) η i (x) dx (4.8) bzw. für q(x) = konstant Z i = P j η j + q η i (x) dx (4.9) 4.2 Theoretische Grundlagen 4.2. Grundbegriffe der Kinematik starrer Scheiben Scheibe Darunter versteht man eine ebene Teilstruktur des Gesamtsystems, deren Knotenpunkte und Tragelemente sich relativ zueinander kinematisch starr verhalten, daher ist sie höchstens elastisch deformierbar. III IV I II I II V VI (a) Stabwerkscheiben (b) Fachwerkscheiben I II (c) Bogenscheiben Abb. 4.6: Tragstrukturen und Tragwerkscheiben 8 Einflusslinien und ihre Anwendung

4.2 Theoretische Grundlagen Virtuelle Verschiebung Eine virtuelle Verschiebung ist ein virtueller, also nicht wirklich existierender, infinitesimal kleiner, kinematisch verträglicher, also mit den geometrischen Bindungen des Systems kompatibler, vom einwirkenden Kräftezustand unabhängiger, sonst jedoch willkürlicher Verschiebungszustand. Da eine virtuelle Verschiebung infinitesimal klein ist, ergeben sich in ihrer zeichnerischen, endlichen Darstellung oft Widersprüche. Dieses Problem wird gelöst, indem man den Kreisbogen, der bei der Deformation durch Verdrehung ensteht, durch seine Tangente im Deformationsbeginn ersetzt. Somit kann die Rotation durch eine Translation ausgedrückt und die virtuelle Verschiebungsfigur in einer beliebigen Vergrößerung gezeichnet werden. Denn es gilt für δϕ <<: sinδϕ tanδϕ δϕ (4.0) cosδϕ (4.) 2 4 3 5 (a) Systemskizze δu * δu 4 4* ** 4** 2** δϕ δu3 5* δϕ 5** 3* (b) Virtuelle Verschiebungsfigur 3** (c) Wirkliche Verschiebungsfigur Abb. 4.7: Virtuelle und wirkliche Verschiebungen für gleiches δϕ Kinematik der starren Scheibe Gegeben sei eine Scheibe, in der der Momentanpol der augenblickliche Drehpol einer Rotation und zwei beliebige Punkte gekennzeichnet werden. Die Verbindungsgeraden zwischen den Punkten und dem Momentanpol werden Polstrahlen δr genannt. Wird die Scheibe einer virtuelle Verdrehung δϕ unterworfen, werden auch die zwei Punkte virtuell verschoben (Abb. 4.8). Einflusslinien und ihre Anwendung 9

4 Grundlagen zur Einflusslinie A 0 0 δu a Pol δr a δr b B 00 00 δu b δϕ Abb. 4.8: Starre Scheibe unter virtueller Drehung Es gilt: Jede virtuelle Starrkörperbewegung kann als virtuelle Drehung um einen Momentanpol dargestellt werden. δϕ = δu a δr a (4.2) Die virtuellen Verschiebungen δu j mehrerer Scheibenpunkte sind proportional zu den jeweiligen Strahlenlängen r j. δϕ = δu a δr a = δu b δr b (4.3) Die virtuelle Verschiebung δu j steht stets normal auf den zugehörigen Polstrahl r j. Der Verschiebungszustand einer Scheibe ist durch zwei Bestimmungsstücke vollständig beschrieben: - die age des Pols 0 und die virtuelle Verdrehung δϕ, - die age des Pols 0 und eine virtuelle Verschiebung δu, - eine virtuelle Verschiebung δu j und eine weitere Verschiebungsrichtung oder - eine virtuelle Verschiebung δu j und den virtuellen Drehwinkel δϕ. Zwangsläufige kinematische Kette Es sei ein statisch bestimmtes System gegeben, das aus mehreren Scheiben besteht. Durch das ösen von Bindungen wird das System kinematisch verformbar es entsteht eine kinematische Kette, ein Mechanismus, dessen Bewegung keine inneren Spannungen erzeugt. Eine zwangsläufige kinematische Kette ist ein aus starren Scheiben bestehendes, bewegliches, mechanisches System mit einem Freiheitsgrad. Die Scheiben sind durch reibungsfreie Anschlüsse untereinander und durch reibungssfreie ager mit der Gründung verbunden. (a) 2-fach unterbestimmte, kinematische Kette mit 2 Freiheitsgraden (b) zwangsläufige kinematische Kette, Freiheitsgrad Abb. 4.9: Kinematische Ketten 20 Einflusslinien und ihre Anwendung

4.2 Theoretische Grundlagen Polplan Inhalt: Bei der Erstellung eines Polplans werden im Grunde sämtliche Haupt- und Nebenpole der einzelnen Scheiben des Tragwerks eingezeichnet. Zweck: Polpläne dienen zur Ermittlung einer kinematischen Verschiebungsfigur, die bei komplexeren Systemen nicht sofort ersichtlich ist. Sie werden auch bei zwangsläufig kinematischen Ketten angewendet. Definitionen: Hauptpol (HP) = absoluter, fester Drehpunkt (Momentanpol) einer Scheibe, z.b. fixes ager, muss allerdings nicht unbedingt ein Punkt eines Stabes sein. Nebenpol (NP) = auch Relativpol, relativer Drehpol zweier angrenzender Scheiben, z.b. Gelenk, über ihn lassen sich die kinematischen Beziehungen zwischen zwei Scheiben bestimmen. Regeln: Wie unter Punkt Virtuelle Verschiebung bereits erwähnt wurde, muss jegliche Bewegung kinematisch verträglich sein, also sowohl den kinematischen Beziehungen innerhalb einer Struktur als auch ihren Rand- und Übergangsbedingungen gehorchen. Um dem Folge zu leisten, müssen folgende Regeln der Polplankonstruktion eingehalten werden:. Jedes feste Gelenklager ist HP der angeschlossenen Scheiben: HP () in Abb. 4.0. 2. Der Polstrahl eines Punktes der Scheibe ist die Verbindung des Punktes mit dem HP der Scheibe. Die Verschiebungsrichtung des Punktes steht senkrecht auf dem Polstrahl (vgl. Kinematik der starren Scheibe ) (Abb. 4.0). 3. Sind zwei Scheiben durch ein Biegemomentengelenk verbunden, so stellt das Gelenk den NP der beiden Scheiben dar: NP (,2) in Abb. 4.0. 4. Die Senkrechte zur Bewegungsrichtung eines verschieblichen Gelenklagers bildet den geometrischen Ort (GO) des Hauptpols der angschlossenen Scheibe (Abb. 4.). 5. Verschiebt sich eine Scheibe nur parallel, so liegt ihr Hauptpunkt senkrecht zur Bewegungsrichtung im Unendlichen (Abb. 4.2). 6. Sind zwei Scheiben durch einen verschieblichen Anschluss (Normalkraft- oder Querkraftgelenk) verbunden, so liegt der NP der beiden Scheiben senkrecht zur Bewegungsrichtung des Gelenks im Unendlichen (Abb. 4.3). 7. Zwei Hauptpole und ihr gemeinsamer Nebenpol liegen auf einer Geraden: (i) - (i,j) - (j), z.b. (0,) - (,2) - (0,2) in Abb. 4.4. 8. Die Nebenpole (i,j), (j,k), (k,i) dreier Scheiben I, J und K liegen auf einer Geraden: (i,j) - (j,k) - (i,k) (Abb. 4.5). 9. Fallen die Nebenpole (i,j) und (j,k) in einem Punkt zusammen, so liegt der Nebenpol (i,k) im gleichen Punkt. 0. iegt der Nebenpol zweier Scheiben im Unendlichen, so verdrehen sich die Scheiben mit demselben Winkel. Einflusslinien und ihre Anwendung 2

4 Grundlagen zur Einflusslinie. Die Verbindung zweier bekannter Pole gibt durch Wegstreichen einen GO für einen weiteren Pol an: Auf dem Schnittpunkt zweier GO liegt der Pol. Merkregel: (0,) - (,2) (0,2) doppelte Zahl streichen! (Abb. 4.4) 2. Wenn Widersprüche im Polplan auftreten, ist entweder das System oder das Teilsystem nicht kinematisch. 3. Untereinander unverschiebliche Scheiben (Stabzüge) verhalten sich wie eine Scheibe und sollten auch so behandelt werden. 4. Wie unter Punkt Virtuelle Verschiebung bereits erwähnt, werden nur infinitesimale kleine Verdrehungen und Verschiebungen behandelt, das bedeutet: die Verschiebungsfigur lässt sich nicht maßstäblich zeichnen. Es gilt: sinδϕ tanδϕ δϕ, cosδϕ () I (,2) 0 δv 00 (2) II δϕ 00 Abb. 4.0: Darstellung zu Punkt, 2 und 3 GO 0 Bewegungsrichtung des agers Abb. 4.: Darstellung zu Punkt 4 HP Bewegungsrichtung Abb. 4.2: Darstellung zu Punkt 5 22 Einflusslinien und ihre Anwendung

4.2 Theoretische Grundlagen NP(,2) I 00 II NP(,2) Bewegungsrichtung NP(,2) I 00 II NP(,2) Bewegungsrichtung Abb. 4.3: Darstellung zu Punkt 6 0 HP(0,2) NP(,2) I II NP(2,3) III HP(0,) (0,) HP(0,3) (,2) GO (0,2) (0,3) GO (0,2) (2,3) Abb. 4.4: Darstellung zu Punkt 7 (2,3) 0 (,2) II (2,4) III IV (3,4) 0 (,3) (,4) I Abb. 4.5: Darstellung zu Punkt 8 Ein weitere Hilfe zur Erstellung von Polplänen und Verschiebungsfiguren stellt ein eigens dafür an der TU München generiertes Applet [9] dar. Einflusslinien und ihre Anwendung 23

4 Grundlagen zur Einflusslinie 4.2.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung (PvV) Definition: Ein Kraftgrößenzustand (System) befindet sich im Gleichgewicht, wenn für einen beliebigen, virtuellen, kinematisch verträglichen Verformungsszustand die Summe der virtuellen Arbeiten gleich Null ist. A P δ 2 P 2 δ 2 Abb. 4.6: Einfache kinematische Kette 2 W = 0 = P δ 2 + P 2 δ = 0 P 2 = P 2 Das PvV stellt eine alternative Formulierung der Gleichgewichtsbedingungen dar. (4.4) Zum Vergleich: M A = 0 = P 2 P 2 P 2 = P 2 (4.5) 4.2.3 Weitere Energieaussagen Satz von Betti von der Gegenseitigkeit der Verschiebungsarbeit (872) Die elastische, äußere (bzw. innere) Verschiebungsarbeit eines ersten Kraftgrößensystems j auf den Wegen eines zweiten entspricht der Verschiebungsarbeit, die das zweite System k auf den Wegen des ersten leistet: W (a) jk = W (a) kj bzw. W (i) jk = W (i) kj (4.6) Anmerkung: Der erste Index gibt den Ort an, der zweite die Ursache. P j P k δ jj P k P j δ kk δ jk δ kk δ jj δ kj (a). astgruppe j aufbringen, 2. astgruppe k aufbringen (b). astgruppe k aufbringen, 2. astgruppe j aufbringen Abb. 4.7: System unter Wirkung zweier Kräftesysteme 24 Einflusslinien und ihre Anwendung

4.2 Theoretische Grundlagen Satz von Maxwell von der Gegenseitigkeit der elastischen Formänderungen (864) Der Satz von Maxwell leitet sich aus dem Satz von Betti unter Annahme folgender Einschränkungen ab:. Ein astsystem beschränkt sich auf eine einzige Einzellast 2. mit dem Betrag. Daraus folgt: δ jk = δ kj δ jk = δ kj (4.7) P = kn M 2 = knm δ 2 δ 2 l 2 l 2 l 2 l 2 δm = l 4 M(x) δf = δm(x) l 4 (a) Darstellung zu Glg. (4.8) (b) Darstellung zu Glg. (4.9) Abb. 4.8: Satz von Maxwell δ 2 = δ 2 = M δm dx = 4 4 = 2 6 M δm dx = 4 4 = 2 6 (4.8) (4.9) Diese beiden Prinzipien sind für beliebige, lineare Systeme und Belastungen gültig und besagen, dass die Reihenfolge der Belastung irrelevant für die Gesamtarbeit ist. Die Sätze von Betti und Maxwell gelten also nur im Rahmen der linearen Statik, d.h. für infinitesimal kleine Verschiebungen und für linear elastisches Werkstoffverhalten. Einflusslinien und ihre Anwendung 25

4 Grundlagen zur Einflusslinie 4.2.4 Satz von and (882) - Herleitung i P = (a) tatsächliches System mit der Wanderlast P = M i P = (b) modifiziertes System mit zugehörigem Mechanismus zur gesuchten Schnittgröße ϕ i w(x) w j (c) Biegelinie w(x) infolge des willkürlichen virtuellen Moments M i Abb. 4.9: Beispiel zur Herleitung der Einflusslinie für eine Schnittgröße In Abb. 4.9(a) steht die ast mit dem Wert in einem willkürlichen Punkt an der Stelle x. Sie erzeugt im Aufpunkt i die Schnittgröße M i. In Abb. 4.9(b) wird an der Stelle i der zu M i korrespondierende Mechanismus, ein Gelenk (Abb. 5.3 in Abs. 5..2), eingefügt. Parallel dazu wird das äußere Momentenpaar M i angebracht, sodass statisch kein Unterschied zum gegebenen System besteht. Im nächsten Schritt wird durch ein beliebiges virtuelles Moment M i am eingefügten Gelenk die virtuelle gegenseitige Verdrehung ϕ i (positiv im Sinne von M i ) erzeugt, wodurch die Biegelinie w(x) mit der Ordinate w j unter der ast entsteht (Abb. 4.9(c)). Gemäß dem PvV verrichten die realen Kraftgrößen in Summe keine Arbeit entlang der virtuellen Verformungen, sofern sie sich im Gleichgewicht befinden (Abs. 4.2.2). Wenn (wie üblich) die Schubverformungen vernachlässigt werden, erhält man nach dem Arbeitssatz: Mit: W = W a + W i = M i ϕ i + P (x) w(x) M κ dx = 0 (4.20) Wa,i... äußere bzw. innere Arbeit M... wirkliche Momente im gesamten System infolge P = ϕ i... virtuelle gegenseitige Verdrehung am zusätzlich eingefügten Gelenk w(x)... virtuelle Verschiebung infolge des virtuellen Moments am Ort und in Richtung von P κ... virtuelle Stabverkrümmung infolge des virtuellen Moments im gesamten System Wird in einem statisch bestimmtem System ein Gelenk angeordnet, so entsteht eine zwangsläufige kinematische Kette (Abs. 4.2.), die sich ohne Widerstand bewegen lässt. Es entstehen also bei der virtuellen Verformung des Systems keine Schnittgrößen bzw. Krümmungen, und somit verschwindet das Integral in Glg. (4.20). Dies trifft übrigens auch bei statisch unbestimmten Systemen zu. 26 Einflusslinien und ihre Anwendung

4.2 Theoretische Grundlagen Es verbleibt daher M i ϕ i + P (x) w(x) = 0 (4.2) Wenn man das Moment M i so wählt, dass eine Verdrehung von ϕ i = erzwungen wird, und die Wanderlast mit P = einführt, ergibt sich M i = w(x). (4.22) In Worten: Die Einflusslinie für M i ist ident mit der Biegelinie w(x) des astgurtes infolge einer gegenseitigen Verdrehung der Schnittufer im Punkt i um ϕ i =, d.h. um den Wert entgegen dem positiven Wirkungssinn von M i. Dabei weisen P und w(x) immer in die gleiche Richtung, wobei sie im Allgemeinen lotrecht nach unten zeigen. Satz von and Die Einflusslinie für eine Schnittgröße Z i (N i, Q i, M i ) infolge einer ortsvariablen ast P = ist gleich der Biegelinie w(x) des astgurts infolge der zur gesuchten Schnittgröße S i entgegengesetzten, erzwungenen virtuellen Einheitsverformung δ i = ( u i, w i, ϕ i ) in i. Einflusslinien und ihre Anwendung 27

4 Grundlagen zur Einflusslinie 28 Einflusslinien und ihre Anwendung

5 Berechnung der Einflusslinie Wie bereits erwähnt, können Einflusslinien zur Ermittlung von Kraftgrößen (Schnittkräfte, Auflagerkräfte) und Weggrößen (Verschiebungen, Verdrehungen) herangezogen werden. Die Methoden unterscheiden sich je nach gesuchter Größe und auch je nach statischer Bestimmtheit des Systems. 5. Einflusslinien für Kraftgrößen statisch bestimmter Systeme Kräftgrößen können sein: Auflagerkräfte Querkräfte Momente Normalkräfte Federkräfte und Federmomente Die Ermittlung der Einflusslinie kann rechnerisch oder graphisch erfolgen, d.h. mittels der analytischen oder der kinematischen Methode. 5.. Analytische Methode - Schnittprinzip Hierbei wird die Einflusslinie als Funktion des variablen astorts aus Gleichgewichtsbedingungen ermittelt. Einflusslinie für Auflagerkräfte x Die Gleichgewichtsbedingung für die Auflagerkraft in A lautet: A B M B = 0 = ( x) A A = ( x) = x = η A(x) (5.) Die Gleichgewichtsbedingung für die Auflagerkraft in B lautet: η A M A = 0 = B x B = x = η B(x) (5.2) η B 29

5 Berechnung der Einflusslinie Einflusslinie für Querkräfte und Momente x i x i Abb. 5.: System unter Einheitslast ast im linken Bereich (x x i ): x M li i Q li i V = 0 = A + + Q li i = A = x = x = ηli Q (5.3) A x i Q li i M li i M A = 0 = M li i Q li i x i x = Q li i x i + x = x x i + x = x ( x i ) = ηli M i (5.4) ast im rechten Bereich (x > x i ): x M re i Qre i x i B V = 0 = Q re i Q re i + B = B = x = ηre Q (5.5) 30 Einflusslinien und ihre Anwendung

5. Einflusslinien für Kraftgrößen statisch bestimmter Systeme M B = 0 = M re i M re i + ( x) Q re i ( x i ) = x ( x ) ( x i) = x i ( x ) = ηre M i (5.6) x η i Q x η i M x i ( x ) x ( x ) i Abb. 5.2: Querkraft- und Momenteneinflusslinie am Einfeldträger Die analytische Methode lässt sich allerdings nur auf einfache Systeme sinnvoll anwenden. Bei komplexeren Systemen hingegen verwendet man eine andere Vorgehensweise, die im Folgenden vorgestellt werden soll. 5..2 Kinematische Methode Die kinematische Methode basiert auf dem Satz von and und dem PvV. Der Satz von and führt bei statisch bestimmten Systemen zu kinematischen Systemen, sodass die Regeln der Kinematik angewandt werden können als Werkzeug zur Bestimmung der kinematischen Verschiebungsfigur wird hier der Polplan eingesetzt. Vorgehensweise. Gemäß der Herleitung in Abs. 4.2.4 wird im Aufpunkt i der gesuchten Kraftgrößen der korrespondierenden Mechanismus eingeführt (Abb. 5.3). 2. Bestimmen der Haupt- und Nebenpole 3. Am Mechanismus die Einheitsverformung - anbringen, also entgegen der positiven Richtung der Kraftgröße. 4. Bestimmen der zugehörigen verformten Figur bzw. Biegelinie w(x) auch unter Zuhilfenahme des Polplans Einflusslinien und ihre Anwendung 3

5 Berechnung der Einflusslinie Korrespondierende Mechanismen N i u i = Q i w i = (a) Normalkraftgelenk: Diskontinuität als Spreizung (b) Querkraftgelenk: Diskontinuität als Sprung M i ϕ i = (c) Momentengelenk: Diskontinuität als Knick Abb. 5.3: Korrespondierendes Gelenk, korrepondierende positive Kraftgröße und korrespondierender Verformungssprung Charakteristische Eigenschaften von Kraftgrößen-Einflusslinien Nur die Einflusslinie für Kraftgrößen bei statisch bestimmten Systemen verlaufen abschnittsweise linear, d.h. sie verläuft innerhalb jeder astgurtscheibe geradlinig. Einflusslinien besitzen an Hauptpolen Nullstellen. Einflusslinien können nur an Nebenpolen (z.b. Gelenken) bzw. an Punkten, für die Momenten- Einflusslinien bestimmt werden, Knicke aufweisen. Einflusslinien für Querkräfte weisen am Punkt, für den sie gelten, einen Sprung der Größe auf. Aufgrund des stückweise geradlinigen Verlaufs von Kraftgrößen-Einflusslinien genügt die Ermittlung jeweils einer Einflusslinien-Ordinate zur quantitativen Festlegung der Einflusslinie des gesamten astgurts. Hält man sich an die üblichen Vorzeichenkonventionen und Sprung- bzw. Knickdefinitionen, so nehmen Einflusslinien-Ordinaten oberhalb der Bezugslinie stets negative, unterhalb hingegen positive Vorzeichen an. 32 Einflusslinien und ihre Anwendung

5. Einflusslinien für Kraftgrößen statisch bestimmter Systeme Beispiel am Einfeldträger Berechnung der Auflager - Einflusslinie: x A B w(x) = x η B x Abb. 5.4: Bestimmung der Einflusslinie für Auflagerkraft B δw = w(x) B = 0 B = w(x) = x = η B (5.7) Die Berechnung der Einflusslinie für das Auflager A erfolgt analog zu jener von B. Berechnung Querkraft- und Momenteneinflusslinien: x i A B x i Abb. 5.5: Einfeldträger unter Einheitskraftgröße Einflusslinien und ihre Anwendung 33

5 Berechnung der Einflusslinie w(x) M i ϕ i = η Mi x i ( xi) xi x i Abb. 5.6: Bestimmung der Einflusslinien η Mi für das Moment im Aufpunkt i Q i Q i w i = w(x) η Qi Abb. 5.7: Bestimmung der Einflusslinien η Qi für die Querkraft im Aufpunkt i δw = w(x) M i = 0 M i = w(x) δw = w(x) Q i = 0 Q i = w(x) (5.8) (5.9) 34 Einflusslinien und ihre Anwendung

5.2 Einflusslinien für Kraftgrößen statisch unbestimmter Systeme 5.2 Einflusslinien für Kraftgrößen statisch unbestimmter Systeme In Folge werden zwei Methoden zur Ermittlung der Einflusslinien für Kraftgrößen statisch unbestimmter Systeme präsentiert, die beide auf dem Kraftgrößenverfahren basieren. Anmerkung: Die Einflusslinien für die Kraftgrößen bei statisch unbestimmten Systemen sind gekrümmt, verlaufen also im Allgemeinen nicht mehr linear. 5.2. Verwendung eines statisch bestimmten Grundsystems Die Kraftgrößen-Einflusslinien η(x) für den Aufpunkt i eines n-fach statisch unbestimmten Systems entsteht durch Superposition ihrer Einflusslinien am statisch bestimmten Grundsystem w 0 mit einem Ergänzungszustand von Einflusslinien der statisch Überzähligen X j. Diese sind mit dem jeweiligen Wert d ij der Kraftgröße im Aufpunkt i infolge des zugehörigen Einheitszustandes X j = zu multiplizieren und zu superponieren. Vorgehensweise: Einführen eines statisch bestimmten Grundsystems, z.b. durch ösen von Bindungen, Einbau von Gelenken Anwendung der kinematischen Methode (Abs. 5..2): Einführen des korrespondierenden Gelenks am Aufpunkt i Erzwingen einer entsprechenden Einheitsverformung am Gelenk am Aufpunkt i d 0, d 20,..., d n0 Betrachten der -Zustände: X = d, d 2,..., d n X 2 = d 2, d 22,..., d n2 X n = d n, d 2n,..., d nn Verwenden der Verträglichkeitsbedingungen: d 0 + d X + d 2 X 2 +... + d n X n = 0 d 20 + d 2 X + d 22 X 2 +... + d 2n X n = 0 d n0 + d n X + d n2 X 2 +... + d nn X n = 0 X, X 2,..., X n Bestimmen der Biegelinien w, w 2,..., w n Superpostion der Biegelinien: w(x) = w 0 + X w + X 2 w 2 +... +X n w n η i (x) = w(x) Mit: X j... statisch Unbestimmte mit j =, 2,..., n d ij... Klaffungen bzw. relative Weggrößen am Ort i verursacht durch die Belastung j w 0... kinematischer Anteil der Biegelinie am statisch bestimmten Grundsystem w,2,...,n... Biegelinie infolge X,2,...,n = Einflusslinien und ihre Anwendung 35

5 Berechnung der Einflusslinie Beispiel: i A B C x i Abb. 5.8: Zweifeldträger mit wandernder Einheitslast Variante I: X Abb. 5.9: Statisch bestimmtes Grundsystem w 0 i w (i) 0 d 0 x i ϕ = Abb. 5.0: 0-System mit X = 0 und ϕ i = Kinematische Methode Anmerkung: M 0 = 0, da in einer kinematisch verschieblichen Figur keine Zwänge bzw. Schnittgrößen auftreten. X = w d w (i) w (2) 2 M = δm δm i 0.5 Abb. 5.: -System mit X = 36 Einflusslinien und ihre Anwendung

5.2 Einflusslinien für Kraftgrößen statisch unbestimmter Systeme Klaffung d 0 am statisch bestimmten Grundsystem: Klaffung d am -System: d = d 0 = δm i ϕ i }{{} = δm i δm i = x i x i d 0 = x i δm M EI dx = EI 2 2 3 = 2 3 EI (5.0) (5.) (5.2) (5.3) Kompatibilitätsbedingung: d 0 + X d = 0 x i X = d 0 = d 2 3 EI = 3 2 xi EI (5.4) 2 M M X Abb. 5.2: Endgültiger Momentenverlauf w 0 w (i) 0 w (i) X + w (2) X X w w(x) = η Mi (x) w (i) = w (2) Abb. 5.3: Ermittlung der endgültigen Biegelinie bzw. Einflusslinie Ermittlung der Durchbiegung w (2) : Zur Ermittlung der Durchbiegung an einer beliebigen Stelle wird gemäß dem Reduktionssatz eine Einheitskraftgröße an der Stelle der gesuchten Durchbiegung am reduzierten System angesetzt und dieser virtuelle Momentenverlauf mit dem endgültigen, realen Krümmungsverlauf multipliziert und integriert. Nachdem das Superpositionsprinzip gilt, kann diese Überlagerung auch mit den jeweiligen Zuständen am statisch bestimmten Grundsystem erfolgen (Abb. 5.3). Einflusslinien und ihre Anwendung 37