Gutachten als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept für die Stadt Nürtingen Nürnberg/ Lörrach, 25.04.2013



Ähnliche Dokumente
Beratungsfolge Sitzungstermin akt. Beratung

Gutachten als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept für die Stadt und Verbandsgemeinde Emmelshausen Berichtsentwurf

Gutachten zum Einzelhandelskonzept für die Stadt Ostfildern

Gutachten als Grundlage für ein Zentrenkonzept für die Stadt Villingen-Schwenningen - Berichtsentwurf -

EINZELHANDELKONZEPT FÜR DIE GROSSE KREISSTADT HORB AM NECKAR VOM

Entwicklungskonzept für die Stadt Bretten Teil I: Einzelhandelskonzept

Einzelhandelsgutachten für die Stadt Gundelsheim

Gutachten als Grundlage für ein Märkte- und Zentrenkonzept

TEILFORTSCHREIBUNG DES KOMMUNALEN EINZELHANDELS- GUTACHTENS FÜR DIE STADT MINDEN

Gutachten für ein Einzelhandelskonzept für die Stadt Mühlacker Bericht

effektweit VertriebsKlima

Überlegungen zur Weiterentwicklung des Regionalen Einzelhandelskonzeptes

Gutachten als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept. für die Stadt Alzey. Berichtsentwurf

Markus Demary / Michael Voigtländer

Gutachten als Grundlage Einzelhandelskonzept für die Stadt Pirna

Einzelhandelskonzept für die Stadt Petershagen : Vorstellung und Beratung des Entwurfs Erläuterungen und Beispiele zum besseren Verständnis

Berichtsvorlage. Ausschuss für Planung, Verkehr, Energie und Umwelt

Städte wirklich? Analyse am Beispiel der Stadt Chemnitz

Vorwort: 1. Aufgabenstellung Gruppenarbeit. 2. Aufgabenstellung

Shopping-Malls und Innenstadtentwicklung: Was gilt es zu beachten

Deutschland-Check Nr. 35

«Eine Person ist funktional gesund, wenn sie möglichst kompetent mit einem möglichst gesunden Körper an möglichst normalisierten Lebensbereichen

Einzelhandelsgutachten für die Stadt Kronberg im Taunus Bericht

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Stand: Stadt: Absichtserklärung. zwischen. Landeshauptstadt Mainz. einerseits. und ECE. sowie PANTA. andererseits

Die Bedeutung von Breitband als Standortfaktor für Unternehmen

Verträglichkeitsuntersuchung zur Ansiedlung eines innerstädtischen Shopping-Centers in Leer

NETZWERK INNENSTADT NRW. LEITLINIEN / MEMORANDUM ZUR INNENSTADT Gliederung / Struktur (Entwurf: )

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Stellungnahme der Bundesärztekammer

Ergänzungs- bzw. Änderungsantrag zu Beschlussvorlage

RAUMORDNERISCHE BEURTEILUNG -KONGRUENZGEBOT-

TOP 9 der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 27. April 2010 Standortfrage Vergnügungsstätten

Mobile Intranet in Unternehmen

Auswirkungsanalysen in der Praxis: Wie ist das mit dem worst case?

Dachau Große Kreisstadt. Gewerbeflächen- Entwicklungskonzept. Auftaktveranstaltung Fotodokumentation

Erfolgreiche Webseiten: Zur Notwendigkeit die eigene(n) Zielgruppe(n) zu kennen und zu verstehen!

Häufig wiederkehrende Fragen zur mündlichen Ergänzungsprüfung im Einzelnen:

Ärzte befürchten Engpässe bei der Patientenversorgung

Flächen für Handel und Gewerbe - Wirtschaftliche Prosperität bei verminderter Flächeninanspruchnahme?

Wie funktioniert ein Mieterhöhungsverlangen?

FORSCHUNGSTELEGRAMM November 2015 (Nr. 12/15)

Immenstadt im Allgäu. Innenstadtentwicklungskonzept

Neu in Führung. Die k.brio Coaching-Begleitung für Führungskräfte und ihre Teams. k.brio coaching GbR. Grobkonzept. offen gesagt: gut beraten.

Prozessoptimierung. und. Prozessmanagement

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Vertrauen in Medien und politische Kommunikation die Meinung der Bürger

IT-Governance und Social, Mobile und Cloud Computing: Ein Management Framework... Bachelorarbeit

Steuerung von Windenergieanlagen unter Berücksichtigung aktueller Fragestellungen in der Praxis und der BauGB-Novelle 2011

AZK 1- Freistil. Der Dialog "Arbeitszeitkonten" Grundsätzliches zum Dialog "Arbeitszeitkonten"

STADT TRIER BEBAUUNGSPLAN BR 14 E

Herzlich Willkommen beim Webinar: Was verkaufen wir eigentlich?

Welchen Weg nimmt Ihr Vermögen. Unsere Leistung zu Ihrer Privaten Vermögensplanung. Wir machen aus Zahlen Werte

Leitfaden zur Ermittlung der Anzahl der Sicherheitsbeauftragten im öffentlichen Dienst

Anhand des bereits hergeleiteten Models erstellen wir nun mit der Formel

Träger : Kath. Kirchengemeinde St. Laurentius Bretten

STADT BIETIGHEIM-BISSINGEN 1. FORTSCHREIBUNG STÄDTEBAULICHE KONZEPTION FÜR FREMDWERBEANLAGEN

Bestandskauf und Datenschutz?

Deutsche Bank. Studie Erben und Vererben 2015

Content Management System mit INTREXX 2002.

Was taugt der Wertpapierprospekt für die Anlegerinformation?

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Gutachten als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept für die Gemeinde Rielasingen-Worblingen überarbeitete Fassung

Richtlinien über das Betriebskonzept für Einrichtungen der Heimpflege für Kinder und Jugendliche

Psychologie im Arbeitsschutz

Stadtmarketing Langenselbold

Entwicklungskonzept Freizeitnutzung Ostufer Goldkanal Elchesheim-Illingen

Einzelhandelskonzept für die Landeshauptstadt Potsdam

Gliederung allgemeiner Teil

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

Richtgrößenprüfung - Beratung vor Regress Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht. Gliederung

5.4. Der Wirtschaftsbereich Unternehmensservices

Bauland woher nehmen und nicht stehlen?

Von der Mitteilung zum Grünen Licht das Verfahren der Kurzprüfung

Umweltbewusstseinsstudie 2014 Fact Sheet

Der ohne sachlichen Grund befristete Arbeitsvertrag

Online-Marketing in deutschen KMU

Fehler und Probleme bei Auswahl und Installation eines Dokumentenmanagement Systems

Die 7 wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Einführung von Zielvereinbarungen und deren Ergebnissicherung

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

MERKBLATT ZUR RUNDFUNKGEBÜHRENPFLICHT (GEZ) insbesondere für internetfähige PCs ab dem

Schriftliche Vordiplomprüfung Betriebsökonomie FH Serie C

Nachhaltigkeit. 36 Prozent können spontan nicht sagen, was sie mit Nachhaltigkeit verbinden. Assoziationen mit dem Begriff Nachhaltigkeit

Rechtliche Aspekte der Energieberatung

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Übungsbuch für den Grundkurs mit Tipps und Lösungen: Analysis

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Kelheim digital Schnelles Internet für den ganzen Landkreis

Wann ist eine Software in Medizinprodukte- Aufbereitungsabteilungen ein Medizinprodukt?

REACH-CLP-Helpdesk. Zulassung in der Lieferkette. Matti Sander, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

e-book Garantie und Gewährleistung bei Insolvenz eines Automobilherstellers Autor: Dr. jur. Götz Knoop

BSV Ludwigsburg Erstellung einer neuen Internetseite

Programm 4: Arbeiten mit thematischen Karten

Zwischenbericht der UAG NEGS- Fortschreibung

Bei der Tagung werden die Aspekte der DLRL aus verschiedenen Perspektiven dargestellt. Ich habe mich für die Betrachtung der Chancen entschieden,

Herrn Dr. Theodor Windhorst Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Gartenstraße Münster

Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ersetzt vertragliche Altersgrenze 65

DAS NEUE GESETZ ÜBER FACTORING ( Amtsblatt der RS, Nr.62/2013)

Transkript:

Gutachten als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept für die Stadt Nürtingen Nürnberg/ Lörrach, 25.04.2013 Dr. Donato Acocella - Stadt- und Regionalentwicklung Teichstraße 14 79539 Lörrach T 07621 91550-0 F 07621 91550-29 Arndtstraße 10 44135 Dortmund T 0231 534555-0 F 0231 534555-29 Peter-Vischer-Straße 17 90403 Nürnberg T 0911 817676-42 F 0911 817676-43 info@dr-acocella.de www.dr-acocella.de

Bearbeiter: Dr. rer. pol. D. Acocella M. Sc. Humangeographie M. Eckberg Dipl.-Geograph P. Helbig Dipl.-Ing. A. Schnacke-Fürst

INHALTSVERZEICHNIS: 1. AUSGANGSLAGE UND AUFGABENSTELLUNG 1 1.1 AUFBAU DES GUTACHTENS... 3 1.2 PROJEKTBEGLEITENDE ARBEITSGRUPPE... 4 2. RAHMENBEDINGUNGEN DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG UND PLANUNGSRECHTLICHE VORGABEN 6 2.1 ALLGEMEINE TRENDS DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG... 6 2.1.1 Handelsendogene und -exogene Faktoren der Einzelhandelsentwicklung... 8 2.1.2 Städtebauliche Folgen der Einzelhandelsentwicklung... 10 2.2 PLANUNGSRECHTLICHER RAHMEN DES EINZELHANDELSKONZEPTES ALS RÄUMLICHES STEUERUNGSINSTRUMENT... 12 2.2.1 Planungsrechtlicher Rahmen des Einzelhandelskonzeptes... 13 2.2.1.1 Zentraler Versorgungsbereich... 13 2.2.1.2 Sortimentsliste... 14 2.2.1.3 Steuerungsmöglichkeiten der kommunalen Planungsebene... 15 2.2.2 Konsequenzen für das Genehmigungsverfahren... 19 2.2.3 Fazit... 20 3. EINZELHANDELSSITUATION AUF GESAMTSTÄDTISCHER EBENE 22 3.1 METHODISCHES VORGEHEN... 22 3.1.1 Befragung der Einzelhändler... 22 3.1.2 Passantenbefragung... 25 3.1.3 Herkunftserfassung... 27 3.2 EINZELHANDELSSITUATION IN DER GESAMTSTADT... 27 3.2.1 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes - Betriebszahl, Verkaufsfläche, Umsatz, Kaufkraft und Bindungsquote... 27 3.2.2 Kundenherkunft, Einzugsgebiet, Verbleibquote... 32 3.2.3 Beurteilung der Einzelhandelssituation aus Händlersicht... 37 3.2.3.1 Stärken und Schwächen... 38 3.2.3.2 Änderungsabsichten in den bestehenden Einzelhandelsbetrieben. 41 3.2.4 Beurteilung der Einzelhandelssituation aus Kunden-/ Passantensicht... 43 3.2.5 Fazit... 51 4. RÄUMLICH-FUNKTIONALE GLIEDERUNG DER STADT NÜRTINGEN 53 4.1 ZENTRALER VERSORGUNGSBEREICH INNENSTADT... 53 4.1.1 Methodisches Vorgehen - Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche und städtebaulich-funktionale Bestandsaufnahme... 53 4.1.2 Räumlich-funktionale Struktur der Innenstadt... 56 4.1.3 Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches Innenstadt in der Stadt Nürtingen... 58 4.1.4 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes im zentralen Versorgungsbereich der Stadt Nürtingen... 59 4.1.5 Städtebaulich-funktionale Stärken-Schwächen-Analyse zentraler Versorgungsbereich Innenstadt... 62 4.2 NAHVERSORGUNGSBEREICH VORSTADT... 69 4.3 ORTSZENTREN DER STADT NÜRTINGEN... 72 i

4.3.1 Ortszentrum Neckarhausen... 72 4.3.2 Ortszentrum Oberensingen... 73 4.3.3 Ortszentrum Reudern... 74 4.3.4 Ortszentrum Roßdorf... 75 4.3.5 Ortszentrum Zizishausen... 76 4.4 SONSTIGE BEDEUTSAME EINZELHANDELSSTANDORTE... 78 4.4.1 Einzelhandelsstandort Eichendorffstraße... 78 4.4.2 Einzelhandelsstandort Zementwerk... 79 4.4.3 Einzelhandelsstandort Robert-Bosch-Straße... 80 4.5 FAZIT... 80 5. RÄUMLICHE EINZELHANDELSSTRUKTUR 82 5.1 RAUMSTRUKTURELLE VERTEILUNG DES EINZELHANDELSANGEBOTES... 82 5.1.1 Betriebe, Verkaufsflächen- und Umsatzanteile nach Standorttypen... 82 5.1.2 Verkaufsflächen nach Bedarfsbereichen und Standorttypen... 84 5.1.3 Betriebsgrößenklassen nach Standorttypen... 85 5.2 BEURTEILUNG DES LEBENSMITTELANGEBOTES HINSICHTLICH DER RÄUMLICHEN NAHVERSORGUNGSSITUATION... 87 5.3 FAZIT... 90 6. VORSCHLAG FÜR EINEN ZIELKATALOG 92 6.1 ERHALTUNG/ STÄRKUNG DER VERSORGUNGSFUNKTION DER STADT NÜRTINGEN ALS MITTELZENTRUM... 92 6.2 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER EINZELHANDELS- UND FUNKTIONSVIELFALT DES ZENTRALEN VERSORGUNGSBEREICHES INNENSTADT... 93 6.3 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER IDENTITÄT DES ZENTRALEN VERSORGUNGSBEREICHES INNENSTADT... 94 6.4 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER KURZEN WEGE ("STADT DER KURZEN WEGE")... 94 6.5 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER GESAMTSTÄDTISCHEN NAHVERSORGUNGSSTRUKTUREN... 95 6.6 SCHAFFUNG VON INVESTITIONSSICHERHEIT (NICHT RENDITESICHERHEIT)... 96 6.7 SICHERUNG VON GEWERBEGEBIETEN FÜR HANDWERK UND PRODUZIERENDES GEWERBE... 96 7. PROGNOSE DES VERKAUFSFLÄCHENSPIELRAUMS 98 7.1 METHODISCHES VORGEHEN - PROGNOSE... 98 7.1.1 Prognose der Bevölkerungsentwicklung... 99 7.1.2 Perspektiven für den Einzelhandel...100 7.1.3 Nachfrage: Annahmen zur Entwicklung und Kaufkraftpotenzial...101 7.1.4 Annahmen zur Entwicklung der Angebotsseite...102 7.2 PROGNOSEERGEBNISSE...106 7.2.1 Verkaufsflächenpotenziale insgesamt...106 7.2.2 Verkaufsflächenpotenziale nach Zentrenrelevanz...108 7.3 FAZIT...112 8. INSTRUMENTELLES KONZEPT ZUR RÄUMLICHEN EINZELHANDELSSTEUERUNG 113 8.1 VORSCHLAG FÜR EINE SORTIMENTSLISTE...114 ii

8.1.1 Kriterien... 114 8.1.2 Räumliche Verteilung der Sortimente in Nürtingen... 116 8.1.3 Vorschlag für eine Sortimentsliste... 118 8.2 GRUNDSÄTZE ZUR RÄUMLICHEN EINZELHANDELSENTWICKLUNG... 120 8.2.1 Umgang mit zentrenrelevantem Einzelhandel... 120 8.2.2 Umgang mit nicht zentrenrelevantem Einzelhandel... 124 8.3 RÄUMLICHE ENTWICKLUNGSOPTIONEN... 125 8.3.1 Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt... 126 8.3.2 Nahversorgungsbereich Vorstadt... 129 8.3.3 Maßnahmenvorschläge zur Nahversorgung... 130 8.3.4 Maßnahmenvorschläge zur Einzelhandelsentwicklung in Gewerbegebieten 133 8.3.5 Eignung ausgewählter Flächenpotenziale für Einzelhandel... 133 8.4 STÄDTEBAULICH-GESTALTERISCHE UND SONSTIGE MAßNAHMENVORSCHLÄGE... 139 8.4.1 Städtebaulich-gestalterische Maßnahmenvorschläge für den zentralen Versorgungsbereich Innenstadt... 140 8.4.2 Maßnahmenvorschläge für Händler und weitere Akteure... 141 9. VORGEHENSWEISE ZUR UMSETZUNG 144 9.1 ÖFFENTLICHE INFORMATION... 144 9.2 FESTLEGEN EINER SORTIMENTLISTE... 144 9.3 FESTLEGEN VON GEBIETEN ZUR ZULÄSSIGKEIT VON EINZELHANDEL... 145 9.4 BAULEITPLANERISCHE UMSETZUNG VON ZIELVORSTELLUNGEN... 148 GLOSSAR 149 ANHANG 153 iii

TABELLENVERZEICHNIS: Tab. 1: Einzelhandelsangebot der Stadt Nürtingen 2012 und 1993 (HGZ)... 28 Tab. 2: Einzelhandelsangebot in der Stadt Nürtingen... 29 Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Einzelhandelsangebot im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt von Nürtingen... 60 Annahmen zu Nachfrageentwicklung und Kaufkraftpotenzial im Überblick...102 Vorschlag für die "Nürtinger Sortimentsliste"...119 Tab. A - 1: Betriebe nach Größenklassen in der Stadt Nürtingen insgesamt: Anzahl und Verkaufsfläche (VKF)...155 Tab. A - 2: Betriebe im zentralen Versorgungsbereich nach Größenklassen: Anzahl und Verkaufsfläche (VKF)...155 Tab. A - 3: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Einzelhandelsangebot/ -auswahl...156 Tab. A - 4: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Parkplätze...156 Tab. A - 5: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Atmosphäre/ Aufenthaltsqualität...156 Tab. A - 6: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Erreichbarkeit...157 Tab. A - 7: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht Kooperation/ Engagement...157 Tab. A - 8: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Kundenverhalten...157 Tab. A - 9: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht Gestaltung öffentlicher Raum/ Städtebau...157 Tab. A - 10: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Auswahl/ Angebot Dienstleistung, Gastronomie...158 Tab. A - 11: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Öffnungszeiten...158 Tab. A - 12: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Leerstände...158 Tab. A - 13: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht - Sonstiges...158 Tab. A - 14: Einzelhandelssituation im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt: Umsatz im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt und Kaufkraft in der gesamten Stadt Nürtingen (je in Mio. ) sowie "unechte Bindungsquoten"...159 Tab. A - 15: Einzelhandelsangebot in der Stadt Nürtingen nach Lage: Verkaufsfläche auf 25 qm gerundet...160 Tab. A - 16: Kaufkraftpotenzial nach Sortimenten 2015 und 2025 in Mio....161 Tab. A - 17: Verkaufsflächenbedarf bis 2025 bei Status-quo-Prognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet...162 Tab. A - 18: Verkaufsflächenbedarf bis 2025 bei Entwicklungsprognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet...163 Tab. A - 19: Verkaufsflächenbedarf bis 2025 bei Wettbewerbsprognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet...164 iv

ABBILDUNGSVERZEICHNIS: Abb. 1: Alters- und geschlechtsspezifische Verteilung der Befragten... 26 Abb. 2: Bindungsquoten in der Stadt Nürtingen nach Sortimenten... 30 Abb. 3: Umsatzherkunft Stadt Nürtingen... 33 Abb. 4: Vergleich Händleraussagen zur Umsatzherkunft mit Herkunftserfassung der Kunden aus der Stadt Nürtingen... 34 Abb. 5: Verbleibquote der Stadt Nürtingen... 37 Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Händlersicht... 39 Änderungsabsichten der Einzelhändler in der Stadt Nürtingen nach Betrieben... 41 Voraussichtliche Einzelhandelsentwicklung in der Stadt Nürtingen auf Grund Änderungen im Bestand... 42 Abb. 9: Warum sind Sie nach Nürtingen gekommen?... 43 Abb. 10: Mit welchem Verkehrsmittel sind sie heute nach Nürtingen gekommen?. 44 Abb. 11: Warum kaufen Sie hier ein?... 45 Abb. 12: Wie oft kaufen Sie hier ein?... 46 Abb. 13: Wo kaufen Sie noch/sonst regelmäßig ein?... 47 Abb. 14: Grund für den Einkauf an anderen Orten... 48 Abb. 15: Beurteilung der Einzelhandelssituation in der Stadt Nürtingen aus Passantensicht... 49 Abb. 16: "Unechte Bindungsquoten" zentraler Versorgungsbereich Innenstadt... 61 Abb. 17: Anzahl der Betriebe, Verkaufsflächen- und Umsatzanteile nach Standorttypen... 83 Abb. 18: Verkaufsflächen nach Bedarfsbereichen und Standorttypen... 85 Abb. 19: Betriebsgrößenklassen nach Standorttypen... 86 Abb. 20: Einwohnerentwicklung in der Stadt Nürtingen 1990 bis 2012 (tatsächliche Entwicklung) und 2008 bis 2025 (Prognosewerte)...100 Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Bindungsquoten in Nürtingen nach Sortimenten im Ist-Zustand und 2025 bei einer Entwicklung entsprechend der Entwicklungsprognose (obere Variante)...104 Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Nürtingen bis 2025 - Angaben in qm (Entwicklungsprognose und Wettbewerbsprognose)...107 Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Nürtingen bis 2025 im Bereich der nahversorgungsrelevanten Sortimente - Angaben in qm...109 Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Nürtingen bis 2025 im Bereich der sonstigen zentrenrelevanten Sortimente - Angaben in qm...110 Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Nürtingen bis 2025 im Bereich der nicht zentrenrelevanten Sortimente - Angaben in qm...111 Verkaufsflächenverteilung üblicherweise zentrenrelevanter Sortimente nach Standorttypen...116 Verkaufsflächenverteilung üblicherweise nicht zentrenrelevanter Sortimente nach Standorttyp...118 v

KARTENVERZEICHNIS: Karte 1: Karte 2: Karte 3: Karte 4: Karte 5: Karte 6: Karte 7: Karte 8: Karte 9: Karte 10: Tendenzielles Einzugsgebiet der Stadt Nürtingen auf Basis der Passantenbefragung... 35 Erweitertes Einzugsgebiet der Stadt Nürtingen auf Basis der Herkunftserfassung (verkaufsoffener Sonntag)... 36 Einzelhandelsangebot in der Innenstadt von Nürtingen und angrenzenden Bereichen... 56 Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot in der Innenstadt von Nürtingen und angrenzenden Bereichen... 57 Vorschlag zur Ist-Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches Innenstadt... 58 Stärken und Schwächen des zentralen Versorgungsbereiches Innenstadt Nürtingen... 63 Räumlich-funktionale Trennung zwischen dem zentralen Versorgungsbereich Innenstadt und dem Nahversorgungsbereich Vorstadt... 70 Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot im Nahversorgungsbereich Vorstadt... 71 Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot im Ortszentrum Neckarhausen... 73 Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot im Ortszentrum Oberensingen... 74 Karte 11: Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot im Ortszentrum Reudern... 75 Karte 12: Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot im Ortszentrum Roßdorf... 76 Karte 13: Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot im Ortszentrum Zizishausen... 77 Karte 14: Bedeutende Einzelhandelsstandorte in Nürtingen... 78 Karte 15: Räumliche Verteilung der Lebensmittelbetriebe in Nürtingen... 88 Karte 16: Karte 17: Karte 18: Perspektivische Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches der Stadt Nürtingen...128 Vorschlag zur künftigen Einzelhandelsentwicklung ausgewählter Flächenpotenziale...134 Bewertung Potenzialfläche in der Ortschaft Reudern...138 vi

FOTOVERZEICHNIS: Foto 1: Kirchstraße - Buchhandlung... 64 Foto 2: Kirchstraße - Kaufhaus... 64 Foto 3: Kirchstraße - Elektrofachmarkt... 64 Foto 4: Bahnhofstraße... 64 Foto 5: Schlossbergtreppe... 65 Foto 6: Schillerplatz - Kreuzkirche... 65 Foto 7: Jorderyplatz - Stadthalle... 65 Foto 8: Schillerplatz - Ochsenbrunnen... 65 Foto 9: Marktplatz - Technisches Rathaus... 66 Foto 10: Fachhochschule (ehem. Spital)... 66 Foto 11: Kirchstraße... 67 Foto 12: Kirchstraße/ Bahnhofstraße... 67 Foto 13: Bahnhofstraße... 67 Foto 14: Zugang Drogeriemarkt... 67 Foto 15: Steinbergstraße... 68 Foto 16: Europastraße... 68 Foto 17: Steinengrabenstraße... 68 Foto 18: Bahnhofstraße... 68 Foto 19: Warenpräsentation... 69 Foto 20: Warenpräsentation... 69 vii

viii

1. AUSGANGSLAGE UND AUFGABENSTELLUNG Das erste Einzelhandelskonzept für die Stadt Nürtingen wurde 1994/ 1995 erstellt. Damals wurden in einer Marktstrukturuntersuchung durch die BBE Baden-Württemberg eine Ist-Analyse und eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Einzelhandels durchgeführt sowie Entwicklungs- und Verbesserungsmöglichkeiten in quantitativer und qualitativer Hinsicht aufgezeigt. Anschließend wurden in einer Ergänzung der Marktstrukturuntersuchung geprüft, welche Standorte für Einzelhandelsansiedlungen unter städtebaulichen Aspekten und Versorgungsgesichtspunkten geeignet sind bzw. wo negative Auswirkungen zu erwarten sind. Des Weiteren wurden unterschiedliche Standortbereiche in der Innenstadt und in Gewerbegebieten unter dem Aspekt der Einzelhandelsansiedlung auf mögliche Auswirkungen in städtebaulicher Hinsicht untersucht. Im Jahr 2002 hat die Stadt Nürtingen das 1994/1995 erstellte Einzelhandelsgutachten auf seine rechtliche Gültigkeit im Hinblick auf die Steuerung des großflächigen Einzelhandels überprüfen lassen. Seither haben sich die Bedingungen im Einzelhandel und die rechtlichen Rahmenbedingungen, z.b. durch die BauGB-Novellen 2004 und 2007, erheblich verändert, wobei durch verschiedene Urteile die Position der Städte im Hinblick auf die räumliche Steuerung des Einzelhandels eher gestärkt wurde. Mit der anstehenden Novelle des BauGB und der BauNVO sind bisher keine in diesem Zusammenhang durchgreifenden Veränderungen bekannt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen weiterhin gelten werden. Als Basis für künftige Entscheidungen zur Einzelhandelsentwicklung soll nun dieses Einzelhandelskonzept fortgeschrieben werden. Von besonderer Bedeutung für die Gesamtkonzeption sind dabei mehrere potenzielle Entwicklungsflächen, die außerhalb der Altstadt liegen, wenngleich sie zum Teil an diese angrenzen. Zwei dieser Standorte wurden in der Fortschreibung von 2002 als Bereiche für zentrenrelevante Sortimente ausgewiesen 1. Neben der Frage zu den Möglichkeiten bzw. Auswirkungen weiterer Einzelhandelsansiedlungen an diesen potenziellen Standorten stellte sich in Nürtingen die Grund- 1 Dabei handelt es sich um die Standorte "ZOB" nördlich der Europastraße und "Gleis 13" östlich der Bahnhofstraße. Vgl. BBE (2002): Beurteilung des Einzelhandelskonzepts Stadt Nürtingen, S. 32 1

satzfrage: Welche Rolle soll zukünftig die Altstadt/ Innenstadt im Hinblick auf eine (zentralörtliche) Versorgungsleistung übernehmen? Die Beantwortung dieser Frage erforderte eine systematische Untersuchung der Entwicklungsoptionen für die Gesamtstadt und für die Altstadt/ Innenstadt, basierend auf einer Bestandserhebung sowie einer Standort- und Funktionsanalyse. Dabei wurden nicht nur die quantitativen Entwicklungsoptionen, sondern auch qualitative Entwicklungsoptionen untersucht. Die Stadt Nürtingen steht, wie viele andere Städte auch, ökonomisch und strukturell sich ständig verändernden Rahmenbedingungen im Einzelhandel gegenüber, sodass weiterhin von den großflächigen Einzelhandelsanbietern die verkehrs- und kostengünstigen Standorte in peripheren, meist gewerblich geprägten Lagen nachgefragt werden. Daher wurde auch geprüft, welche räumlichen Entwicklungsperspektiven die Altstadt/ Innenstadt hat und wie diese genutzt werden können, ohne dabei vorhandene städtebauliche und funktionale Strukturen in ihrer Entwicklungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Dabei muss konstatiert werden, dass die Politik/ Verwaltung allein nur wenige Möglichkeiten hat, die Einzelhandelsentwicklung in einer Stadt zu beeinflussen. Sie kann - wenn sie will - Einfluss nehmen auf die standort-, sortiments- und größenbezogene Einzelhandelsentwicklung und dieses auch nur bei Neuansiedlungen bzw. Umnutzungen. Darüber hinaus kann eine Stadt städtebauliche und infrastrukturelle Angebote (z.b. Fußgängerzone, Parkplätze, öffentlicher Raum) machen. Auch wenn diese rahmensetzenden Möglichkeiten eine wesentliche Grundlage für eine positive Einzelhandelsentwicklung und damit für eine positive städtebaulich-funktionale Entwicklung bilden, werden für das Umsetzen/ Ausfüllen dieser Ziele und Rahmenbedingungen andere Akteure gebraucht: Nur wenn es dem bestehenden Einzelhandel in Nürtingen gelingt, sich entsprechend zu positionieren, wird dieser weiterhin Bestand haben. Städtebaulich-funktionale Konzepte müssen z.t. von den privaten Hauseigentümern umgesetzt werden (z.b. Fassadengestaltung). Investoren müssen bereit sein, unter den vorgegebenen städtebaulich-funktionalen Rahmenbedingungen zu investieren. Dies wird nur dann geschehen, wenn diese dauerhaft verlässlich sind. 2

Insbesondere in der Innenstadt müssen andere Akteure, z.b. die Gastronomen, in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, da gerade dieser Stadtbereich von einer städtebaulichen und funktionalen Vielfalt abhängig ist. 1.1 AUFBAU DES GUTACHTENS Zu Beginn des Gutachtens werden in Kap. 2.1 - auch zum Verständnis der Konfliktsituationen zwischen Einzelhandel und Kommunen - allgemeine Trends der Einzelhandelsentwicklung erörtert und nach ihren Folgewirkungen für die Stadtentwicklung näher beleuchtet, um anschließend in Kap. 2.2 die planungsrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten darzustellen. Grundlage für ein Einzelhandelskonzept ist die Auseinandersetzung mit der Ist-Situation (vgl. Kap. 3, Kap. 4 und Kap. 5): Wieweit wird der Einzelhandel in der Stadt Nürtingen seiner mittelzentralen Versorgungsfunktion gerecht (vgl. Kap. 3)? Welchen Beitrag leisten die (bedeutenden) Einzelhandelsstandorte hierzu (vgl. Kap. 4.1.4, Kap. 4.2, Kap 4.3 und Kap. 4.4)? Wie sieht die räumliche Verteilung des Einzelhandelsangebotes in der Stadt Nürtingen aus (vgl. Kap. 5)? Die Ist-Analyse umfasst: die Darstellung und Bewertung der Ergebnisse der Einzelhändlerbefragung und der Begehung (vgl. Kap. 3), die Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches (vgl. Kap. 4.1.3), die städtebaulich-funktionale Stärken- und Schwächenanalyse (vgl. Kap. 4.1.5) und die räumliche Einzelhandelsstruktur (vgl. Kap. 5). Aufbauend auf den städtebaulichen Zielen (vgl. Kap. 6) wurde vor dem Hintergrund der Ist-Situation abgeleitet, in welchen Sortimenten welcher (quantitative) Verkaufsflächenentwickungsspielraum besteht (vgl. Kap. 7). Abschließend wird ein abgestimmtes Konzept zur räumlichen Steuerung des Einzelhandels in Nürtingen dargelegt (vgl. Kap. 8). Darin wird auch aufgezeigt, wo zusätzliche Verkaufsflächen angesiedelt werden sollten, um die städtebaulichen Ziele zu unterstützen und welche räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten des zentralen Versorgungsbereiches bestehen (vgl. Kap. 8.3). 3

Wesentlicher Bestandteil der Vorschläge für ein Einzelhandelskonzept ist die Sortimentsliste ("Nürtinger Liste", vgl. Kap. 8.1), die nach zentrenrelevanten und nicht zentrenrelevanten Sortimenten differenziert. Diese wurde u.a. vor dem Hintergrund der örtlichen Situation abgeleitet - die reine Übernahme aus allgemeinen Listen reicht nicht aus. Dies entspricht der Maßgabe und den Erkenntnissen, nach denen das Büro Dr. Acocella seit seinem Bestehen arbeitet 2. Die Attraktivität eines Einzelhandelsstandortes hängt allerdings nicht allein von einem solchen Rahmen ab, der durch ein Einzelhandelskonzept geschaffen würde, sondern auch von städtebaulich-gestalterischen Maßnahmen (Gemeinde und insbesondere Immobilieneigentümer) und vom Handeln weiterer Akteure - insbesondere der Einzelhändler, aber auch der Gastronomen und Dienstleister (vgl. Kap. 8.4). In Anbetracht der Erkenntnis, dass ein den formalen Ansprüchen genügendes Einzelhandelskonzept u.u. keine Aussicht auf eine zielkonforme Umsetzung hat, wurde der Untersuchungsansatz im hier vorliegenden Gutachten so gewählt, dass mit den Ergebnissen auch die anderen relevanten Akteure angesprochen und eingebunden werden können. Zentrales Anliegen des Gesamtgutachtens ist es jedoch, die städtebaulichen Begründungen für eine räumliche Steuerung des Einzelhandels zu erarbeiten. Investoren müssen bereit sein, unter den vorgegebenen städtebaulich-funktionalen Rahmenbedingungen zu investieren. Dies wird nur dann geschehen, wenn diese dauerhaft verlässlich sind. 1.2 PROJEKTBEGLEITENDE ARBEITSGRUPPE Bei der Erarbeitung des Gutachtens als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept wurde eine projektbegleitende Arbeitsgruppe eingerichtet, die wichtige Akteure in Nürtingen einband. 2 Acocella, D.: Einzelhandelskonzepte im Praxistest, Dortmund, 2004. 4

Die Arbeitsgruppe setzte sich aus Vertretern der Stadt Nürtingen (Planungsamt und Wirtschaftsförderung), des Citymarketing Nürtingen e.v., des Werbering Nürtingen, der IHK-Bezirks Esslingen-Nürtingen und der IHK Region Stuttgart zusammen. Aufgabe der Arbeitsgruppe war es, die jeweils vorgestellten Zwischenergebnisse - ggf. nach einer Ergänzung oder Änderung - als Grundlage zur weiteren Bearbeitung zu bestimmen. Die Einbindung einer Arbeitsgruppe in die Erstellung eines Gutachtens als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept beschleunigt erfahrungsgemäß den gesamten Arbeitsprozess sowie die anschließende Umsetzung. Es fanden drei Sitzungstermine mit der Arbeitsgruppe statt: 1. Im Oktober 2012 wurde die Vorgehensweise besprochen und der Händler- sowie der Passantenfragebogen intern abgestimmt. 2. Die Ergebnisse der Einzelhändler- und der Passantenbefragung sowie die städtebaulich-funktionale Stärken und Schwächenanalyse wurden der Arbeitsgruppe im Dezember 2012 vorgestellt und anschließend erörtert. 3. Das Prognoseergebnis und die konzeptionellen Maßnahmenvorschläge wurden im März 2013 präsentiert und mit den Teilnehmern der Arbeitsgruppe diskutiert. Die Erarbeitung des Gutachtens erfolgte durch ein interdisziplinär besetztes Team des Büros Dr. Acocella Stadt- und Regionalentwicklung aus den Bereichen Raum- und Stadtplanung/ Architektur, Betriebs-/ Volkswirtschaft und Geographie. Damit ließen sich die zahlreichen verschiedenen Themenkomplexe eines kommunalen Einzelhandelsgutachtens, zu deren inhaltlicher und methodischer Bewältigung sowohl übergreifende Kenntnisse als auch ein sehr spezifisches Wissen erforderlich sind, sachgerecht bearbeiten. 5

2. RAHMENBEDINGUNGEN DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG UND PLANUNGSRECHTLICHE VORGABEN Einleitend werden vergangene und in der Tendenz absehbare Trends der Einzelhandelsentwicklung unter planerischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten näher beleuchtet. Die Analyse der allgemeinen Einzelhandelsentwicklung ist bedeutsam, da an ihr die Folgen einer Genehmigung von Einzelhandel am "falschen Standort" ablesbar sind. Übertragen auf die Untersuchungskommune bedeutet dies, dass es einen Teil der Handelsentwicklung gibt, der nicht durch planerische Konzepte steuerbar ist und sein soll, z.b. die Betriebstypenentwicklung. Der steuerbare Bereich der Einzelhandelsentwicklung betrifft die Größenentwicklung und Standortbereitstellung. Eine Minimierung der negativen Folgen der Einzelhandelsentwicklung ist möglich, wenn diese nur an den städtebaulich für richtig befundenen Standorten stattfindet. Für diese - städtebaulich begründete - räumliche Lenkung der Einzelhandelsentwicklung gibt es rechtlich zentrale Voraussetzungen, die in Kap. 2.2 erörtert werden. 2.1 ALLGEMEINE TRENDS DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG Die gesellschaftliche Aufgabe des Einzelhandels liegt in der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern. In jeder Stadt bzw. Gemeinde (unabhängig von ihrer zentralörtlichen Funktion) betrifft dies zunächst die Deckung der Grundversorgung, insbesondere mit Lebensmitteln 3. In einem Mittelzentrum wie Nürtingen erstreckt sich diese Aufgabe auf die Versorgung mit Angeboten, die nicht in jeder Gemeinde in tragfähigen Einrichtungen angeboten werden können, mithin neben der Grundversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs auch auf die Versorgung mit Gütern des mittel- und langfristigen Bedarfs. In diesem Bedarfsbereich sollen dabei neben der eigenen Bevölkerung auch Einwohner im Mittelbereich versorgt werden. 3 Nach den Grundsätzen der Landesplanung Baden-Württemberg, die bei raumbedeutsamen Planungen in der planerischen Abwägung, insbesondere bei der Bauleitplanung, zu berücksichtigen sind, ist "eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen und eine wohnortnahe Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen anzustreben." Vgl. LEP Baden-Württemberg 2002, Plansatz 1.2 (Grundsatz). 6

Neben dieser eigentlichen Aufgabe des Einzelhandels erzeugt dieser in integrierten Lagen städtische Bedingungen wie Dichte, Frequenz und Mischung. Der Einzelhandel hat daher eine "stadtbildende Funktion": Städtisches Leben, urbane Attraktivität und Multifunktionalität sind ohne Einzelhandel nur schwer vorstellbar. Im Zuge des Strukturwandels, und hier insbesondere der Suburbanisierung, der Einzelhandelsstandorte - d.h. ihrer Verlagerung bzw. Neuschaffung an peripheren ("Grüne-Wiese- ")Standorten - seit Mitte der siebziger Jahre wurde den Zentren jedoch viel von der stadtbildenden Kraft des Einzelhandels entzogen. Veränderungen in der Betriebsstruktur (Betriebstypenentwicklung und Sortimentsstruktur) bewirkten eine Lösung des Einzelhandels von klassischen Standortfaktoren wie "Einwohnerdichte im Naheinzugsbereich" oder "hohe Passantendichte". Auch in Folge der Genehmigungspolitik der Baugenehmigungsbehörden kam es schließlich zu einer Entwertung traditioneller Einkaufsstandorte und der auf diese Standorte gerichteten infrastrukturellen Einrichtungen. Diese Entwicklungen wurden durch Veränderungen auf der Nachfrageseite (u.a. Rückgang des Anteils der einzelhandelsbezogenen Konsumausgaben am Einkommen, zunehmende Mobilität und Mobilitätsbereitschaft, Veränderungen der Konsumgewohnheiten) weiter bekräftigt. Durch die Ansiedlungspolitik der Kommunen im Außenbereich der Städte entwickelten sich neue, zum Teil erhebliche Nutzungskonflikte (gewerbliche Nutzung, industrielle Nutzung, Sportstätten, Einzelhandelsnutzung) und ökologische Probleme (Verkehrsaufkommen, Landschaftsverbrauch, Flächenversiegelung). Die wohnungsnahe Grundversorgung ist dadurch nicht mehr garantiert - diese Entwicklung ist v.a. hinsichtlich der sozialdemographischen Veränderungen in Bezug auf Altersstruktur und Haushaltsformen kritisch zu betrachten, die wiederum eine Veränderung im Kaufverhalten bewirken werden. Dieser Trend muss bei anstehenden Planungen zur zukünftigen Einzelhandelsentwicklung berücksichtigt werden. Um die stadtbildprägende Kraft des Einzelhandels aufrechtzuerhalten - und darüber hinaus die Nahversorgung der gesamten Bevölkerung (auch der weniger mobilen) zu sichern, bedarf es deshalb der gezielten Lenkung der Einzelhandelsentwicklung. Dieses Ziel deckt sich auch mit den Vorgaben des LEP Baden-Württemberg, in dem u.a. die Erhaltung der verbrauchernahen Versorgung und der Funktionsfähigkeit der 7

zentralen Orte als Ziele definiert sind; zudem wird die Steuerung des Einzelhandels mittels Entwicklungskonzepten ausdrücklich empfohlen 4. 2.1.1 Handelsendogene und -exogene Faktoren der Einzelhandelsentwicklung Die Entwicklung des Einzelhandels wird sowohl durch die Anbieter als auch durch die Nachfrager/ Konsumenten bestimmt. Bedeutung handelsendogener (anbieterbezogener) Faktoren Veränderungen auf Anbieterseite (handelsendogene Faktoren) sind die Konzeption von Betriebstypen ("Tante-Emma-Laden", Supermarkt, Discounter, SB-Warenhaus etc.), die Standortdynamik oder die Sortimentspolitik der unterschiedlichen Anbieter: Betriebstypenentwicklung: Die Betriebstypenentwicklung als Folge des stetigen Bestrebens der Handelskonzerne, Kostenstrukturen zu optimieren, ist dabei verbunden mit einer Auffächerung des Niedrigpreisbereiches in Markendiscountern, Factory-Outlet-Centern (FOC), Sonderpostenmärkten und traditionellen (Lebensmittel-)Discountern, einem Anstieg der Verkaufsfläche und einer kontinuierlichen Abnahme der Fachgeschäfte. Problematisch ist dies v.a., weil ein Großteil der neuen Betriebstypen häufig außerhalb gewachsener Strukturen angesiedelt wird und somit zur Auflösung der vorhandenen Funktionen und der Nutzungsvielfalt in den Zentren beitragen kann. Der aus betriebswirtschaftlichen Effizienzgründen erfolgte Anstieg der Verkaufsfläche je Betrieb erschwert häufig die Integration der neuen Betriebstypen in die gewachsenen Strukturen der Zentren, wodurch die Multifunktionalität des Handels abhanden kommen kann. Sortimentspolitik: Daneben verändern sich auch die einzelnen Betriebstypen selbst, z.b. im Hinblick auf ihr Warensortiment. Die klassische Branchenaufteilung bricht dadurch langsam auf, sodass mittlerweile nicht nur Warenhäuser als Mehrbranchenanbieter angesehen werden können. Baumärkte oder Lebensmittelbetriebe - v.a. Lebensmitteldiscounter - führen i.d.r. Randsortimente oder auf sog. Aktionsflächen Sortimente, die von der für diese (ursprünglichen) Betriebsarten üblichen Sortimentsstrukturierung erheblich abweichen. Diese Sortimente stehen 4 Vgl. LEP Baden-Württemberg 2002, u.a. Plansatz 1.2 (Grundsatz) und Plansatz 3.3.7.4 (Grundsatz) sowie Begründung. 8

oftmals in Konkurrenz zu den entsprechenden Angeboten der Innenstädte und Ortszentren oder anderer zentraler Versorgungsbereiche. Neue Betriebsformen: Neben diesen Entwicklungen entstehen neue groß dimensionierte Betriebstypen wie Factory Outlet Center. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Betriebstyp angesichts der jeweils erforderlichen Einzugsbereiche nur begrenzte Entwicklungspotenziale aufweist. Standortdynamik: Die Betriebstypendynamik führt - teilweise gemeinsam mit den Trends auf Seiten der Konsumenten - auch zu Neubewertungen von Standorten: Insbesondere werden autokundenorientierte Standorte und preisgünstige Grundstücke vorgezogen. Die Funktionsmischung großflächiger Einzelhandelsstandorte an der Peripherie führt zu einer Erhöhung ihrer Standortattraktivität, insbesondere im Verhältnis zu Ortszentren bzw. Innenstädten, sodass sich für diese ein Entwicklungshemmnis ergeben kann. Bedeutung handelsexogener (nachfragebezogener) Faktoren Zu den handelsexogenen Faktoren gehören v.a. nachfragebedingte Faktoren wie Einkommen, Mobilität und Einkaufsverhalten sowie soziodemografische und rechtliche Rahmenbedingungen, welche die Einzelhandelsentwicklung entscheidend beeinflussen können: Soziodemografische Entwicklung: Die Einwohnerzahl in Deutschland wird auf Grund der konstant niedrigen Geburtenrate trotz anhaltender Zuwanderungen aus dem Ausland langfristig abnehmen. Hinzu kommt, dass der Anteil der älteren Menschen kontinuierlich zunimmt. Diese Entwicklung hat für den Einzelhandel und damit auch für die Zentren eine wichtige Bedeutung, z.b. in Bezug auf den Bedarf an Kinderbekleidung und Spielwaren, die Erreichbarkeit von Nahversorgungseinrichtungen für ältere Menschen oder auch das Angebot an gesundheitserhaltenden und -fördernden Artikeln. Eng mit dem Wandel der Altersstruktur ist die Veränderung der Haushaltstypen verbunden. Die Anzahl der Haushalte steigt - auch im Verhältnis zur Bevölkerungszahl - in Deutschland kontinuierlich an, die Haushaltsgröße nimmt gleichzeitig ab, was sich in einer deutlichen Zunahme von Single- Haushalten ausdrückt. Die Pluralisierung und Individualisierung der Lebens- und auch Wohnformen, welche u.a. zu einem veränderten Kaufverhalten führen, ist ein weiterer Trend, der bei anstehenden Planungen zur zukünftigen Einzelhandelsentwicklung mit zu beachten ist. 9

Mobilität: Zunehmende Mobilität bzw. Mobilitätsbereitschaft führen dazu, dass zumindest von einem Teil der Bevölkerung häufiger wohnortfernere Einzelhandelsstandorte aufgesucht werden. Dies führt gleichzeitig zu einer Schwächung der Einzelhandelsstandorte in zentralen Lagen bis hin zum Wegfall der Nahversorgung. Konsumgewohnheiten: Ebenso führt die Veränderung der Konsumgewohnheiten in Verbindung mit einer Veränderung der Lebensstile zu einer Neubewertung verschiedener Einzelhandelsstandorte. Einerseits dominiert bei Lebensmitteleinkäufen teilweise das sogenannte One-Stop-Shopping, bei dem in größeren zeitlichen Abständen große Warenmengen eingekauft werden. Andererseits werden Innenstädte häufig gezielt für den Einkauf bestimmter zentrenprägender Sortimente wie Bekleidung oder Schuhe aufgesucht. Dabei findet häufig eine Kopplung von Freizeitaktivitäten, Gastronomiebesuchen und Einkauf statt. Ob das og. Einkaufsverhalten angesichts der deutlich steigenden Mobilitätskosten bei einer älter werdenden Gesellschaft und sinkender Haushaltsgrößen so bleiben wird, darf bezweifelt werden. Einkommen: Die veränderten Kostenbelastungen bei privaten Haushalten (z.b. steigende Wohn- und Energiekosten) führen zu einem Rückgang des Anteils der einzelhandelsbezogenen Konsumausgaben am Einkommen. Betrachtet man die Wechselbeziehungen von handelsendogenen und handelsexogenen Faktoren, ist festzustellen, dass der Einzelhandel nicht vorrangig auf die Bedürfnisse der Nachfrage reagiert, sondern dass die verschiedenen Entwicklungen im Einzelhandel primär durch diesen selbst verursacht bzw. bestimmt werden. 2.1.2 Städtebauliche Folgen der Einzelhandelsentwicklung Bei systematischer Betrachtung ist insbesondere auf die nachfolgend dargestellten typischen Probleme von Innenstädten und auch Ortszentren infolge der Einzelhandelsentwicklung hinzuweisen: 1. Die Suburbanisierung der Handelsstandorte gefährdet die Rentabilität stadtbzw. gemeindezentrenbezogener Entwicklungskonzepte sowie von Investitionen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft. Die fehlende wirtschaftliche Perspektive führt zum Rückzug weiterer Einzelhandelsunternehmen aus den Innenstädten bzw. Ortszentren (und weiteren zentralen Bereichen). 10

2. Die aus betriebswirtschaftlichen Effizienzgründen für erforderlich erachtete Mindestverkaufsfläche steigt in allen Einzelhandelsbranchen an und erschwert in Kombination mit der vorherrschenden eingeschossigen Bauweise die Integration der Betriebe in die gewachsenen Strukturen der Innenstädte und Ortszentren. Die Multifunktionalität des Handels und die kleinteiligen Strukturen in den Kernbereichen drohen abhanden zu kommen. 3. Die kommunale Verkehrssituation gerät in ein Spannungsfeld. Das Flächenwachstum im Handel reduziert die Möglichkeiten, die Funktionen Wohnen und Versorgung zu mischen und damit das Individualverkehrsaufkommen zu reduzieren. Die schwindende Attraktivität der Innenstädte als Einkaufsorte hemmt die Bereitschaft, in verbesserte ÖPNV-Konzepte zu investieren. Autokundenorientierte Einzelhandelsgroßbetriebe im Umland der Gemeinden und Städte werden häufig nicht an öffentliche Verkehrsmittel angebunden. Die großen Einzugsgebiete des Einzelhandels außerhalb der Innenstädte, v.a. an peripheren Standorten, führen zu einem zusätzlichen Anstieg des Individualverkehrs. 4. Die wohnungsnahe Grundversorgung ist nicht mehr garantiert. Als Folge der (durch die Genehmigungspolitik zugelassenen) Suburbanisierung ziehen sich der Handel und andere Infrastruktureinrichtungen (z.b. Poststellen, Bankfilialen) aus den Wohngebieten und dem ländlichen Raum zurück. Die durch den Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel ausgelöste Erhöhung der durchschnittlichen Betriebsgröße hat zur Folge, dass für Anbieter die Notwendigkeit entsteht, mit diesen größeren Betriebseinheiten auch entsprechend höhere Umsätze zu erwirtschaften. Damit vergrößert sich der notwendige Einzugsbereich jedes Betriebes. Der dadurch ausgelöste Verdrängungswettbewerb reduziert das Angebot zunehmend auf standort- und betriebstypenbezogen optimierte Betriebe: Eine fußläufige bzw. wohnortnahe Nahversorgung durch relativ kleinflächige Lebensmittelbetriebe in Wohnlagen ist wegen der Ausdünnung des Versorgungsnetzes häufig nicht mehr gewährleistet. Die Entwicklung verläuft entgegen dem für die Nahversorgung wichtigen Ziel einer "Stadt der kurzen Wege". Betroffen ist v.a. der mobilitätseingeschränkte Teil der Bevölkerung. Mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen steigt so die Zahl potenziell unterversorgter Haushalte. Nahezu unabhängig von der Einwohnerzahl einer Kommune sind gerade ältere Menschen in besonders hohem Maße von einer unzureichenden Nahversorgung betroffen. Zurückzuführen ist dies u.a. auf 11

mangelnde finanzielle Möglichkeiten für den Besitz und die Nutzung eines Pkw für den Einkauf, den noch immer überdurchschnittlich hohen Anteil von Personen, insbesondere Frauen, ohne Führerschein in dieser Altersgruppe sowie auf die fehlenden gesundheitlichen/ körperlichen Voraussetzungen zum Führen eines Pkw. 5. Der Flächenverbrauch der modernen Betriebstypen für großflächige, eingeschossige Verkaufsräume und komfortable Pkw-Stellplatzanlagen sowie die Fokussierung dieser Betriebstypen auf motorisierte Konsumenten aus einem möglichst großen Einzugsgebiet führen zu zusätzlichen Umweltbelastungen. Die aufgezeigten Probleme beeinträchtigen den innerstädtischen Einzelhandel immer häufiger. Dabei weisen die Einzelhändler auf die Abhängigkeit des Standortes Innenstadt von seiner Erreichbarkeit hin. Gleichzeitig muss sich der Handel der Konkurrenz optimal geplanter Shopping-Center mit guter Verkehrsanbindung, Flanierambiente, hochwertigen Anbietern und hohem Organisationsgrad (Werbung, Öffnungszeiten etc.) sowie mit Angeboten zur Freizeitgestaltung stellen. Dies erfordert wiederum an innerstädtischen Standorten eine (bauliche) Aufwertung des Ambientes, z.b. durch Fußgängerzonen, und eine vielfältige Funktionsmischung, um einen "Erlebnisraum" in den Innenstädten zu schaffen bzw. diesen auszubauen. 2.2 PLANUNGSRECHTLICHER RAHMEN DES EINZELHANDELSKONZEPTES ALS RÄUMLI- CHES STEUERUNGSINSTRUMENT Das in der Folge dargestellte Gutachten als Grundlage für ein Einzelhandelskonzept mit seinen Steuerungselementen soll die Stadt Nürtingen in die Lage versetzen, die räumliche Einzelhandelssteuerung in der Stadt entsprechend den planerischen Zielsetzungen zu betreiben. Im Rahmen von (kommunalen) Einzelhandelskonzepten wird immer wieder die Frage gestellt, ob eine planerische räumliche Lenkung des Einzelhandels überhaupt rechtlich möglich ist 5. Im Grundsatz ist diese Frage geklärt, denn das ungeregelte Marktgeschehen verursacht - wie im vorangegangen Kapitel 2.1 skizziert - negative Wir- 5 Vgl. BVerwG: Beschluss vom 10.11.2004 Az. 4 BN 33/04. 12

kungen auf raumordnerische und städtebauliche Zielsetzungen, die der Markt selbst nicht korrigiert bzw. korrigieren kann. Marktwirtschaftliche Einwände werden zwar immer wieder artikuliert, sind jedoch durch verschiedene Urteile verworfen worden 6. Die Tatsache, dass Einzelhandelsansiedlungen unangemessen sein können, ergibt sich auf Grund des immer noch aktuellen städtebaulichen Leitbildes der "Europäischen Stadt" und v.a. aus dem Recht - und der Pflicht - jeder Stadt/ Gemeinde, die städtebauliche Ordnung und Entwicklung zu sichern 7. 2.2.1 Planungsrechtlicher Rahmen des Einzelhandelskonzeptes Die rechtlichen Vorgaben für den Einsatz eines Einzelhandelskonzeptes betreffen u.a. die erforderliche Definition der zentralen Versorgungsbereiche, abgeleitet auf Basis einer Ist-Analyse und die Anforderungen an die Ableitung einer Sortimentsliste. 2.2.1.1 Zentraler Versorgungsbereich Die rechtlich zentrale Voraussetzung für eine räumliche Lenkung der Einzelhandelsentwicklung, die der Sicherung und der Weiterentwicklung des Einzelhandels an zentralen Standorten dienen soll, ist die Abgrenzung sogenannter zentraler Versorgungsbereiche. Nur wenn klar ist, welcher Bereich einer Stadt oder Gemeinde als zentraler Versorgungsbereich anzusehen ist, kann geprüft werden, ob dieser geschützt werden soll. Erst wenn diese räumliche Abgrenzung vorgenommen ist, ist der Nachweis zu erbringen, dass eine Sicherung und Weiterentwicklung des Einzelhandels in den zentralen Versorgungsbereichen insgesamt erreichbar ist 8. Nur auf diese Weise kann auch der planungsrechtliche Bezug zum Ausschluss von Einzelhandel an anderen Standorten hergestellt werden. Nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in dieser Sache sind zentrale Versorgungsbereiche "räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunk- 6 Vgl. z.b. OVG NRW: Urteil vom 22.06.1998 Az. 7a D 108/96.NE. 7 Vgl. z.b. OVG Rheinland-Pfalz: Urteil vom 21.06.2001 Az. 1 C 11806/00.OVG; BayVGH: Urteil vom 25.04.2002 Az. 2 CS 02.121. Die Pflicht für die Kommunen könnte sich letztlich aus dem 1 (3) BauGB ergeben. 8 Ebd. 13

tion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt." 9 Für den Einsatz eines Einzelhandelskonzeptes ist dabei von Bedeutung, dass auch eine planerische Abgrenzung vorgenommen werden kann, die nicht mit der Abgrenzung der Ist-Situation übereinstimmen muss 10. In einem weiteren Urteil ergänzte das BVerwG, dass "auch solchen Einkaufsbereichen eine Funktion als zentraler Versorgungsbereich zukommen kann, die ein im Wesentlichen fußläufig erreichbares Einzugsgebiet haben und der Nahversorgung dienen" 11. Mit der EAGBau 2004 und der Baurechtsnovelle 2007 wurden die Begriffe und Bestimmungen zum zentralen Versorgungsbereich konkretisiert. Sie stellen bei der Bauleitplanung zu berücksichtigende Belange dar. So wurde in 1 (6) Nr. 4 BauGB (Baugesetzbuch) die "Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche" festgeschrieben. Hiernach können sich Gemeinden im Rahmen des gemeindenachbarlichen Abstimmungsgebotes gemäß 2 (2) BauGB nun ausdrücklich auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen. Des Weiteren sind nach 34 (3) BauGB bei Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche auch außerhalb der näheren Umgebung zu beachten. 2.2.1.2 Sortimentsliste Da nicht jeder Einzelhandel in den zentralen Versorgungsbereichen angesiedelt werden muss/ soll und umgekehrt bestimmte Einzelhandelsangebote in Gewerbegebieten oder in überwiegend gewerblich genutzten Gebieten ausgeschlossen werden sollen, ist ein stadtentwicklungspolitischer und städtebaurechtlicher Rahmen für eine positive Einzelhandelsentwicklung in der gesamten Stadt zu schaffen. Entsprechend ist für die Stadt Nürtingen abzuleiten, welche Sortimente zentrenrelevant sind. Für die räumliche Lenkung der Einzelhandelsentwicklung ist zu beachten, dass die Übertragung einer allgemeinen Sortimentsliste (beispielsweise aus dem Einzelhandelserlass Baden-Württemberg) rechtlich nicht ohne weiteres zulässig 9 Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007, Az. 4 C 7.07. 10 "Zentrale Versorgungsbereiche [...] können sich sowohl aus planerischen Festlegungen als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben" (BVerwG, Urteil vom 11.10.07, Az. 4 C 7/07). 11 Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2009, Az. C 1.08. 14

ist 12. "Diese Differenzierung zwischen innenstadt- bzw. innerorts bedeutsamen oder nicht bedeutsamen Branchen kann verständlicherweise nur konkret und nur im Einzelfall bestimmt werden ( )." 13 Als Grundlage ist dafür die Einzelhandelsstruktur zu analysieren. 2.2.1.3 Steuerungsmöglichkeiten der kommunalen Planungsebene Die Steuerungsmöglichkeiten der kommunalen Planungsebene sind insbesondere durch das BauGB und die BauNVO (Baunutzungsverordnung) - also bundeseinheitlich - geregelt. Durch die Aufstellung eines Flächennutzungsplanes werden erste räumliche Darstellungen für die Zulässigkeit von Einzelhandelseinrichtungen auf der kommunalen Ebene getroffen 14, die in Bebauungsplänen ( 9 BauGB) zu konkretisieren sind. Für die Flächen der Gebietskategorien W (Wohnen) und G (Gewerbe) sind nur solche Bebauungspläne aus dem FNP (Flächennutzungsplan) zu entwickeln, in denen Einzelhandelsbetriebe zulässig sind, die keines SO (Sondergebietes) bedürfen. Die konkrete planerische Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben in Baugebieten ergibt sich jedoch erst durch die Festsetzungen in Bebauungsplänen nach 2 bis 9 BauNVO. Die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes ( 12 BauGB) kann in Einzelfällen eine steuernde Wirkung, insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung eines geplanten Einzelhandelsvorhabens, entfalten. Eine grundsätzliche räumliche Steuerung des Einzelhandels ist jedoch auf dieser Basis nicht möglich, da der vorhabenbezogene Bebauungsplan eher reaktiv auf die potenzielle räumliche und inhaltliche Einzelhandelsentwicklung eingesetzt wird. Mit Veränderungssperren nach 14 BauGB und/ oder Zurückstellung von Baugesuchen nach 15 BauGB kann lediglich zeitlich begrenzt verhindert werden, dass planerisch ungewollte Entwicklungen eintreten. Des Weiteren können diese Instru- 12 Vgl. dazu VGH Mannheim: Urteil vom 02.05.2005, Az. 8 S 1848/04, Rn 17 sowie unter Verweis hierauf Urteil vom 30.01.2006, Az. 3 S 1259/05, Rn 42. 13 Vgl. Birk (1988), a.a.o., S. 288; bestätigt z.b. durch VGH Baden-Württemberg: Urteil vom 30.01.2006, Az. 3 S 1259/05. 14 Vgl. Baugesetzbuch (BauGB) (2007), 5 Abs. 2 Satz 1. 15

mente genutzt werden, um bauleitplanerische Verfahren entsprechend den städtebaulichen Zielen abzuschließen 15. Mit Hilfe dieser Instrumente wird eine gegebene Situation im Ist-Zustand vorläufig gesichert, was letztlich jedoch eine Verhinderungswirkung - zumindest in Bezug auf ungewollte Entwicklungen im Plangebiet - entfaltet. Im 34 Absätze 1, 2 und 3 BauGB werden die Bedingungen für die Zulässigkeit von Nutzungen "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile", für die kein Bebauungsplan nach 30 Abs. 1 BauGB vorliegt, aufgeführt. Die Zulässigkeit von Einzelhandelsvorhaben in 34-Gebieten richtet sich eben nicht nach den jeweils gültigen städtebaulichen Zielvorstellungen zur Einzelhandelsentwicklung in der Gemeinde, sondern danach, ob sich das Einzelhandelsvorhaben "nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, die Erschließung gesichert ist" und bezieht bei der Beurteilung der negativen Wirkungen lediglich die "zentralen Versorgungsbereiche" ein, deren Schädigung vermieden werden soll. Im Übrigen ist die Zulässigkeit eines Einzelhandelsvorhabens gegeben, wenn das Plangebiet einem der Baugebiete nach 2 bis 9 BauNVO entspricht und das Vorhaben innerhalb dieser Gebiete zulässig wäre. Daher ist der 34 BauGB kaum geeignet, eine im Sinne der jeweils gültigen städtebaulichen Zielvorstellungen wirksame, räumliche Steuerung der Einzelhandelsentwicklung zu gewährleisten. Nur mit Hilfe der Bauleitplanung ( 2 bis 9 BauNVO) kann eine reaktive in eine aktive Planung übergeleitet werden, woraus sich eine systematische, räumliche Steuerung der Einzelhandelsentwicklung ergeben kann. Im BauGB 2007 ist als zusätzliches planungsrechtliches Steuerungsinstrument 9 Abs 2a BauGB eingeführt worden. Danach ist es möglich, für im Zusammenhang bebaute Ortsteile in einem Bebauungsplan ohne Ausweisung von Baugebieten i.s. der Baunutzungsverordnung die Zulässigkeit nach 34 Abs. 1 und 2 BauGB beschrän- 15 Vgl. OVG NRW, 1998, a.a.o., ebd. 16

kende Festsetzungen, namentlich zum Einzelhandel, zu treffen, um zentrale Versorgungsbereiche zu erhalten und zu entwickeln. Es werden hierdurch planerische Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen, die über die Zulässigkeitsregel des 34 Abs. 3 BauGB (s.o.) hinausgehen. Der Bebauungsplan kann dabei für die nach 34 BauGB zu beurteilenden Gebiete insgesamt oder für Teile davon aufgestellt werden. Der Zweck muss auf die "Erhaltung oder Sicherung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden" gerichtet sein 16. In der öffentlichen Diskussion zur räumlichen Steuerung des Einzelhandels stehen v.a. Einzelhandelsbetriebe nach 11 Abs. 3 BauNVO (großflächige Einzelhandelsbetriebe) im Vordergrund; sehr viel Aufmerksamkeit und gerichtliche Auseinandersetzungen erzeugen insbesondere Fachmarktzentren und Factory Outlet Center. Dass diese großflächigen Einzelhandelsbetriebe reaktiv, also auf Grund eines konkreten Vorhabens nach Standort, Größe und Sortimenten gesteuert werden können, ist unstrittig 17. Eine Kommune kann im Hinblick auf eine künftige Entwicklung vorab 18 die räumliche Verortung der großflächigen Einzelhandelsbetriebe in ihrem Gebiet durch die Ausweisung von Sonderbauflächen für Einzelhandel im Flächennutzungsplan nach 5 BauGB vornehmen. Darüber hinaus können aber auch Läden, nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe (Fachgeschäfte) und nicht großflächige Fachmärkte, die nicht nach 11 Abs. 3 zu beurteilen sind, städtebaulichen Zielsetzungen entgegenstehen, wenn sie in großer Zahl und mit zentrenrelevanten Sortimenten außerhalb der Innenstadt bzw. des Ortszentrums und/ oder außerhalb städtebaulich gewünschter Standorte in Baugebieten 19 entstehen, in denen diese allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind 20. 16 Vgl. Söfker, W.: Steuerungsinstrumente der Innenentwicklung für den Handel durch das EAG Bau und das BauGB 2007, Kurzfassung des Vortrags im 547/6. Kurs des Instituts für Städtebau Berlin "Städtebau und Handel", Berlin 2007. 17 Vgl. Kopf, H.: Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten - Unter besonderer Berücksichtigung von Factory Outlet Centern, Berlin, 2002. 18 Vgl. BVerwG: Beschluss vom 08.09.1999, Az. 4 BN 14.99. 19 Die Baunutzungsverordnung definiert in den 2 bis 9 abschließend Baugebietstypen. Eine planende Gemeinde kann darüber hinaus keine neuen Baugebietstypen "erfinden". Vgl. dazu BVerwG: Beschluss vom 27.07.1998, Az. 4 BN 31.98. 20 Vgl. Birk (1988), a.a.o., S. 284. 17