Fakten/ Kennzahlen/ Pro und Kontra



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Länderstudie 21.August 2013 Kontakt Online nachschlagen Risikofaktoren und Ausblick Fakten/ Kennzahlen/ Pro und Kontra Länderrisikoeinschätzung Kurzfristiges politisches Risiko Geschäftsrisiko Brasilien Mexiko 1 Argentinien 5 Brasilien Mexiko Argentinien A C Risikofaktoren und Ausblick In jüngster Zeit war Brasilien ein Favorit internationaler Investoren. Gelobt für seine stabilen politischen Rahmenbedingungen, erlebte das Land ein Jahrzehnt starken wirtschaftlichen Wachstums und erreichte eine Verringerung der Ungleichheit sowie der Armut auf historisch niedrige Niveaus. Diese wirtschaftlichen Erfolge wurden durch günstige äußere Bedingungen in Form eines Rohstoffbooms und durch eine konsumfördernde Wirtschaftspolitik unterstützt. Doch die Wirtschaft begann 2011 zu schwächeln. Die sinkenden Rohstoffpreise und ein geringeres Anlegervertrauen zeigen die Grenzen des konsumorientierten Wachstumsmodells Brasiliens. Berücksichtigt man das schwierige Geschäftsumfeld und die Probleme des Arbeitsmarkts, sowie die anhaltenden Engpässe in der Infrastruktur, ist das Land mit bedeutenden Angebotsbeschränkungen konfrontiert. Um diese Themen anzugehen, sind Strukturreformen notwendig. Es dürfte der Staatspräsidentin Dilma Rousseff jedoch schwerfallen, vor den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2014 vorzeigbare Ergebnisse auf diesem Gebiet zu erreichen. Eine weitere Belastung sind die Proteste der aufstrebenden Mittelklasse, die im Juni 2013 auf die Straße ging, um eine bessere öffentliche Versorgung und die Bekämpfung der Korruption einzufordern. Mit Blick auf die kommenden Jahre erscheint eine grundlegende Wende der äußeren Rahmenbedingungen zum Positiven unwahrscheinlich, und das Wirtschaftswachstum Brasiliens dürfte weiter unbefriedigend verlaufen. Die Überwindung der Wachstumsschwäche erfordert die Durchsetzung struktureller Reformen bei anhaltender Haushaltsdisziplin, sowie die Mobilisierung einheimischer Ersparnisse, um die Inflation in Schach zu halten. Mit einem gesunden Bankensektor, enormen Währungsreserven und stabilen politischen Rahmenbedingungen verfügt Brasilien über günstige Voraussetzungen, um diese Aufgaben zu bewältigen. Für unsere Länderrisikoeinschätzung sind viele der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen relevant. Da das Ausmaß der wirtschaftlichen Verschlechterung keine Abwertung rechtfertigt, bleibt unsere Einschätzung stabil. Das Geschäftsrisiko bleibt in der höchsten Kategorie, was auf die anhaltend hohen Zinssätze, die jüngste Abwertung des Real und das schwierige Geschäftsumfeld zurückzuführen ist. Das kurzfristige politische Risiko bleibt dank einer soliden Liquidität begrenzt, lediglich das Verhältnis der Schulden zu den Exporterlösen ist moderat erhöht.

Fakten Pro und Kontra Staatspräsidentin und Regierungschefin: Dilma Rousseff - Präsidentschafts- und Parlamentswahlen: alle 4 Jahre, nächste Wahlen im Oktober 2014 - Senatswahlen: alle 8 Jahre, versetzte Amtszeiten Kennzahlen Bevölkerung: 196,7 Millionen Pro-Kopf-Einkommen: 10.720 USD Reichtum an natürlichen Ressourcen Verringerung der Armut und Ungleichheit unterstützt inländische Nachfrage Gesundes Bankensystem Enorme Währungsreserven Erhöhte politische Unsicherheit Ersparnisse und Investitionen auf niedrigem Niveau Angebotsbeschränkungen verringern Wettbewerbsfähigkeit Schwieriges Geschäftsumfeld Entwicklungsstand: oberes mittleres Einkommen Hauptexportgüter: verarbeitete Waren (28,3% der gesamten Leistungsbilanzerlöse), Sojabohnen (5,3%), Zucker (3,7%), Kaffee (2,6%) Länderstudie Gesellschaftliche Unzufriedenheit lässt Politiker nach Antworten suchen Wirtschaftliche Abschwächung Zuversicht der Verbraucher durch Inflationsdruck beeinträchtigt Strukturfrage: Sparen und Investieren Anhaltend expansive Ausrichtung der Fiskalpolitik Gesunder (öffentlicher) Bankensektor Starke Währungsreserven unterstützen weitere Stabilisierungsanstrengungen Gesellschaftliche Unzufriedenheit lässt Politiker nach Antworten suchen Seit mehr als einem Jahrzehnt dominiert die linksgerichtete Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores PT) die nationale Politik in Brasilien. Präsidentin Dilma Rousseff kam im Januar 2011 an die Macht, nachdem sie die Wahlen vor allem dank der Unterstützung ihres immens populären Amtsvorgängers, des seit Januar 2003 regierenden Lula da Silva, gewonnen hatte. Unter der Herrschaft der PT erlebte Brasilien schnelles wirtschaftliches Wachstum und eine beispiellose Verringerung von Armut und Ungleichheit. Während des vergangenen Jahrzehnts konnten geschätzt 35 Millionen Brasilianer der Armut entfliehen und in die untere Mittelklasse aufsteigen. Diese günstigen Bedingungen führten - wenig überraschend - zu einer Phase relativer politischer Stabilität. Sie wurde nur gelegentlich von Korruptionsskandalen unterbrochen wie dem Mensalão-Skandal um gekaufte Stimmen, der 2005 fast zum Sturz der Regierung von Lula da Silva geführt hätte. Dies änderte sich Anfang Juni 2013, als ein friedlicher Protest gegen die Anhebung der Bustarife in São Paulo von der unpopulären Militärpolizei gewaltsam unterdrückt wurde. Die Demonstrationen erhielten einen enormen Zulauf, und mit der Zahl der Demonstranten nahmen auch die Themen auf der Agenda zu: Unterdrückung durch die Polizei; schlechte Qualität des öffentlichen Nahverkehrs, der Gesundheitsversorgung, der Bildung und der öffentliche Versorgung insgesamt; hohe Steuern; Korruption; die übermäßigen Kosten der Ausrichtung sportlicher Großereignisse (Fußballweltmeisterschaft 2014, Olympische Spiele 2016) und vieles mehr. Am 20. Juni gingen mehr als eine Million Menschen in rund 100 Städten im ganzen Land auf die Straße.

Auch wenn die Demonstrationen nicht parteigebunden waren, bedeuteten sie doch schlechte Nachrichten für Dilma Rousseff. Die Zustimmung zu ihrer Amtsführung schrumpfte von einem Allzeithoch von 65% im März 2013 auf lediglich 30% im Zuge der Proteste Ende Juni. Auch wenn Umfragen nahelegen, dass die amtierende PT weiterhin Favorit bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2014 ist, könnte sich dies ändern, wenn sich die Regierungskoalition nicht mit der öffentlichen Kritik auseinandersetzt. Da die Mittelklasse inzwischen 53% der Bevölkerung ausmacht gegenüber 38% im Jahr 2002, werden die zukünftigen Gewinner in der brasilianischen Politik diejenigen sein, die die Wünsche und Sorgen der Mittelklasse verstehen und aufgreifen. Derzeit scheinen die wichtigsten Oppositionellen wie Aécio Neves von der sozialdemokratischen Partei PSDB (Partido da Social Democracia Brasileira) und die frühere Umweltministerin Marina Silva nicht in der Lage, von den Protesten allzu sehr zu profitieren. Wirtschaftliche Abschwächung Es ist offensichtlich, dass viele der Beschwerden der Protestierenden keine neuen Sorgen sind: Die Qualität öffentlicher Dienste hat sich in letzter Zeit nicht verschlechtert, und Brasilien steht regelmäßig am unteren Ende der Korruptionsindices. Warum also wollen die Brasilianer, von denen man im Allgemeinen glaubt, sie hätten keine ausgeprägte Neigung zu Protesten, sich plötzlich doch darin versuchen? Der Grund ist wahrscheinlich die wirtschaftliche Abschwächung, die Brasilien gerade erlebt. Sie schürt die Frustration, dass die hohen Wachstumserwartungen angesichts des derzeitigen Wirtschaftswachstums enttäuscht werden. Um zu verstehen, was sich verändert hat, muss man beachten, dass sowohl ausländische als auch inländische Faktoren zur brasilianischen Erfolgsgeschichte bis 2011 beigetragen haben. Als positive ausländische Faktoren sind der chinesische Rohstoffboom und der Zugang zu externer Finanzierung zu nennen. Die gestiegene Nachfrage nach Rohstoffen vor allem aus China ließ die Rohstoffpreise weltweit kräftig steigen und führte so zu günstigen Handelsbedingungen. Zugang zu ausländischer Finanzierung wurde ermöglicht durch das Vertrauen internationaler Investoren in die brasilianische Heilige Dreifaltigkeit der Wirtschaftspolitik: ein flexibler Wechselkurs (eingeführt nach der Entwertung, die die Zahlungsbilanzkrise von 1999 beendete), eine Inflationssteuerung und gut verwaltete Staatsfinanzen (beides wurde als Teil des Plano Real eingeführt, als Antwort auf die periodische Hyperinflation in den frühen 1990er Jahren). Der Hauptantrieb für das inländische Wachstum war der zunehmende Konsum der privaten Haushalte. Dieser wurde von der Kreditschöpfung und von Umverteilungsmaßnahmen der Regierung Lula da Silva gefördert: das beitragsfreie Altersversicherungssystem, die Bolsa Familia (an Bedingungen geknüpfte Zahlungen an arme Familien), die Anhebung des Mindestlohns usw. Dank eines belastbaren Konsums wurde Brasilien relativ wenig vom globalen Abschwung beeinflusst. Die Wirtschaft schrumpfte 2009 um 0,3%, erholte sich aber 2010 sehr rasch auf eine Rekordwachstumsrate von 7,5%. Anfang 2011 wurde das Wachstum jedoch nicht nur von der Euro-Krise und dem Gipfel des Rohstoffbooms negativ beeinflusst, sondern auch von einer Verlangsamung des Anstiegs beim Inlandsverbrauch. Eine aggressive politische Antwort mit einer akkommodierenden Geldpolitik und (quasi)fiskalischen Maßnahmen folgte. Öffentliche Banken erhöhten die Kreditvergabe an den privaten Sektor, Steuererleichterungen für arbeitsintensive Bereiche wurden eingeführt, Steuern auf Importe wurden erhöht und die Zentralbank reduzierte ihren Zinssatz SELIC drastisch von 12,5% im September 2011 auf historisch geringe 7,25% im Oktober 2012. Aber der Aufschwung kam nicht zustande. Das Wachstum des realen BIPs ging weiter von 2,7% im Jahr 2011 auf 0,9% im Jahr 2012 zurück, für 2013 werden 2,5% erwartet. Also ist die Kurzzeitprognose für die brasilianische Wirtschaft nicht rosig. Mit einer Konjunkturabschwächung in China und einer immer noch gedämpften Nachfrage in den USA und in der Euro-Zone werden sich die ausländischen Rahmenbedingungen voraussichtlich nicht deutlich bessern. Zudem zeigt die schwache Erholung deutlich die strukturellen Fehler in Brasiliens inländischem Wachstumsmodell.

Zuversicht der Verbraucher durch Inflationsdruck beeinträchtigt Obwohl die Haushalte noch immer von einem hohen Beschäftigungsgrad profitieren, geht die Wachstumsrate des Konsums zurück. Im März nahmen die Verkäufe im Einzelhandel nur um 1,3% gegenüber dem Vorjahr zu, das schwächste Wachstum seit 2003. Ein Grund für diesen Trend ist, dass die langsame Entwicklung der Wirtschaft es einem geringeren Anteil der armen Menschen ermöglicht, in die konsumierende Mittelklasse aufzusteigen. Und die Haushalte sind vorsichtiger geworden, als Konsequenz aus geringeren Lohnerhöhungen (die starken Lohnerhöhungen der letzten Jahre haben die Wettbewerbsfähigkeit verringert), einer bereits signifikanten Schuldenlast (der Konsum war zum Teil kreditgetrieben) und besonders aus der wachsenden Inflation. Im Mai erreichte die Inflation die Obergrenze des Zielkorridors der Zentralbank von 2,5% 6,5%, eine direkte Folge der Rekordverteuerung von Lebensmitteln. Obwohl diese sich entspannt, und trotz reduzierter Energiepreise, Steuersenkungen für Lebensmittel und aufgeschobener Busfahrpreiserhöhungen, dürfte die Inflation hoch bleiben. Die erwartete fortgesetzte Abwertung des Reals (siehe unten) wird dazu beitragen, indem sie die Importe teurer macht. Und im Inland treiben der schwierige Arbeitsmarkt und die wiederholten Erhöhungen des Mindestlohns die realen Löhne sowie die Inflationserwartungen nach oben. Politische Unsicherheit dürfte das Vertrauen der Konsumenten zusätzlich beeinträchtigen. Dafür spricht, dass die Inflationsrate seit September 2010 über dem Mittelwert des Zielkorridors von 4,5% lag. Mit scheinbar wenig Aufmerksamkeit für das Überhitzungsrisiko verfolgten die Behörden eine akkommodierende Politik, womit sie der wirtschaftlichen Erholung höchste Priorität einräumten. Dies galt bis vor kurzem, da die Zentralbank seit April den Leitzins SELIC scharf angehoben hat: von 7,25% auf 8,5% zur Zeit der Abfassung dieser Analyse. Somit scheint es wieder zur ersten Priorität geworden zu sein, die Inflation unter Kontrolle zu halten. Hier besteht das offensichtliche Risiko darin, dass dies eine Erholung der Investitionen beeinträchtigen könnte.

Strukturfrage: Sparen und Investieren Brasiliens wirtschaftliche Erfolge kann man wohl als einfach erreicht beschreiben. Im eingetrübten wirtschaftlichen Umfeld und mit nur noch begrenztem Spielraum für die weitere Stimulierung der privaten Nachfrage über umverteilende Maßnahmen wird sich das Wachstumsmodell verändern müssen. Zukünftiger Erfolg erfordert Investitionen und Produktivitätssteigerungen. Die Angebotsbeschränkungen, die aus Vollbeschäftigung bei gleichzeitig nicht ausreichender Infrastruktur resultieren, müssen überwunden werden. Investitionen sind in Brasilien auf der Strecke geblieben, und eine Reihe von Faktoren hält die private Beteiligung zurück. Erstens gibt es politische Unsicherheit, ob Brasilien immer noch an seiner Heiligen Dreifaltigkeit der Wirtschaftspolitik festhält: Der flexible Wechselkurs wirkt manchmal allzu gelenkt (siehe unten), die Haltung zum Inflationsziel ist weniger entschlossen (siehe oben) und die expansionistische Finanzpolitik könnte das Budget destabilisieren (siehe unten). Zweitens sind die Maßnahmen der Regierung, die Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit steigern sollten, teilweise fehlgeschlagen: Firmen nahmen die Maßnahmen als zu interventionistisch wahr. Drittens hat die ineffiziente Durchführung von Infrastrukturprojekten durch Lizenznehmer das Vertrauen verletzt und weiterführende private Investitionen (um von Synergien zu profitieren) verzögert. Viertens, und das ist entscheidend, hat sich Brasiliens Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Nicht nur, weil die Gehälter schneller stiegen als die Produktivität, sondern auch als Resultat von schlechter Infrastruktur, hohen Steuern, unzureichendem Zugang zu Krediten (trotz umfangreicher Entwicklungskredite von öffentlichen Banken) und Bürokratie. Nun ist es an der Regierung, der herrschenden Abwartehaltung unter potentiellen privaten Investoren ein Ende zu setzen. Die enorme Herausforderung hierbei ist, strukturelle Reformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit umzusetzen (Steuern senken, Infrastrukturkonzessionen vergeben etc.), und gleichzeitig an der Haushaltsdisziplin festzuhalten. Des Weiteren sollte, um das momentane Leistungsbilanzdefizit und den Inflationsdruck im Auge zu behalten, jeder Aufschwung der Investitionen mit einer Mobilisierung gleich hoher inländischer Ersparnisse einhergehen. Für 2013 wird mit einem Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen um 7% gerechnet, was einem bescheidenen Aufschwung entspricht. Doch noch bleibt es zweifelhaft, ob sich Dilma Rousseff vor der Präsidentenwahl 2014 an weiteren strukturellen Reformen versuchen wird. Das Risiko besteht darin, dass langanhaltende schwache Investitionen und Angebotsengpässe die Erholung verzögern. Zudem könnten expansivere Maßnahmen das derzeitige Leistungsbilanzdefizit vertiefen und die Inflation zu einer fortwährenden Sorge machen. Ein derartiges Wachstumsszenario unterhalb des Potentials würde im Gegenzug die finanziellen Märkte und den Schuldendienst der Haushalte beeinträchtigen. Anhaltend expansive Ausrichtung der Fiskalpolitik Im Bemühen, die Wirtschaft während des Rückgangs zu fördern, war die Finanzpolitik seit Mitte 2011 expansiv, wobei die Impulse vor allem aus Steueranreizen (Senkung der Mehrwertsteuer, Steuersenkung in arbeitsintensiven Branchen etc.) und weniger aus Investitionen bestanden. Zudem gab es signifikante quasi-staatliche Impulse in Form von sogenannten politischen Krediten der Regierung an die staatlichen Banken. Die Finanzpolitik blieb akkomodierend, sogar in einem Ausmaß, dass primäre Ziele des Gesetzes zur finanziellen Verantwortung nicht erreicht wurden. Das wird nachteilige Effekte auf den Schuldenstand und die Zinslast haben und untergräbt schon jetzt die kürzlich eingeleitete geldpolitische Verschärfung sowie

das Vertrauen der Investoren. Im Juli 2013 kündigte die brasilianische Regierung Ausgabenkürzungen und die stufenweise Rücknahme der Mehrwertsteuersenkungen an, um den Rückgang des Primärüberschusses des öffentlichen Sektors einzudämmen. Im Angesicht der kommenden Wahlen und der Forderungen der Protestierenden nach besseren öffentlichen Dienstleistungen scheinen finanzielle Einschränkung in naher Zukunft unwahrscheinlich. Die anfängliche Antwort der Regierung auf soziale Unruhen war in der Tat expansiv. Doch dadurch, dass die finanzielle Lage schon jetzt angespannt und die Inflation hoch ist, könnte das Vertagen der Konsolidierung das Budget destabilisieren und weitere Preissteigerungen nach sich ziehen. Eine Alternative zum Straffen des Budgets, die auch von den Protestierenden akzeptiert würde, wäre die Steigerung der Effizienz der Regierung, durch Verringern von Korruption und Bürokratie. Gesunder (öffentlicher) Bankensektor Ein wichtiger Aspekt des Bankensektors in Brasilien wurde bereits aufgezeigt: Eine enorme Kreditexpansion ermöglichte einen erheblichen Anstieg des privaten Verbrauchs, was im Gegenzug ein entscheidender Teil des brasilianischen Wachstumsmodells gewesen ist. Ein anderer Aspekt ist die Abhängigkeit der brasilianischen Wirtschaft von den öffentlichen Banken. Der gesamte Wert der ausstehenden Kredite, die von Finanzinstitutionen vergeben wurden, stieg von 26,3% des BIP im April 2005 auf 54,1% des BIP im April 2013. Etwa die Hälfte entfiel auf Kredite öffentlicher Banken, der Rest teilte sich zwischen in- und ausländischen Geschäftsbanken auf. In letzter Zeit gab es einen mäßigen Rückgang im Kreditwachstum, wobei das Kreditniveau generell moderat ist. Die Regierung unterstreicht, dass öffentliche Banken, bei denen die Kreditvergabe Jahr für Jahr um 25% wächst, den Abschwung offenbar besser bewältigt haben als private Banken, bei denen das Kreditwachstum auf 10% gefallen ist. Durch den Verlass der Regierung auf öffentliche Banken ist es in der Tat unwahrscheinlich, dass ihr Einfluss abnehmen wird. Die Regierung hat betont, dass sie den öffentlichen Banken eine wichtige Rolle in Feldern wie Energie und infrastrukturellen Lizenzen zubilligt. In Hinblick auf die finanzielle Stabilität bleibt die Haushaltsverschuldung ein Schwachpunkt, da der Konsumentenkredit immer noch das wichtigste Kreditprodukt ist. Doch im Allgemeinen scheinen Banken gut kapitalisiert und zahlungsfähig, mit notleidenden Krediten stabil auf niedrigerem Niveau als im Jahr zuvor, als wenige kleine und mittelgroße Banken inmitten von Liquiditätskrisen Bankrott anmelden mussten. Zudem zeigen Stresstests der Zentralbank, dass das Bankensystem großen Schocks gewachsen ist. Starke Währungsreserven unterstützen weitere Stabilisierungsanstrengungen Günstige externe Rahmenbedingungen waren, wie bereits erwähnt, ein Hauptantrieb des brasilianischen Wirtschaftswachstums. Der Rohstoffboom, verbunden mit Kapitalzuflüssen, erlaubte einen signifikanten Aufbau von Reserven von 4,1 Monatsimporten im Jahr 2000 auf 12,7 Monatsimporte 2012 und eine substantielle Reduktion der Auslandsschulden vom 3,4-fachen der Leistungsbilanzerlöse im Jahr 2000 auf nur noch das 1,8-fache der Leistungsbilanzerlöse im Jahr 2012.

Trotz der günstigen Handelsbedingungen mit hohen Rohstoffpreisen besteht seit 2008 ein Leistungsbilanzdefizit. Dies spiegelt die starke Nachfrage nach importierten Konsumgütern wider. In den letzten Jahren nahm dieses Defizit auf 2,4% des BIP im Jahr 2012 zu, da Brasiliens Exporte von verarbeiteten Erzeugnissen unter geringerer Wettbewerbsfähigkeit leiden und die Rohstoffexporte das Ende des Superzyklus spüren. Mittelfristig wird der Handelsüberschuss weiter abnehmen, da verbesserte externe Rahmenbedingungen durch Importe von investitionsnahen langlebigen Wirtschaftsgütern mehr als ausgeglichen werden. Das Leistungsbilanzdefizit wird auf etwa 3,7% geschätzt, wobei man erwartet, dass die Situation sich wendet, wenn die Ölproduktion auf den Pre-Salt -Feldern Fahrt aufnimmt. Zuflüsse von Direktinvestitionen aus dem Ausland (FDI) und von Portfolioinvestitionen haben die Leistungsbilanzdefizite immer mehr als ausgeglichen. Das hat meist einen Aufwertungsdruck auf den Real erzeugt, der durch den Aufbau internationaler Reserven in der Zentralbank aufgefangen wurde. In diesem Sinne wurde sogar von einem Währungskrieg gesprochen, der die brasilianische Wirtschaft weniger wettbewerbsfähig macht, und eine Reihe von Kapitalverkehrsmaßnahmen wurden eingeführt, um den Kapitalzufluss einzudämmen. Während ausländische Direktinvestitionen stark geblieben sind, schwächelten seit 2012 die Portfolioinvestitionen. Zunächst war das ein Resultat der brasilianischen Fundamentaldaten: moderates Wachstum, niedrigere Zinsen und restriktive Kapitalverkehrsmaßnahmen. Im April 2013 hatte der Real im Jahresvergleich um 9% abgewertet, doch konnte dies die Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessern, da die Reallöhne stärker anstiegen. Aber seit Mai hat sich die Abwertung beschleunigt. Die Erwartung einer gemäßigten Lockerung der Geldpolitik der US-Notenbank förderte die globale Risikoaversion und initiierten eine Investorenbewegung zu Anlagen in US-Dollar. Dies führte aus brasilianischer Sicht zu einer Kapitalflucht. Dieses Mal begann die Zentralbank, den Wert des Real zu stützen, und viele der Kapitalverkehrsmaßnahmen wurden rückgängig gemacht. Es wird erwartet, dass die brasilianischen Behörden eine exzessive Volatilität des Wechselkurses verhindern und einen Mittelkurs finden werden zwischen Aufwertung (die die Wettbewerbsfähigkeit schädigt) und Abwertung (die eine Inflation auslöst). Die Zentralbank ist am besten dazu in der Lage, da sie über große Währungsreserven verfügt. Dennoch sind weitere Kapitalverkehrsmaßnahmen nicht ausgeschlossen. In jedem Fall steht eine Rückkehr zu einem komplett flexiblen Wechselkursregime im Moment nicht zu erwarten.

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