Schlussbericht Forschungsprojekt BeGiN

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Schlussbericht Forschungsprojekt BeGiN"

Transkript

1 Schlussbericht Forschungsprojekt BeGiN BehindertenGleichstellung im Nahverkehr Analyse, Erprobung und Evaluation von Maßnahmen zur barrierefreien Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig unter besonderer Berücksichtigung der neuen Instrumente des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) Prof. Dr. Matthias Gather Dipl.-Geogr. Markus Rebstock Dipl. Wirt.-Ing. (FH) Jörn Flaig Dipl.-Ing. (FH) Monika Lampka Dipl. Wirt.-Ing. (FH) Mathias Wilde Institut Verkehr und Raum Fachbereich Verkehrs- und Transportwesen Fachhochschule Erfurt

2 ii Schlussbericht InnoRegio-Projekt BeGiN - BehindertenGleichstellung im Nahverkehr Analyse, Erprobung und Evaluation von Maßnahmen zur barrierefreien Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig unter besonderer Berücksichtigung der neuen Instrumente des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) im Rahmen des InnoRegio-Projektes barrierefreie Modellregion - Tourismus für Alle Projektleitung: Prof. Dr. Matthias Gather Bearbeitung Teil A und B: Dipl.-Geogr. Markus Rebstock Dipl.-Ing. (FH) Monika Lampka Dipl. Wirt.-Ing. (FH) Mathias Wilde Bearbeitung Teil C: Dipl. Wirt.-Ing. (FH) Jörn Flaig Zuarbeiten von cand.-wirt.ing. (FH) Robert Langbein cand.-wirt.ing. (FH) Anika Meister cand.-wirt.ing. (FH) Daniel Schmidt Lars Ludwig Erfurt, Dezember 2006

3 iii Gliederung Teil A Instrumente des BGG Nahverkehrspläne als Instrument des BGG Gesetzliche Grundlagen zur Aufstellung von Nahverkehrsplänen Untersuchung bisheriger Erfahrungen mit der Anwendung von Nahverkehrsplänen als BGG-Instrument Analyse des Projektes HANNAH in Bezug zum BGG-Instrument Nahverkehrsplan Analyse des FoPS-Projektes in Bezug zum BGG-Instrument Nahverkehrsplan Best-practice-Analyse von Nahverkehrsplänen in Bezug zur Barrierefreiheit Nahverkehrsplan als Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im StPNV auf regionaler Ebene Empfehlungen zur Optimierung des Nahverkehrsplans für den Landkreis Gotha in Bezug zur Barrierefreiheit Empfehlungen zur Optimierung des Nahverkehrsplans für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen in Bezug zur Barrierefreiheit Empfehlungen zur Optimierung des Schienenpersonennahverkehrsplanes für den Freistaat Thüringen Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des BGG- Instrumentes Nahverkehrsplan Programme der Eisenbahnen nach 2 EBO als Instrument des BGG Gesetzliche Grundlagen zur Aufstellung von Programmen Analyse des Instrumentes Programme nach 2 EBO... 68

4 iv Stand der Programmaufstellung Programminhalte Wirkungsanalyse von Programmen Programme als Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV auf regionaler Ebene Handlungsempfehlungen zur Erarbeitung von Programmen im SPNV Ausgestaltungsvorschläge zur Wirkungserweiterung von Programmen GVFG-Maßnahmenplanungen als Instrument des BGG Gesetzliche Grundlagen der GVFG-Maßnahmenplanung Analyse bisheriger Erfahrungen mit der Anwendung des GVFG als BGG-Instrument Analyse des FoPS-Projektes in Bezug zum BGG-Instrument GVFG GVFG-Förderpraxis im ÖPNV des Freistaates Thüringen Begleitung eines GVFG-Vorhabens in Thüringen Auswertung der Erfahrungen aus dem FoPS-Projekt und der Modellanwendungsphase Zukunft des GVFG im Zuge der Föderalismusreform Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des BGG- Instrumentes GVFG

5 v 4 Zielvereinbarungen als Instrument des BGG Gesetzliche Grundlagen der Zielvereinbarungen nach Bundesrecht Voraussetzungen und Bedingungen für Zielvereinbarungen nach Bundesrecht Zielvereinbarungen nach Bundesrecht in der Praxis Zielvereinbarungen nach Landesrecht des Freistaates Thüringen Anwendbarkeit von Zielvereinbarungen im ÖPNV in Bezug zur Modellregion Zielvereinbarungen als Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV Teil B Detailstudien zur Barrierefreiheit im Verkehr Vertiefung von Forschungsansätzen aus dem InnoRegio-Projekt 03I2805 barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig Barrierefreie Gestaltung von kleinen und Mini- Kreisverkehrsplätzen Historische Entwicklung des Kreisverkehres in Deutschland Kreisverkehrsarten Vorteile von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen Kreisverkehrsplätze aus Sicht der Fußgänger Empfehlungen aus der Fachliteratur zur barrierefreien Gestaltung von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen Anforderungsprofil für barrierefreie kleine und Mini-Kreisverkehrsplätze...164

6 vi 5.2 Barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen in Bahnhöfen Vorbemerkung Höhengleiche Reisendenübergänge in Bahnhöfen Rechtlicher Rahmen zur Gestaltung höhengleicher Reisendenübergänge Sicherung höhengleicher Reisendenübergänge an Bahnhöfen Empfehlungen aus der Fachliteratur zur barrierefreien Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen in Bahnhöfen Alternative höhengleiche Erschließungsmöglichkeiten von Bahnsteigen Anforderungsprofil für barrierefreie höhengleiche Reisendenübergänge Fazit - barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen Barrierefreie Gestaltung von Bahnhofsplänen bzw. Umgebungsplänen Optische Anforderungen an Bahnhofs- bzw. Umgebungspläne Taktile Anforderungen an Bahnhofs- bzw. Umgebungspläne Gestaltung von Bahnhofs- bzw. Umgebungsplänen Herstellungsverfahren taktiler Karten Fazit barrierefreie Bahnhofs- bzw. Umgebungspläne Barrierefreie Gestaltung von Fahrscheinautomaten Unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen Anforderungen an barrierefreie Fahrscheinautomaten Fazit barrierefreie Fahrscheinautomaten Barrierefreie Gestaltung von Straßenquerungen Optisch kontrastreiche und taktile Kennzeichnung von Straßenquerungen Test-/Versuchslösung: Gesicherte Nullabsenkung Weitere Anforderungen an barrierefreie Straßenquerungen...228

7 vii Fazit barrierefreie Straßenquerungen Barrierefreier Ausbau der Ohratalbahn KBS 572 Gotha- Gräfenroda Teil C Museumskonzeption Barrierefreie Traditionseisenbahnausstellung Georgenthal Eisenbahn- sowie technische Museen und ihre Besucher Vor- und Gegenbilder aus dem Museumssektor Besuchspotential einer barrierefreien Traditionseisenbahnausstellung in Georgenthal Lernen im Museum museumspädagogischer Ansatz Konzeption Aktivmuseum Bahnfahren Georgenthal Schlussbetrachtung Aktivmuseum Bahnfahren Georgenthal Verzeichnisse Quellenverzeichnis Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Abbildungen Tabellen Anhang

8 viii Abkürzungsverzeichnis ABM AEG AMF BAR BGG BGGEG BMF BMVBS BMVBW Arbeitsbeschaffungsmassnahme Allgemeines Eisenbahngesetz Aufmerksamkeitsfeld Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (=Behindertengleichstellungsgesetz) Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze (=Behindertengleichstellungs-Einführungsgesetz) Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen BSVT Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen e. V. DB AG DB PV GmbH DIN EBA EBO EIU EVU FGÜ FoPS GFUV GG GVFG HGV IbGM Deutsche Bahn AG / Die Bahn AG DB Personenverkehr GmbH Deutsches Institut für Normung Eisenbahnbundesamt Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung Eisenbahninfrastrukturunternehmen Eisenbahnverkehrsunternehmen Fußgängerüberweg Forschungsprogramm Stadtverkehr Gemeinsamer Fachausschuss für Umwelt und Verkehr Grundgesetz Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (=Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) Hochgeschwindigkeitsverkehr Institut für barrierefreie Gestaltung und Mobilität IGHB Interessengemeinschaft Hirzbergbahn Georgenthal-Tambach e. V. KBS KVV LSA Kursbuchstrecke Karlsruher Verkehrsverbund Lichtsignalanlage

9 ix MBB MIV NRM NVP NVS ÖPNV ÖV PBefG RegG RÜ RVG SNVP SPNV STB StPNV Meininger Busbetriebs GmbH Motorisierter Individualverkehr National Railway Museum Nahverkehrsplan Nahverkehrsservicegesellschaft Thüringen mbh öffentlicher Personennahverkehr Öffentlicher Verkehr Personenbeförderungsgesetz Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (=Regionalisierungsgesetz) höhengleicher Reisendenübergang Regionale Verkehrsgemeinschaft Gotha GmbH Schienennahverkehrsplan Schienenpersonennahverkehr Süd-Thüringen-Bahn Straßenpersonennahverkehr STUVA Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e. V. StVO ThE ThürGIG ThürÖPNVG ThürStrG TLSB TMBV TMSFG TMWAI ULS VDV VT VV-GVFG ZVBN Straßenverkehrs-Ordnung Thüringer Eisenbahn GmbH Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen Thüringer Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr Thüringer Straßengesetz Thüringer Landesamt für Straßenbau Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur Umlaufsperre Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Verbrennungstriebwagen Thüringer Verwaltungsvorschrift zur GVFG-Durchführung Zweckverband Verkehrsverbund Bremen / Niedersachsen

10 1 Teil A Instrumente des BGG Im Rahmen des InnoRegio-Projektes 03I2805 Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig wurde im August 2004 die Verkehrskonzeption für die barrierefreie Modellregion veröffentlicht, welche die planerische Grundlage für eine barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig darstellt. Da bei der Implementierung von barrierefreien Verkehrskonzepten aber grundsätzlich davon auszugehen ist, dass es sich aufgrund der hohen Komplexität der Barrierefreiheit um einen mittel- bis langfristigen Prozess handelt, ist die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen bei allen planerischen Fragen vor Ort unumgänglich. Vor diesem Hintergrund wurde die wesentliche Forschungsaufgabe des Projektes BeGiN abgeleitet, nämlich die zentralen Instrumente des BGG für den Verkehrsbereich im Hinblick auf ihre praktische Anwendbarkeit in einem konkreten Raum zu erproben und wissenschaftlich zu begleiten, mit dem Ziel, Barrierefreiheit im Verkehr in der Modellregion verbindlich festzuschreiben, um so die Umsetzung der Verkehrskonzeption für die barrierefreie Modellregion auch nach Auslaufen des InnoRegio-Verbundprojektes Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle 1 mittel- bis langfristig zu sichern und zugleich die Praktikabilität der BGG-Instrumente zu überprüfen 2. Hierzu wurden konkrete Maßnahmen zur barrierefreien Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig unter Einsatz der neuen Instrumente des BGG analysiert, erprobt und evaluiert. Die neuen Instrumente des BGG wurden genutzt, um auf Basis der Ergebnisse aus dem InnoRegio-Projekt Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig neue Kooperationsverfahren auch außerhalb des InnoRegio-Netzwerkes mittels optimierter Gestaltung, Erforschung und versuchsweiser Erprobung zu fördern. In Teil A des Schlussberichtes ist die Analyse und Anwendung der BGG-Instrumente für den Verkehrsbereich in der Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle dokumentiert: Kapitel 1: Nahverkehrspläne als Instrument des BGG Kapitel 2: Programme der Eisenbahnen nach 2 EBO als Instrument des BGG Kapitel 3: GVFG-Maßnahmenplanungen als Instrument des BGG Kapitel 4: Zielvereinbarungen als Instrument des BGG Jedes Kapitel enthält neben der Analyse, Erprobung und wissenschaftlichen Begleitforschung der einzelnen Instrumente des BGG auch allgemein gültige Empfehlungen zur Optimierung der BGG-Instrumente auf Bundes- bzw. Landesebene. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass zwar das Projekt BeGiN Ende Oktober 2006 ausgelaufen, die Umsetzungsphase von Maßnahmen zur barrierefreien Erschließung der Modellregion aber in vollem Gange ist. So wird derzeit z. B. die Bushaltestelle Georgenthal Ort barrierefrei umgebaut (vgl. Kapitel e) und Teile der Bahninfrastruktur erneuert (vgl. Kapitel 5.6). 1 vgl. Verband Naturpark Thüringer Wald e. V Gather / Rebstock 2004, S.220

11 2 1 Nahverkehrspläne als Instrument des BGG Im Folgenden wird das Instrument Nahverkehrsplan (NVP) in Bezug zur Barrierefreiheit analysiert. Zunächst wird ein Überblick über die gesetzlichen Grundlagen von Nahverkehrsplänen gegeben (vgl. Kapitel 1.1). Daran anschließend wird untersucht, welche Inhalte ein NVP aufweisen sollte, um eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit im Straßenpersonennahverkehr (StPNV) zu gewährleisten (vgl. Kapitel 1.2). Aus diesen Ergebnissen wird eine optimierte inhaltliche Ausgestaltung für die Nahverkehrspläne der Landkreise Gotha und Schmalkalden-Meiningen mit Bezug zur Modellregion sowie für den Schienennahverkehrplan des Freistaates Thüringen abgeleitet (vgl. Kapitel 1.3). Abschließend werden Möglichkeiten für die Optimierung des BGG-Instrumentes Nahverkehrsplan dargestellt (vgl. Kapitel 1.4). 1.1 Gesetzliche Grundlagen zur Aufstellung von Nahverkehrsplänen Das Instrument Nahverkehrsplan geht zurück auf die Bahnreform von Grundlage bilden das Regionalisierungsgesetz (RegG), das Europäische Recht, das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sowie die ÖPNV-Gesetze der Bundesländer. Im Jahr 1996 wurde das PBefG novelliert und in diesem Zuge ergaben sich u. a. folgende Neuerungen: Differenzierung zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren Einführung des Instrumentes Nahverkehrsplan Ziel des NVP ist u. a., den Aufgabenträgern ein Instrument zur Gestaltung des ÖPNV zur Verfügung zu stellen. Vorschriften zur inhaltlichen Ausgestaltung von Nahverkehrsplänen enthält das Gesetz aber nicht 3. Die Aufstellung von Nahverkehrsplänen sowie die Bestimmung des Aufgabenträgers regeln die Länder. 4 Außer in Hamburg gibt es in jedem Bundesland Nahverkehrsgesetze, welche die Aufstellung von Nahverkehrsplänen vorschreiben, indes mit Differenzen in Bezug zu deren Inhalten 5. Das PBefG stellt demzufolge nur die grundsätzlichen Aufgaben des NVP dar. Mindestinhalte und Regeln zur Aufstellung von Nahverkehrsplänen werden durch die Gesetzgebungen der Bundesländer geregelt, so verlangen z. B. fast alle Landesgesetze die Integration von Zielvorgaben in den NVP sowie eine Bestandsaufnahme 6. Im Freistaat Thüringen wird dies über das Thüringer Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr (ThürÖPNVG) geregelt. Daneben sind Aussagen und Abschätzungen zur zukünftigen Entwicklung des ÖPNV-Angebots und der Nachfrage gemäß ThürÖPNVG Pflicht, eine Mängel- und Schwachstellenanalyse ist hingegen nicht explizit vorgegeben. Obligatorisch ist zudem die Aufstellung eines Investitions- und Finanzierungsplans 7 (vgl. auch Abbildung 3 in Kapitel b), sowie ein Gültigkeitszeitraum bzw. Planungshorizont von fünf Jahren 8. Darüber hinaus wird im ThürÖPNVG auch Bezug auf die Barrierefreiheit genommen, so sind z. B. bei der Planung 3 Kolks / Fiedler 2003, S.60f. 4 PBefG, 8, Abs.3 5 Kolks / Fiedler 2003, S.61 6 K+K Küpper 2003, S.15f. 7 vgl. ThürÖPNVG, 6 8 vgl. ThürÖPNVG, 5, Abs.1

12 3 und Ausgestaltung der Verkehrsinfrastruktur, der Fahrzeugparks sowie des Angebots des ÖPNV [ ] die Belange von Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, angemessen zu berücksichtigen. 9 Für die Gewährung von Finanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gilt die Aufstellung eines NVP und deren Vorlage beim Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr (TMBV) als Voraussetzung 10 (vgl. Kapitel b). Im Zuge des Inkrafttretens des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze (BGGEG) im Jahr 2002 wurde das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) eingeführt sowie die allgemeine Gesetzeslage angepasst und eine Reihe von Gesetzen im Sinne der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen geändert. Für die Anpassung im Bereich des StPNV wurde u. a. mit Artikel 51 BGGEG Änderung des Personenbeförderungsgesetzes das PBefG um die Pflicht ergänzt, im NVP die Barrierefreiheit zu berücksichtigen sowie bei dessen Aufstellung Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte (soweit vorhanden) anzuhören (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1: PBefG 8 Förderung der Verkehrsbedienung [ ] (3) [ ] Der Nahverkehrsplan hat die Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen; im Nahverkehrsplan werden Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen getroffen. Bei seiner Aufstellung sind Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte der Aufgabenträger soweit vorhanden anzuhören [ ]. Darüber hinaus ist im Genehmigungsantrag für die Konzession von Linien- und Gelegenheitsverkehren eine Darstellung der Maßnahmen zur Erreichung der möglichst weitreichenden barrierefreien Nutzung des beantragten Verkehrs entsprechend den Aussagen im Nahverkehrsplan ( 8 Abs.3 Satz 3) 11 vorgeschrieben. Im öffentlichen Personennahverkehr kann die Genehmigung versagt werden, wenn der beantragte Verkehr mit einem Nahverkehrsplan im Sinne des 8 Abs.3 Satz 2 und 3 nicht in Einklang steht. 12 Festzustellen ist, dass das PBefG in Bezug zum Anhörungsrecht der Vertreter behinderter Menschen bei der NVP-Aufstellung, bei Nichtvorhandensein von Behindertenbeauftragten bzw. -beiräten der Aufgabenträger, im Gegensatz zum BGG-Instrument GVFG (vgl. Kapitel 3.1), kein Anhörungsrecht für die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände von Menschen mit Behinderungen vorsieht. Da sich die Berufung von Behindertenbeauftragten und beiräten in den Kommunen nach Landes- bzw. Kommunalrecht richtet 13, liegt die Zuständigkeit für die Bestellung kommunaler Behindertenbeauftragter / beiräte bei den Gebietskörperschaften selbst. Durch Landesgesetzgebungen, hier die Landesbehindertengleichstellungs- 9 ThürÖPNVG, 2,Abs.7 10 ThürÖPNVG, 5, Abs.6 11 PBefG, 12, Abs.1c 12 PBefG, 13, Abs.2a 13 Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet werden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung (GG, Artikel 28, Abs.2).

13 4 gesetze, kann das Land den Kommunen die Aufstellung eines ehren- oder hauptamtlichen Beauftragten verordnen. Sobald die Aufstellung eines Behindertenbeauftragten vom Land vorgeschrieben wird, muss das Land aber die damit verbundenen Kosten tragen (Konnexitätsprinzip) 14. Entsprechend sind die Landesgleichstellungsgesetze meist zurückhaltend formuliert. Zwar werden kommunale Behindertenbeauftragte durchaus als erforderlich anerkannt, dies hat aber nicht dazu geführt, dass eine Verpflichtung zur Bestellung hauptamtlicher Beauftragter in die Gesetze integriert wurde 15. So wird z. B. auch im Freistaat Thüringen die Aufstellung eines kommunalen Behindertenbeauftragten im Rahmen des Thüringer Gesetzes zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen (ThürGIG) nicht vorgeschrieben, sondern lediglich empfohlen 16 (vgl. Abbildung 2). Abbildung 2: ThürGIG 19 Kommunale Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Abs.1 Zur Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen können die Landkreise und die kreisfreien Städte einen kommunalen Beauftragten zur Beratung in Fragen der Behindertenpolitik bestellen. Aus den Formulierungen des PBefG folgt, dass prinzipiell für jeden genehmigungspflichtigen ÖPNV im Rahmen der Beantragung dargestellt werden muss, inwieweit dieser den Inhalten des NVP in Bezug zur Barrierefreiheit entspricht. Bei Missachtung kann die Genehmigung verweigert werden 17. Dies unterstreicht die Bedeutung des Instrumentes Nahverkehrsplan für die Herstellung einer weitreichenden Barrierefreiheit im StPNV. Um aber als Instrument nachhaltig wirksam werden zu können, sind demzufolge im NVP auch eindeutige und detaillierte Inhalte in Bezug zur Barrierefreiheit unabdingbar. 1.2 Untersuchung bisheriger Erfahrungen mit der Anwendung von Nahverkehrsplänen als BGG-Instrument Der NVP ist ein zentrales Instrument zur Umsetzung der Barrierefreiheit im ÖPNV 18. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) hat im Jahr 2001 das Forschungsvorhaben Vorschläge und Strategien zur Weiterentwicklung eines Instrumentariums für die Erstellung von Nahverkehrsplänen durch die Aufgabenträger (HANNAH) 19 beauftragt (vgl. Kapitel 1.2.1). Zur Evaluation der Wirksamkeit des BGG wurde ebenfalls vom BMVBW die Studie Auswirkungen des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) und zur Änderung anderer Gesetze auf die Bereiche Bau und Verkehr 20, im Folgenden als FoPS-Projekt bezeichnet, initiiert (vgl. Kapitel 1.2.2). Zusammen mit eigenen Begutachtungen ausgewählter Nahverkehrspläne in Form von best-practice-analysen (vgl. Kapitel 14 VDV 2003, S VdK 2003, S Liste der kommunalen Behindertenbeauftragten im Freistaat Thüringen vgl. Anhang 1 17 VdK 2003, S BMVBW 2004, S.2 19 vgl. K+K Küpper vgl. BMVBW 2004

14 ) bilden die Ergebnisse dieser beiden Forschungsprojekte die Grundlage für die in Kapitel 1.3 abgeleitenden Optimierungsvorschläge sowie für die Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des BGG-Instrumentes Nahverkehrsplan in Kapitel Analyse des Projektes HANNAH 21 in Bezug zum BGG-Instrument Nahverkehrsplan Da Nahverkehrspläne erst seit 1996 ins PBefG aufgenommen wurden (vgl. Kapitel 1.1) und dadurch noch keine umfassenden Beurteilungen zur Sinnhaltigkeit und Praktikabilität dieses Instrumentes vorlagen, hat das BMVBW im Jahr 2001 das Forschungsvorhaben Vorschläge und Strategien zur Weiterentwicklung eines Instrumentariums für die Erstellung von Nahverkehrsplänen durch die Aufgabenträger (HANNAH) 22 zur Erarbeitung von Vorschlägen für die Erstellung von Nahverkehrsplänen in Auftrag gegeben. Die zentrale Frage dieses Kapitels ist, was aus Sicht des Forschungsprojektes HANNAH einen guten NVP im Hinblick auf die Barrierefreiheit ausmacht. Anders formuliert könnte die Frage heißen: Welche Inhalte sollte ein NVP haben, damit Barrierefreiheit auch tatsächlich umgesetzt wird? Im Projekt HANNAH liegt der Fokus zwar auf der Entwicklung allgemeiner Empfehlungen für die Erstellung von Nahverkehrsplänen, dennoch wird die Barrierefreiheit intensiv betrachtet. Zunächst werden die Inhalte eines NVP erläutert. Dieser wird im Wesentlichen von den gesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmt (vgl. Kapitel 1.1). Leitfäden ergänzen diese und schlagen über die gesetzlichen Bedingungen, welche als Mindestanforderungen gesehen werden können, hinaus weitere Inhalte vor. Daran anschließend werden aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen und den Leitfäden Anforderungen an Nahverkehrspläne sowie Arbeitsschritte zur erfolgreichen Erstellung von Nahverkehrsplänen abgeleitet. Auf diesen Anforderungen basieren die Handlungsempfehlungen, welche für die Inhalte eines NVP gegeben werden. Die Handlungsempfehlungen wurden auf Grundlage einer durchgeführten Befragung von Aufgabenträgern und der Analyse von best-practice-beispielen verfasst. Da mehrmals ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Nahverkehrspläne, welche gewissenhaft erstellt würden sowie möglichst alle Anforderungen und Arbeitsschritte enthielten, eine höhere Chance auf Umsetzung hätten, werden die Arbeitsschritte entsprechend mit Handlungsempfehlungen ergänzt. Im Rahmen der best-practice-analyse wurden zudem Kriterienkataloge für die Aufstellung eines NVP erarbeitet. Für das Projekt BeGiN ist insbesondere der Kriterienkatalog Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen hilfreich (vgl. Kapitel c). Darüber hinaus wurden diejenigen Arbeitsschritte benannt, die sich in der Auswertung der Befragung als Garanten für die Umsetzung eines NVP herausstellten. a. Arbeitsschritte der Nahverkehrspläne Basierend auf Fachliteratur und bereits durchgeführten Untersuchungen werden folgende relevante Arbeitsschritte für die Aufstellung erfolgreicher Nahverkehrspläne abgeleitet: 21 vgl. Fußnote vgl. K+K Küpper 2003

15 6 1. Umsetzungskontrolle des ersten Nahverkehrsplans 2. Wirkungskontrolle der umgesetzten Maßnahmen 3. Klare und messbare Ziele 4. Definition der ausreichenden Verkehrsbedienung 5. Bestandsaufnahme 6. Bestandsbewertung 7. Maßnahmenplanung 8. Wirkungsabschätzung Nachfrage 9. Wirkungsabschätzung Umwelt 10. Abschätzung des Zuschussbedarfs 11. Prioritätensetzung bei den Maßnahmen 12. Konzept zu Linienbündelungen 13. Finanzierungsplanung 14. Investitionsplanung 15. Vereinbarung über Kostenaufteilung 16. Konzept für die Erfolgskontrolle 23 Vermehrte Umsetzungserfolge wurden bei der Durchführung der Arbeitsschritte Investitionsplanung, Finanzierungsplanung, klare und messbare Ziele, Abschätzung des Zuschussbedarfs, Maßnahmenplanung, Bestandsbewertung sowie Prioritätensetzung bei den Maßnahmen festgestellt. Zudem führte eine höhere Qualität der Arbeitsschritte Bestandsbewertung, Maßnahmenplanung, Bestandsaufnahme, klare und messbare Ziele sowie Prioritätensetzung bei den Maßnahmen zu einer häufigeren Umsetzung der Nahverkehrspläne 24. b. Mindestinhalte von Nahverkehrsplänen Im Folgenden werden die Inhalte von Nahverkehrsplänen dargestellt, die mindestens enthalten sein sollten, um einen erfolgreichen NVP zu erhalten. I. Mindestinhalte gemäß den gesetzlichen Rahmenbedingungen Das PBefG stellt in 8 Abs.3 die grundsätzlichen Aufgaben des NVP dar. Mindestinhalte und Regeln zur Aufstellung von Nahverkehrsplänen werden durch die Gesetzgebungen der Bundesländer geregelt (vgl. Kapitel 1.1), so auch im Freistaat Thüringen (vgl. Abbildung 3). 23 K+K Küpper 2003, S ebenda S.56f. vgl. fett-markierte Arbeitsschritte in der o. g. Liste

16 7 Abbildung 3: ThürÖPNVG 6 Inhalt des Nahverkehrsplans (1) Der Nahverkehrsplan stellt auf der Basis der verkehrpolitischen Zielstellung die mittel- bis langfristige Entwicklung des ÖPNV dar. Er beinhaltet insbesondere eine Bestandsanalyse des ÖPNV- Angebotes und der Infrastruktur, Schätzungen über den zu erwartenden ÖPNV-Bedarf, Strategien und Maßnahmen zur Organisation des ÖPNV sowie Aussagen zur Angebotsgestaltung und Infrastrukturentwicklung. (2) Als Anlage zum Nahverkehrsplan ist ein Investitions- und Finanzierungsplan aufzustellen. Darin sind die zu erwartenden Einnahmen und Kosten des ÖPNV, Maßnahmen zur Kostensenkung, erforderliche Investitionen sowie die Notwendigkeit und der erforderliche Umfang von öffentlichen Zuschüssen darzustellen. (3) Die Investitions- und Finanzplanung ist jährlich fortzuschreiben. [ ] II. Inhalte gemäß den Leitfäden für die Aufstellung von Nahverkehrsplänen Über die gesetzlich vorgegebenen Inhalte hinaus (vgl. Kapitel 1.1 und Punkt I) existieren diverse Handlungsleitfäden und Empfehlungen für die Aufstellung von Nahverkehrsplänen, welche im Wesentlichen die folgenden Arbeitsschritte befürworten: 1. Zielsetzung (zur Begriffsbestimmung der hinreichenden Verkehrsbedienung und als Anforderungsprofil an das geplante Angebot im ÖPNV) 2. Stärken- und Schwächen-Analyse (als Resultat aus Bestandsaufnahme und Bewertung) 3. Handlungskonzept und Maßnahmenplanung (einschließlich Wirkungsabschätzung, Verkehrsentwicklungsprognose und Prioritätensetzung bei den beabsichtigten Maßnahmen) 4. Investitionsplanung und Finanzierungskonzept 5. Umsetzungs- und Wirkungskontrolle Die Resultate der o. g. Arbeitsschritte sollten im NVP festgehalten werden 25. Folgende Details zu den einzelnen Arbeitsschritten sind zu beachten: (1) Ziele und deren Konkretisierungsgrad (Anforderungsprofil) Zielsetzungen sollten im NVP über generelle verkehrspolitische Ausführungen hinaus mindestens die nachstehenden Gesichtspunkte einbeziehen, welche in einem Anforderungsprofil durch Mindeststandards konkretisiert werden müssen: Verbesserung des bestehenden Liniennetzes, Mindest-Betriebszeiten, 25 K+K Küpper 2003, S.16

17 8 Einführung eines Taktfahrplans oder sogar Mindesttaktzeiten Standards zur Fahrzeugqualität Aus- und Neubau von ÖPNV-Infrastruktur, Gemeinschaftstarif, Durchtarifierung, Tarifstruktur, Finanzierung von Investitionen und Betrieb. 26 Es wurde zudem festgestellt, dass Aufgabenträger mit eindeutigen und messbaren Zielen Nahverkehrspläne erfolgreicher umsetzen konnten. Demnach reichen die Abfassung genereller verkehrspolitischer Ziele sowie die Übertragung der Vorgaben aus den Landesgesetzen nicht aus, sondern es müssen aufgabenträgerspezifische Ziele bestimmt werden, die messbar sind. Diese Zielvorgaben sollten in einem Anforderungsprofil an das künftige ÖPNV- Angebot mit Hilfe von Mindest- bzw. Qualitätsstandards konkretisiert werden. Hierbei sind zumindest die Bereiche Erschließungsqualität, Angebotsqualität, Beförderungsqualität (vgl. Tabelle 1), Kostendeckung, Entwicklung der Fahrgastzahlen und des MIV-Aufkommens, Tarife, Fahrgastinformationen und Marketing zu berücksichtigen. Des Weiteren muss auch das Ziel der Barrierefreiheit klar definiert und konkretisiert werden. Sowohl die Ziele als auch das Anforderungsprofil sollten in ihrer Formulierung als Basis für die Leistungsbeschreibung im Vergabeverfahren nutzbar sein 27. Tabelle 1: Qualität des ÖPNV 28 Erschließungsqualität Angebotsqualität Beförderungsqualität Erreichbarkeit von Wohnund Wirtschaftsstandorten Erreichbarkeit von Haltestellen Direktheit der Verbindungen Umsteigehäufigkeit Bedienungshäufigkeit Vertaktung Platzangebot Anschlüsse Produktpalette Betriebszeiten Reisezeiten Fahrzeugausstattung Fahrgastinformation Tarifsystem Vertriebssystem Pünktlichkeit Sicherheit, Sauberkeit, Service (2) Bestandsanalyse und Bestandsbewertung (Stärken-Schwächen-Vergleich) Eine Bestandsaufnahme sollte die wesentlichen verkehrlichen Aspekte der Raum-, Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur darstellen. Hierbei ist nicht nur der derzeitige Bestand wichtig, sondern auch absehbare Erneuerungen durch existierende Planungsvorhaben. Darüber hinaus sollten bestehende Verkehrsangebote und Nachfragestrukturen erfasst und in einer zusammenfassenden Übersicht unter Berücksichtigung aller Zielbereiche dargestellt werden. 26 K+K Küpper 2003, S.17f. 27 ebenda S.135f. 28 Kolks / Fiedler 2003, S.81

18 9 Zudem sind das existierende Angebot im ÖPNV, bestehende Investitionsplanungen sowie die gegenwärtige Finanzierung inklusive des Zuschussbedarfs aufzuführen 29. In der Bestandsbewertung sollte eine Stärken-Schwäche-Analyse für alle Planungsbereiche, die essentiell für die Zielerreichung sind, durchgeführt werden. Hierzu werden die Zielwerte der beabsichtigten Qualität mit dem gegenwärtigen Angebot verglichen. Aus den Schwächen können dann Handlungsfelder identifiziert werden 30. Grundsätzlich ist die Identifikation von Stärken und Schwächen nur auf Basis eindeutig messbarer Ziele möglich. Schwächen können als Differenz zwischen Soll- und Ist-Zustand dargestellt und gegebenenfalls in einem Mängelkatalog, differenziert nach Art, Ursache und Auswirkung der Mängel zusammengefasst werden. Eine Mängelanalyse sollte mindestens für Erschließungsqualität, Verbindungsqualität, Bedienungsqualität (vgl. Tabelle 1), Tarifstruktur und den Betriebsablauf durchgeführt werden 31. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Bestandsaufnahme und Bestandsbewertung streng voneinander getrennt werden 32. Die Arbeitsschritte Ziele und Anforderungsprofil sowie Bestandsaufnahme und bewertung sollten als rekursive Prozesse verstanden werden, d. h. im Verlauf des Bewertungsverfahrens ist wiederholt Bezug zum Zielsystem und zur Bestandsaufnahme herzustellen 33. (3) Handlungskonzept und Maßnahmenplanung Es sollten Konzepte zur Verkehrs- und Nachfrageentwicklung erstellt werden, welche die geplanten Maßnahmen nach Dringlichkeit und erwarteter Auswirkung zusammenfassen 34. Die verschiedenen Handlungskonzepte sind gegenüberzustellen und mittels konkreter Maßnahmen bzw. Maßnahmenbündel zu präzisieren. Hierbei erscheint die Zuordnung der Maßnahmen zu den Zielbereichen (vgl. Punkt (1)) zweckmäßig, wobei eine konkrete Maßnahme auch mehrere Bereiche beeinflussen kann 35. Maßnahmen sind unter räumlicher und zeitlicher Bezugnahme sowie nach den Wirkungen auf die Nachfrageentwicklung zu analysieren. Hierzu können z. B. qualitative Wirkungsanalysen oder Wirkungsberechnungen in Form von Modellrechnungen angewandt werden 36. Diese Wirkungsabschätzungen eignen sich zur Beurteilung der Verkehrs-, Nachfrage- und Kostenentwicklung 37. Abschließend ist anhand der Ergebnisse aus der Wirkungsabschätzung zu entscheiden, welche Handlungskonzepte und Maßnahmenbündel in den weiteren Planungen berücksichtigt und in den NVP aufgenommen werden sollen K+K Küpper 2003, S ebenda S ebenda S ebenda S ebenda S ebenda S ebenda S ebenda S ebenda S ebenda S.20

19 10 Darüber hinaus sind die Forderungen des BGG als Teil des Handlungskonzeptes zu betrachten, die Erfüllung der Bestimmungen des BGG [ist hierbei ein] wesentlicher Bestandteil der Fortschreibung der Nahverkehrspläne und wichtiges Element in den Lastenbüchern, in Ausschreibungen und bei der Vergabe. 39 (4) Investitions- und Finanzierungsplanung Auf die Ausarbeitung des Investitions- und Finanzierungskonzeptes sollte besonderer Wert gelegt werden, da mehrfach auf die positive Wirkung einer konkreten Finanzplanung eingegangen wird. So wird festgestellt, dass eine Maßnahme, für die eine sorgfältige Finanz- und Investitionsplanung existiere, mit größerer Wahrscheinlichkeit umgesetzt würde 40. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Investitions- und Finanzierungsplanung ein unverzichtbarer Bestandteil des NVP sei und als Entscheidungsbasis bei der Mittelvergabe diene 41. Prinzipiell sollte die Finanz- und Investitionsplanung mindestens nach Betriebskosten und Zuschussbedarf, Investitionsmittel nach Erhalt, Ausbau und Neubau sowie Abschätzung der Einnahmen und Kosten und deren Aufteilung strukturiert werden. Der Investitionsplan sollte die Investitionsvorhaben, den aus Investitionen resultierenden Finanzbedarf sowie deren Folgekosten (geschätzte Investitionskosten), den Finanzbedarf für Betriebskostendefizite (aus bestehendem Angebot und Verwirklichung der Planungen) und die Investitionsbeantragende Stelle(n) enthalten. Zur Finanzierungsabschätzung genügen in der Regel pauschale Ansätze, mit Hilfe derer der Kostendeckungsgrad und die erwartete zusätzliche Haushaltsbelastung überschlägig ermittelt werden. Die Schätzungen sollten neben der Entwicklung von Angebot, Kosten und Nachfrage auch Veränderungen übergeordneter Rahmenbedingungen berücksichtigen 42. Im Finanzierungsplan wird dargestellt, aus welchen Töpfen die benötigten Finanzmittel stammen. Um zusätzliche Haushaltsbelastungen einschätzen zu können, sind Ausgaben und Einnahmen gegenüberzustellen. Haushaltbelastungen sind Defizitübernahmen aus der Beauftragung oder Auferlegung von ÖPNV-Leistungen sowie sonstige vertragliche Beihilfen. Zu den Haushaltsentlastungen zählen Fahrgelderlöse, gesetzliche Ausgleichszahlungen für die rabattierte Beförderung von Schülern nach 45a PBefG, gesetzliche Ausgleichszahlungen für die unentgeltliche Beförderung von schwerbehinderten Menschen nach 148 SGB IX, Zuweisungen aus dem Finanzausgleichsgesetz, dem GVFG und aus Gemeinden sowie Gelder nach dem RegG, die entsprechend den Vorschriften der ÖPNV-Ländergesetze vom Land an die Aufgabenträger weitergeleitet werden und zur Deckung der aus der Regionalisierung resultierenden Kosten eingesetzt werden 43. Besondere Bedeutung für die Qualität von Nahverkehrsplänen hat die Prioritätensetzung der geplanten Maßnahmen im Investitions- und Finanzierungskonzept. Die Prioritätenreihung ist besonders bei unklarer Finanzsituation wichtig, da dadurch eine flexible, schrittweise Um- 39 K+K Küpper 2003, S ebenda S ebenda S ebenda S.138ff. 43 ebenda S.139

20 11 setzung der Maßnahmen möglich wird. Die Prioritäten sollten nach Dringlichkeit, Durchführbarkeit (wirtschaftliche Durchführbarkeit und politische Durchsetzbarkeit), gegenseitigen Abhängigkeiten der Maßnahmen sowie den verkehrlichen Auswirkungen gereiht werden 44. (5) Umsetzungs- und Wirkungskontrolle Die Umsetzungs- und Wirkungskontrolle bezieht sich auf die Fortschreibung der Nahverkehrspläne. Ziel ist die Überprüfung der Qualität der vorangegangen Planungen. Folgende Fragen sollten in diesem Zusammenhang beantwortet werden: Welche der geplanten Maßnahmen und Maßnahmenbündel wurden umgesetzt? Welche der geplanten Maßnahmen und Maßnahmenbündel wurden nicht umgesetzt, haben sich verzögert oder sind gescheitert? Welche Erklärungen gibt es für den Erfolg bzw. für das Scheitern und die Verzögerung von Maßnahmen? Welche Lehren für die zukünftige Planung können daraus gezogen werden? [ ] Welche konkreten Wirkungen haben die Maßnahmen und Maßnahmenbündel? Entsprechen die Maßnahmenwirkungen denen der Wirkungsabschätzungen im letzten Nahverkehrsplan? Konnten mit diesen Maßnahmen oder Maßnahmenbündel die Ziele des letzten Nahverkehrsplans erreicht werden? Wie präsentiert sich das tatsächliche Kosten-Wirkungs-Verhältnis der Maßnahmen und Maßnahmenbündel? Sind andere als die eingetretenen Wirkungen politisch erwünscht oder fachlich erforderlich? 45 Generell sollte die Umsetzung der Maßnahmen kontinuierlich überprüft werden, um bei Unstimmigkeiten rechtzeitig eingreifen zu können. Empfohlen wird ein Monitoring, z. B. mittels Kundenbarometer oder Testkunden 46. III. Rahmenbedingungen Auch die Rahmenbedingungen können für eine erfolgreiche Umsetzung von Nahverkehrsplänen bedeutsam sein, so z. B. Beteiligungen und die Abstimmung mit anderen Planungen (vgl. auch Kapitel 1.3). Demnach sollten zumindest Gremien mit Entscheidungsgewalt, Fachbehörden, Träger öffentlicher Belange, Betreiber von Verkehrsmitteln und Verkehrsanlagen, Interessensvertretungen und Verbände sowie Aufgabenträger benachbarter und übergeordneter Planungsräume beteiligt werden. Überdies verpflichtet das PBefG die Aufgabenträger, 44 K+K Küpper 2003, S ebenda S.140f. 46 ebenda S.141

21 12 Behindertenbeauftragte oder -beiräte (soweit vorhanden) bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans zu beteiligen (vgl. Kapitel 1.1). Ergänzend wird empfohlen, Arbeitskreise bzw. Fahrgastbeiräte zu bilden 47. c. Kriterienkatalog Barrierefreiheit für die Erstellung von Nahverkehrsplänen Im Rahmen der im Projekt HANNAH durchgeführten best-practice-analyse wurden Untersuchungskriterien für die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen entwickelt. Folgende Kriterien zum Thema Barrierefreiheit wurden beachtet (vgl. Anhang 2): Bestandsaufnahme Bestandsbewertung Prognose des künftig zu erwartenden Verkehrsaufkommens Zielkonzept / Qualitätsstandards Sicherung, Entwicklung und Verbesserung des ÖPNV Finanzierung Prioritäten Umsetzungskontrolle Beteiligungen am Planungsprozess Darüber hinaus wurden ausführliche Kriterienkataloge für die Erhebungs- und Planungsschritte zur Aufstellung eines Nahverkehrsplans erarbeitet. In Tabelle 2 ist der Kriterienkatalog für die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im NVP aufgeführt, welcher auf Basis der o. g. Arbeitsschritte detaillierte Aussagen trifft. d. Fazit: Aspekte aus dem Projekt HANNAH für das Forschungsprojekt BeGiN Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass das Projekt HANNAH viele gute Anregungen in Bezug zur Barrierefreiheit beinhaltet und somit eine einträgliche Basis für vertiefende Analysen von Nahverkehrsplänen bietet. Insbesondere der Kriterienkatalog für die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im NVP (vgl. Tabelle 2) erscheint hilfreich und dient demzufolge als eine Grundlage für die im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes durchgeführten Detailanalysen von Nahverkehrsplänen (vgl. Kapitel 1.2.3) sowie für die Empfehlungen zur Optimierung der Nahverkehrspläne für die Landkreise Gotha und Schmalkalden-Meiningen sowie des Schienenpersonennahverkehrsplanes für den Freistaat Thüringen im Hinblick auf die Barrierefreiheit (vgl. Kapitel 1.3). 47 K+K Küpper 2003, S.143f.

22 13 Tabelle 2: Kriterienkatalog für die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im NVP K+K Küpper 2003, S.98ff.

23 Analyse des FoPS-Projektes in Bezug zum BGG-Instrument Nahverkehrsplan Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) hat im Jahr 2003 im Rahmen des Forschungsprogramms Stadtverkehr (FoPS) die Studie Auswirkung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) und zur Änderung anderer Gesetze auf die Bereiche Bau und Verkehr (FE-Nr /2003), in den nachfolgenden Kapiteln kurz mit FoPS-Projekt abgekürzt, in Auftrag gegeben. Die von der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e. V. (STUVA) in Zusammenarbeit mit dem Institut für barrierefreie Gestaltung und Mobilität (IbGM) in Mainz erstellte empirische Untersuchung überprüft und bewertet die Wirksamkeit der Instrumente und Verfahren des im Mai 2002 in Kraft getretenen BGG durch umfangreiche schriftliche Befragungen in den einzelnen Regelungsbereichen des Gesetzes. Die Auswirkungen des BGG werden anhand der Auswertungen von konkreten positiven als auch negativen Praxiserfahrungen dargestellt und analysiert. Im Anschluss werden Handlungsempfehlungen zur Beibehaltung bzw. Änderung oder Ergänzung der bestehenden Instrumentarien formuliert. Die Erfassung, Aufbereitung und systematische Auswertung der Erfahrungen werden für die jeweiligen Instrumente des BGG einzeln durchgeführt. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse des FoPS-Projektes zur Wirksamkeit des Artikel 51 Änderung des Personenbeförderungsgesetzes des BGGEG zusammengefasst vorgestellt. Im Rahmen des FoPS-Projektes wurde untersucht, inwieweit das Ziel einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit für die Nutzung des ÖPNV durch das BGG- Instrument Nahverkehrsplan berücksichtigt wird. Eine schriftliche Umfrage bei den ÖPNV-Aufgabenträgern sollte u. a. beantworten, welche Angaben der jeweilige NVP über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen macht. Ebenso sollte die Art und Weise der Beteiligung der zuständigen Vertreter behinderter Menschen bei der Aufstellung eines NVP überprüft werden. Um zu ermitteln, inwieweit die Barrierefreiheit im NVP berücksichtigt wird, war zu klären wie der Begriff möglichst weitreichend spezifiziert wird und ob gegebenenfalls Standards im NVP entwickelt wurden. Trotz einer Rücklaufquote von knapp 30 % 49 konnten repräsentative Angaben ausgewertet werden, da aus allen Bundesländern Aussagen sowie Antworten von Städten unterschiedlicher Größenordnung und von Landkreisen aus sämtlichen Flächenstaaten vorlagen. Zudem wurden die Erfahrungen und Auffassungen von Vertretern behinderter Menschen, Bau- und Verkehrsfachleuten sowie des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mittels weiteren Befragungen ermittelt. Ziel der empirischen Untersuchung war zudem, den Verfahrensstand bei der Aufstellung von Nahverkehrsplänen der zweiten Generation zu ermitteln 50. Die Vermutung des FoPS- Projektes, dass in den Jahren 2001 bis 2003 bzw. zwei Jahre nach Inkrafttreten des BGG nahezu alle Aufgabenträger einen NVP der zweiten Generation aufstellen bzw. aufgestellt haben, hat sich u. a. aufgrund unterschiedlicher landesgesetzlicher Fristen zur Aufstellung 49 Rücklaufquote: 135 auswertbare Antworten vgl. BMVBW 2004, S Einige Nahverkehrsgesetze der Länder geben entweder keine Frist zur Fortschreibung an oder es ist nur die Überprüfung nach fünf Jahren und nicht die Fortschreibung/Neuaufstellung/Änderung des NVP vorgegeben (BMVBW 2004, S.226).

24 15 bzw. Fortschreibung von Nahverkehrsplänen, nicht bestätigt. So wurden in die Auswertung sowohl Nahverkehrspläne der ersten Generation (in der Regel Aufstellung in den Jahren 1996 / 1997) als auch Nahverkehrspläne der zweiten Generation (in der Regel Fortschreibung bzw. Neuaufstellung nach 5 Jahren (vgl. auch Kapitel 1.1), also während bzw. nach Inkrafttreten des BGG) einbezogen. Das Ergebnis auf die Frage, inwieweit das Ziel der möglichst weitreichenden Barrierefreiheit in den Nahverkehrsplänen beachtet wird, zeigt auf, dass in den zukünftigen NVP häufiger die Belange behinderter Menschen überwiegend jedoch nicht umfassend berücksichtigt werden sollen. Als positiv ist zu nennen, dass neben den Belangen der gehbehinderten Personen und Rollstuhlnutzer, die Belange der sensorisch behinderten Menschen zunehmend einbezogen werden sollen. Aussagen über erforderliche Maßnahmen und zeitliche Vorgaben in Bezug auf die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen, die für die Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen eine erhebliche Rolle spielen, werden nach den Umfrageergebnissen in den Nahverkehrsplänen unterschiedlich aufgeführt. Laut den Aufgabenträgern sollen notwendige Maßnahmen bei den künftigen Nahverkehrsplänen zumeist konkret benannt werden; dagegen sollen keine zeitlichen Vorgaben gemacht werden. Die fehlenden Ausführungen werden u. a. damit begründet, dass Aussagen zu zeitlichen Vorgaben einer mittelfristigen Finanzplanung des Aufgabenträgers bedürfen und somit einen aufwändigen Arbeits- und Entscheidungsprozeß bedeuten. Konkrete Angaben zu Investitionskosten von Maßnahmen im NVP aufzustellen fällt den Aufgabenträgern somit nicht leicht, sollte jedoch mit dem Ziel einer erfolgreichen Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen unbedingt erarbeitet werden (vgl. Kapitel b). Zudem kann der Aufgabenträger bei Bedarf eine veränderte Haushaltssituation jederzeit - zum Beispiel im Investitions- oder Finanzierungsplan des NVP - anpassen. Nach Ansicht der befragten Aufgabenträger ist ein weiteres strukturelles Problem, dass die Zuständigkeit und Finanzierung von wesentlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV, wie z. B. der Umbau/Ausbau einer Haltestelle oder die Beschaffung von Fahrzeugen, meist nicht beim Aufgabenträger sondern beim Straßenbaulastträger (z. B. Gemeinde) oder den Verkehrsunternehmen liegt (vgl. Abbildung 31 in Kapitel e). Die Festlegung von zeitlichen Vorgaben im NVP sei somit schwer realisierbar. Für die Aufgabenträger bestünde demnach die Gefahr, dass die Aufnahme von Maßnahmen Dritter im NVP statt einer Vorgabe eher einer Wunschliste entspräche. Das FoPS-Projekt ist jedoch der Meinung, dass ein unter Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Verkehrsunternehmen aufgestellter NVP eine gesicherte Grundlage für Einzelentscheidungen der jeweiligen zuständigen Maßnahmenträger bietet und so die Koordinierung und Abarbeitung der einzelnen Maßnahmen sichert. Die Selbstbindung des Aufgabenträgers hat zudem Folgewirkungen, z. B. in Bezug auf die Vergabe (barrierefreier) Verkehrsleistungen. 51 Die Antworten der Aufgabenträger auf die Frage zu auftretenden Problemen zeigen auf, dass die Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV als ein zusätzlicher Kostenfaktor gesehen wird (vgl. Kapitel 3.2.1). So gibt z. B. ein Aufgabenträger an, dass die Umsetzung von Maßnah- 51 BMVBW 2004, S.228

25 16 men im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit [ ]finanzielle Auswirkungen [hat], so dass es häufig an der Finanzierbarkeit scheitert. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, im NVP konkrete Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen zu machen. 52 Insbesondere bei Haltestellen im ländlichen Raum mit einem geringen Verkehrsaufkommen ließen sich die Ziele zur Sicherstellung der Barrierefreiheit aufgrund der heutigen schlechten Finanzlage nicht umsetzen (Kosten-Nutzen Verhältnis, vgl. hierzu auch Kapitel c). Somit ist die Förderung durch Bundes- und / oder Landesmittel (z. B. GVFG- Förderung, vgl. Kapitel 3) für die Umsetzung von Maßnahmen sowohl für die Aufgabenträger als auch für die Straßenbaulastträger und die Verkehrsunternehmen von hoher Bedeutung. Die Zahl der Anhörungen der Behindertenbeauftragten und beiräte bei der Aufstellung der künftigen NVP soll nach Antworten der Aufgabenträger bezogen auf die derzeitige Beteiligung, die bei einem Anteil von etwa 2/3 liegt, steigen. Ebenfalls soll die Beteiligung der Behindertenverbände sowie die informelle Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen 53 in Zukunft ausgeweitet werden, auch teilweise bei Aufgabenträgern, die bereits oder künftig über Behindertenbeauftragte oder beiräte verfügen. Einer der Gründe hierfür liegt darin, dass die Aufgabenträger sich über die Vorteile des Anhörungsverfahrens bewusst werden. Die Kenntnisse und Erfahrungen der Vertreter behinderter Menschen sollen bereits beim Aufstellungsverfahren genutzt werden. Zudem führt die Anhörung gegebenenfalls als eine zusätzliche Beteiligung vor der offiziellen Anhörung - zu einem konfliktarmen und qualifizierten Beschluss. Eine informelle Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen ist vor allem zweckmäßig, falls die Aufgabenträger nicht über einen Behindertenbeauftragten oder beirat verfügen. Ein Manko beim Anhörungsverfahren ist, dass die Vertreter behinderter Menschen teilweise nur geringe Qualifikationen hinsichtlich der Bewertung von barrierefreien Maßnahmen im Verkehrsraum aufweisen (vgl. auch Kapitel 1.4). Sowohl die Aufgabenträger nennen dieses Problem, als auch die Vertreter selbst (teilweise Überforderung aufgrund von Mangel an Fachwissen und Erfahrungen sowie dem zu bewältigenden Arbeitsumfang). Trotz der strukturellen Probleme werden das Anhörungsrecht und die Regelungen zur Berücksichtigung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit zur Nutzung des ÖPNV im Verfahren zur Aufstellung/Fortschreibung des NVP sowohl von den Aufgabenträgern als auch von den Behindertenbeauftragten und beiräten begrüßt. Die Behindertenverbände dagegen sehen das Anhörungsverfahren als unzureichend an, insbesondere da im Gegensatz zum BGG- Instrument GVFG, die Anhörung der nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände nicht verbindlich vorgegeben ist 54 (vgl. Kapitel 1.1 und Kapitel 3). Die Kommentare der kommunalen Behindertenbeauftragten, anerkannten Behindertenverbände und Landesbehindertenbeauftragten zur FoPS-Umfrage zeigen zudem weitere strukturelle Probleme beim Anhörungsverfahren auf. So wird bemängelt, dass die Anhörung ledig- 52 BMVBW 2004, S Da die Beteiligung der Behindertenverbände bei der Aufstellung der NVP gesetzlich nicht gefordert ist, können neben den bundesweit anerkannten Verbänden nach 13 BGG oder deren örtlichen Untergliederungen ebenfalls alle weiteren örtlichen Verbände beteiligt werden. 54 Die Länder haben die Möglichkeit, die Beteiligung der Behindertenverbände in ihren Landesgesetzen verbindlich einzuführen, wie es zum Beispiel das Land Rheinland-Pfalz festgelegt hat.

26 17 lich auf dem Papier stattfindet, ohne dass die zuständigen Vertreter direkten Einfluss auf den NVP haben. Des Weiteren geben die Landesbehindertenbeauftragten an, dass es für die Aufgabenträger nur wenige kompetente Ansprechpartner bezüglich der Herstellung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum gäbe 55 sowie, dass die Aufgabenträger sich nicht auf konkrete Aussagen über erforderliche Maßnahmen und zeitliche Vorgaben festlegen. Für die Erarbeitung von Qualitätszielen/-standards und Maßnahmenkategorien zur Herstellung der Barrierefreiheit im NVP ist die Bildung von Arbeitsgruppen mit örtlich ansässigen Vertretern behinderter Menschen vor der offiziellen Anhörung - zielführend. So haben laut FoPS-Projekt Verkehrsverbünde und Zweckverbände, die mit der Fortschreibung des regionalen NVP beauftragt wurden, Arbeitskreise mit den betroffenen Vertretern gebildet, um gemeinsam Ziele und Standards zu erarbeiten. Im Rahmen der offiziellen Anhörung werden die Behindertenbeauftragten/-beiräte und / oder Verbände im Anschluss in die Beschlussfassung des NVP mit einbezogen. Aus den künftig häufiger werdenden Beteiligungen der Vertreter behinderter Menschen beim NVP zurückzuführen auf Artikel 51 BBGEG - können sich laut Aufgabenträgern zum Teil verstärkt Änderungen im NVP ergeben. Zur Spezifizierung des unbestimmten Rechtsbegriffs möglichst weitreichende Barrierefreiheit und der zur Anwendung kommenden technischen Standards im NVP werden verschiedene Normen, Richtlinien und Empfehlungen zumindest teilweise berücksichtigt. Zu den am häufigsten herangezogenen Veröffentlichungen zur Barrierefreiheit gehören neben den allgemein eingeführten technischen Baubestimmungen 56 die DIN 18024, die Reihe direkt des BMVBS 57, VDV-Empfehlungen, das Handbuch Barrierefreier ÖPNV in Deutschland 58 sowie FGSV-Empfehlungen. Die DIN Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum und der DIN Fachbericht 124 Gestaltung barrierefreier Produkte werden nicht genutzt. Veröffentlichte Empfehlungen sowohl der Bundesländer als auch der Vertreter behinderter Menschen werden ebenfalls teilweise angewandt, dagegen finden regionale Standards kaum Beachtung. Die Nicht-Beachtung einiger Regelwerke beruht jedoch nicht auf deren Ablehnung sondern vielmehr auf dem Unwissen über das Vorhandensein dieser Standards. Zur Sicherstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV kann der NVP als Grundlage für die Entwicklung von eigenen konkreten barrierefreien Standards des Aufgabenträgers dienen, wie z. B. als Lastenheft für Fahrzeuge oder als Haltestellenkonzept. Jedoch sollte nach Auffassung des VDV keine detaillierte und zwingende Vorgabe im NVP erfolgen, sondern Lösungen zur barrierefreien Gestaltung gemeinsam vor Ort zwischen Aufgabenträgern, Verkehrsunternehmen und den Fahrgästen entwickelt werden. Da die Aufstellung, Fortschreibung und Überprüfung der NVP gemäß den jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen in den meisten Ländern alle 5 Jahre vorgesehen ist (so auch in Thüringen, vgl. Kapitel 3.1), rechnet das FoPS-Projekt mit einer flächendeckenden Aufstel- 55 Anm.: Bei der Aussage ist unklar, ob ggf. die Aufgabenträger sich über den Verfahrenablauf bei der sowohl verbindlichen als auch informellen Einbeziehung der zuständigen Vertreter behinderter Menschen nicht klar sind und auf die Anhörung verzichten, oder ob tatsächlich alleine die Qualifikation bei den Vertretern behinderter Menschen fehlt. 56 Technische Baubestimmungen sind in den Ländern verbindlich eingeführte Regelwerke (wie z. B. DIN und DIN ), die die Standards nach den allgemein anerkannten Regeln definieren (BMVBW 2004, S.112). 57 vgl. z. B. BMVBW 1998 und BMVBW 2001a 58 VDV 2003

27 18 lung bzw. Fortschreibung der Nahverkehrspläne der zweiten Generation und somit der gänzlichen Einbeziehung des BGG erst in den nächsten Jahren. Die vorliegende Erhebung und Auswertung zeigt jedoch deutlich, dass die künftigen Nahverkehrspläne für eine erfolgreiche Umsetzung auch im Hinblick der Barrierefreiheit - konkretere Aussagen zu den erforderlichen Maßnahmen und zeitlichen Vorgaben festschreiben müssen, um negative Auswirkungen auf Ausschreibungen und die weitere Maßnahmenplanung zu vermeiden Best-practice-Analyse von Nahverkehrsplänen in Bezug zur Barrierefreiheit Im Rahmen des vorliegenden Projektes wurden eigene Begutachtungen ausgewählter Nahverkehrspläne in Form von best-practice-analysen durchgeführt, um gezielt Optimierungen ableiten zu können. Folgende Nahverkehrspläne wurden auf ihre Aussagen und ihren Detailgrad in Bezug zur Barrierefreiheit analysiert 59 : Nahverkehrsplan für den Zweckverband Verkehrsverbund Bremen / Niedersachsen ZVBN, (Bremen und Niedersachsen) Nahverkehrsplan der Stadt Köln, (Nordrhein-Westfalen) Nahverkehrsentwicklungsplan Karlsruher Verkehrsverbund KVV 2003 (Baden- Württemberg und Rheinland-Pfalz) Nahverkehrsplan der Stadt Jena, (Thüringen) Grundlage der best-practice-analyse von Nahverkehrsplänen in Bezug zur Barrierefreiheit bildet der in Kapitel 1.2.1, Tabelle 2 vorgestellte Kriterienkatalog für die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im NVP. Anhang 3 zeigt die vergleichende Übersicht der Ergebnisse aus der Analyse. Ein Resultat ist, dass im Rahmen der Bestandsaufnahme bezüglich der Kundenstruktur und des Verkehrsaufkommens keine Angaben zur Anzahl und Art von mobilitätsbehinderten Personen bzw. zur Altersstruktur sowie zur Beförderung von mobilitätsbehinderten Personen gemacht wurden. Ebenso beinhaltet keiner der analysierten Nahverkehrspläne eine Prognose zur künftigen Anzahl und Art der mobilitätsbehinderten Personen bzw. Aussagen zur Implementierung eines Instrumentes zur Umsetzungskontrolle von Maßnahmen, die in den Nahverkehrsplänen enthalten sind. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass sich die Aussagen in den analysierten Nahverkehrsplänen je nach Arbeitsschritt in ihrer Detailschärfe stark unterscheiden. Kein untersuchter Nahverkehrsplan hat alle empfohlenen Arbeitsschritte beachtet, wobei der Nahverkehrsplan für den Zweckverband Verkehrsverbund Bremen / Niedersachsen ZVBN insgesamt die detailliertesten Angaben macht. 59 zur Auswahl der Nahverkehrspläne für die best-practice-analyse vgl. K+K Küpper 2003, S.66

28 Nahverkehrsplan als Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im StPNV auf regionaler Ebene Um Barrierefreiheit im StPNV in der Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle künftig erreichen zu können, ist es notwendig, Qualitätsstandards sowie Maßnahmen zur Barrierefreiheit in den Nahverkehrsplänen der Landkreise möglichst konkret und detailliert zu benennen sowie mit einem Umsetzungs- und Zeitplan zu versehen 60. Die bisherigen Aussagen zur Barrierefreiheit in den Nahverkehrsplänen der Landkreise Schmalkalden- Meiningen 61 und Gotha 62 beschränken sich auf allgemeine Ausführungen. Das vorliegende Forschungsprojekt bereitet die Qualitätsstandards und Maßnahmen für die Fortschreibung der Nahverkehrspläne modellhaft vor. Hierzu liefert die im Rahmen des InnoRegio-Projektes Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig 63 entwickelte Verkehrskonzeption für die barrierefreie Modellregion 64, im Folgenden zusammenfassend als InnoRegio- Verkehrskonzeption 65 bezeichnet, das Grundgerüst für die Modellregion, auf das die konkreten Maßnahmen (vgl. Kapitel b & c und Kapitel 1.3.2) umsetzungsbezogen aufbauen können. Darüber hinaus wurden bereits während des Forschungsprojektes konkrete Empfehlungen zur Optimierung der Nahverkehrspläne gegeben (vgl. Anhang 4) Empfehlungen zur Optimierung des Nahverkehrsplans für den Landkreis Gotha in Bezug zur Barrierefreiheit In diesem Kapitel erfolgt zunächst eine Analyse des aktuell gültigen NVP für den Landkreis Gotha anhand des Kriterienkatalogs für die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen (vgl. Tabelle 2 in Kapitel 1.2.2) und der Ergebnisse aus der bestpractice-analyse (vgl. Kapitel 1.2.3). Aus dieser Schwachstellenanalyse heraus wird empfohlen, auf Grundlage der Gliederung des NVP für den Landkreis Gotha , ausgewählte Inhalte zu den vorhandenen Kapiteln hinzuzufügen (vgl. Anhang 4). Anschließend wird für die Modellregion konkret anhand einer Buslinie aufgezeigt, wie ein optimierter NVP in Bezug zur Barrierefreiheit aufgebaut werden könnte. a. Analyse des NVP für den Landkreis Gotha Die Überprüfung des aktuell gültigen NVP für den Landkreis Gotha wurde anhand des Kriterienkatalogs für die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im NVP und der Ergebnisse aus der best-practice-analyse (vgl. Kapitel 1.2.3) durchgeführt (vgl. Tabelle 3). Die Gliederung folgt analog dem Kriterienkatalog (vgl. Tabelle 2 in Kapitel 1.2.2). 60 vgl. K+K Küpper 2003, S.5 61 vgl. Landratsamt Schmalkalden Meiningen Fachdienst Straßenverkehr und Fahrerlaubniswesen vgl. Landratsamt Gotha vgl. Gather / Rebstock Gather / Rebstock 2004, S ebenda 66 Landratsamt Gotha ebenda

29 20 Tabelle 3: Analyse des NVP für den Landkreis Gotha im Hinblick auf die Barrierefreiheit 68 Arbeitsschritt Nahverkehrsplan Landkreis Gotha Kundenstruktur Aussagen über die Kundenstruktur werden nicht getroffen Verkehrsaufkommen Aussagen zum Verkehrsaufkommen werden nicht getroffen barrierefreier Zugang/Ausstattung von Haltestellen: zu diesem Punkt werden an einigen Stellen Aussagen getroffen, welche aber in Ihrer Genauigkeit unzureichend sind und auch die fehlende klare Trennung zwischen Bestandsaufnahme und Bestandsbewertung deutlich machen Bestandsaufnahme Verkehrsinfrastruktur Stellen mit Aussagen zu diesem Punkt: S. 23: Die Haltestelleninseln verfügen über keine rollstuhlgerechten Rampen [ ] keine klare Trennung zwischen Bestandsaufnahme und Bestandsbewertung Ausführliche Beschreibung des Zustandes betrifft nur Haltestellen des ZOB S. 25 [ ], sind nicht alle Haltestellen, [ ], mit Wetterschutz und Sitzgelegenheiten versehen Aussagen zum barrierefreien Zugang und zur Anzahl der Haltestellen, an denen kein Wetterschutz vorhanden ist, fehlen barrierefreie Ausstattung von Fahrzeugen einzige Darstellung, die auf barrierefreie Ausstattung schließen lässt, ist eine Tabelle auf S. 22, in welcher der Bestand an Omnibussen dargestellt wird. Hierbei werden Niederflurbusse gesondert ausgewiesen. dieser Punkt ist zu wenig berücksichtigt, da einerseits z. B. der Bestand an Straßenbahnen nicht nach Bauart unterschieden wird, andererseits die reine Tatsache der Niederflurigkeit der Fahrzeuge als Qualitätsmerkmal bezüglich barrierefreier Ausstattung bei Weitem nicht ausreicht (Gibt es Rollstuhlstellplätze im Bus? Wurden Sinnesbehinderungen berücksichtigt? usw.) barrierefreie Möglichkeit zur Information und zum Fahrscheinerwerb zu diesem Punkt wird keine Aussage getroffen 68 zu den Arbeitsschritten vgl. Tabelle 2 in Kapitel 1.2.2

30 21 Arbeitsschritt Nahverkehrsplan Landkreis Gotha Bestandsbewertung Prognose eine klare Trennung zwischen Bestandsaufnahme und Bestandsbewertung besteht nicht (vgl. Bestandsaufnahme) Definition von Qualitätskriterien zur Beurteilung der Haltestellen- und Fahrzeugqualität ist nicht erkennbar Mängel und Defizite werden an verschiedenen Stellen genannt, sind aber aufgrund fehlender Qualitätskriterien nicht klar als solche zu verstehen Unter Punkt wird besonders auf Schwachstellen eingegangen (S. 26), eine Berücksichtigung von Belangen behinderter Menschen findet nicht statt. Prognosen zur Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur sowie zur Anzahl und Art von mobilitätsbehinderten Menschen werden nicht getroffen Abschätzung des zukünftigen Verkehrsverhaltens fehlt Definition Definitionen fehlen gänzlich Zielkonzept / Qualitätsstandards Grundsätzliche Ziele Haltestellengestaltung werden unter Punkt 4 genannt, wobei auf in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen sowie behinderte Personen (unzureichend) eingegangen wird auf die Bedeutung des ÖPNV für behinderte Menschen wird nicht eingegangen insgesamt sind die grundsätzlichen Zielsetzungen, unter der Maßgabe der Berücksichtigung des BGG, als unzureichend zu bewerten ab Seite 31 werden Zielstellungen zur Entwicklung des ÖPNV dargestellt, diese gliedern sich nach Liniennetz (Netzplanung), Haltestellen, Fahrzeuge, Fahrgastinformationen, Fahrgastberatung die barrierefreie Ausrichtung des Angebots wird eher untergeordnet behandelt, d. h. dass zwar z. B. der Abbau von Barrieren für behinderte Menschen als Entwicklungsziel genannt wird ( (S. 38 )), aufgrund fehlender Qualitätskriterien (Definitionen) aber die Konkretisierung als Ziel fehlt (zu allgemein gehalten - nicht überprüfbar - Ziel muss messbar sein) Fahrzeuge es werden messbare Ziele zur Entwicklung genannt (S.39); (S.39) barrierefreie Gestaltung der Fahrzeuge beschränkt sich allerdings im Wesentlichen auf Niederflurigkeit Tarif / Fahrgastinformation barrierefreie Möglichkeiten zur Information werden nur in den Fahrzeugen berücksichtigt alle anderen Punkte finden keine Berücksichtigung

31 22 Arbeitsschritt Nahverkehrsplan Landkreis Gotha Sicherung, Entwicklung und Verbesserung des ÖPNV Bilanz zum 1. NVP Konzepte und Maßnahmen für einen barrierefreien ÖPNV/ Schienenpersonennahverkehr (SPNV) Bilanz zum 1. NVP fehlt Konzepte werden nicht dargestellt Finanzierung Unter Punkt 5.9 werden grundsätzliche Finanzierungsregelungen getroffen (S. 44), welche jedoch stark verkürzt dargestellt sind Detaillierte Darstellung der Kosten für die geplanten Maßnahmen fehlt Prioritäten Prioritäten fehlen Umsetzungskontrolle keine Umsetzungskontrolle (NVP 1. Generation) Beteiligung am Planungsprozess Beteiligungen am Planungsprozess finden keine Erwähnung Anhand der in Tabelle 3 erstellten Schwachstellenanalyse wurden konkrete Handlungsempfehlungen auf Grundlage der Gliederung des aktuell gültigen NVP für den Landkreis Gotha entwickelt und im Juli 2005 der zuständigen Stelle des Aufgabenträgers im Landratsamt Gotha übergeben (vgl. Anhang 4), um die Berücksichtigung dieser Anregungen bei der Fortschreibung des NVP für den Landkreis Gotha sicherzustellen.

32 23 b. Entwicklung modellhafter Standards zur Barrierefreiheit im StPNV des Landkreises Gotha in Bezug zur Modellregion Im März 2005 wurde u. a. mit der Regionalen Verkehrsgemeinschaft Gotha GmbH (RVG) die Arbeitsgruppe (AG) barrierefreie RVG-Buslinie 850 (vgl. Anhang 11) mit der Schwerpunktaufgabe implementiert, das BGG-Instrument GVFG-Maßnahmenplanung (vgl. Kapitel 3) zu überprüfen und zu optimieren (vgl. Kapitel a). Daneben produzierte die AG aber auch Ergebnisse, die zur Optimierung des Nahverkehrsplans für den Landkreis Gotha genutzt werden können: Da es sich bei der netzbezogenen Umsetzung der Barrierefreiheit im ÖPNV aufgrund der Komplexität von barrierefreien Infrastrukturmaßnahmen um einen mittel- bis langfristigen Prozess handelt 69, ist die Integration von Maßnahmen zur barrierefreien Umgestaltung des StPNV in der Modellregion in den NVP für den Landkreis Gotha zur Sicherung der Umsetzung (auch nach Auslaufen des InnoRegio-Forschungsprogrammes) ratsam. Die im Rahmen der AG entwickelten funktionalen Standards und Anforderungen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit (vgl. Punkt I) wurden von den Anforderungen an barrierefreie Bushaltestellen der RVG-Buslinie 850 (vgl. Anhang 12) und den Qualitätszielen und standards für barrierefreie Fahrzeuge im SPNV (vgl. Abbildung 17 in Kapitel 1.3.3) abgeleitet. Ferner wurden im Rahmen der AG barrierefreie RVG-Buslinie 850 taktile und optisch kontrastreiche Haltestelleninformationen für blinde und sehbehinderte Reisende zur Vereinfachung der selbstständigen Mobilität durch autonome Lokalisierung des Standortes und Informationszugang mittels Servicetelefon entwickelt, die ebenfalls als Qualitätsstandard in den NVP integriert werden sollten (vgl. Punkt II). Als ein weiteres Ergebnis der AG kann die umfangreiche Bestandsaufnahme der Ist-Zustände aller Haltestellen der RVG-Buslinie 850 (vgl. Punkt III) in das Kapitel Bestandsaufnahme des NVP übernommen werden. I. Modellhafte barrierefreie Standards für Bushaltestellen und Busse Das Kapitel verkehrspolitische Zielsetzungen des Landkreises Gotha im aktuell gültigen NVP für den Landkreis Gotha sollte über die bereits vorgeschlagenen Ergänzungen grundsätzlicher Ziele in Bezug zur Barrierefreiheit (vgl. Anhang 4) hinaus um Qualitätsziele in Bezug zur Haltestellengestaltung (vgl. auch Tabelle 2 in Kapitel c) bzw. zur Fahrzeuggestaltung (vgl. auch Abbildung 15 in Kapitel 1.3.2) ergänzt werden (vgl. Kapitel c). Zudem sollten konkrete Gestaltungsstandards für Haltestellen und Fahrzeuge in das Kapitel Entwicklungsziele des ÖPNV im Landkreis Gotha aufgenommen werden. Diese Qualitätsstandards sind bei konkreten Baumaßnahmen den örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Ferner sollte das Kapitel Haltestellen des ÖPNV im Unterkapitel Haltestellen und Wendeschleifen (vgl. Anhang 4) um Darstellungen ideal ausgebauter barrierefreier Bushaltestellen ergänzt werden. Hierzu wurden, ebenfalls in Abstimmung mit der AG barrierefreie RVG- 69 vgl. Gather / Rebstock 2004, S.220

33 24 Buslinie 850, Musterzeichnungen erstellt. Bei der Haltestellenform wurde zwischen Haltestellenkap mit Wetterschutzeinrichtung (vgl. Abbildung 28 in Kapitel b) und Haltestelle am Fahrbahnrand mit Info-Stele (vgl. Abbildung 8 in Kapitel c) unterschieden. II. Modellhafte Entwicklung von taktilen und optisch kontrastreichen Haltestelleninformationen Die spezifischen Fahrgastinformationen an regionalen Bushaltestellen, wie z. B. der aktuelle Fahrplan bzw. die Kontaktdaten zum Verkehrsdienstleister, sind in der Regel für blinde und sehbehinderte Fahrgäste nur schwer bzw. überhaupt nicht zugänglich. Aus diesem Grund müssen blinde und sehbehinderte Fahrgäste ihre Fahrt umfangreich vorbereiten und alle relevanten Informationen vor Fahrtantritt zusammenstellen. Dieses schränkt ein spontanes Reisen ein und der Fahrgast ist während der Fahrt sowie am Zielort relativ unflexibel. Eine Lösung dieses Problems sind u. a. kontrastreiche, gut lesbare Informationen in Großschrift sowie taktile Informationen direkt an der Haltestelle. Im städtischen ÖPNV sind bereits Lösungen für taktile Haltestelleninformationen erarbeitet worden 70, jedoch sind diese relativ kostenintensiv und daher im Regionalverkehr aufgrund eines geringeren Fahrgastaufkommens an Regionalbushaltestellen nur begrenzt einsetzbar. Um blinden und sehbehinderten Fahrgästen auch im Regionalverkehr die Informationsaufnahme an der Haltestelle zu erleichtern sowie eine flexiblere Reise zu ermöglichen, wurde u. a. mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen e. V. (BSVT) sowie der RVG eine Lösung für barrierefreie Basisinformationen an Regionalbushaltestellen entwickelt. Diese Lösung beinhaltet taktile Informationen in Braille und erhabenen Buchstaben sowie kontrastreiche Großschrift. Mit Hilfe dieser Hinweise werden Informationen über den Haltestellennamen, die Fahrtrichtung, die Servicetelefonnummer und den Auskunftszeitraum den Fahrgästen leicht zugänglich zur Verfügung gestellt. Die zusätzlichen Haltestelleninformationen müssen dabei verschiedene Ansprüche erfüllen, zum einen ist die Zugänglichkeit für blinde und sehbehinderte Fahrgäste zu gewährleisten sowie der Informationsgehalt ausreichend zu gestalten und zum anderen sind die Interessen des Verkehrsdienstleisters zu beachten. Anforderungen an taktile und optisch kontrastreiche Haltestelleninformationen Der BSVT definiert die Anforderungen an eine für blinde und sehbehinderte Fahrgäste barrierefreie Haltestelleninformation mit folgenden Kriterien: schriftliche Informationen gut erkennbar, taktile Informationen bei allen Witterungsbedingungen gut ertastbar, zentraler und gleichartiger Zugang zu den Informationen an allen Haltestellen, witterungsbeständig. Für die RVG stehen neben der Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit die Praktikabilität und der Finanzierungsaufwand der Maßnahme im Vordergrund. Insofern 70 vgl. z. B. I.L.I.S. 2005, ÖPNV-Haltestellen

34 25 mussten für die RVG folgende Anforderungen an die zusätzlichen Haltestelleninformationen erfüllt sein: standardisiert, optisch dem Gesamtbild der Haltestellen angepasst, komplikationslos austauschbar, preiswert. Aufgrund der hohen Stückpreise sind taktile Kunststoff- bzw. Metallschilder bei einer Ausstattung des gesamten regionalen Liniennetzes wirtschaftlich nicht darstellbar. Insofern fiel die Wahl auf Kunststofffolien in einer Stärke von 300 μ, welche mittels Tiefziehverfahren um die taktilen Elemente ergänzt wird. Die Folien ermöglichen ein Anbringen am Fahrplankasten (vgl. Abbildung 4) als zusätzliche Verstärkung der angebrachten Schutzfolie. Hierbei bieten die vorhandenen Fahrplankästen (DIN A-3 Format) der RVG in der Regel genügend Platz, so dass die Informationen für blinde und sehbehinderte Fahrgäste parallel zu den Fahrplaninformationen zur Verfügung gestellt werden können. Sollte an höher frequentierten Haltestellen der Platz eines Fahrplankastens durch einen umfangreicheren Fahrplanaushang nicht ausreichen, ist das Anbringen eines zusätzlichen Fahrplankastens mit den Informationen für blinde und sehbehinderte Fahrgäste komplikationslos möglich. Diese Form der Anbringung sichert den Zugang zu allen notwendigen Informationen an jeder ausgerüsteten Haltestelle. Diese zentrale und gleichartige Bereitstellung erleichtert zudem das Auffinden der Informationen an allen entsprechend ausgestatteten Haltestellen. Mit der Grenzenlos ggmbh 71 wurde ein Partner gefunden, der bei einer hohen Stückzahl die Folien zu einem Preis anfertigen kann, welcher perspektivisch eine Umsetzung im gesamten Liniennetz der RVG gestatten würde. Zudem ist es möglich, einzelne Folien komplikationslos nachzufertigen, so dass beschädigte Folien schnell ausgetauscht werden können. In Bezug zur Haltbarkeit und Vandalismusanfälligkeit der Folien ist allerdings zunächst in einer Pilotphase das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu prüfen. Inhalte und Ausführung der Informationen Die Haltestelleninformation teilt sich in vier Bestandteile: Aushangfahrplan, Informationen in Großschrift, Braille und taktile Buchstaben. Der Aushangfahrplan ist der haltestellenbezogene RVG-Standardfahrplan, zusätzlich zu diesem Fahrplan sind die wesentlichen Informationen sowohl in Großschrift als auch taktil angebracht. Diese enthalten Hinweise, welche notwendig sind, um eine spezifische Fahrplanauskunft über die telefonische Dienstleistung der RVG zu erhalten (vgl. Abbildung 4). Dabei wurden folgende Informationen aufgenommen: Haltestellenname Fahrtrichtung bzw. Linienziel Nummer der telefonischen Auskunft und Auskunftszeitraum 71 Verlag und Druckerei für blinde und sehbehinderte Menschen mit Sitz in Erfurt

35 26 Abbildung 4: Haltestellenschild mit taktilen und optisch kontrastreichen Haltestelleninformationen Großschrift Aushangfahrplan Braille GEORGENTHAL-ORT RICHTUNG: OHRDRUF TELEFON: 0jcfb/cjaadi taktile Buchstaben Die Herstellungskosten der einzelnen Folien orientieren sich weniger am Umfang der enthaltenen taktilen Information, sondern werden überwiegend durch die anzufertigende Stückzahl der jeweiligen Ausführung beeinflusst. Da jedoch jede Haltestelle mit dem Haltestellennamen und der Fahrtrichtung ein Unikat darstellt, wurde aus Gründen geringerer Produktionskosten der Kompromiss eingegangen, dass lediglich diejenigen Informationen, die an jeder Haltestelle identisch sind (Telefonnummer und Auskunftszeitraum) auch in taktilen Buchstaben ausgeführt sind. Somit wurde auf eine Anbringung von taktilen Buchstaben, welche die Haltestellenbezeichnung und die Richtung wiedergeben, verzichtet. Da die Brailleschrift automatisiert auf die Folien aufgebracht wird, ist eine individuelle Fertigung pro Folie möglich, so dass alle o. g. Informationen in Groß- und Brailleschrift vorliegen. Die Brailleschrift entspricht dabei dem gängigen Standard (6-Punkt-Brailleschrift, Vollschrift). Die taktile Schrift ist in Großschrift mit einer Buchstabengröße von 10 mm ausgeführt. Dabei wurde der Buchstabenabstand so gewählt, dass die einzeln stehenden Buchstaben separiert von einander ertastbar sind. Da der Einsatz der sogenannten Pyramidenschrift jedoch nicht möglich ist, muss zunächst in einer Erprobungsphase die Ertastbarkeit der taktilen Schrift nachgewiesen werden. Die Schwarzschrift ist mit einer Buchstabengröße von 0,9 mm und kontrastreich (Schwarz auf Weiß) ausgeführt, diese gewährleistet somit bei geringem Leseabstand auch für sehbehinderte Fahrgäste eine gute Erkennbarkeit.

36 27 III. Bestandsaufnahme der Haltestellen entlang der RVG-Buslinie 850 Im Rahmen eines Ortstermins zur Begutachtung des Haltestellenzustandes entlang der RVG-Buslinie 850 am wurden gemeinsam mit den Arbeitsgruppenmitgliedern (vgl. Anhang 11) die baulichen Zustände an den Haltestellen der RVG-Buslinie 850 sowie angrenzender Bereiche mit dem Ziel analysiert, den Bedarf bzw. die Möglichkeiten eines barrierefreien Haltestellenausbaus (vgl. hierzu auch Kapitel e) zu ermitteln. So konnte eine Übersicht des Haltestellenzustandes entlang der RVG-Buslinie 850 abgeleitet werden, die entsprechend in den NVP integriert werden sollte (vgl. Tabelle 6 unter Punkt c). Aus der Bestandsaufnahme heraus können zudem die Bestandsbewertung und der Maßnahmenplan abgeleitet werden. c. Aufbereitung modellhafter Ergänzungen für die barrierefreie Gestaltung des StPNV im Nahverkehrsplan für den Landkreis Gotha am Beispiel der RVG-Buslinie 850 I. Vorbemerkung Ursprünglich war im Projekt BeGiN geplant, aus der AG barrierefreie RVG-Buslinie 850 (vgl. Anhang 11) heraus eine spezielle AG mit dem zuständigen Bearbeiter des NVP für den Landkreis Gotha im Landratsamt Gotha sowie der RVG zu implementieren und gemeinsam barrierefreie Qualitätsstandards und Maßnahmen für die Fortschreibung des NVP für den Landkreis Gotha am Beispiel der Modellregion zu entwickeln 72. Bedauerlicherweise wurde im Verlauf des Forschungsprojektes, nämlich kurz nach Übergabe der Empfehlungen zur Optimierung des aktuell gültigen Nahverkehrsplans für den Landkreis Gotha im Hinblick auf die Barrierefreiheit (vgl. Anhang 4), die Bereitschaft zur Kooperation von Seiten des Landratsamtes Gotha u. a. aufgrund inhaltlich andersartig ausgerichteter Schwerpunkte im Landkreis (Stichwort Finanzierung/Mittelkürzung) beendet 73. Da zudem bereits zu Anfang des Projektes die Behindertenbeauftragte des Landkreises Gotha, die ihre Kooperationsbereitschaft ausdrücklich und schriftlich zugesichert hatte, im Zuge der Einführung des sog. Arbeitslosengeld II von dieser Aufgabe entbunden wurde und daraufhin die Leiterin des Jugendamtes Gotha die Arbeit der Behindertenbeauftragten zugeteilt bekam und gleich zu Beginn ihrer Amtszeit gegenüber BeGiN erklärte, dass Sie grundsätzlich keine zeitlichen Ressourcen zur Ausübung dieses Amtes zur Verfügung hätte 74, ist auch diese direkte Einflussmöglichkeit auf die NVP-Aufstellung (vgl. Kapitel 1.1) weggebrochen. Daraufhin wurde beschlossen, sich zum einen auf die Implementierung von Standards in den Schienennahverkehrsplan (SNVP) des Freistaates Thüringen (vgl. Kapitel und Kapitel 2.3) und zum anderen auf den NVP für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen (vgl. Kapitel 1.3.2) zu konzentrieren. 72 vgl. Institut Verkehr und Raum 2004, S.6 73 Anm.: Indes ist dies ausdrücklich nicht auf Wunsch des bisher an der AG beteiligten Mitarbeiters geschehen, sondern auf Betreiben seines Vorgesetzten. Hierbei herrschte die Meinung vor, dass der NVP immer noch in Gotha geschrieben werde und nicht in Erfurt. 74 Dieser Sachverhalt unterstreicht auch die unter dem Punkt Anhörungsverfahren in Kapitel 3.3 festgestellte Problematik fehlender zeitlicher Budgets mancher Behindertenbeauftragten.

37 28 Dessen ungeachtet wurde das Prinzip einer modellhaften Ergänzung der barrierefreien Gestaltung des StPNV im NVP für den Landkreis Gotha am Beispiel der Modellregion und der RVG-Buslinie 850 entwickelt, obwohl die Integration dieser Ergänzungen in den neuen NVP vor dem o. g. Hintergrund eher nicht zu erwarten ist. Um den Arbeitsaufwand hierfür aber begrenzt zu halten, wurde auf eine detaillierte Ausarbeitung verzichtet, zum Teil auch angesichts eines mangelnden Zugriffes auf benötigte Daten. Hingegen wurde über die eigentliche Projektaufgabe hinaus zusätzlich die Fortschreibung des NVP der Universitäts- und Hansestadt Greifswald begutachtet, kommentiert und Ergänzungsvorschläge ausgearbeitet (vgl. Anhang 5), auch um zu prüfen, ob sich die Herangehensweise zur Aufstellung von Nahverkehrsplänen in Bezug zur Barrierefreiheit außerhalb Thüringens gleichartig darstellt. II. Ergänzung der Barrierefreiheit im Nahverkehrsplan in Bezug zur Modellregion Die im Folgenden aufgeführten Ergänzungen beziehen sich auf die Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle des InnoRegio-Forschungsverbundes, folgen dem Schema aus Tabelle 2 in Kapitel c und müssten in die entsprechenden Kapitel des NVP für den Landkreis Gotha eingeordnet (vgl. auch Anhang 4) sowie ggf. neu gegliedert werden. (1) Bestandsaufnahme In der Bestandsanalyse sind u. a. die Kundenstruktur, das Verkehrsaufkommen sowie die Verkehrsinfrastruktur zu erfassen. Kundenstruktur In Tabelle 4 sind Basisdaten und ausgewählte Indikatoren zum Bevölkerungspotenzial für die Stadt Ohrdruf im Vergleich zum Landkreis Gotha und zum Freistaat Thüringen dargestellt. Tabelle 4: Bevölkerungsindikatoren Stadt Ohrdruf - Landkreis Gotha - Thüringen für Basisdaten Ohrdruf LK Gotha Thüringen Bevölkerung Fläche Einwohnerdichte 1,6 1,6 1,5 Beschäftigte 1. Sektor in % 0,12 3,02 2,86 Beschäftigte 2. Sektor in % 60,02 36,6 33,8 Beschäftigte 3. Sektor in % 39,86 59,01 62,02 75 Bertelsmann Stiftung 2006, S.3f.

38 29 Basisdaten Ohrdruf LK Gotha Thüringen Bevölkerung (%) -0,7-2,3-4,7 Fertilitätsindex (%) -10,3-4,7-10,7 Ausländeranteil (%) 3,1 1,6 2 Familienwanderung (pro Ew.) 6,2-0,6-4 Bildungswanderung (pro Ew.) -19,1-28,9-18,5 Durchschnittsalter 2003 (Jahre) 42,8 43,2 43,2 Anteil unter 18-Jährige 2003 (%) 15,8 15,5 15,2 Anteil 60- bis 79-Jährige 2003 (%) 23,1 22,4 22,3 Anteil ab 80-Jährige 2003 (%) 3,3 3,8 4 Verkehrsaufkommen Die RVG fährt mit 10 Buslinien (Linien ; ; ; ) insgesamt 52 Haltestellen des StPNV in der Modellregion an 76 (vgl. Abbildung 5). Abbildung 5: von der RVG bediente Nahverkehrshaltestellen in der Modellregion Gather / Rebstock 2003, S.25ff. 77 verändert nach: Gather / Rebstock 2003, Anhang, Karte 21

39 30 Darüber hinaus wird die Modellregion von zwei Bahnlinien durchfahren. Die Bahnstrecke Gotha-Gräfenroda (KBS 572, vgl. Kapitel 5.6) durchquert die Region im Nordosten, die Bahnstrecke Erfurt-Grimmenthal (KBS 570) tangiert das Projektgebiet im Süden 78. Die Bahnhöfe Ohrdruf und Georgenthal fungieren als Verknüpfungshaltestellen zwischen Bahn und Bus, die Haltestellen Georgenthal Ort und Ohrdruf Kirche als Verknüpfungshaltestellen des StPNV 79. Die RVG-Buslinie 850 Tambach-Dietharz Georgenthal verkehrt von Montag bis Freitag zwischen 5 und 21 Uhr. Während der Hauptverkehrszeit besteht ein 1-Stunden-Takt. Für die rund 8 km lange Strecke wird derzeit eine Fahrzeit von 15 min bei einer Beförderungsgeschwindigkeit von ca. 32 km/h benötigt 80. Tabelle 5 zeigt die Anzahl der Fahrten auf der Linie 850. Demnach fahren an Werktagen 13 Busse in Richtung Tambach-Dietharz und 15 Busse in Richtung Georgenthal, an Samstagen sowie Sonn- und Feiertags verkehren 11 Busse je Richtung. Tabelle 5: Anzahl Fahrten auf der RVG-Linie 850 Georgenthal Tambach-Dietharz 81 Mo - Fr Sa So und Feiertag Anzahl Richtung Tambach-Dietharz Anzahl Richtung Georgenthal Die Abfahrtszeiten am Bhf. Georgenthal (Mo-Fr) stellen sich wie folgt dar: 08:25 09:05 15:05 im 1-Stunden-Takt 16:25; 17:20 18:05-20:05 im 1-Stunden-Takt An der Haltestelle Tambach-Tammichgrund fahren die Busse zu folgenden Zeiten ab (Mo- Fr): 5:10; 8:00; 8:40 9:35 15:35 im 1-Stunden-Takt 16:40 17:35 19:35 im 1-Stunden-Takt 20:30 78 Gather / Rebstock 2003, S Landratsamt Gotha 2002, S Gather / Rebstock 2003, S25 81 Datengrundlage: RVG 2006a

40 31 Verkehrsinfrastruktur Tabelle 6 zeigt eine Übersicht der Haltestellen und deren jeweilige Ausstattung entlang der RVG-Buslinie 850 und angrenzender Bereiche. Als Indikatoren der Haltestellenqualität werden Wetterschutz, Stele, Sitzbank, Abfallbehälter sowie das Material des Oberflächenbelages und die Bordhöhe erfasst. Tabelle 6: Bestandsaufnahme der Haltestellen entlang der RVG-Buslinie Tambach-Dietharz Haltestelle Bordhöhe Belag Ausstattung* WS S SB AB Tammichgrund 0 cm Granit X X X X Hauptstraße, Rtg. Schmalkalden 13,5 cm Granit X Hauptstraße, Rtg. Georgenthal 13 cm Granit X X X X Bahnhofstr., Rtg. Schmalkalden 12 cm Granit X X X X Bahnhofstr., Rtg. Georgenthal 12 cm Granit X X X X Georgenthal Lohmühle, Rtg. Tambach-Dietharz 12 cm Betonstein X X X Lohmühle, Rtg. Georgenthal 12 cm Betonstein X X X Rodebachsmühle, Rtg. Tambach-Dietharz 0 cm unbefestigt X Rodebachsmühle, Rtg. Georgenthal 12,5 cm Betonstein X Ort, Rtg. Tambach-Dietharz 10 cm Betonstein X X X X Ort, Rtg. Gotha 10 cm Betonstein X X X X Grundschule, Rtg. Tambach-Dietharz 13 cm Betonstein X X Grundschule, Rtg. Gotha 13 cm Betonstein X Regelschule, Schulseite 12 cm Betonstein X Bahnhofstraße, Rtg. Tambach-Dietharz 9 cm Betonstein X X X Bahnhofstraße, Rtg. Gotha 10 cm Betonstein X X Bahnhof 0 cm Bitumen X X Herrenhof, Rtg. Georgenthal 6 cm Betonstein X X Herrenhof, Rtg. Gotha 6 cm Betonstein X X 82 zzgl. angrenzender Bereiche. Datengrundlage: Münch 2006b

41 32 Haltestelle Bordhöhe Belag WS S SB AB Hohenkirchen, Rtg. Georgenthal 11 cm Betonstein X X X X Hohenkirchen, Rtg. Gotha 11 cm Betonstein X X X X Hohenkirchen B 247, Rtg. Gotha 10 cm Bitumen X Hohenkirchen B 247, Rtg. Ohrdruf 10 cm Bitumen X X X X Ohrdruf Steinstraße, Rtg. Westfalenstraße 14 cm Betonstein X Steinstraße, Rtg. Hamburger Straße 12 cm Betonstein X X Hamburger Straße Rtg. Ringstraße 12 cm Betonstein X X Hamburger Straße Rtg. Steinstraße 12 cm Betonstein X Am Gehrengraben 12 cm Betonstein X X Westfalenstraße 12 cm Betonstein X X Bahnhof, Rtg. B88 0 cm unbefestigt X X Bahnhof, Rtg. Herrenhof 0 cm unbefestigt X Bahnhofstraße 12 cm Betonstein X X X X Weststraße 4 cm Betonstein X X Schauderstraße 15,5 cm Granit X X X X Kirche I 4 cm Granit X X X X Kirche II 4 cm Bitumen X X X Wölfiser Straße 0 cm unbefestigt X X X X Seniorenheim 8 cm Betonstein X X X Gartenstadt 13 cm Betonstein X X X Hauptwache 14 cm Betonstein X X X Feuerwache 8 cm Betonstein X X *WS: Wetterschutz / S: Stele / SB: Sitzbank / AB: Abfallbehälter Auf der RVG-Buslinie 850 verkehren Niederflurstadt- bzw. -regionalbusse mit fahrzeuggebundener Einstiegshilfe (manuell bedienbare Klapprampe) und Absenkeinrichtung (Kneeling). Dadurch ergibt sich eine Reststufenhöhe zwischen Straßenniveau und Busfußboden von ungefähr 260 mm 83. Darüber hinaus verfügen die Fahrzeuge über Anlagen zur akustischen Haltestellenansage und die Innenausstattung ist kontrastreich gestaltet. 83 vgl. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen 2003, S.140

42 33 (2) Bestandsbewertung In der Bestandsbewertung werden die in der Bestandsanalyse aufgeführten Inhalte zu Kundenstruktur, Verkehrsaufkommen sowie Verkehrsinfrastruktur interpretiert. Bestandsbewertung Kundenstruktur In Tabelle 4 ist u. a. die Bedeutung des sekundären Beschäftigungssektors für Ohrdruf deutlich zu erkennen, der mit 60 % Anteil gegenüber dem Landkreis und dem Freistaat (beide 35 %) signifikant höher ist. Ebenso sank die Bevölkerung in Ohrdruf zwischen 1996 und 2003 mit 0,7 % relativ moderat im Vergleich zum Landkreis mit 2,3 %, wobei dieser wiederum besser abschneidet als das Land mit einem Rückgang von 4,7 %. Daneben ist der Ausländeranteil mit 3,1 % höher als die Anteile im Landkreis (1,6 %) und im Land (2 %). Darüber hinaus weist der positive Wert der Familienwanderung von 6,2 gegenüber den negativen Werten für den Landkreis von -0,6 und für das Land von -4 eindeutig auf eine vergleichsweise hohe Attraktivität der Stadt Ohrdruf für Familien hin. Der Anteil der ÖPNVaffinen Bevölkerungsgruppen (< 18 J. / J. / 80 J.) beträgt sowohl in der Stadt Ohrdruf als auch im Landkreis 42 %. Bestandsbewertung Verkehrsaufkommen Derzeit wird in der Modellregion nur die Linie 850 Georgenthal Tambach-Dietharz teilweise im Taktverkehr befahren, der Großteil der Linien dient dem Schülerverkehr und wird entsprechend lediglich bedarfgerecht bedient. Die letztgenannten Linien sind in ihrer gegenwärtigen Form für eine aktive Vermarktung im Tourismus nicht geeignet. Eine Ausnahme bildet die Buslinie 860 Gotha-Ohrdruf-Luisenthal-Oberhof, welche zwar nicht im Taktverkehr, aber regelmäßig befahren wird 84. In Bezug zur Buslinie 850 Georgenthal Tambach-Dietharz ist negativ zu beurteilen, dass der Takt in Richtung Tambach-Dietharz von Mo-Fr zwischen 16:00 und 18:00 Uhr nicht eingehalten wird, und dass samstags sowie Sonn- und Feiertags neben einer Angebotslücke um 13:05, der letzte tägliche Kurs nach Tambach bereits um 18:05 verkehrt. Später ist die Verknüpfung mit dem SPNV nicht mehr gewährleistet. Darüber hinaus sind die Abfahrtszeiten zwischen Tambach und Georgenthal von Mo-Fr weniger klar vertaktet als an Wochenenden. Von Tambach in Richtung Georgenthal setzt der Takt Mo-Fr erst um 9:35 ein und reißt beim letzten Kurs des Tages wieder ab 85. Bestandsbewertung Verkehrsinfrastruktur Aus der Bestandsaufnahme der Verkehrsinfrastruktur heraus wurde die in Tabelle 7 dargestellte Bestandsbewertung der Haltestellen entlang der RVG-Buslinie 850 abgeleitet. Berücksichtigt wurden die Einstiegsstufenhöhe zwischen Haltestellenplattform und Fahrzeugfußboden, der bauliche Gesamtzustand sowie weitere Besonderheiten. 84 Gather / Rebstock 2003, S vgl. Gather / Rebstock 2003, S.27

43 34 Tabelle 7: Bestandsbewertung der Haltestellen entlang der RVG-Buslinie Haltestelle Tambach-Dietharz Einstiegsstufe baulicher Zustand Bemerkungen Tammichgrund 26 cm gut Neubau 06 nicht barrierefrei Hauptstraße, Rtg. Schmalkalden 13,5 cm gut Stele im Einstiegsbereich Hauptstraße, Rtg. Georgenthal 13 cm gut Bahnhofstr., Rtg. Georgenthal 14 cm gut Seitenscheibe am WS fehlt Bahnhofstr., Rtg. Schmalkalden 14 cm gut Georgenthal Lohmühle, Rtg. Tambach-Dietharz 14 cm gut schmaler Gehweg Lohmühle, Rtg. Georgenthal 14 cm mittel fehlende Querungsstelle Rodebachsmühle, Rtg. Georgenthal 13,5 cm schlecht Neubau notwendig Rodebachsmühle, Rtg. Tambach-D. 26 cm schlecht Aufwertung Gesamtareal Ort, Rtg. Tambach-Dietharz 16 cm gut Wetterschutz nicht barrierefrei; fehlende Querungsstelle Ort, Rtg. Gotha 16 cm gut Fahrplanaushang zu hoch Grundschule, Rtg. Herrenhof 13 cm mittel Platten z. T. gebrochen Grundschule, Rtg. Georgenthal Ort 13 cm mittel Platten z. T. gebrochen Bahnhofstraße, Rtg. Hohenkirchen 16 cm gut Bahnhofstraße, Rtg. Georgent. Ort 17 cm gut Erhalt abhängig vom Fortbestand KBS 572 Erhalt abhängig vom Fortbestand KBS 572 Bahnhof 26 cm schlecht Erhalt abhängig vom Fortbestand KBS 572 Herrenhof, Rtg. Hohenkirchen 20 cm schlecht evtl. Verlegung notwendig Herrenhof, Rtg. Georgenthal 20 cm schlecht evtl. Verlegung notwendig Hohenkirchen, Rtg. Georgenthal 15 cm gut Hohenkirchen, Rtg. Gotha 15 cm gut Bus-Aufstelllänge nur 12 m Ohrdruf Steinstraße, Rtg. Westfalenstraße 12 cm mittel Steinstraße, Rtg. Hamburger Straße 14 cm schlecht Hamburger Straße Rtg. Ringstraße 14 cm schlecht Hamburger Straße Rtg. Steinstraße 14 cm mittel Aufstellfläche zu klein; fehlende Bordabsenkung Aufstellfläche zu klein; fehlende Bordabsenkung 86 Datengrundlage: Gather / Rebstock 2004, S.30 und Münch 2006b

44 35 Haltestelle Einstiegsstufe baulicher Zustand Am Gehrengraben 14 cm mittel Westfalenstraße 14 cm mittel Bahnhof, Rtg. B88 26 cm schlecht Bemerkungen Haltestellenfremdnutzung als Parkplatz Erhalt abhängig vom Fortbestand KBS 572 Bahnhof, Rtg. Herrenhof 26 cm schlecht Erhalt abhängig vom Fortbestand KBS 572 Bahnhofstraße 14 cm gut Stele im Bereich Tür 2 Weststraße 22 cm gut Schauderstraße 10,5 cm gut Kirche 22 cm schlecht Wölfiser Straße 26 cm schlecht Wetterschutz steht im Einstiegsbereich Erhalt abhängig vom Fortbestand KBS 572 Seniorenheim 18 cm schlecht Aufstellfläche zu klein; fehlende Bordabsenkung Gartenstadt 13 cm schlecht Radweg vor Wartefläche Hauptwache 12 cm mittel Radweg vor Wartefläche Feuerwache 18 cm schlecht schmaler Gehweg Positv ist, dass die RVG-Buslinie 850 bereits durch Niederflurbusse mit fahrzeuggebundener Einstiegshilfe (Klapprampe) und Absenkeinrichtung sowie kontrastreich gestalteter Innenausstattung und akustischer Haltestellenansage bedient wird. Allerdings verfügt bisher keine Haltestelle über Bodenindikatoren zur Kennzeichnung des Haltestellenstandortes und des Fahrzeugeinstieges. Ebenso ist noch keine Haltestellenplattform an die Fahrzeugbodenhöhe der Niederflurbusse angepasst. An der Haltestelle Georgenthal Ort werden allerdings momentan im Zuge des barrierefreien Umbaus taktile und optisch kontrastreiche Bodenelemente sowie Hochborde installiert. Die Wetterschutzeinrichtungen sind mit einer Ausnahme (Georgenthal Ort, vgl. Abbildung 30 in Kapitel e) stufenlos zugänglich (sofern vorhanden). Die Kontrastgestaltung der Haltestellen ist teilweise nicht ausreichend. Dynamische optische oder akustische Fahrgastinformationssysteme an den Haltestellen existieren noch nicht, außerdem gibt es in den Bussen keine optischen Anzeigen. In Bezug zur Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle sind die infrastrukturellen Voraussetzungen derzeit für Menschen mit Behinderungen noch unzureichend, um lückenlose barrierefreie Mobilitätsketten nutzen zu können 87. Barrierefreie Mobilitätsketten sind aber unabdingbar, um die Erreichbarkeit potentieller Reiseziele für alle Kunden ohne besondere Erschwernis sicherzustellen vgl. Gather / Rebstock 2003, S vgl. Verband Öffentlicher Verkehrsbetriebe 2003, S.13

45 36 (3) Prognose des künftig zu erwartenden Verkehrsaufkommens In Tabelle 8 sind ausgewählte Indikatorendaten zurdemographischen Entwicklung für die Stadt Ohrdruf sowie für den Landkreis Gotha und den Freistaat Thüringen mit einem Zeithorizont bis ins Jahr 2020 dargestellt. Im Vergleich zur heutigen Situation (vgl. Tabelle 4) zeigt sich z. B., dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung zwischen 2003 und 2020 sowohl im Freistaat als auch im Landkreis und in der Stadt Ohrdruf um 6 Jahre ansteigen wird. Tabelle 8: Bevölkerungsindikatoren Stadt Ohrdruf - Landkreis Gotha - Thüringen für Demographische Entwicklung Ohrdruf LK Gotha Thüringen Bevölkerung (%) 2-5,9-8,2 Durchschnittsalter 2020 (Jahre) 48,6 48,7 48,3 Anteil unter 18-Jährige 2020 (%) 13,6 13,8 13,7 Anteil 60- bis 79-Jährige 2020 (%) 26 27,2 26,7 Anteil ab 80-Jährige 2020 (%) 9,4 8,9 8,9 Besonders herauszustellen ist, dass die Stadt Ohrdruf entgegen dem Trend für den Landkreis und für Thüringen, für die zwischen 2003 und 2020 eine Bevölkerungsabnahme von knapp 6 % bzw. rund 8 % vorausgesagt werden, einen Bevölkerungszuwachs von 2 % zu erwarten hat (vgl. Tabelle 8 und Abbildung 6). Abbildung 6: prognostizierte Bevölkerungsentwicklung in % Bertelsmann Stiftung 2006, S.4 90 ebenda S.6

46 37 In Bezug zur Entwicklung der Altersstruktur, die u. a. zur Beurteilung des künftigen Fahrgastpotentials im ÖPNV relevant ist, ist auch in Ohrdruf davon auszugehen, dass sich der Anteil der unter 18-Jährigen von 2003 mit knapp 16 % bis 2020 auf etwa 13,5 % verringern wird. Der Anteil der 60- bis 79-Jährigen steigt dementsprechend von rund 23 % auf 26% und der Anteil der über 80-Jährigen von rund 3 % auf knapp 9,5 %. Folglich wird sich der Anteil der über 80-Jährigen in Ohrdruf zwischen 2003 und 2020 quasi verdreifachen, im Gegensatz zum Landkreis und Land, die mit einer Verdoppelung zu rechnen haben (vgl. Abbildung 7). Abbildung 7: Altersstrukturentwicklung in % 91 Unter Beachtung, dass langfristig zwar die Schülerzahlen sinken, durch Zentralisierung von Schulstandorten aber auch die Fahrweiten der Schüler tendenziell zunehmen werden 92 und der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung deutlich steigen wird, ist davon auszugehen, dass insbesondere die Stadt Ohrdruf durch ihre anhaltende Bevölkerungszunahme im Planungszeitraum keine gravierenden Einbrüche der Fahrgastpotentiale zu erwarten hat. Allerdings wird es in den nächsten Jahren mehr denn je von Bedeutung sein, neue Kundengruppen für den ÖPNV insbesondere in den wachsenden Altersgruppen über 60 zu erschließen, da sich die traditionellen Zwangskundengruppen verkleinern werden. Vorbedingung für eine zielgruppengerechte Ansprache ist hierbei u. a. eine hohe Qualität des Angebotes, d. h. das ÖPNV-System muss einfach, sicher und komfortabel handhabbar sowie barrierefrei zugänglich und nutzbar sein. (4) Zielkonzept / Qualitätsstandards Im Zielkonzept sind u. a. die grundsätzlichen Ziele sowie die Qualitätsstandards für Haltestellen und Fahrzeuge zusammengestellt. 91 Bertelsmann Stiftung 2006, S.7 92 Hamann 2006, S.1

47 38 grundsätzliche Ziele Die Belange von Menschen mit Behinderungen sind gemäß den aus dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) und dem Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen (ThürGIG) abgeleiteten gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Der Abbau von Zugangsbarrieren zum ÖPNV- System ist für mobilitätseingeschränkte Menschen oftmals eine entscheidende Voraussetzung zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft und trägt darüber hinaus zur Attraktivitätssteigerung des gesamten ÖPNV bei. Barrierefreiheit ist hierbei ein unverzichtbares Qualitätsmerkmal, da dadurch die Nutzung insgesamt erleichtert (z. B. leichterer Einstieg oder bessere Beschilderung / Beschallung) und der ÖPNV für die Gesamtheit seiner Nutzer komfortabler wird. Qualitätsstandards für Haltestellengestaltung Die folgenden Qualitätsziele für barrierefreie Bushaltestellen sind im Landkreis Gotha und insbesondere in der Modellregion zu berücksichtigen 93 : Erleichterung der Fortbewegung zu und an den Bushaltestellen, d. h. Wetterschutzeinrichtungen und Bussteige müssen stufenlos zugänglich und die Bordsteine an den Hauptzu- und -abgangswegen auf 3 cm abgesenkt sein. Zudem sind ebene, rutschfeste und griffige Oberflächenbeläge zu verwenden. Gewährleistung hoher objektiver Sicherheit sowie eines hohen subjektiven Sicherheitsempfindens, d. h. die Ausleuchtung muss an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein und Bodenindikatoren müssen von Möblierungen und Auslagen freigehalten werden. Ferner sind alle Hindernisse kontrastreich zu kennzeichnen sowie alle Einbauten und sonstigen Hindernisse mit Sockel auszurüsten, wenn deren Abstand vom Boden > 15 cm beträgt. Bereitstellung von Service- und Informationseinrichtungen für alle Kunden, d. h. Haltestellen müssen durch ein großflächiges Erkennungszeichen (Vorschriftzeichen Nr. Z 224 gemäß Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)) weithin sichtbar und der Haltestellennamen gut lesbar (Großschrift) sein. Standardmäßig sollte das Schild an der Wetterschutzeinrichtung positioniert werden, alternativ dazu kann eine Haltestellenstele installiert werden. Fahrpläne sollten einheitlich gestaltet (kontrastreiche Großschrift) und angeordnet werden. Hierbei ist zu beachten, dass Fahrpläne in mittlerer Sichthöhe (1,30 m 1,40 m; Oberkante 1,60 m) unter Berücksichtigung einer Mindestbewegungsfläche vor dem Aushang von 1,50 m x 1,50 m ausgehangen werden. Die Ausleuchtung der Fahrpläne muss an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein. Die Wartefläche für Fahrgäste ist stufenlos zugänglich sowie mit einer ausreichend bemessenen Bewegungsfläche und Kopffreiraumhöhe ( 2,30 m) zu gestalten. Bei Bedarf und in Abhängigkeit der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten sind Sitzmöglichkeiten mit Überdachung einzurichten. Ferner ist eine Informationstafel mit Brailleschrift sowie ertastbarer und farblich kontrastreicher 93 vgl. Anhang 12

48 39 Schwarzschrift mit Informationen zur telefonischen Fahrplanauskunft anzubringen (vgl. Punkt II in Kapitel b). Gewährleistung eines sicheren, schnellen und bequemen Fahrgastwechsels, d. h. es sollten bevorzugt Buskaphaltestellen oder Haltestellen am Fahrbahnrand angelegt werden. Um weitgehende Niveaugleichheit sicherzustellen, sind Rollmaterial und Bussteighöhen aufeinander abzustimmen, demgemäß sind für den Einsatz von Niederflurfahrzeugen Bussteighöhen zwischen 18 cm und 24 cm über Straßenniveau notwendig. Zudem ist ein spaltloser Zugang zum Rollmaterial zu gewährleisten (fahrzeuggebundene Einstiegshilfen). Die Einstiegszone an der 1. Fahrzeugtür ist mittels Bodenindikatoren zu markieren (90 cm breites Aufmerksamkeitsfeld gegebenenfalls mit beidseitig angelegten, 30 cm breiten, kontrastreichen Begleitstreifen über die gesamte Gehwegbreite; Ausrichtung der Rippenstruktur des Bodenindikators parallel zur Fahrbahn; Rippenabstand mindestens 20 mm) und die Bussteigkante optisch kontrastreich zu gestalten, um das Gefährdungspotential am Bussteig zu reduzieren. Der Verkehrsweg am Bussteig muss einbau- und hindernisfrei sowie mindestens 1,50 m breit sein. Darüber hinaus ist eine mindestens 1,50 m x 1,50 m große Bewegungsfläche vor der ausgefahrenen Rampe an der zweiten Fahrzeugtür zu berücksichtigen. Neben den allgemein anerkannten Regeln der Technik zum barrierefreien Bauen sind die Musterzeichnungen der Haltestellenformen Haltstellenkap mit Wetterschutzeinrichtung (vgl. Abbildung 28 in Kapitel b) und Haltestelle am Fahrbahnrand mit Info-Stele (vgl. Abbildung 8) bei künftigen Haltestellenneu- und -umbauplanungen zu berücksichtigen. Qualitätsstandards für Fahrzeuge Die folgenden Qualitätsziele für barrierefreie Stadt- und Regionalbusse sind im Landkreis Gotha und insbesondere in der Modellregion zu berücksichtigen 94 : Gewährleistung eines sicheren, schnellen und bequemen Fahrgastwechsels, d. h. dass das Rollmaterial und die Bussteighöhen aufeinander abzustimmen sind, um weitgehende Niveaugleichheit zwischen Bussteig und Fahrzeugfußboden sicherzustellen. Hierzu sind bei erhöhten Haltestellenborden (im Regelfall 18 cm über Straßenniveau) Fahrzeuge mit Niederflurtechnik und Kneelingfunktion einzusetzen sowie Außenschwenktüren zu vermeiden. Zudem ist ein spaltloser Zugang zum Rollmaterial durch fahrzeuggebundene Einstiegshilfen (meist Rampe elektronisch oder manuell bedienbar) zu gewährleisten. Um die Fahrzeugaußentüren sicher, schnell und bequem finden, öffnen und nutzen zu können, sind einerseits ertastbare sowie großflächig und kontrastreich gestaltete Bedienelemente mit optischer und akustischer Rückmeldefunktion in einer Anordnungshöhe von 85 cm (gemessen von der Standard-Stadtbushaltestellenhöhe) anzubringen und die Einstiegstüren eindeutig optisch zu kennzeichnen. Andererseits ist auf ausreichende Türbreiten und höhen, auf eine ausreichende Öffnungszeit der Türen sowie auf Festhaltemöglichkeiten im seitlichen Türbereich zu achten. 94 vgl. Abbildung 15 in Kapitel 1.3.2

49 40 Abbildung 8: Darstellung einer ideal ausgebauten barrierefreien Bushaltestelle Haltestelle am Fahrbahnrand mit Info-Stele

50 41 Gewährleistung einer sicheren, schnellen und bequemen Fortbewegung innerhalb des Fahrzeuges, d. h. dass der Innenraum möglichst stufenlos sowie optisch kontrastreich gestaltet sein muss. Zudem müssen alle Gefahrenbereiche optisch kontrastreich markiert sein. Ferner sind ebene, rutschfeste und griffige Fußbodenbeläge zu verwenden. Darüber hinaus sind möglichst lückenlose Ketten von Festhaltemöglichkeiten, eine helle, gleichmäßige und blendfreie Beleuchtung innerhalb des gesamten Fahrzeuges sowie eine stufenlose Verbindung zwischen barrierefreier Einstiegstüre und Mehrzweckraum mit Rollstuhlstellplatz sicherzustellen. Gewährleistung hoher Beförderungsqualität, d. h. dass ausreichend dimensionierte Multifunktionsabteile (Mehrzweckraum) mit aufklappbaren Sitzflächen sowie türnahe Sitzplätze für Menschen mit Behinderungen möglichst an jedem Eingang angeboten werden. Zudem sind Fahrerschulungen zu organisieren, um eine angenehme, ruhige Fahrweise sicherzustellen sowie ruckartige Anfahr- und Bremsvorgänge zu vermeiden. Daneben ist darauf zu achten, dass Busse erst nachdem alle Fahrgäste sitzen bzw. einen sicheren Stehplatz eingenommen haben in Bewegung gesetzt werden. Darüber hinaus muss möglichst exakt an den markierten Einstiegspositionen gehalten und so nah wie möglich an die Bussteigkante (Reduzierung des waagerechten Restspaltes) angefahren werden. Bereitstellung von Service- und Informationseinrichtungen für alle Kunden, d. h. dass Netz- bzw. Linienverlaufsinformationen im Fahrzeug einheitlich gestaltet (kontrastreiche Großschrift) und angeordnet werden sollten. Hierbei ist zu beachten, dass die Informationen einfach und selbsterklärend dargestellt sowie in mittlerer Sichthöhe (1,30 m 1,40 m; Oberkante 1,60 m) unter Berücksichtigung einer Mindestbewegungsfläche vor dem Aushang von 1,50 m x 1,50 m ausgehangen werden. Die Beleuchtung der Netz- und / oder Linienpläne sollte an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein. Aufbereitung von aktuellen und / oder außerordentlichen Informationen unter Berücksichtigung des Mehr-Sinne-Prinzips, d. h. dass Informationen einerseits akustisch deutlich verständlich sowie außerordentliche Betriebslagen, Verspätungen, Störungen und Verhaltensanweisungen zeitnah übermittelt werden müssen. Zudem sind vor dem nächsten Haltepunkt grundsätzlich der Name des Haltepunktes sowie gegebenenfalls die Umsteigemöglichkeiten und auftretende Störungen (z. B. Verspätungen, Baumaßnahmen) durchzusagen. Andererseits sind Informationen auch optisch kontrastreich und großflächig aufzubereiten. Statische und / oder dynamische Buslaufanzeigen an der Fahrzeugaußenseite müssen grundsätzlich das Fahrziel sowie optional die wichtigen Zwischenhalte anzeigen. Die optische Fahrzielanzeige im Innenraum muss vor dem nächsten Haltepunkt den Name des Haltepunktes anzeigen. In Abhängigkeit der technischen Möglichkeiten sollte darüber hinaus ein starkes optisches Signal ( Flash ) vor außerordentlichen Anzeigen, Verspätungen, Störungen und Verhaltensanweisungen erscheinen. (5) Sicherung, Entwicklung und Verbesserung des ÖPNV Unter dem Punkt Sicherung, Entwicklung und Verbesserung des ÖPNV sind die Bilanz zum 1. NVP sowie Konzepte und Maßnahmen für einen barrierefreien ÖPNV darzustellen.

51 42 Bilanz zum 1. NVP Insgesamt ist festzustellen, dass der NVP für den Landkreis Gotha erhebliche Unzulänglichkeiten u. a. in Bezug zur Barrierefreiheit aufweist (vgl. Kapitel a). Bisher wurde dieses Thema nur am Rand und im Wesentlichen auf Berollbarkeit beschränkt behandelt. Auch wurden weder konkrete Qualitätsziele der Barrierefreiheit integriert noch überprüfbare barrierefreie Maßnahmen ausgewiesen. Dennoch hat sich das barrierefreie Angebot in der Modellregion in den letzten Jahren verbessert, indem Niederflurbusse beschafft und erste infrastrukturelle Maßnahmen (Haltestelle Georgenthal Ort) umgesetzt wurden. Konzepte und Maßnahmen für einen barrierefreien ÖPNV Im Rahmen des InnoRegio-Forschungsverbundes 95 ist geplant, eine Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle zu entwickeln. Die rund 250 km² große Modellregion Talsperrenregion am Rennsteig ist Teil des Naturparks Thüringer Wald. Ein Großteil der Kommunen in der Modellregion gehört zum Landkreis Gotha, namentlich die Gemeinden Crawinkel, Gräfenhain, Georgenthal, Herrenhof, Hohenkirchen, Luisenthal und Wölfis sowie die Städte Ohrdruf und Tambach-Dietharz. Einzig die Stadt Oberhof befindet sich auf dem Gebiet des Landkreises Schmalkalden-Meiningen 96. Da die verkehrsträgerübergreifende barrierefreie Erschließung der Modellregion unabdingbar ist, um als Tourismusregion im barrierefreien Tourismus erfolgreich agieren zu können 97, wurde ein barrierefreies ÖPNV- Zielnetz für die Talsperrenregion am Rennsteig entwickelt (vgl. Abbildung 9). Abbildung 9: Zielnetz barrierefreier ÖPNV in der Modellregion vgl. Verband Naturpark Thüringer Wald e. V Rebstock 2004d, S vgl. Gather / Rebstock 2004, S ebenda S.58

52 43 Die KBS 572 Gotha-Gräfenroda (vgl. Kapitel 5.6) bildet im ÖPNV-Zielnetz als Bindeglied zwischen dem Fernverkehrshalt am Hbf Gotha und dem straßengebundenen Nahverkehr innerhalb der Modellregion die wesentliche öffentliche Verkehrsverbindung zur Erschließung der nördlichen Modellregion 99. Auch aus diesem Grund spricht sich der Landkreis ausdrücklich für den Erhalt dieser SPNV-Verbindung aus. Die Feinverteilung innerhalb der Modellregion wird durch eine barrierefreie Verknüpfung von Bus und Bahn an den Bahnhöfen Georgenthal und Ohrdruf gewährleistet (RVG-Buslinien 850 und 860). Das Planungskonzept dieser beiden RVG-Buslinien ist in der InnoRegio- Verkehrskonzeption 100 ausführlich erläutert. Kurz- bis mittelfristig wird zunächst die RVG- Buslinie 850 barrierefrei umgestaltet und daran anschließend die Buslinie 860. Im Folgenden wird das Planungskonzept zur RVG-Buslinie 850 kurz dargelegt: Die RVG-Buslinie 850 wird bereits durch barrierefreies Rollmaterial in Form von Niederflurbussen mit fahrzeuggebundener Einstiegshilfe und Absenkeinrichtung sowie kontrastreich gestalteter Innenausstattung und akustischer Haltestellenansage bedient (vgl. Punkt Bestandsbewertung). Abbildung 10 zeigt den geplanten Linienverlauf und potentielle Haltestellen der RVG-Buslinie 850, die derzeit zwischen Georgenthal und Tambach-Dietharz pendelt, im Zuge der Modernisierung der KBS 572 (vgl. Kapitel 5.6) aber bis Ohrdruf verlängert werden soll. Abbildung 10: Linienverlauf und mögliche Haltestellen der geplanten RVG-Buslinie Gather / Rebstock 2004, S ebenda S

53 44 Da die Haltestelleninfrastruktur noch nicht barrierefrei ist (vgl. Punkt Bestandsbewertung), ist ein Umbau erforderlich. Aktuell wird momentan die Haltestelle Georgenthal Ort als erste entlang der RVG-Buslinie 850 barrierefrei umgestaltet. Neben Hochborden, taktilen Bodenindikatoren und einer stufenlos zugänglichen Wetterschutzeinrichtung wird auch ein dynamisches optisches Fahrgastinformationssystem installiert (vgl. Kapitel e). Im Zuge des weiteren barrierefreien Umbaus sind die unter dem Punkt Zielkonzept / Qualitätsstandards aufgeführten Qualitätsziele sowie die unter dem Punkt Prioritäten genannte Prioritätenreihung zu beachten. Da die RVG-Buslinie 850 eng mit dem SPNV-Angebot verknüpft ist, hängt die Reihenfolge des barrierefreien Haltestellenausbaus auch von der Modernisierung der KBS 572 ab (vgl. Kapitel 5.6), d. h. der Umbau der unmittelbaren Verknüpfungshaltestellen zwischen Bus und Bahn (Georgenthal Bf und Ohrdruf Bf) sowie der mittelbar von der Bahninfrastrukturmodernisierung abhängigen Haltestellen (Ohrdruf Kirche und Georgenthal Bahnhofstraße 101 ) ist mit dem Zeitplan der Ertüchtigungsmaßnahmen an der KBS 572 abzustimmen. (6) Finanzierung Investitionsmaßnahmen für den ÖPNV können im Freistaat Thüringen sowohl aus Mitteln des GVFG, des RegG oder aus anderen verfügbaren Haushaltsmitteln gefördert werden, wobei eine Kofinanzierung aus diesen Mitteln möglich, eine Mehrfachförderung aber ausgeschlossen ist 102. Ab gilt in Thüringen ein Höchstfördersatz von maximal 75 % der zuwendungsfähigen Kosten für ÖPNV-Vorhaben, die restlichen Kosten sind von den Kommunen zu tragen. Planungskosten für die Infrastrukturvorhaben des ÖPNV (in der Regel 10 % der Baukosten) sind gemeinhin nicht förderfähig und daher aus Eigenmitteln zu finanzieren (vgl. auch Kapitel a). In Tabelle 9 ist der Finanzbedarf für die Haltestellenumbaumaßnahmen entlang der RVG- Buslinie 850 mit überschlägigen Kosten dargestellt, wobei an ausgewählten Haltestellen aufgrund niedriger Reisendenfrequenzen bzw. erst vor kurzem abgeschlossener Modernisierungsmaßnahmen in Abstimmung mit den Gemeinden und der RVG lediglich barrierefreie Minimalstandards (vgl. Kapitel c) angesetzt wurden. Zudem wurden nur die Haltestellen betrachtet, die dem Linienverlauf gemäß Abbildung 10 entsprechen. Als Brutto-Kostensätze für die Bauausführung wurden für den Minimalstandard 3.400, pro Fahrgastunterstand und für die Beseitigung kleinerer Mängel pauschal 250 angesetzt. Ein Haltestellenneubau wird mit budgetiert, darüber hinaus gibt es die Sonderfälle der Verknüpfungshaltestellen Georgenthal Ort, Georgenthal Bf und Ohrdruf Bf, für die gesonderte Kosten auf Basis bestehender Konzeptplanungen zugrunde gelegt wurden. Planungskosten wurden mit 10 % der Bausumme kalkuliert und sind voll von den Kommunen zu tragen. Demnach sind für die barrierefreie Umgestaltung aller Haltestellen entlang der RVG-Buslinie 850 Investitionsmittel inklusive Planungskosten in Höhe von knapp notwendig, wovon die Kommunen etwa zu tragen haben. 101 KBS 572-Modernisierung bedingt Verlegung HS Ohrdruf Kirche und Stilllegung HS Georgenthal Bahnhofstraße 102 TMBV 2005c

54 45 Tabelle 9: Finanzbedarf des Haltestellenumbaus entlang der RVG-Buslinie Tammichgrund Haltestelle Tambach-Dietharz Finanzbedarf Bauausführung Förderanteil Freistaat Eigenmittel inklusive Planungskosten Umbau aufgrund Erneuerung in 2006 sowie zu geringer Schleppkurven nicht sinnvoll möglich Hauptstraße, Rtg. Schmalkalden % Hauptstraße, Rtg. Georgenthal % Bahnhofstr., Rtg. Georgenthal % Bahnhofstr., Rtg. Schmalkalden % Georgenthal Lohmühle, Rtg. Tambach-Dietharz % Lohmühle, Rtg. Georgenthal % Rodebachsmühle, Rtg. Georgenthal % Rodebachsmühle, Rtg. Tambach-D % Ort, Rtg. Tambach-Dietharz % Ort, Rtg. Gotha % Grundschule, Rtg. Herrenhof % Grundschule, Rtg. Georgenthal Ort % Bahnhof % Herrenhof, Rtg. Hohenkirchen % Herrenhof, Rtg. Georgenthal % Ohrdruf Brandt, Rtg. Ohrdruf % Brandt, Rtg. Georgenthal % Am Gehrengraben % Steinstraße, Rtg. Westfalenstraße % Steinstraße, Rtg. Hamburger Straße % Hamburger Straße Rtg. Ringstraße % Hamburger Straße Rtg. Steinstraße % Bahnhof % Bahnhofstraße % Datengrundlage: Gather / Rebstock 2004, S.63, Münch 2006b, Münch 2006c, Planungsbüro von Mörner + Jünger 2004, Anlage 2 und Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006c, S.4

55 46 Haltestelle Finanzbedarf Bauausführung Förderanteil Freistaat Eigenmittel inklusive Planungskosten Weststraße % Schauderstraße % Kirche % Wölfiser Straße % Seniorenheim % Gartenstadt % Hauptwache % Feuerwache % Gesamtsumme Zu beachten ist, dass die Eigenmittel der Kommunen stark variieren, so entfallen auf die Stadt Tambach-Dietharz knapp 5.000, auf die Gemeinde Georgenthal rund und auf die Stadt Ohrdruf etwa an Eigenmitteln. (7) Prioritäten Folgende Haltestellen entlang der verlängerten RVG Buslinie 850 sollten im Rahmen der zukünftigen Ausbaustufen grundsätzlich oberste Priorität erhalten 104 : Tambach-Dietharz Hauptstraße Lohmühle Georgenthal Bf Ohrdruf Bf Ohrdruf Seniorenheim In der ersten Ausbaustufe sollte sich der barrierefreie Umbau auf die touristisch bedeutsamen Haltestellen 105 sowie die Verknüpfungshaltestellen (vgl. Abbildung 9) konzentrieren (Haltestellen erster Priorität), um eine möglichst große Netzwirkung für den barrierefreien Tourismus zu erreichen. Da, bedingt durch die Komplexität der Barrierefreiheit und des ÖPNV generell, ein barrierefreies Verkehrssystem immer nur so gut sein kann wie sein schwächstes Glied, ist eine glaubwürdige touristische Vermarktung erst mit der Implementierung eines lückenlosen barrierefreien ÖV-Systems sinnvoll möglich. Unter Berücksichtigung der o. g. Prioritäteneinteilung könnte zumindest partiell mit einer Vermarktung begonnen werden, sobald die erste Prioritätsstufe umgesetzt ist vgl. Gather / Rebstock 2004, S vgl. Gather / Rebstock 2003, S Gather / Rebstock 2004, S.166

56 47 Die Haltestellen Georgenthal Bf und Ohrdruf Bf sind hierbei als Verknüpfungshaltestellen zwischen dem SPNV und dem StPNV innerhalb der Modellregion von besonderer Bedeutung, allerdings hängt deren barrierefreier Ausbau direkt von der Modernisierung der KBS 572 ab (vgl. Kapitel 5.6). Diese Haltestellen sowie die Haltestelle Ohrdruf Kirche sollten entsprechend in die Planungszeiträume der DB AG eingeordnet werden. Dadurch kann sich gegebenenfalls der Umbauzeitplan für Haltestellen mit geringerer Priorität verschieben. In Tabelle 10 ist die Prioritätenreihung des barrierefreien Haltestellenausbaus entlang der RVG-Buslinie 850 unter Beachtung der o. g. externen Faktoren und weiterer betrieblicher Notwendigkeiten sowie des in Tabelle 9 aufgeführten Finanzierungsbedarfs und der unterschiedlichen Baulastträger dargestellt. Tabelle 10: Prioritätenreihung des barrierefreien Haltestellenausbaus entlang der RVG-Buslinie 850 Priorität Haltestelle Umbaujahr Baulastträger 1 Georgenthal Ort 2006/2007 Georgenthal 1 Lohmühle 2007 Georgenthal 1 Herrenhof 2008 Georgenthal 1 Georgenthal Bf abhängig von KBS 572 Georgenthal 1 Ohrdruf Seniorenheim 2007 Ohrdruf 1 Schauderstraße 2007 Ohrdruf 1 Brandt 2008 Ohrdruf 1 Ohrdruf Bahnhofstraße 2008 Ohrdruf 1 Ohrdruf Bf abhängig von KBS 572 Ohrdruf 1 Ohrdruf Kirche abhängig von KBS 572 Ohrdruf 1 Hauptstraße 2007 Tambach-Dietharz 1 Tambach-Dietharz Bahnhofstraße 2008 Tambach-Dietharz 2 Grundschule 2009 Georgenthal 2 Rodebachsmühle abhängig vom Parkplatzneubau Georgenthal 2 Gartenstadt 2009 Ohrdruf 2 Feuerwache 2009 Ohrdruf 2 Weststraße 2010 Ohrdruf 2 Wölfiser Straße 2010 Ohrdruf 3 Hauptwache 2011 Ohrdruf 3 Am Gehrengraben 2011 Ohrdruf 3 Steinstraße 2011 Ohrdruf 3 Hamburger Straße 2011 Ohrdruf

57 48 Demnach hat die Gemeinde Georgenthal für die Maßnahmen erster Priorität im Jahr 2007 knapp und im Jahr an Eigenmitteln zu tragen. Offen bleibt, wann die Modernisierung des Bahnhofsvorplatzes umgesetzt werden kann. Auf die Stadt Ohrdruf entfällt im Jahr 2007 ein Betrag von und im Jahr 2008 von Zu welchem Zeitpunkt der Bahnhofsvorplatz und die Haltestelle Ohrdruf Kirche ausgebaut werden können, ist noch nicht bekannt. Die Stadt Tambach-Dietharz hat in 2007 und 2008 je Eigenanteil zu bezahlen. Insbesondere für Tambach-Dietharz besteht die Möglichkeit, mit überschaubaren finanziellen Eigenmitteln ihre ÖPNV-Infrastruktur barrierefrei umzugestalten. Für die Hälfte der Kosten des kompletten Umbaus einer Haltestelle könnten hier mittels barrierefreier Minimalstandards (vgl. Kapitel c) vier regionale Haltestellen barrierefrei zugänglich gemacht werden. Die Netzwirkung der RVG-Buslinie 850 in Bezug zur barrierefreien Mobilität wird dadurch merklich gesteigert. (8) Umsetzungskontrolle Die Maßnahmen zur barrierefreien Gestaltung der Bushaltestelleninfrastruktur entlang der RVG-Buslinie 850 werden jährlich auf ihre Umsetzung überprüft und der tatsächliche Finanzbedarf mit den budgetierten Kosten (vgl. Tabelle 9) abgeglichen. Der Budget- und der Prioritätenzeitplan sind entsprechend im Jahresturnus fortzuschreiben. Zuständig für die Fortschreibung und die Umsetzungskontrolle sind die jeweiligen Kommunen, das Landratsamt Gotha führt die Listen zusammen. Die Behindertenbeauftragte des Landkreises Gotha prüft die Maßnahmen auf ihre Barrierefreiheit. (9) Beteiligungen am Planungsprozess Bei der Aufstellung des NVP für den Landkreis Gotha ist die Behindertenbeauftragte anzuhören (vgl. Kapitel 1.1). Daneben wurden Vertreter von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der Planungen zur barrierefreien Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig umfänglich in die Detailausgestaltungen einbezogen (vgl. Anhang 11). Ferner basieren die unter Punkt (4) aufgeführten Qualitätsstandards auf gemeinsam mit folgenden Verbänden bzw. Institutionen entwickelten Anforderungsprofilen für einen barrierefreien ÖPNV 107 : AG Erfurt ohne Barrieren des Behindertenbeirates Erfurt Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen e. V. Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Landesverband Thüringen e. V. Förderverein Barrierefreies Bauen e. V. Landratsamt Gotha - Beauftragte für Senioren und Behinderte Sozialverband VdK Landesverband Thüringen Verband der Behinderten Kreisverbände Erfurt e. V. und Gotha e. V. 107 vgl. Gather / Rebstock 2004, S.59

58 Empfehlungen zur Optimierung des Nahverkehrsplans für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen in Bezug zur Barrierefreiheit Wie bereits in Kapitel erwähnt, gehört der Großteil der Kommunen in der Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle zum Landkreis Gotha. Einzig die Stadt Oberhof befindet sich auf dem Gebiet des Landkreises Schmalkalden-Meiningen 108. Dementsprechend beschränkt sich das StPNV-Angebot des Landkreises Schmalkalden-Meiningen innerhalb der Modellregion auf wenige Linien (vgl. Abbildung 11). Abbildung 11: Verkehrsunternehmen im ÖPNV-Zielnetz der barrierefreien Modellregion 109 Für die Implementierung barrierefreier ÖPNV-Systeme kommen aus Sicht der InnoRegio- Verkehrskonzeption 110 für den auf dem Gebiet des Landkreises Schmalkalden-Meiningen liegenden Teil der Modellregion nur die von der Meininger Busbetriebs GmbH (MBB) regelmäßig bedienten Buslinien 422, 428 (Bahnhofspendelbus) und die Stadtlinie Oberhof Grenzadler in Betracht 111. Im Rahmen der InnoRegio-Verkehrskonzeption wurde ein Konzept für einen Musterstadtbus für barrierefreien Tourismus entwickelt, welches eine Verschmelzung von Stadtlinie und Bahnhofspendelbus zu einem modernen, barrierefreien Stadtbussystem vorsah. Hierzu wurden unterschiedliche Linien- und Fahrplanvarianten entworfen. 108 vgl. Rebstock 2004d, S vgl. Abbildung 9 in Kapitel c 110 Gather / Rebstock 2004, S Gather / Rebstock 2003, S.31

59 50 Visionär wurde zudem der Regionalbusverkehr der weiteren Umgebung mit betrachtet und am Oberhofer Friedensplatz mit dem neuen Stadtbus verknüpft. Insgesamt konnte nachgewiesen werden, dass die Umorganisation von Stadtlinie und Bahnhofspendelbus grundsätzlich sinnvoll möglich ist 112. Während des InnoRegio-Statusseminares am im Naturfreundehaus in Oberhof wurde den InnoRegio-Netzwerkpartnern die InnoRegio-Verkehrskonzeption vorgestellt. Hierbei wurde die Abgleichung der o. g. Varianten mit den betriebstechnischen Zwängen der Konzessionsinhaber im Rahmen von BeGiN unter der Voraussetzung angeboten, dass dies vom Landratsamt Schmalkalden-Meiningen, der MBB sowie der Stadt Oberhof gewünscht wird 113. Da allerdings keiner der o. g. Akteure Interesse signalisierte, wurde von einer weiteren, vertiefenden Betrachtung konkreter Buslinien im Landkreis Schmalkalden- Meiningen abgesehen 114. Stattdessen präsentierten die Bearbeiter des BeGiN-Projektes im Rahmen einer Sitzung des Behindertenbeirats des Landkreises Schmalkalden-Meiningen am im Landratsamt in Meiningen mögliche Wege zu einem barrierefreien ÖPNV im Landkreis. Neben der allgemeinen Empfehlung zur Implementierung eines runden Tisches bei konkreten Vorhaben zum barrierefreien Umbau bestimmter Buslinien mit allen an der Planung und dem Betrieb beteiligten Akteuren sowie dem Fördermittelgeber und den Vertretern von Menschen mit Behinderungen (vgl. Kapitel a) wurde insbesondere auch die Festschreibung modellhafter Standards und Maßnahmen zur Barrierefreiheit im NVP für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen 115 angeregt 116. Nach positiven Reaktionen aus dem Behindertenbeirat sowie von der Behindertenbeauftragten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen wurde der daraufhin beginnende Prozess zur Entwicklung und Implementierung von Qualitätszielen und standards in den NVP aktiv begleitet. Im Folgenden sind der Verlauf dieses Prozesses sowie die daraus resultierenden Ergebnisse bis zum Ende des BeGiN-Projektes (Oktober 2006) dargestellt. a. Empfehlungen zur Implementierung barrierefreier Standards für die Gestaltung der Bushaltestelleninfrastruktur in den NVP für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen In einem ersten Schritt wurde dem Behindertenbeirat des Landkreises Schmalkalden- Meiningen die im Rahmen der AG barrierefreie RVG-Buslinie 850 (vgl. Anhang 11) entwickelte und abgestimmte Liste Anforderungen an barrierefreie Bushaltestellen der RVG- Busline 850 (vgl. Anhang 12) zur Verfügung gestellt, damit der Beirat auf dieser Grundlage eigene Standards ableiten kann. Daneben wurden auch die Musterzeichnungen der barrierefreien Bushaltestellen (vgl. Abbildung 8 in Kapitel c und Abbildung 28 in Kapitel c) übergeben, da diese allgemein gültig einsetzbar sind. Als eine weitere Anregung 112 Gather / Rebstock 2004, S.166ff. 113 Rebstock 2004e, Folie Dies ist auch insofern bedauerlich, da zum Ende der Laufzeit des BeGiN-Projektes bekannt wurde, dass die Zusammenlegung von Stadtlinie und Bahnhofszubringer ab Fahrplanwechsel 2006/2007 nun doch umgesetzt wird (Suhler Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG 2006b). 115 vgl. Landratsamt Schmalkalden Meiningen Fachdienst Straßenverkehr und Fahrerlaubniswesen Rebstock / Lampka 2005a, Folie 27

60 51 diente die im Projekt BeGiN entwickelte Checkliste für barrierefreie Stadtbushaltestellen (vgl. Anhang 20). Da außerdem der Regionalbusverkehr im ÖPNV des Landkreises Schmalkalden-Meiningen eine bedeutende Rolle spielt, war und ist es dem Behindertenbeirat wichtig, auch für dieses Verkehrsangebot eine barrierefreie Lösung im NVP durchzusetzen. Aus diesem Grund wurden weitere Empfehlungen zur Optimierung des NVP für den Landkreis Schmalkalden- Meiningen gegeben, die im Folgenden verkürzt dargestellt werden: Zuständigkeiten der Verkehrsverbünde und Aufgabenträger Anhand eines Beispieles aus Hessen 117 wird deutlich, dass Verkehrsverbünde und Aufgabenträger wichtige Verantwortlichkeiten und Steuerungsfunktionen für ein hochwertiges und barrierefreies ÖPNV-System übernehmen können. So sind Verbünde und Aufgabenträger z. B. zuständig für das äußere Erscheinungsbild und die Ausstattung von Bussen und Haltestellen, aber insbesondere auch für die Klassifizierung von Haltestellen (vgl. Abbildung 12). Abbildung 12: Zuständigkeiten der Verkehrsverbünde und Aufgabenträger in Hessen 118 Im Zusammenhang mit der Pflicht des Aufgabenträgers zur Aufstellung eines NVP (vgl. Kapitel 1.1) sollten die in Abbildung 12 genannten Punkte im Behindertenbeirat diskutiert werden mit dem Ziel, im NVP für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen barrierefreie Mindeststandards für unterschiedliche Haltestellenkategorien sowie für das Rollmaterial zu integrieren. barrierefreie Mindeststandards für unterschiedliche Haltestellenkategorien Abbildung 13 zeigt Kriterien und wesentliche Zuordnungsmerkmale für eine Haltestellenklassifizierung am Beispiel der Haltestellenkategorien des Rhein-Main-Verkehrsverbundes. Diese Kategorisierung kann als Anregung zur Klassifikation der Bushaltestellen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen genutzt werden. Vom Aufgabenträger ist in Abstimmung mit dem Behindertenbeirat entsprechend festzulegen, wie viele Haltestellenkategorien gebildet werden und bei welcher Kategorie welche Qualitätsstandards mindestens gelten sollen. 117 vgl. Schulz / Schmitt Schulz / Schmitt 2004, Folie 3

61 52 Abbildung 13: Kriterien und wesentliche Zuordnungsmerkmale für eine Haltestellenklassifizierung 119 Insbesondere für die Entwicklung von Qualitätskriterien für Haltestellen der niedrigsten Kategorie (vgl. Kategorie E in Abbildung 13) benötigte der Behindertenbeirat fachliche Unterstützung. Das Projektteam von BeGiN entwickelte daraufhin auf Grundlage der kostensparenden Minimalstandards für barrierefreie Bushaltestellen (vgl. Kapitel c) spezifische Minimalstandards für barrierefreie Regionalbushaltestellen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen, welche zumindest die barrierefreie Erreichbarkeit der Haltestellen sowie die Teilerhöhung der Haltestellenplattform im Bereich des Fahrgastwechsels an der zweiten Fahrzeugtür vorsehen. Für Haltestellen am Gehwegrand ist zudem ein taktiles und optisch kontrastreiches Aufmerksamkeitsfeld (Bodenindikator) zur Anzeige des Einstieges an der ersten Fahrzeugtür erforderlich. In Abbildung 14 sind die dem Behindertenbeirat übergebenen und für die Integration in den NVP für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen vorgesehenen Minimalstandards für barrierefreie Regionalbushaltestellen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen aufgeführt. Darüber hinaus wurden auf Grundlage der Anforderungen an barrierefreie Bushaltestellen der RVG-Busline 850 (vgl. Anhang 12) Qualitätsstandards für barrierefreie Stadtbushaltestellen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen entwickelt und dem Beirat zur weiteren Verwendung übergeben. 119 Schulz / Schmitt 2004, Folie 11

62 53 Abbildung 14: Minimalstandards für Regionalbushaltestellen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen Darstellungen verändert nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006c, Bild 2

63 54 b. Empfehlungen zur Implementierung barrierefreier Standards für StPNV-Fahrzeuge in den NVP für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen Aus den Ergebnissen zur Optimierung des Schienenpersonennahverkehrsplanes für den Freistaat Thüringen (vgl. Kapitel 1.3.3) wurden die Standards für StPNV-Fahrzeuge im Landkreis Schmalkalden-Meiningen abgeleitet. Abbildung 15 zeigt die dem Behindertenbeirat zur Verfügung gestellten Mindeststandards für barrierefreie Busse im Landkreis Schmalkalden- Meiningen. Abbildung 15: Mindeststandards für barrierefreie Busse im Landkreis Schmalkalden-Meiningen

64 55 c. Aktueller Stand zur Implementierung von Standards zur Barrierefreiheit in den NVP des Landkreises Schmalkalden-Meiningen Im Rahmen des Projektes BeGiN konnte dem Behindertenbeirat des Landkreises Schmalkalden-Meiningen umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden. Mit Hilfe dieser Unterlagen ist der Behindertenbeirat in der Lage, im Rahmen seines Anhörungsrechtes (vgl. Kapitel 1.1) bei der Aufstellung des NVP für den Landkreis Schmalkalden- Meiningen konkrete Forderungen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen in Bezug zur barrierefreien Nutzung des ÖPNV zu stellen und so direkten Einfluss auf die künftige Gestaltung des ÖPNV im Landkreis zu nehmen. Die unter Punkt a und b aufgeführten Qualitätsziele und Mindeststandards für barrierefreie ÖPNV-Angebote im Landkreis Schmalkalden-Meiningen wurden mittlerweile von der Behindertenbeauftragten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen an den Aufgabenträger bzw. das für die Fortschreibung des NVP für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen zuständige Personal übergeben. Nach letztem Kenntnisstand wurden alle Ziele und Standards in den Entwurf des NVP integriert. Gegenwärtig befindet sich der NVP in der politischen Abstimmung.

65 Empfehlungen zur Optimierung des Schienenpersonennahverkehrsplanes für den Freistaat Thüringen Im Rahmen der Analyse des BGG-Instrumentes Programme nach 2 EBO (vgl. Kapitel 2) wurde u. a. eruiert, dass sich dieses Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV auf regionaler Ebene und insbesondere zur Umsetzung konkreter Maßnahmen bisher als eher ungeeignet erwiesen hat. Da sich die Qualität des SPNV-Angebotes im Wesentlichen aus den Vorgaben des Aufgabenträgers ableitet, wurde daneben festgestellt, dass die Inhalte der Schienennahverkehrspläne der Bundesländer für die Implementierung barrierefreier SPNV-Systeme bedeutender sind als die Programmausgestaltung durch die Eisenbahnen (vgl. Kapitel 2.3). Aus diesem Grund wurde über den ursprünglichen Projektauftrag von BeGiN hinaus die Entwicklung von Qualitätsstandards zur Barrierefreiheit im SPNV für den SNVP des Freistaates Thüringen forciert. Im Folgenden sind der Verlauf dieses Prozesses sowie die daraus resultierenden Ergebnisse bis zum Ende des BeGiN-Projektes (Oktober 2006) dokumentiert. Arbeitsgruppe Schienennahverkehrsplan Im Rahmen der Tätigkeit der AG Programme nach 2 EBO (vgl. Kapitel 2.3 und Anhang 8) wurde aufgrund der engen Themenverflechtung zwischen dem BGG-Instrument Programme nach 2 EBO und den Schienennahverkehrsplänen entschieden, die AG Programme nach 2 EBO zur AG Schienennahverkehrsplan umzuwandeln sowie um den Aufgabenträger im SPNV des Freistaates Thüringen (TMBV) zu erweitern (vgl. Anhang 6). Ziel der AG war die Ausarbeitung von Qualitätszielen und Mindeststandards zur Barrierefreiheit im SPNV, um diese in den im Jahr 2007 fortzuschreibenden SNVP des Freistaates Thüringen zu integrieren. Zunächst wurde eine Analyse des bestehenden SNVP des Freistaates Thüringen im Hinblick auf die Barrierefreiheit durchgeführt (vgl. Anhang 7). In der AG wurde insbesondere die Frage diskutiert, in welcher Tiefe und Ausführung die Standards zur Barrierefreiheit in den SNVP aufgenommen und festgelegt werden können. Hierbei besteht das Problem, dass allzu starre Standards die unternehmerische Freiheit und den Handlungsspielraum zu sehr einengen könnten. Darüber hinaus ist die direkte Einflussnahme auf die Infrastruktur (vor allem die barrierefreie Bahnhofsgestaltung) über den SNVP nicht möglich. Bahnstationen und das Bahnhofsumfeld sowie Verknüpfungshaltestellen können nur über Förderinstrumente beeinflusst werden (vgl. Kapitel 3). Insofern liegt die Verantwortung zur barrierefreien Umgestaltung des Bahnhofsumfeldes sowie der Schnittstellen zwischen SPNV und StPNV bei den Kommunen. Darüber hinaus dürfen die Standards nicht den Konzernrichtlinien der DB AG in Bezug zur Barrierefreiheit widersprechen. Zudem besteht die Gefahr, dass zu detaillierte Anforderungen eine Umsetzung von Bauvorhaben aufgrund des einhergehenden höheren finanziellen Aufwandes unter Umständen ganz verhindern könnten. Daher sollten im SNVP nur funktionale Standards zur Barrierefreiheit verbindlich festgeschrieben werden. Detaillierte Handlungsempfehlungen ohne verbindlichen Charakter können aber in den Anhang des SNVP integriert werden. Im Folgenden sind die in der AG auf Grundlage existierender Anforderungsprofile (vgl. Kapitel 2.4) entwickelten funktionalen Qualitätsziele und standards für barrierefreie Zugangsstellen, Fahrzeuge und Informationen im SPNV des Freistaates Thüringen dargestellt.

66 57 funktionale Qualitätsstandards für barrierefreie SPNV-Bahnhöfe und Haltepunkte Die in Abbildung 16 aufgeführten funktionalen Qualitätsziele und standards für barrierefreie Zugangsstellen zum SPNV sollten in die Fortschreibung des Schienennahverkehrsplanes des Freistaates Thüringen an zweckentsprechender Stelle integriert werden. Abbildung 16: Qualitätsziele und standards für barrierefreie Zugangsstellen zum SPNV Erleichterung der Fortbewegung zu und an den Zugangsstellen zum Bahnsystem kurze, geradlinige, direkte und möglichst höhengleiche Wegeverbindungen zu den Bahnsteigen sowie zu den Service- und Wetterschutzeinrichtungen Vermeidung langer, steiler Treppen Vorhaltung alternativer Umfahrungsmöglichkeiten für Treppen, z. B. Rampen oder Aufzüge (wenn keine anderen Vorschriften/Richtlinien dem widersprechen) Vorhaltung und Platzierung von Behindertenparkplätzen in direkter Nähe zur Zugangsstelle; in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten ebene, rutschfeste und griffige Oberflächenbeläge der Wege Einsatz von Baumaterialen, deren Oberflächen eben und rutschfest/griffig sind (auch bei Nässe) Vorhaltung eines übersichtlichen und lückenlosen Orientierungs- und Leitsystems räumliche Gestaltung mit guten Kontrasten zwischen Wänden, Böden und Decken Nutzung kontrastreicher, blendfreier und farbbeständiger Baumaterialen unmissverständliches optisches Wegeleitsystem optisches Wegeleitsystem auf allen relevanten Relationen: Bahnsteig, Bahnsteigzugang, Ein- / Ausgang, StPNV-Verknüpfungshaltestelle, WC, Reisezentrum, Fahrscheinautomat, Taxistand lückenloses Blindenleitsystem Blindenleitsystem auf allen relevanten Relationen: Bahnsteig, Bahnsteigzugang, StPNV- Verknüpfungshaltestelle, Ein-/Ausgang, WC, Reisezentrum, Fahrscheinautomat, Taxistand Gewährleistung hoher objektiver Sicherheit sowie eines hohen subjektiven Sicherheitsempfindens ausreichende Ausleuchtung aller relevanten Standorte und Wegeverbindungen an die Örtlichkeiten angepasste, ausreichend helle, gleichmäßige sowie blendfreie Beleuchtung von Bahnsteig, Bahnsteigzugang, StPNV-Verknüpfungshaltestelle, Ein-/Ausgang, WC, Reisezentrum, Fahrscheinautomat und insbesondere der Treppen und Gefahrenbereiche hinreichende Absicherung von Gefahren sowie unerwarteten Hindernissen Freihaltung von Rampen, Treppen, Unterführungen sowie Bodenindikatoren von Möblierungen und Auslagen Vermeidung bzw. Beseitigung von größeren Schwellen, Spalten und einzelnen Stufen, schmalen Einstiegen, Türen, Durchgängen, Engstellen sowie hohen Treppenstufen Im Verkehrsweg kontrastreiche Kennzeichnung aller Hindernisse, Markierung von unvermuteten Schwellen und Spalten im Bereich des Blindenleitsystems Ausrüstung aller Einbauten und sonstigen Hindernisse mit Sockel, wenn der Abstand vom Boden > 15 cm beträgt kontrastreiche und bruchsichere Türen / Glasflächen ebenerdige Gleisquerung mit eindeutiger Signalgebung im Mehr-Sinne-Prinzip

67 58 Reduzierung des Gefährdungspotentials am Bahnsteig taktile und optisch kontrastreiche Leit- / Warnstreifen an der Bahnsteigkante und Auffangstreifen an den Bahnsteigenden taktile und optisch kontrastreiche Aufmerksamkeitsfelder zur Kennzeichnung von Verzweigungen bzw. Richtungswechseln zu Aufzügen und niveaugleichen Zugängen sowie an Bahnsteigabgängen (Treppen / Rampen) Gewährleistung nutzbarer Haltestellenelemente und ausstattungen Durchführung regelmäßiger Wartungs- und Reinigungsarbeiten Durchführung bedarfsgerechter Winterdienste Gewährleistung eines sicheren, schnellen und bequemen Fahrgastwechsels Niveaugleichheit Bahnsteig / Rollmaterial an das Rollmaterial angepasste und innerhalb zusammenhängender Netze einheitliche Bahnsteighöhen spaltloser Zugang zum Rollmaterial Vorhaltung einer bahnsteiggebundenen Lösung oder alternativ einer fahrzeuggebundenen Lösung kurze Wege Verknüpfung von Bus und Bahn an einer Haltestellenplattform; in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten und den Eigentumsverhältnissen markierte Einstiegszonen (sofern betrieblich möglich) eindeutige Kennzeichnung der Bahnsteignummer Bereitstellung von Service- und Informationseinrichtungen für alle Kunden Fahrplan- und Liniennetzinformationen an den Zugangsstellen, die von allen Kunden nutzbar sind Beachtung von Kontrast, Leuchtdichte, Farbkombination, Sehwinkel und Mindesthöhen für Schriftzeichen (abhängig von Mindesterkennbarkeitsentfernung) einfache und selbsterklärende Darstellung Fahrplanaushänge in mittlerer Sichthöhe (1,30 m 1,40 m; Oberkante max. 1,60 m) Vorhaltung einer ausreichenden Bewegungsfläche (mind. 1,50 m x 1,50 m) direkte Beleuchtung der Fahrplanaushänge Serviceeinrichtungen an den Zugangsstellen, die von allen Kunden nutzbar sind Service- / Vertriebseinrichtungen mit ausreichend Bewegungsfläche sowie angepasster Höhe und ggf. unterfahrbar Bei Einrichtung einer Wetterschutzeinrichtung überdachte, stufenlos zugängliche Wartefläche mit ausreichend Bewegungsfläche, Kopffreiraum und Sitzmöglichkeiten Beachtung des Mehr-Sinne-Prinzips bei dynamischen Informationen verständliche akustische Informationsaufbereitung am Bahnhof bzw. -steig großflächige und kontrastreiche optische Informationsaufbereitung am Bahnhof bzw. steig Wahrnehmbarkeit außerordentlicher Informationen (Störungen im Betriebsablauf wie z. B. Verspätung, Gleisänderung) überall im Bahnhofsbereich funktionale Qualitätsstandards für barrierefreie Fahrzeuge im SPNV Die in Abbildung 17 genannten funktionalen Qualitätsziele und standards für barrierefreie Fahrzeuge des SPNV sollten in den Schienennahverkehrsplan des Freistaates Thüringen an geeigneter Stelle integriert werden.

68 59 Abbildung 17: Qualitätsziele und standards für barrierefreie Fahrzeuge im SPNV Gewährleistung eines sicheren, schnellen und bequemen Fahrgastwechsels Niveaugleichheit Bahnsteig / Rollmaterial auf Bahnsteighöhen abgestimmtes und innerhalb zusammenhängender Netze einheitliches Rollmaterial spaltloser Zugang zum Rollmaterial Vorhaltung einer fahrzeuggebundenen Lösung oder alternativ einer bahnsteiggebundenen Lösung Gewährleistung einer sicheren, schnellen und bequemen Türfindung, -öffnung und -nutzung ertastbare, großflächig und kontrastreich gestaltete Bedienelemente für Türöffnung mit optischer und akustischer Rückmeldefunktion eindeutige Kennzeichnung der Einstiegstür ausreichende Türbreite und -höhe ausreichende Öffnungszeit der Türen Festhaltemöglichkeiten im seitlichen Türbereich Gewährleistung einer sicheren, schnellen und bequemen Fortbewegung innerhalb des Fahrzeuges Erleichterung der Fortbewegung innerhalb des Fahrzeuges möglichst stufenlose Innenraumgestaltung Markierung aller Gefahrenbereiche ebene, rutschfeste und griffige Bodenbeläge möglichst lückenlose Kette von Festhaltemöglichkeiten innerhalb des gesamten Fahrzeuges helle, gleichmäßige und blendfreie Beleuchtung kontrastreiche und bruchsichere Glastüren und -flächen barrierefreie Verbindung mindestens zum Gang / Eingang, zur barrierefreien Toilette, zum Fahrscheinautomat und zum Fahrgastraum mit Rollstuhlstellplatz automatisch öffnende Abteiltüren ausreichende Bewegungs- und Rotationsfläche in jedem Vorraum Gewährleistung hoher Beförderungsqualität Gewährleistung hoher objektiver Sicherheit sowie eines hohen subjektiven Sicherheitsempfindens Sicherheits-Bedienelemente (Notbremse, Notschalter für Türentriegelung) im Mehr-Sinne- Prinzip Notruf-Kommunikationseinrichtung im Mehr-Sinne-Prinzip Bereitstellung anpassungsfähiger und flexibel nutzbarer Fahrzeuge ausreichend dimensioniertes Multifunktionsabteil (Mehrzweckraum) mit aufklappbaren Sitzflächen türnahe Sitzplätze für Menschen mit Behinderungen möglichst bei jedem Eingang mindestens ein Rollstuhlstellplatz im Fahrgastraum mit einzeln aufklappbaren Sitzflächen pro Fahrzeug Bereitstellung von Service- und Informationseinrichtungen für alle Kunden Serviceeinrichtungen im Fahrzeug, die von allen Kunden nutzbar sind mindestens eine barrierefreie Sanitärzelle pro Traktion mit Rollstuhlstellplatz

69 60 Netz- bzw. Linienverlaufsinformationen im Fahrzeug, die von allen Kunden nutzbar sind Beachtung von Kontrast, Leuchtdichte, Farbkombination, Sehwinkel und Mindesthöhen für Schriftzeichen (abhängig von Mindesterkennbarkeitsentfernung) einfache und selbsterklärende Darstellung möglichst einheitlicher Gestaltungs- und Positionsstandard in den Fahrzeugen Aushang der Netz- und / oder Linienpläne möglichst in mittlerer Sichthöhe (1,30 m 1,40 m; Oberkante max. 1,60 m) Vorhaltung einer ausreichenden Bewegungsfläche vor dem Aushang (mind. 1,50 m x 1,50 m) An die Örtlichkeit angepasste, direkte Beleuchtung der Netz- und / oder Linienpläne Aufbereitung von aktuellen und /oder außerordentlichen Informationen unter Berücksichtigung des Mehr-Sinne-Prinzips akustische Informationen verständliche akustische Informationsaufbereitung zeitnahe Ansagen zu außerordentlichen Betriebslagen / Verspätungen / Störungen / Verhaltensanweisungen grundsätzliche Inhalte von Durchsagen vor dem nächsten Haltepunkt: Name des Haltepunktes, Ausstiegsseite, Umsteigemöglichkeiten sowie auftretende Störungen (z. B. Verspätungen, Baumaßnahmen) deutlicher akustischer Hinweis auf Bedarfshaltepunkte optische Informationen großflächige und kontrastreiche optische Informationsaufbereitung grundsätzliche Inhalte von statischen und/oder dynamischen Zuglaufanzeigen an der Fahrzeugaußenseite: Ziel, optional wichtige Zwischenhalte, Spezialanzeigen wie z. B. nicht einsteigen grundsätzliche Inhalte von optischen Informationen vor der Abfahrt in Knotenpunkten im Fahrzeuginneren: Fahrziel grundsätzliche Inhalte von optischen Informationen vor dem nächsten Haltepunkt im Fahrzeuginneren: Name des Haltepunktes deutlicher optischer Hinweis auf Bedarfshaltepunkte starkes optisches Signal ( Flash ) bei außerordentlichen Ansagen / Verspätungen / Störungen / Verhaltensanweisungen; in Abhängigkeit der technischen Möglichkeiten Betriebliche Organisation - Gewährleistung hoher Beförderungsqualität angenehme, ruhige Fahrweise Vermeidung von ruckartigen Anfahr- und Bremsvorgängen kurze Umsteigewege exaktes Halten am gewöhnlichen Halteplatz funktionale Qualitätsstandards für barrierefreie Informationen im SPNV Über die Standards für Bahnhöfe und Haltepunkte sowie Fahrzeuge hinaus sind die in Abbildung 18 aufgeführten funktionalen Qualitätsziele und standards für barrierefreie Informationen im SPNV in den Schienennahverkehrsplan des Freistaates Thüringen an geeigneter Stelle zu integrieren.

70 61 Abbildung 18: Qualitätsziele und standards für barrierefreie Informationen im SPNV Gewährleistung einer verständlichen Informationsübermittlung für alle Kunden unter Berücksichtigung des Mehr-Sinne-Prinzips großflächige und kontrastreiche optische Informationsaufbereitung Beachtung von Kontrast, Leuchtdichte, Farbkombination, Sehwinkel und Mindesthöhen für Schriftzeichen (abhängig von Mindesterkennbarkeitsentfernung) einfache und selbsterklärende Darstellung einheitlicher Gestaltungs- und Positionsstandard Aushang der Informationstafeln in mittlerer Sichthöhe (1,30 m 1,40 m; Oberkante max. 1,60 m) Vorhaltung einer ausreichenden Bewegungsfläche (mind. 1,50 m x 1,50 m) verständliche akustische Informationsaufbereitung akustische Informationsaufbereitung in geeigneter Lautstärke und verständlicher Artikulation Service und Dienstleistungen - Gewährleistung nutzbarer Service- und Informationseinrichtungen Betreuung von Informationseinrichtungen Bereitstellung von Auskunftsmöglichkeiten und Fahrkartenverkauf (z. B. telefonisch und/oder persönlich) Bereitstellung von aktuellen und/oder außerordentlichen Informationen Betreuung von Serviceeinrichtungen Gewährleistung der Bedienung spezieller Ausstattungselemente (z. B. Hublift, Treppenraupe) Bereitstellung bedarfsgerechter Umsteigeservices Informations- und Serviceübermittlung durch neue Medien Bereitstellung barrierefreier Internetseiten bei Knotenpunkten: Bereitstellung eindeutiger Informationen über die Anforderungen der Wege an Bahnhöfen Informationsmedien mit detaillierten Bahnhofsplänen (z. B. Printmedien; Internet; Tonträger; Reliefkarten) Bezugnahme auf die Existenz von Höhenunterschieden und Spalten, die Möglichkeiten der Überwindung von Höhenunterschieden und Spalten sowie die Länge der Wege Aktueller Stand zur Integration von Qualitätsstandards zur Barrierefreiheit in den Schienennahverkehrsplan des Freistaates Thüringen Die in der AG Schienennahverkehrsplan entwickelten funktionalen Qualitätsziele und standards für barrierefreie Zugangsstellen, Fahrzeuge und Informationen im SPNV des Freistaates Thüringen wurden dem TMBV in seiner Eigenschaft als Aufgabenträger im SPNV und seiner damit einhergehenden Verpflichtung zur Aufstellung und Fortschreibung des Schienennahverkehrsplanes des Freistaates Thüringen zur weiteren Verwendung übergeben. Das TMBV erklärte sich bereit, die Standards bei der Fortschreibung des Schienennahverkehrsplanes zu berücksichtigen.

71 Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des BGG-Instrumentes Nahverkehrsplan Anhand der gewonnenen Erfahrungen aus den Kapiteln 1.1, 1.2 und 1.3 werden im Folgenden allgemeine Empfehlungen für eine optimierte Ausgestaltung des BGG- Instrumentes Nahverkehrsplan abgeleitet. Zunächst ist grundsätzlich festzustellen, dass den Aufgabenträgern mit dem NVP ein Instrument zur Verfügung gestellt wird, mittels dessen die Maßnahmen zur Erreichung der Barrierefreiheit in einem Gesamtkonzept geplant werden können. Da Aufgabenträger auch für die Finanzierung der Maßnahmen verantwortlich sind, kann so eine integrierte Planung erfolgen, die auch realisierbar ist. Indem Nahverkehrspläne zudem von den kommunalen Parlamenten beschlossen werden, wird auch die gesellschaftliche Legitimation bzw. die demokratische Absicherung der Pläne gewahrt 121. Einflussmöglichkeiten auf den Inhalt des NVP haben die Vertreter behinderter Menschen insbesondere bei den Zielvorgaben und Rahmenbedingungen sowie bei der Aufstellung des Maßnahmenpaketes. Der Einfluss auf den Investitions- und Finanzierungsplan, welcher eine besondere Bedeutung für die Umsetzung der Maßnahmen hat, ist allerdings sehr begrenzt. Aus diesem Grund ist die Berücksichtigung der Barrierefreiheit im NVP alleine noch keine Garantie für die tatsächliche Umsetzung der Maßnahmen. Daher dürfen die Erwartungen in den NVP zur Erreichung der Barrierefreiheit nicht zu hoch sein, zumal dessen Verbindlichkeit in der Praxis gegenwärtig noch nicht ausreichend ist 122. Demzufolge sollte der NVP zunächst als allgemeines Instrument des ÖPNV aufgewertet und gestärkt werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Zusatz sofern vorhanden im PBefG (vgl. Abbildung 1 in Kapitel 1.1) in Bezug zur Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen bei der Aufstellung von Nahverkehrsplänen durchaus als problematisch anzusehen ist, da hier [ ] eine klare Regelungslücke [besteht]. Denn in der Praxis bedeutet dies, dass gerade diejenigen Aufgabenträger, die bislang meinten, die Belange ihrer behinderten Einwohner nicht angemessen, also vor allem nicht durch eine eigens hierfür beauftragte Person oder ein entsprechendes Gremium, vertreten lassen zu müssen, hierfür nun möglicherweise noch besonders belohnt werden. Denn gerade diese Kommunen müssen sich nun bei der Aufstellung ihres Nahverkehrsplanes auch nicht dem lästigen Anhörungsverfahren unterziehen, in welchem die überzogenen Interessen behinderter BürgerInnen artikuliert werden könnten. 123 Aus diesem Grund wird empfohlen, analog zum BGG-Instrument GVFG (vgl. Kapitel 3.1), bei Nichtvorhandensein von Behindertenbeauftragten bzw. -beiräten der Aufgabenträger, auch bei der Aufstellung von Nahverkehrsplänen ein Anhörungsrecht für die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände von Menschen mit Behinderungen einzuführen. Alternativ könnte dies auch von den Landesverbänden ausgeübt werden. Ein generelles Problem ist, dass die Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte der Aufgabenträger teilweise nur über geringe Qualifikationen hinsichtlich der Gestaltung 121 VdV 2003, S Mietzsch VdK 2003, S.36f.

72 63 barrierefreier öffentlicher Verkehrssysteme verfügen und / oder keine angemessenen Zeitbudgets zur Ausübung ihres Amtes zur Verfügung haben (vgl. Kapitel und Kapitel 3.5). Da das Amt eines Behindertenbeauftragten eine Vielzahl von Aufgaben einschließt und sich oftmals auf die sozialen Beratungsleistungen und Hilfestellungen bei der Bewältigung der täglichen Probleme von Bürgern mit Behinderungen konzentriert und somit der Schwerpunkt nicht unbedingt im verkehrlichen Bereich liegt, sollte ein Behindertenbeauftragter, sofern er nicht selbst über die notwendigen Qualifikationen bzw. Zeitbudgets verfügt, zumindest ein Netzwerk externer Experten für unterschiedliche Fragestellungen zur Barrierefreiheit aufbauen. Da zudem viele Kommunen nur ehrenamtliche Behindertenbeauftragte bestellt haben, sollte den Beauftragten auch ein angemessenes finanzielles Budget für die eigene fachliche Fortbildung bzw. für die Hinzuziehung externer Beratungsleistungen eingeräumt werden. Aufgrund komplexer Aufgaben- und Problemstellungen bei der Aufstellung eines NVP müssten darüber hinaus spezifische Fortbildungsmaßnahmen angeboten und finanziell gefördert werden. Zudem sollte ein Erfahrungsaustausch zwischen den kommunalen Vertretern behinderter Menschen auf überörtlicher Ebene stattfinden, der u. a. aufgrund der Anzahl und Größe der Gemeinden gebündelt vom Landesbehindertenbeauftragten gesteuert und ausgebaut werden könnte 124. In Bezug zu den notwendigen Fortbildungsangeboten werden die derzeitigen Aktivitäten des Sozialverbandes VdK Deutschland zur Erstellung eines Handbuchs für Behindertenbeauftragte als äußerst sinnvoll erachtet, wobei ein Leitfaden alleine die genannten Defizite ohne Schulungsmaßnahmen vermutlich nicht auszugleichen vermag. Neben der Fort- und Weiterbildung der an der Aufstellung eines NVP beteiligten Akteure ist das individuelle Engagement der Behindertenbeauftragten bzw. beiräte nach Ansicht des Forschungsprojektes BeGiN einer der entscheidenden Faktoren für einen qualitativ hochwertigen NVP in Bezug zur Barrierefreiheit 125. Sowohl die Begleitung der Aufstellungsprozesse der Nahverkehrspläne der Landkreise Gotha (vgl. Kapitel 1.3.1) und Schmalkalden- Meiningen (vgl. Kapitel 1.3.2) als auch des NVP der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (vgl. Anhang 5) zeigen eindeutig, dass Details zur Barrierefreiheit in der Regel nur dann in den NVP integriert werden, wenn dies auch vom Behindertenbeauftragten bzw. beirat ausdrücklich gefordert wird. Selbstverständlich gibt es auch Kommunen, welche die Barrierefreiheit freiwillig integrieren (vgl. auch Kapitel 1.2.3), die o. g. Beispiele haben dies aber nicht bestätigt. Voraussetzung für detaillierte Inhalte zur Barrierefreiheit im NVP ist zunächst, dass der Beauftragte Kenntnis darüber hat, bei welchen verkehrlichen Belangen er überhaupt ein Anhörungs- bzw. Mitspracherecht hat. Hierzu ist eine kontinuierliche Weiterbildung der Beauftragten von Nöten. Falls Behindertenbeauftragte allerdings ihr Amt, aus welchen Gründen auch immer, nicht gewissenhaft ausüben und dadurch z. B. den Verkehrsbereich vernachlässigen und gleichzeitig der Aufgabenträger keine Ambitionen zur Integration weitgehender barrierefreier Standards in den NVP hat, kann dies zu einer sehr sporadischen Abhandlung des Themas Barrierefreiheit führen. Dieses Problem ist nur zu lösen, indem das Amt des Behindertenbeauftragten deutlich aufgewertet wird. Die in manchen Kommunen ausgeübte Praxis, dass der Behindertenbeauftragte z. B. gleichzeitig das Amt des Bürger-, Senioren- 124 VDV 2003, S Dies wird auch durch einen aktuell in der ZEIT erschienenen Artikel zum Thema individuelles Engagement und erzielte Erfolge von Behindertenbeauftragten und Politikern, die selbst behindert sind bestätigt - vgl. Dahesch 2006.

73 64 und Ausländerbeauftragten inne hat, also als eine Art Randgruppenbeauftragter fungiert und vielleicht auch noch das Jugendamt leitet, fördert die effektive Arbeit in keinster Weise. Die Verantwortung, die den Behindertenbeauftragten durch das BGG eingeräumt wurde, muss auch durch entsprechendes Personal untersetzt werden, dass über einen angemessenen Rückhalt in der Verwaltung verfügt. Generell wäre zu überlegen, ob Kommunen nicht einen Zugänglichkeitsbeauftragten bestellen müssten, in dessen Verantwortung die Umsetzung der Barrierefreiheit in der Kommune obliegen würde. Auch die Pflicht zur Aufstellung eines Zugänglichkeitsplanes sollte in diesem Zusammenhang in Erwägung gezogen werden, in welchem dargestellt sein müsste, mit welchen konkreten Maßnahmen die Kommune gedenkt, Barrierefreiheit zu erreichen 126. Der Zugänglichkeitsbeauftragte könnte dann auch die derzeit vom Behindertenbeauftragten auszuübenden Pflichten zur barrierefreien verkehrlichen Gestaltung der Kommune übernehmen. In Abhängigkeit der Größe einer Kommune wäre auch die Personalunion von Zugänglichkeits- und Behindertenbeauftragtem denkbar. Ein weiteres Problem, dass bereits vom FoPs-Projekt festgestellt wurde (vgl. Kapitel 1.2.2) und durch die Erfahrungen im Rahmen von BeGiN bestätigt wird, ist die Weigerung der Aufgabenträger, detaillierte Maßnahmen-, Zeit- und Finanzierungspläne zur barrierefreien Gestaltung in den NVP zu integrieren, obwohl dies explizit im PBefG vorgegeben ist (vgl. Abbildung 1 in Kapitel 1.1). Hier ist auch die Genehmigungsbehörde gefragt, welche den NVP u. a. auch als Grundlage für ÖPNV-Fördermittel voraussetzt (vgl. Kapitel b), auf qualitativ hochwertige Nahverkehrspläne zu drängen und ggf. auch einmal einen Plan zurückzuweisen, wenn dieser den Anforderungen an die Barrierefreiheit objektiv nicht genügt. Abschließend zeigt Tabelle 11 die Handlungsempfehlungen zur Stärkung des BGG- Instrumentes Nahverkehrsplan in einer Übersicht. Tabelle 11: Handlungsempfehlungen zur Stärkung des BGG-Instrumentes Nahverkehrsplan Stärkung der Verbindlichkeit von Nahverkehrsplänen als allgemeines Instrument des ÖPNV Einführung des Anhörungsrechtes für die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände von Menschen mit Behinderungen bei Nichtvorhandensein von Behindertenbeauftragten bzw. -beiräten der Aufgabenträger auch bei der Aufstellung von Nahverkehrsplänen Gewährleistung eines angemessenen finanziellen Budgets für Behindertenbeauftragte zur eigenen fachlichen Fortbildung bzw. für die Hinzuziehung externer Beratungsleistungen Entwicklung und finanzielle Förderung spezifischer Fortbildungsmaßnahmen im Verkehrsbereich für Behindertenbeauftragte Kommunalverwaltungsinterne Aufwertung des Amtes des Behindertenbeauftragten Einführung einer Pflicht zur Aufstellung kommunaler Zugänglichkeitspläne und zur Berufung kommunaler Zugänglichkeitsbeauftragter Verschärfung der Kontrollen und Sanktionen im Rahmen der NVP-Genehmigung bei objektiven inhaltlichen Mängeln u. a. in Bezug zur Barrierefreiheit 126 Leidner / Neumann / Rebstock 2006, S.206

74 65 2 Programme der Eisenbahnen nach 2 EBO als Instrument des BGG Ein barrierefreier Zugang von öffentlichen Verkehrsmitteln ist zur Sicherung der Mobilität insbesondere für Menschen mit Behinderungen eine wichtige Voraussetzung für ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben. Denn die Zugänglichkeit ist ein wesentliches Kriterium zur Teilhabe an der Gesellschaft und damit verbunden die Sicherung der individuellen Mobilität. Um das Ziel einer weitestgehenden Barrierefreiheit auch beim öffentlichen Schienenpersonenverkehr zu erreichen, wurde in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl an Maßnahmen und konkreten Projekten umgesetzt. Hierbei konnten viele Eisenbahnen, angeregt durch eine Förderpolitik, welche eine bessere finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung von Maßnahmen unter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen gewährt (vgl. Kapitel 3) und der damit verbundene erhebliche Mittelzufluss von Seiten der Aufgabenträger, im Zuge der Modernisierung des Fahrzeugbestandes Niederflurfahrzeuge anschaffen bzw. auf Seiten der Infrastruktur und bei Neu- bzw. umfassenden Umbauten die Bahnanlagen mit Blindenleitsystemen ausstatten. Dennoch können die umgesetzten Maßnahmen nur als ein erster Schritt zur Barrierefreiheit gewertet werden, denn nach wie vor gibt es erhebliche Mängel bei der Sicherung der Zugänglichkeit des öffentlichen Eisenbahnverkehrs. So sind z. B. noch häufig Fahrzeuge im Einsatz, die nicht alle Belange von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen. Oft wird Barrierefreiheit noch immer mit der Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer gleichgesetzt ohne die Anforderungen vom Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen zu beachten. Ebenso verfügen viele, insbesondere ältere, nicht erneuerte Bahnanlagen über keine Blindenleitsysteme. Zudem ist die Schaffung von barrierefreien Bahnsteigzugängen an allen Stationen umstritten (vgl. Kapitel 5.2). Darüber hinaus besteht ein weiterer erheblicher Bedarf bei der Abstimmung der eingesetzten Fahrzeuge mit der vorhandenen Infrastruktur, so erschweren z. B. verschiedene Bahnsteighöhen die Planung und Beschaffung von Fahrzeugen und führen vielfach zu unbefriedigenden Ein- und Ausstiegsverhältnissen 127. Um den eingeschlagenen Weg einer Umsetzung der Barrierefreiheit auch im SPNV weiter auszubauen und den Gedanken einer barrierefreien Zugänglichkeit für alle Reisenden auch bei den Eisenbahnunternehmen zu verankern, hat der Gesetzgeber im Zuge der Einführung des BGGEG die Eisenbahnbau- und betriebsordnung (EBO) dahingehend geändert, dass Eisenbahnen nunmehr verpflichtet sind, Programme zur Herstellung einer möglichst weitgehenden Barrierefreiheit bei Fahrzeugen und Bahnanlagen aufzustellen. 2.1 Gesetzliche Grundlagen zur Aufstellung von Programmen Im Zuge des Inkrafttretens des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze wurde die allgemeine Gesetzeslage angepasst und eine Reihe von Gesetzen im Sinne der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen geändert. Für die Anpassung im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs wurde u. a. mit Artikel 52 Nr. 2 eine Änderung des 2 Abs.3 EBO dahingehend vorgenommen, dass Eisenbahnen nunmehr verpflichtet sind, Programme zur Herstellung möglichst weitreichender Barrierefreiheit für 127 vgl. Engel 2005

75 66 Fahrzeuge und Bahnanlagen aufzustellen (vgl. Abbildung 19). Für den jeweiligen Aufgabenbereich betrifft die Änderung sowohl Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) als auch Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU). Die Zielstellung von Programmen leitet sich aus der Anforderung zur Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr ab, wobei im Rahmen der Bundeskompetenz u. a. die Verkehrsinfrastruktur sowie die Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr für alle Personen ohne besondere Erschwernis zugänglich und barrierefrei gestaltet sein sollen 128. Womit eine weitgehende Barrierefreiheit im öffentlichen Personenverkehr als ein wichtiger Bereich des Alltags und eine selbstbestimmte Lebensführung sowie diskriminierungsfreie Teilhabe an der Gesellschaft für alle Menschen einhergeht 129. Abbildung 19: EBO 2 Allgemeine Anforderungen, Abs.3 Die Vorschriften dieser Verordnung sind so anzuwenden, dass die Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte Menschen und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis ermöglicht wird. Die Eisenbahnen sind verpflichtet, zu diesem Zweck Programme zur Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erstellen, mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Dies schließt die Aufstellung eines Betriebsprogramms mit den entsprechenden Fahrzeugen ein, deren Einstellung in den jeweiligen Zug bekannt zu machen ist. Die Aufstellung der Programme erfolgt nach Anhörung der Spitzenorganisationen von Verbänden, die nach 13 Abs.3 des Behindertengleichstellungsgesetzes anerkannt sind. Die Eisenbahnen übersenden die Programme über ihre Aufsichtsbehörden an das für das Zielvereinbarungsregister zuständige Bundesministerium. Die zuständigen Aufsichtsbehörden können von den Sätzen 2 und 3 Ausnahmen zulassen. Der 2 Abs.3 EBO verpflichtet die Eisenbahnen neben der Programmaufstellung auch zur Erstellung eines Betriebsprogramms, aus welchem der Einsatz barrierefreier Fahrzeuge ersichtlich wird. Darüber hinaus sind die Vertreter für die Belange von Menschen mit Behinderungen mittels Anhörung in die Programmaufstellung einzubeziehen, wobei die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände anzuhören sind. Ist das Programm von einem Eisenbahnunternehmen aufgestellt worden, so ist dieses über die jeweilige Aufsichtsbehörde an das für das Zielvereinbarungsregister zuständige Bundesministerium weiterzuleiten (derzeit das Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Ferner ist den Aufsichtsbehörden in der EBO-Regelung auch die Möglichkeit einer Erteilung von Ausnahmen zur Aufstellungspflicht eingeräumt worden 130 (vgl. Abbildung 19). 128 Deutscher Bundestag 2001, S ebenda S BGGEG, Artikel 52, Abs.2

76 67 Programme Der Gesetzgeber legt in der EBO fest, dass Bahnanlagen und Fahrzeuge auch für behinderte und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis zugänglich sein müssen. Hierbei sollen spezifische Programme die Planungen der Eisenbahnunternehmen zur Umsetzung der geforderten Barrierefreiheit enthalten. Den Eisenbahnen ist darüber ein Instrument zur Verfügung gestellt worden, mit dem sie den in den Vorschriften enthaltenen Spielraum konkret ausfüllen können bzw. müssen 131. Vorgaben und Verpflichtungen zu den gegenständlichen Programminhalten sind in den Gesetzestext nicht aufgenommen worden, demzufolge ist allein das Ziel zur Herstellung einer weitreichenden Barrierefreiheit für die Nutzung von Bahnanlagen und Fahrzeugen für den Inhalt bestimmend. Spezifische Sanktionen bzw. Fristen zur Einhaltung der Programmaufstellungen sind ebenfalls nicht genannt, jedoch haben die Aufsichtsbehörden bei Nichterfüllung der gesetzlichen Vorschriften die Möglichkeit im Rahmen der Eisenbahnaufsicht einzugreifen. Hierbei ergibt sich aus dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) die Möglichkeit ein Zwangsgeld von bis zu Euro zu erheben. In besonders schwerwiegenden Fällen kann dem Eisenbahnunternehmen auch die Genehmigung entzogen werden 132. Unabhängig von der Pflicht zur Aufstellung von Programmen sieht der Gesetzgeber von einer inhaltlichen Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde ab, diese hat lediglich das von den Unternehmen einzureichende Programm an das für das Zielvereinbarungsregister zuständige Ministerium weiterzuleiten. Durch diese Vorgehensweise soll eine Einschränkung des Ausgestaltungsspielraumes für die Unternehmen zur Erstellung der Programme vermieden werden 133. Betriebsprogramme Die Verpflichtung zur Aufstellung von Betriebsprogrammen zum Fahrzeugeinsatz betrifft die konkrete Einsatzplanung von barrierefreien Fahrzeugen. Der Einsatz von barrierefreien Fahrzeugen ist dabei auch dem Fahrgast bekannt zu machen, wobei der Gesetzgeber einen entsprechenden Hinweis im Fahrplan als ausreichend erachtet 134. Anhörung von Spitzenorganisationen Zur Schaffung einer angemessenen Entscheidungsgrundlage ist vor der Programmaufstellung eine Anhörung der Spitzenorganisationen von Verbänden, die nach 13 Abs.3 BGG anerkannt sind, für die Eisenbahnen verpflichtend 135. Ausnahmen von der Aufstellungspflicht von Programmen Aufgrund der Tatsache, dass es Eisenbahnen gibt, welche im Bereich der Eisenbahninfrastruktur und Eisenbahnfahrzeuge materiell nicht von den Vorschriften zur Barrierefreiheit 131 Deutscher Bundestag 2001, S vgl. AEG, 14c, Abs.4 - Da von der Sanktionsmöglichkeit bisher noch kein Gebrauch gemacht wurde, ist die Verwendung dieser Maßnahme bei Nichtbeachtung der Aufstellungspflicht insbesondere da keine Fristen gesetzt wurden zunächst in Frage zu stellen. 133 Deutscher Bundestag 2001, S ebenda 135 ebenda

77 68 betroffen sind, ist es erforderlich, Ausnahmen zuzulassen. Diesem kommt der Gesetzgeber nach, indem er die zuständigen Aufsichtsbehörden berechtigt, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Als nicht betroffen nennt der Gesetzgeber hierbei die Museumseisenbahnen, welche den Personenverkehr mit historischen Fahrzeugen durchführen 136. Dagegen sind Eisenbahnunternehmen, die ausschließlich auf den Güterverkehr ausgerichtet sind, nicht explizit von der Regelung ausgeschlossen, obwohl diese da sie keinen Personenverkehr durchführen - ebenfalls nicht von den Vorschriften betroffen sind. 2.2 Analyse des Instrumentes Programme nach 2 EBO Stand der Programmaufstellung Nachdem das BGGEG in Kraft getreten ist und damit einhergehend der Gesetzgeber über die geänderte EBO die Eisenbahnen zur Aufstellung von Programmen für die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit bei Fahrzeugen und Bahnanlagen verpflichtet (vgl. Kapitel 2.1), stellt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein differenziertes Bild der Programmaufstellung dar. So erfüllen mit dem Programm der DB AG, welches konzernübergreifend und bundesweit gilt, alle Eisenbahnen des Bundes die Verpflichtungen der EBO. Wohingegen bis zum Berichtszeitpunkt (Juni 2006) bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen noch erhebliche Defizite bestehen. a. Eisenbahnen des Bundes Die DB AG hat zum Juni 2005 als erstes Eisenbahnunternehmen ein Programm fertig gestellt und an das zuständige Ministerium weitergeleitet. Das Programm ist konzernübergreifend konzipiert und gilt nach Aussagen von Bahnvertretern ebenso für die einzelnen Tochterunternehmen, obwohl diese nicht explizit im DB-Programm aufgeführt sind 137. Durch die übergreifende Aufstellung sind de facto alle genehmigten Eisenbahnen des Bundes mit dem vorliegenden Programm der DB AG abgedeckt. Obwohl im DB-Programm die Absicht einer Aufstellung von regionalisierten Teilprogrammen der DB-Nahverkehrsgesellschaften aufgeführt ist 138, wird dieses nicht weiter verfolgt 139. Ebenso ist es nicht beabsichtigt, Programme der Tochterunternehmen aufzustellen 140. b. Nichtbundeseigene Eisenbahnen Zur Evaluation der Programmaufstellung bei nichtbundeseigenen Eisenbahnen wurden 207 Eisenbahnunternehmen schriftlich zum Stand der Aufstellung befragt, davon antworteten 68 Unternehmen, was einer Rücklaufquote von 33 % entspricht (vgl. Tabelle 12). 136 Deutscher Bundestag 2001, S.38f. 137 Bahrenberg DB PV GmbH 2005, S Hahn Bahrenberg 2006

78 69 Tabelle 12: Befragung Programme Rücklauf Rücklauf Befragt 207 Antworten 68 Rücklaufquote 33% In etwa die Hälfte der Unternehmen (31), die auf die Befragung reagierten, verfügen zwar über eine Genehmigung zur Beförderung von Personen, führen jedoch keinen Personenverkehr durch und empfinden sich daher nicht von der Aufstellungspflicht betroffen. Die verbleibenden 37 Unternehmen betreiben öffentlichen Personenverkehr und sind demzufolge unmittelbar verpflichtet, Programme zur Herstellung der Barrierefreiheit von Fahrzeugen und Bahnanlagen aufzustellen bzw. eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen (vgl. Tabelle 13). Da der Gesetzgeber jedoch Eisenbahnen, die nur Güterverkehr durchführen, nicht explizit von der Aufstellungspflicht befreit hat (vgl. Kapitel 2.1), ist offen, inwiefern eine Ausnahmegenehmigung von den Eisenbahnen beantragt werden müsste. Als materiell nicht betroffen nennt der Gesetzgeber lediglich die Museumseisenbahnen. Von den neun Museumseisenbahnen, welche auf die Anfrage antworteten, gaben zwei Unternehmen an, über eine Ausnahmegenehmigung zu verfügen. Ausnahmegenehmigungen für Unternehmen im Güterverkehr bzw. für EIU lagen dagegen nicht vor. Tabelle 13: Befragung Programme Unternehmensform Unternehmensform Personenverkehr 21 kein Betrieb im Personenverkehr 31 Museumseisenbahn 9 EVU und EIU 5 EIU 2 Gesamt 68 Von den verbleibenden nichtbundeseigenen Eisenbahnunternehmen, die regulären öffentlichen Personenverkehr durchführen bzw. über öffentliche Bahnanlagen verfügen (24), gaben drei Unternehmen an, ein Programm aufgestellt und an die zuständige Aufsichtsbehörde gesendet zu haben. Bei diesen Programmen handelt es sich jedoch um eine gemeinsame Aufstellung von einem Unternehmen und dessen zwei Tochterunternehmen, so dass diese Programme ähnlich wie bei der DB AG im Grunde als ein Programm zu werten sind. Ein weiteres Unternehmen teilte mit, derzeit in der Endphase der Programmaufstellung zu sein (vgl. Tabelle 14).

79 70 Tabelle 14: Befragung Programme Programmaufstellung Programmaufstellung Programm vorhanden 3 In der Programmaufstellungsphase 1 Noch keine Programmaktivität 20 Anhand der Tatsache, dass lediglich 3 von 24 Eisenbahnen ein Programm aufgestellt haben, zeigt sich ein erhebliches Defizit beim Stand der Programmaufstellung. Eine Anfrage bei den nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Spitzenorganisationen der Verbände von Menschen mit Behinderungen bestätigt dieses Bild. So gab ein Teil der Verbände an, dass bisher nur wenige Anhörungen (zum Teil von den drei o. g. Eisenbahnen mit Programm) durchgeführt wurden, der andere Teil konnte noch keine Anhörungen von Eisenbahnen bestätigen. Auch die Tatsache, dass bis dato lediglich das Programm der DB AG an das für das Zielvereinbarungsregister verantwortliche Ministerium weitergeleitet wurde 141 und bisher noch kein weiteres Programm geführt wird, zeigt ein deutliches Defizit bei der Programmaufstellung Programminhalte a. Programm der Deutschen Bahn AG Das Programm der Deutschen Bahn AG, dessen Erarbeitung drei Jahre in Anspruch nahm, ist konzernübergreifend konzipiert. Die DB AG hat sich zum Ziel gesetzt, jeweils zum Jahresende eine Zwischenbilanz zu ziehen und das Programm in Zusammenarbeit mit einer begleitenden Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern von Menschen mit Behinderungen und Ansprechpartnern aus den Fachabteilungen der betroffenen Unternehmensbereiche, kontinuierlich fortzuschreiben. Eine grundsätzliche Überarbeitung und Neuauflage ist im Jahr 2009 geplant, so dass für 2010 ein neues Programm vorliegen soll. Von Seiten der DB AG wird hervorgehoben, dass nicht alle Maßnahmen, die im Unternehmen zur Gleichstellung behinderter Reisenden umgesetzt werden, auch im Programm festgehalten wurden. Hiervon ist Abstand genommen worden, da die Verbindlichkeit, die mit der Aufstellung des Programms einhergeht, Bedenken über eine garantierte dauerhafte Umsetzung aller bereits vorhandenen Aktivitäten zur Barrierefreiheit hervorrief, da es sich hierbei teilweise um Pilotversuche handelt, deren Sinnhaltigkeit erst noch nachgewiesen werden muss 142. Das Programm der DB AG gliedert sich entsprechend der Konzernstruktur in die Bereiche Fernverkehr, Nahverkehr sowie Personenbahnhöfe und nennt für diese Bereiche zum Teil konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit durch das Unternehmen. Darüber hinaus führt es ausgewählte Dienstleistungen und Projekte speziell für die Belange von 141 Spereiter Hahn 2005

80 71 Menschen mit Behinderungen auf. In der Anlage ist es durch einen Anforderungskatalog für die barrierefreie Gestaltung zukünftiger Fahrzeugtypen sowie Angaben der einzelnen DB- Regionalbereiche ergänzt. I. Maßnahmenplanungen im Unternehmensbereich Personenverkehr - Fernverkehr Für den Fernverkehr der DB AG ist festgelegt worden, dass bei der Beschaffung bzw. Entwicklung neuer Zugsysteme 143 fahrzeuggebundene Einstiegshilfen sowie weitere Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit im Lastenheft enthalten sein sollen. Die Einhaltung dieses Lastenheftes wird dabei verbindlicher Bestandteil zur Beschaffung neuer Fahrzeuge. Ebenso wird angestrebt, Weiterentwicklungen der Hersteller von fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen in die Konstruktion neuer Fahrzeuggenerationen einzubeziehen. Darüber hinaus wurde ein Kriterienkatalog zur barrierefreien Gestaltung von Fahrzeugen in Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) und den Dachverbänden von Menschen mit Behinderungen ausgearbeitet 144. Dieser Katalog beinhaltet wesentliche Merkmale zur barrierefreien Ausstattung der Fahrzeuge und soll möglichst weitgehend bei den Maßnahmenplanungen künftiger Fahrzeugprojekte berücksichtigt werden. Hierbei enthält der Katalog u. a. grundlegende Ausstattungsmerkmale der Bereiche, die für Reisende mit Behinderungen von besonderer Relevanz sind, wie z. B. die fahrzeugseitigen Ein- und Ausstiegsbereiche und der Innenraumbereich. Praktische Anwendung finden diese Merkmale bei der Beschaffung bzw. Entwicklung neuer Zugsysteme, eine Auslieferung findet hierbei voraussichtlich erst nach 2010 statt. Zudem sollen die eingesetzten Züge ohne Rollstuhlkapazitäten im IC- und EC-Verkehr schrittweise bis Ende 2005 durch Züge mit hinreichenden Kapazitäten ersetzt werden. Bei den DB NachtZug und DB AutoZug Verbindungen sind gegenwärtig in den Zügen rollstuhlgerechte Liegewagen mit entsprechenden Sanitäranlagen im Einsatz, nur bei Fahrzeugen der Bauart Talgo können lediglich Rollstuhlstellplätze angeboten werden. Aussagen zur Barrierefreiheit für Menschen mit anderen Behinderungen werden bei diesen Produkten nicht getroffen, jedoch verpflichtet sich die DB AG, das Konzept von barrierefreien Liegewagen unter Beteiligung der Verbände von Menschen mit Behinderungen weiterzuentwickeln. Bei den DB AutoZug Verbindungen kommt erschwerend hinzu, dass die Verladestellen an den Bahnhöfen i. d. R. nicht über barrierefreie Sanitäranlagen, Aufzüge, Hublifte bzw. Einstiegshilfeservices verfügen. Zumindest im Inland organisiert die DB AG daher über die Mobilitätsservice-Zentrale an allen Terminals (außer in Lindau), einen Einstiegshilfeservice. An den österreichischen Terminals stehen Hublifte zur Verfügung. Weitere Maßnahmen zur Beseitigung anderweitiger Barrieren und Mängel an den Verladestationen werden nicht genannt. Auch wenn mittels des Kriterienkataloges viel zur Herstellung der Barrierefreiheit für die künftigen Fahrzeuge im Fernverkehr erreicht werden kann, werden im Programm dennoch Einschränkungen festgehalten. So wird erläutert, dass aus finanziellen Gründen ein Nach- 143 Für alle nach dem von der DB Fernverkehr AG zu beschaffenden neuen Fahrzeugtypen, u. a. Nachfolgefahrzeuge IC-Verkehr / neue Fahrzeugtypen des lokbespannten Fernverkehrs sowie Nachfolgefahrzeuge ICE / neue Zugfamilie des HGV. 144 vgl. DB PV GmbH 2005, Anlage 1

81 72 rüsten von bestehenden Zugprodukten mit fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen nicht möglich sei. Weiterhin können einige internationale Züge, welche aus Fahrzeugen anderer Eisenbahnunternehmen zusammengestellt werden, nicht mit barrierefreien Fahrzeugen verkehren. Jedoch verpflichtet sich die DB AG für diesen speziellen Umstand entsprechende Verhandlungen mit den Kooperationspartnern zu führen 145. II. Maßnahmenplanungen im Unternehmensbereich Personenverkehr - Nahverkehr Auch im Unternehmensbereich Nahverkehr strebt die DB AG die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit an, sie verweist jedoch hierbei ausdrücklich auf Zuständigkeiten und Verantwortungen der Aufgabenträger im SPNV. Auf Seiten der Fahrzeuge dokumentiert das DB-Programm zunächst die bereits umgesetzte Barrierefreiheit für Reisende mit Rollstuhl. Die überwiegende Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge sei für diese Kundengruppe selbstständig bzw. zumindest mit personalbasierter Unterstützung zugänglich. Bei der Bestandsaufnahme sind Aussagen zur gegenwärtigen Barrierefreiheit für Reisende mit anderen Behinderungen bis auf Nennung von digitalen Anzeigen in den Fahrzeugen im Programm nicht enthalten. Zukünftig verpflichtet sich die DB AG alte Fahrzeuge sukzessive durch neue Fahrzeuge mit Mehrzweckräumen und barrierefreien Toiletten zu ersetzen und bei der Entwicklung von neuen Fahrzeuggenerationen die Verbände von Menschen mit Behinderungen zur effektiven barrierefreien Gestaltung einzubeziehen. Trotz der Absicht zur Herstellung der Barrierefreiheit stellt die DB AG deutlich heraus, dass Konfliktpunkte in Bezug zu den Vorgaben der Aufgabenträger entstehen können. Denn die Aufgabenträger definieren genau die Standards und Qualität zur Barrierefreiheit der einzusetzenden Fahrzeuge bei Ausschreibungen sowie beim Abschluss von Verkehrsverträgen, welche von den Forderungen der Betroffenenverbände abweichen können. Aus diesem Grund entziehen sich die Anforderungen an die Fahrzeuge der Einflussnahme durch die Verkehrsunternehmen. Hierbei richtet sich die DB AG nach dem in den Ausschreibungen oder Schienennahverkehrsplänen festgelegten Bedarf, eine weitergehende Berücksichtigung ist dabei abhängig von der entsprechenden Finanzierung durch den Aufgabenträger. Im Bereich der Dienstleistungen im Nahverkehr kann die DB AG nicht ausschließen, dass Angebotsveränderungen auch zu einer Reduzierung von Servicepersonal in den Fahrzeugen und an den Bahnstationen führen. Da demzufolge die Zugänglichkeit unter Umständen nicht mehr gewährleistet werden kann, wenn kein Personal vor Ort ist, welches u. a. für erforderliche Hilfeleistungen wie die Bedienung von fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen zuständig ist, stellt der Abbau von Personal ein erhebliches Defizit für Menschen mit Behinderungen dar. Die DB AG sieht sich jedoch nicht in der Lage, die notwendigen Serviceleistungen mit personalbedienten Einrichtungen speziell für Menschen mit Behinderungen finanziell sicherzustellen. Hierfür nimmt die DB AG die Besteller von Nahverkehrsleistungen in die Verantwortung und betont die Notwendigkeit, dass die öffentliche Hand diese Leistungen über- 145 DB PV GmbH 2005, S.9ff.

82 73 nimmt, um die Zugänglichkeit für Reisende mit Behinderungen zu verbessern bzw. zu gewährleisten. Bereits in diesem Zusammenhang sowie bei der Beschaffung von Neufahrzeugen nennt die DB AG die Relevanz von Festlegungen konkreter Anforderungen zur Herstellung der Barrierefreiheit in den Schienennahverkehrsplänen der Länder 146 (vgl. hierzu Kapitel 1.3.3). III. Maßnahmenplanungen im Unternehmensbereich Personenbahnhöfe Im Rahmen der Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit im Bereich der Personenbahnhöfe erläutert die DB AG, dass derzeit ca Personenbahnhöfe und Haltestationen von der DB AG betrieben werden. Für Reisende mit Behinderungen werden dabei an 300 wichtigen Bahnhöfen ( 5,5 %) besondere Ein-, Um- und Ausstiegsdienstleistungen auf Anfrage über die Mobilitätsservice-Zentrale organisiert. Diese Bahnhöfe verfügen über technische Einstiegshilfen bzw. Treppenlifte und Elektromobile. Zum Zeitpunkt der Programmerstellung verfügten etwa 480 Bahnhöfe über Rollstuhl-Hubgeräte ( 8,7 %), 40 Bahnhöfe über mobile Rampen ( 0,7 %) und neun Bahnhöfe über Elektromobile ( 0,2 %). Unabhängig von dieser Ausstattung seien viele Bahnhöfe bereits weitestgehend barrierefrei ausgestattet worden. Als Beispiele nennt die DB AG dafür Aufzüge und barrierefreie Rampenbauwerke, Blindenleitsysteme, Automatiktüren sowie Gepäckförderbänder und Informationssysteme. Um die Barrierefreiheit weiter zu verbessern bzw. um die Zugänglichkeit der Bahnanlagen auch für Reisende mit Behinderungen herzustellen, verpflichtet sich die DB AG, Bahnhöfe und Haltepunkte grundsätzlich im Zuge von Neu- und umfassenden Umbaumaßnahmen schrittweise barrierefrei zu gestalten. Zu diesem Zweck soll sich die Bauweise an den gültigen Regelwerken sowie an den anerkannten Regeln der Technik zum barrierefreien Bauen im Eisenbahnwesen orientieren. Hierbei gelten vor allem die bemessungsrelevanten Module der DB-Richtlinie 813 Personenbahnhöfe planen, welche eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit bei Planung und Bauausführung von Bahnanlagen vorschreibt. Als Beispiele für DB-Standards zur barrierefreien Gestaltung von Bahnanlagen nennt das Programm folgende Punkte: Bemessung/Dimensionierung neuer Anlagen unter Berücksichtigung ausreichender Bewegungsräume für behinderte Menschen. Optische/taktile Leitsysteme für blinde und sehbehinderte Menschen auf Bahnsteigen mit Anschluss der Bahnsteigzugänge und bei unübersichtlicher Wegeführung weiter bis zu den Ein-/Ausgängen der Station. Vorhandene Notruf- und Informationsstelen sind an das taktile Leitsystem anzuschließen. Barrierefrei gestaltete Aufzüge (Neu- und Ersatzprogramm) oder Rampen bei Bedarf. Fahrtreppen bei größeren Höhenunterschieden bzw. großen Fahrgastzahlen. Bahnsteigaufhöhungen. 146 DB PV GmbH 2005, S.11ff.

83 74 Einsatz moderner Wegeleitung mit gut lesbaren und verständlichen Texten und Graphiken/Piktogramme sowie Kundeninformation bei Bedarf einschl. z. B. taktiler Handlaufbeschriftungen (Gleisbezeichnung in Braille bzw. Prismenschrift) an Treppen. Notruf- und Informationsstelen mit Einrichtungen zur Kontaktaufnahme mit einer ständig besetzten Stelle in großen Bahnhöfen und darüber hinaus in besonderen Fällen. 147 Laut DB-Programm wird die Bahnsteighöhe durch Bestellung der Bundesländer bzw. durch die Eisenbahnverkehrsunternehmen entschieden und muss in Abhängigkeit vom fahrzeugtechnischen Zugangebot und dem örtlichen Dienstleistungsangebot betrachtet werden. Infolgedessen wird je nach Bestellung der Bahnsteig entweder auf 550 mm oder 760 mm über Schienenoberkante gebaut 148. Einschränkend erläutert die DB AG, dass die Realisierbarkeit der Baumaßnahmen an den Bahnstationen von der Finanzierung der Vorhaben mit öffentlichen Mitteln abhängig ist. Doch diese Gelder unterstützen grundsätzlich nur sogenannte Neubauten und umfassende Umbauten und nicht die Kosten der Instandhaltung und des Betriebs der Anlagen, welches sich insbesondere bei der Entscheidung für besonders instandhaltungsintensive Maßnahmen niederschlägt (z. B. Aufzüge). Für die DB AG ist es zunächst unternehmenspolitisches Ziel, sukzessive die größten Bedarfsschwerpunkte barrierefrei zu gestalten sowie zur Effizienzsteigerung die verfügbaren Finanzmittel in Abhängigkeit von Realisierungszeiträumen einzusetzen. Weiterhin erläutert die DB AG in ihrem Programm, dass aus wirtschaftlichen Gründen nicht an allen Bahnhöfen eine vollkommene Barrierefreiheit hergestellt werden kann und daher eine Grenze bei ein- und aussteigenden Reisenden pro Tag für die Herstellung der Barrierefreiheit an Bahnanlagen angesetzt wurde (vgl. hierzu auch Kapitel 5.2). An Bahnhöfen, die eine geringere Reisendenfrequenz aufweisen, werden bei umfassenden Umbauten zwar ebenfalls die Voraussetzungen zur Barrierefreiheit geschaffen, jedoch nur bedingt umgesetzt (z. B. Vorsehung von Aufzugsschächten aber Verzicht zum Einbau von Aufzügen bzw. Verzicht auf lange Rampenbauwerke). Von dieser Regelung sind nur Bahnanlagen an besonderen Bedarfsschwerpunkten (z. B. lokale Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen) ausgenommen, an diesen Stationen erfolgt aufgrund der besonderen örtlichen Situation der Einbau von Aufzügen bzw. Rampen nach Vorgaben der Unternehmensrichtlinien auch bei niedrigeren Reisendenfrequenzen. Abschließend gibt die DB AG an, dass generell mittelfristig ein Netz von Stationen entstehen soll, welches einen barrierefreien Zugang zum Verkehrssystem der Bahn in einer zumutbaren Distanz ermöglicht 149, wobei der Begriff zumutbar nicht näher definiert wurde. 147 DB PV GmbH 2005, S ebenda S ebenda S.13ff.

84 75 IV. Weitere Maßnahmenplanungen sowie Dienstleistungen und Projekte Neben den dargestellten konkreten Maßnahmen der einzelnen Unternehmensbereiche nennt das Programm im Rahmen eines Ausblickes weitergehende sowie übergreifende Dienstleistungen und Projekte zur Herstellung und Verbesserung der Barrierefreiheit. So ist die Mobilitätsservice-Zentrale erwähnt, welche die Aufgabe hat, mobilitätseingeschränkten Reisenden die Planung zur erleichtern und spezifische Services zu organisieren. Auch Einzelmaßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich des Vertriebs- und Kommunikationsmanagement, wie etwa Möglichkeiten zur Herstellung der Barrierefreiheit bei den Reisezentren, den neuen Ticketautomaten sowie dem Internetauftritt, werden betrachtet. Zudem möchte das Unternehmen vor dem Hintergrund einzelner Projekte Mitarbeiter schulen und sensibilisieren sowie die allgemeine Unternehmenskommunikation auch auf die Belange von Menschen mit Behinderungen abstellen und mit deren Verbänden eine intensive und offene Zusammenarbeit anstreben. Weithin will die DB AG im Unternehmensbereich Stadtverkehr bei Fahrzeugneuanschaffungen weiterhin verstärkt Niederflurbusse einsetzen, welche wiederum die nicht barrierefreien Fahrzeuge sukzessive ablösen. Die DB AG gibt dabei an, dass bereits über 70 % der neu angeschafften Fahrzeuge mittlerweile Niederflurfahrzeuge sind 150. V. Anlagen zum Programm der Deutschen Bahn AG Das Programm der DB AG ist um Anlagen ergänzt. Diese beinhalten einerseits einen umfangreichen Kriterienkatalog für Standards der Barrierefreiheit bei Fahrzeugen sowie andererseits Angaben zum Stand der Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr der einzelnen DB-Regionalbereiche sowie der S-Bahnen. Die aufgeführten Standards für Fahrzeuge im Personenverkehr definieren detailliert und umfangreich Gestaltungskriterien zur Herstellung der Barrierefreiheit im Fahrzeuginnenraum und beim fahrzeugseitigen Ein- bzw. Ausstieg. Darüber hinaus werden Empfehlungen zu Informationszwecken und deren Ausgestaltung wie z. B. Größe und Kontrast von Schriftzeichen gegeben. Der Kriterienkatalog soll als Handlungsempfehlung bei der Beschaffung von Neufahrzeugen sowie bei Redesign-Planungen angewendet werden. Indem die Aussage aufgenommen wurde, dass aufgrund unterschiedlicher technischer sowie betrieblicher Voraussetzungen und Rahmenbedingungen im SPNV es nicht immer durchgehend möglich sei, diese Kriterien vollständig einzuhalten, wurde der Kriterienkatalog in seiner Eigenschaft als Regelwerk allerdings eingeschränkt. Sollte der Katalog dennoch einen verpflichtenden Charakter erhalten und nicht nur als Handlungsempfehlung dienen, so ist er als ein geeigneter und wichtiger Schritt zur Verwirklichung der Barrierefreiheit in den Fahrzeugen zu werten, insbesondere da mittels der beabsichtigten durchgehenden Einhaltung des Zweibzw. Mehr-Sinne-Prinzips auch die Belange von Menschen mit sensorischen Behinderungen berücksichtigt werden. 150 Dieses beinhaltet jedoch auch die Aussage, dass nach wie vor 30 % der neuen Fahrzeuge nicht den Aspekten der Barrierefreiheit genügen.

85 76 Die Anlagen zum Stand der Barrierefreiheit bei den einzelnen DB-Regionalbereichen sowie bei den S-Bahnen sind je nach Regionalbereich in unterschiedlicher Tiefe dargestellt. Grundsätzlich wird eine Bestandsaufnahme bei den eingesetzten Fahrzeugen, den vorhandenen Bahnanlagen sowie bei Kundeninformationen und sonstigen Dienstleistungen vorgenommen. Konkrete regionalspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit im öffentlichen Personenverkehr werden dagegen nicht explizit hervorgehoben. VI. Betriebsprogramm Die Aufstellung eines spezifischen Betriebsprogramms umgeht die DB AG mit dem Hinweis, dass mittels der vorhandenen Mobilitätsservice-Zentrale eine Reiseauskunft speziell für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen gewährleistet ist. Diese Dienstleistung beinhaltet dabei u. a. die Auswahl von Direktverbindungen mit möglichst wenigen Umsteigebeziehungen, die Beachtung persönlicher Streckenverzeichnisse und relevanter Verbundgrenzen, als auch die gezielte individuelle Platzreservierung und die Zusendung der Fahrkarten zum Kunden. Die darüber gewährleistete Ermittlung von geeigneten Fahrzeugen dient als Begründung, dass eine gesonderte Veröffentlichung spezieller Betriebsprogramme, aus denen die Einstellung barrierefreier Fahrzeuge in die Züge zu entnehmen ist, nicht im Vordergrund steht. 151 Die DB AG präzisiert diese Begründung indem sie anführt, dass Informationen über den fahrplanmäßigen Einsatz von barrierefreien Fahrzeugen ergänzend zwar sinnvoll sind, jedoch für die Reiseplanung behinderter Menschen kein praktikables Instrument darstellen würden. Um dennoch die Vorgaben des 2 Abs.3 Satz 3 EBO zu erfüllen, ist die DB AG bestrebt, mittels kontinuierlicher Standardisierung der Bahnhofs- und Fahrzeuggestaltung die Möglichkeiten einer erleichterten Reiseplanung sowie Informationsweitergabe insbesondere durch das Internetportal der Bahn sukzessive zu verbessern und auszubauen. VII. Anhörungsverfahren Die Erstellung des Programms der DB AG erfolgte, über den Vorgaben der EBO hinausgehend (vgl. Kapitel 2.1), in enger Zusammenarbeit mit Verbänden von Menschen mit Behinderungen und dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Der erste Programmentwurf von 2003 wurde dem Deutschen Behindertenrat zur Stellungnahme übermittelt. Auf Basis der daraufhin erfolgten Meinungsbildung der verschiedenen Verbände von Menschen mit Behinderungen wurden Arbeitsgespräche zwischen Vertretern der Verbände und der DB AG geführt. Um die Vorgaben der EBO nach einer Anhörung der Spitzenorganisationen von anerkannten Verbänden zu erfüllen, wurden alle nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände sowie die Vertreter der Verhandlungskommission des Deutschen Behindertenrates zum Gespräch geladen. Zusammen mit den verantwortlichen Vertretern der betroffenen Fachbereiche der DB AG ist diese Anhörung im Dezember 2004 durchgeführt worden. Auch nach Veröffentlichung des Programms besteht eine Einflussnahme von Seiten der Betroffenenverbände durch eine einberufene Arbeitsgruppe. Um 151 DB PV GmbH 2005, S.17

86 77 Detailfragen von anstehenden Umsetzungsmaßnahmen abzustimmen, soll die Arbeitsgruppe unter Federführung der DB Kontaktstelle für kundenbezogene Behindertenangelegenheiten zwei- bis drei Mal im Jahr zusammenkommen, wobei jeweils zum Jahresende eine Zwischenbilanz gezogen und eine Fortschreibung des Programms vorgenommen werden soll. Trotz der intensiven Gespräche mit den Vertretern der Verbände von Menschen mit Behinderungen gibt es auch Dissenspunkte bei denen kein Konsens gefunden werden konnte. Diese Punkte sind im Programm dokumentiert und kommentiert worden, es handelt sich im Wesentlichen um: die Zugänglichkeit des Restaurants / Bistrobereiches in Fahrzeugen des Fernverkehrs, die Gewährleistung auch von spontanen Reisen, die barrierefreie Gestaltung bei Umbaumaßnahmen auch bei Bahnhöfen, die eine Reisendenfrequenz von weniger als Fahrgästen pro Tag aufweisen. Ob diese Punkte für die Verbände von Menschen mit Behinderungen ebenfalls zufriedenstellend geklärt werden können, bleibt der Tätigkeit der Arbeitsgruppe und der Fortschreibung des Programms durch die DB AG belassen. Zumindest die fehlende Herstellung der Barrierefreiheit bei Umbaumaßnahmen an Bahnstationen mit einer Reisendenfrequenz unter Fahrgästen steht erheblich in der Kritik der Betroffenen 152 (vgl. hierzu auch Kapitel 5.2). Doch ungeachtet der strittigen Punkte sehen die beteiligten Verbände das Programm der DB AG als einen wichtigen und wesentlichen Schritt zur Herstellung der Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr an und werten es als beispielhaft für diesen Bereich des öffentlichen Lebens 153. VIII. Weiterleitung des DB-Programms an das für das Zielvereinbarungsregister zuständige Bundesministerium Das Programm der DB AG wurde nach letzten Gesprächen zwischen dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung und der DB AG im Juni 2005 in Berlin präsentiert und dem für das Zielvereinbarungsregister verantwortlichen Bundesministerium übergeben. Das Programm wurde daraufhin vom Ministerium im Zielvereinbarungsregister aufgenommen und dort veröffentlicht 154. b. Programminhalte nichtbundeseigener Eisenbahnen Ein Teil der Unternehmen, welche im Rahmen der schriftlichen Befragung zum Stand der Programmaufstellung reagierten (vgl. Kapitel b), wurden telefonisch vertiefend zum Thema befragt. Dabei zeigte sich, dass nach Ansicht vieler Unternehmen die Barrierefreiheit durch vorhandene Niederflurfahrzeuge bzw. durch Blindenleitsysteme an Bahnsteigen 152 vgl. Bundesverwaltungsgericht Sozialverband Deutschland e. V. - Abteilung Sozialpolitik 2005, S vgl. BMAS 2006b

87 78 bereits weitestgehend erfüllt sei, ein Programm folglich nur diese bereits umgesetzten Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit und keine neuen Festlegungen beinhalten würde. Des Weiteren ist die Sinnmäßigkeit von Programminhalten dahingegen angezweifelt worden, dass zwar in einem Programm Anforderungsprofile für Fahrzeuge und Bahnanlagen festgehalten werden können, diese aber erst bei der Neubeschaffung bzw. bei umfangreichen Baumaßnahmen zum Tragen kommen. Da jedoch zum Teil mittel- und langfristig keine Neubeschaffungen bzw. keine Baumaßnahmen anstehen, verfehle ein Programm mit umfangreichen Anforderungsprofilen nach Meinung der Unternehmen sein Ziel. Insofern würde ein erheblicher Teil von Eisenbahnunternehmen, wenn sie durch Sanktionen bzw. Fristen zur Aufstellung von Programmen verpflichtet wären, Programminhalte festlegen, welche lediglich eine geringe oder sogar keine Wirkung zur Herstellung der Barrierefreiheit im öffentlichen Personenverkehr erzielen. Dieses Bild wird ebenfalls durch die Inhalte der vorliegenden Programme nichtbundeseigener Eisenbahnen bestätigt. Bei diesen handelt es sich um ein Programm einer Eisenbahn, welche sowohl Personenverkehr durchführt als auch Infrastruktur betreibt sowie um jeweils ein Programm von Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die Programme sind äußerst kurz gehalten und in der Anlage durch die Stellungnahmen aus dem Anhörungsverfahren mit den Spritzenorganisationen der Verbände von Menschen mit Behinderungen ergänzt. I. Programminhalte EVU / EIU Das Programm der Eisenbahn mit Personenverkehr und Infrastruktur gibt einen kurzen Überblick der bereits umgesetzten Barrierefreiheit bei Bahnanlagen und Fahrzeugen. Hierbei werden für Bahnanlagen folgende Angaben gemacht: Bahnsteige sind über kurze und direkte Wege zu erreichen, Bahnsteige sind stufenlos über Rampen bzw. Fahrstühle zugänglich, Zugänge verfügen über eine direkte Ausleuchtung, Bahnsteige sind mit einem Blindenleitsystem ausgestattet, welches sowohl taktil als auch kontrastreich ist. Mit Erfüllung dieser Kriterien im Bereich der Bahnanlagen sieht das Unternehmen die weitestgehende Barrierefreiheit als ausreichend gewährleistet an, weitere Maßnahmen sind darüber hinaus nicht vorgesehen. Auf Seiten der Fahrzeuge wird im Programm aufgeführt, dass es sich um Fahrzeugtypen handelt, die aufgrund der Bauart (u. a. Stufen im Eingangsbereich) nicht barrierefrei sind. Diese Fahrzeuge seien aufgrund der technischen Voraussetzungen auch nicht entsprechend umrüstbar. Um dennoch eine Zugänglichkeit zu erreichen, verpflichtet sich das Unternehmen nach vorheriger Anmeldung durch die Reisenden und nach Absprache, beim Ein- bzw. Ausstieg Servicepersonal zur Unterstützung bereitzustellen. Hierbei ist jedoch nicht näher erläutert, wie die Unterstützung gehandhabt bzw. organisiert werden soll und mit welchen technischen Hilfsmitteln diese erfolgt. Weiterhin wird bei künftigen Beschaffungen von

88 79 Neufahrzeugen die Verpflichtung übernommen, lediglich solche Fahrzeuge zu erwerben, die einen niveaugleichen Einstieg ermöglichen. Darüber hinaus ist zwar erwähnt, dass bei den eingesetzten Fahrzeugtypen serienmäßig akustische sowie visuelle Haltestellenansagen bzw. -anzeigen verfügbar sind, jedoch werden weiterführende Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit für Menschen mit Sinnesbehinderungen im Programm nicht berücksichtigt. So sind z. B. keine Aussagen über die spezifische Innenraumgestaltung (insbesondere zum Kontrast) und den Türöffnungsmechanismen bzw. der Gestaltung von Fahrscheinautomaten (vgl. hierzu auch Kapitel 5.4) in den Fahrzeugen aufgenommen worden. II. Programminhalte EVU Die Programme der EVU sind ähnlich gegliedert, dabei erfolgt zunächst eine Auflistung der bereits umgesetzten Barrierefreiheit in den Fahrzeugen, welche mit Anmerkungen und verpflichtenden Maßnahmen ergänzt ist. Beide Unternehmen führen Personenverkehr mit Fahrzeugen durch, welche einen niveaugleichen Einstieg ermöglichen. Voraussetzung hierfür sei jedoch eine entsprechende Bahnsteighöhe, ein möglicher Restspalt wird mit manuell bedienbaren Rampen überbrückt. Neben dem niveaugleichen Einstieg verfügen die Fahrzeuge über eine barrierefreie Sanitärzelle und eine barrierefreie Innenraumgestaltung. Inwieweit die Innenraumgestaltung allerdings auch die Belange von Menschen mit Sinnesbehinderungen berücksichtigt, ist nicht aufgeführt. Um an Bahnsteigen, die noch nicht die entsprechenden Standardhöhen aufweisen, einen Zugang zu den Fahrzeugen zu ermöglichen, verpflichten sich die Unternehmen, Personal zur Unterstützung bereitzustellen oder andere Maßnahmen zur Sicherung der Beförderung zu ergreifen, wobei keine Aussage darüber getroffen wird, um welche Maßnahmen es sich handelt. Voraussetzung für die Dienstleistung ist zudem eine vorherige Anmeldung der Reise beim Unternehmen und die damit einhergehende Abstimmung zwischen Fahrgast und Unternehmen. Da mit dem aufgeführten Stand der Barrierefreiheit und den punktuellen Maßnahmen nach Ansicht der Unternehmen eine weitestgehende Zugänglichkeit hergestellt ist, sind keine weiterführenden Verpflichtungen im Programm enthalten. III. Betriebsprogramme nichtbundeseigener Eisenbahnen Bei keinem der drei Programme ist ein Betriebsprogramm zum Einsatz barrierefreier Fahrzeuge explizit aufgeführt. In einem Programm ist jedoch erwähnt, dass aufgrund vorhandener Stufen im Eingangsbereich kein barrierefreier Zugang in die Fahrzeuge möglich ist. In Bezug zur Bekanntgabe des konkreten Einsatzes von barrierefreien Fahrzeugen bedeutet dies, dass eine Bekanntgabe nicht vorhandener barrierefreier Fahrzeuge gar nicht möglich ist. Ein anderes Programm verweist auf den ausschließlichen Einsatz von Niederflurfahrzeugen, welche als barrierefrei angesehen werden. Hierbei kann wiederum davon ausgegangen werden, dass wenn ausschließlich barrierefreie Fahrzeuge eingesetzt werden, ein Betriebsprogramm unzweckmäßig erscheint.

89 80 IV. Anhörungsverfahren bei nichtbundeseigenen Eisenbahnen In allen drei Fällen wurden zur Erfüllung der Anhörungspflicht die Entwürfe der Programme an alle nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände von Menschen mit Behinderungen gesendet. Ein Teil der angeschriebenen Organisationen antwortete daraufhin mit entsprechenden Stellungnahmen, welche von den Verkehrsunternehmen aufgegriffen und teilweise im Programm berücksichtigt sowie kommentiert wurden. V. Weiterleitung der Programme an das für das Zielvereinbarungsregister zuständige Bundesministerium Die Programme wurden nach Aussage der Unternehmen der Landesaufsichtsbehörde übergeben. Jedoch ergab eine Nachfrage beim für das Zielvereinbarungsregister zuständigen Bundesministerium (Bundesministerium für Arbeit und Soziales), dass diese bis zum Berichtszeitpunkt (Juni 2006) noch nicht weitergeleitet wurden. Die Weiterleitung von der zuständigen Landesaufsichtsbehörde an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann somit als noch nicht abgeschlossen betrachtet werden Wirkungsanalyse von Programmen Zur Wirkungsanalyse der Programme nach 2 Abs.3 EBO ist es erforderlich, die mit diesem Instrument einhergehenden Bedingungen und deren Umsetzung in die Analyse einzubeziehen und auf deren Wirkung zur Herstellung der Barrierefreiheit im Schienenpersonenverkehr zu prüfen. Für diese Untersuchung wurden die vorliegenden Programme der nichtbundeseigenen Eisenbahnen sowie der DB AG auf deren möglichen Wirkung zur Erfüllung der BGG-Zielstellung überprüft. Wirkungsanalyse: Programmaufstellung Die DB AG übernimmt bei der Programmaufstellung eine Vorbildfunktion, denn das Unternehmen ist nach Inkrafttreten des BGG in Zusammenarbeit mit den Verbänden von Menschen mit Behinderungen in die Programmaufstellungsphase gegangen und hat nach drei Jahren Erarbeitungszeit ein konzernübergreifendes Programm veröffentlicht. Die relativ lange Erarbeitungszeit resultiert dabei überwiegend aus dem aufwendigen Prozess zur Bildung von Kompromissen zwischen den Interessensvertretern und den Abstimmungen zwischen den verschiedenen Konzernbereichen 155. Dennoch zeigt sich die unternehmensübergreifende Herangehensweise als Kritikpunkt der Programmaufstellung. So wird zwar im Anhang zum Programm auf regionalspezifische Aspekte eingegangen, jedoch sind diese wenig konkret und spiegeln eher den aktuellen Stand der Barrierefreiheit wider, anstatt spezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit zu enthalten. Zudem stützen sich die Tochterunternehmen der DB AG auf das DB-Programm und vermeiden somit eine Aufstellung von eigenständigen Programmen. Die konzernübergreifende Herangehensweise 155 Hahn 2005

90 81 kann für den Fernverkehrsbereich der DB AG durchaus als zweckmäßig angesehen werden, doch wird im Nahverkehr der DB AG wenig differenziert auf regionalspezifische Problemlösungen eingegangen. Der Verzicht auf Teilprogramme der Regionalbereiche und der Tochterunternehmen der DB AG kann auch nicht durch die in der Anlage aufgeführten Informationen ausgeglichen werden. Insofern kann das Ziel des BGG-Instrumentes zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV für die Aufstellung des Programms der DB AG im Hinblick auf regionalspezifische Maßnahmen des Gesamtprogramms als nur bedingt erfüllt angesehen werden. Der Stand der Programmaufstellung bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen zeigt sich dagegen anhand der in Kapitel dargestellten Evaluation als nicht weit fortgeschritten. Hierbei sind verschiedene Ursachen zu erkennen. So antwortete bei der Evaluation zum Stand der Programmaufstellung ein Großteil der Eisenbahnen in Bezug zur Aufstellungspflicht mit Hinweisen, wie bereits im Unternehmen die Barrierefreiheit hergestellt wurde und demnach ein eigenständiges Programm überflüssig sei. Somit wird mittels einer vermeintlich umgesetzten Barrierefreiheit im Unternehmen die Aufstellung eines Programms als nicht zweckmäßig bzw. notwendig betrachtet und auf eine Aufstellung verzichtet. Als weitere Ursache ist eine teilweise ungenügende Kenntnis über die gesetzliche Verpflichtung zur Programmaufstellung bei den Eisenbahnen zu erkennen. Auch eine fehlende Sanktionierung bzw. Aufstellungsfrist sowie eine zurückhaltende Vorgehensweise der Landesaufsichtsbehörden potenziert den verzögerten Stand zur Programmaufstellung. Insofern ist zu schlussfolgern, dass gegenwärtig ein noch erhebliches Wirkungsdefizit des 2 Abs.3 EBO in Bezug zur Aufstellungspflicht bei nicht bundeseigenen Eisenbahnen besteht. Darüber hinaus existiert eine Regelungslücke für Eisenbahnunternehmen, die ausschließlich Güterverkehr betreiben. Da diese Unternehmen keinen Personenverkehr durchführen, sind sie materiell nicht von den Vorschriften zur Barrierefreiheit betroffen und sollten daher analog der Museumseisenbahnen von den Regelungen des 2 Abs.3 EBO ausgenommen sein. Wirkungsanalyse: Programminhalte In Bezug zu den Inhalten von Programmen insbesondere der NE-Bahnen können aufgrund der geringen Anzahl vorliegender Programme nur bedingt qualifizierte Aussagen zu deren Wirkung getroffen werden. Im Allgemeinen ist jedoch zu erkennen, dass die Programme der nichtbundeseigenen Eisenbahnen gegenüber dem Programm der DB AG weniger inhaltsreich und detailliert ausgearbeitet wurden. Für die Herstellung der Barrierefreiheit im Fernverkehr kann das Programm der DB AG, auch angesichts des konkreten Anforderungsprofils für neue bzw. zu überarbeitende Fahrzeuge, als praktikabel und zweckmäßig gewertet werden. Bei konsequenter Einhaltung dieses Profils erscheint es möglich, dass nach dem Erneuerungszyklus der Fahrzeugflotte ein barrierefreies Reisen in den Fahrzeugen des Fernverkehrs möglich ist. Von Seiten der Betroffenenverbände gibt es hierzu lediglich Kritik über die fehlende Zugänglichkeit des Restaurants- bzw. Bistrobereiches 156, wobei dieser Mangel durch eine erhöhte Dienstleistungsqualität (z. B. Bedienung der Reisenden am Sitzplatz) ausgeglichen werden kann. Die 156 vgl. Sozialverband Deutschland e. V. - Abteilung Sozialpolitik 2005, S.3

91 82 Zugänglichkeit der Fahrzeuge für Rollstuhlnutzer wird künftig mit fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen gewährleistet, dieses ist eine wesentliche Verbesserung zur heutigen Situation und erleichtert die Nutzung von Fernverkehrsfahrzeugen erheblich. Da Fernverkehrsbahnhöfe in der Regel eine hohe Reisendenfrequenz aufweisen, fallen diese auch nicht in die sogenannte 1000er Regelung (vgl. hierzu auch Kapitel 5.2), so dass Stationen im Fernverkehr bei Neu- bzw. umfassenden Umbauten barrierefrei ausgebaut werden. Im Bereich des Nahverkehrs der DB AG sind dagegen neben den positiven Aspekten auch einige Programminhalte kritisch zu betrachten. Hierbei ist das Programm insbesondere aufgrund der allgemein gehaltenen Konkretisierung und Prioritätensetzung nur bedingt zur Herstellung der Barrierefreiheit bei regionalspezifischen Fragestellungen geeignet. So soll z. B. das umfangreiche Anforderungsprofil zwar auch für Fahrzeuge im Nahverkehr gelten, doch wird die Einhaltung des Kriterienkataloges von den regionalen Anforderungen und Finanzierungsvorgaben des Aufgabenträgers abhängig gemacht 157. Zudem gibt es keine detaillierten Teilprogramme der einzelnen Regionalbereiche bzw. Tochterunternehmen, eine regionalspezifische Herangehensweise an den Prozess zur Herstellung der Barrierefreiheit ist demzufolge nicht vorgesehen. Ebenso sind die Aussagen zur Besetzung der Fahrzeuge und Bahnstationen mit Dienstleistungspersonal problematisch, hierfür nimmt die Bahn wiederum die Aufgabenträger als Besteller der Verkehrsleistung in die Verantwortung und knüpft den Einsatz von Bahnpersonal an deren Finanzierung. Da folglich eine Vielzahl der Maßnahmen im Nahverkehr von der Finanzierung durch die Aufgabenträger sowie von deren Qualitätsvorgaben abhängt, lässt sich erkennen, dass im SPNV die Herstellung der Barrierefreiheit vorwiegend durch den Aufgabenträger bestimmt wird. Nach Veröffentlichung des Programms der DB AG stand es zudem wegen der 1000er Regelung zur barrierefreien Gestaltung von Bahnstationen in der Kritik. Diese Regelung wurde durch das Bundesverwaltungsgericht Leipzig zu Gunsten der DB AG bestätigt 158. Das Bundesverwaltungsgericht begründete hierbei seine Entscheidung damit, dass die EBO keine konkreten Vorgaben hinsichtlich Art, Umfang und zeitlicher Verwirklichung eines anzustrebenden barrierefreien Zugangs zu Bahnsteigen enthält, sondern dieses den Programmen überlassen wurde. Die Festlegungen im Programm der DB AG seien somit vor diesem rechtlichen Hintergrund nicht zu beanstanden 159. Dessen ungeachtet ist die 1000er Regelung insbesondere in Flächenländern mit nur wenigen Ballungszentren bedeutend für die Nutzung des SPNV durch Menschen mit Behinderungen. Eine konsequente Anwendung ohne eine ausreichende Prüfung von Alternativen (vgl. hierzu auch Kapitel 5.2) kann dazu führen, dass viele Reisende mit Behinderungen erhebliche Anfahrwege zu barrierefreien Bahnstationen hinnehmen müssten bzw. den SPNV nicht zumutbar nutzen können. Bei einem Vergleich der Programminhalte der DB AG zum Nahverkehr mit denen der nichtbundeseigenen Eisenbahnen ist zu erkennen, dass das DB-Programm in der Detailtiefe und bei den festgehaltenen Maßnahmen ausführlicher sowie umfangreicher erarbeitet worden ist. Hierbei zeigt sich, dass die Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit bei den nicht- 157 DB PV GmbH 2005, Anlage 1, S vgl. Bundesverwaltungsgericht Bundesverwaltungsgericht 2006, S.12f.

92 83 bundeseigenen Eisenbahnen einerseits lediglich den Stand der Barrierefreiheit abbilden und andererseits nicht über allgemeine Forderungen und Qualitätsvorgaben der Aufgabenträger hinausgehen. Somit ist zu schlussfolgern, dass zwar Teile der Maßnahmen in den vorliegenden Programmen dazu beitragen, die Zugänglichkeit zum Schienenpersonenverkehr zu verbessern, jedoch speziell im Bereich des Nahverkehrs erhebliche Defizite bestehen. Diese Defizite resultieren überwiegend aus unternehmerischen Überlegungen, indem aufgrund der Wettbewerbsfähigkeit nicht wesentlich über die Verpflichtungen der Aufgabenträger hinausgegangen wird. Wirkungsanalyse: Betriebsprogramme Das Programm der DB AG greift zwar die Thematik zur Aufstellung von Betriebsprogrammen für den konkreten Einsatz von barrierefreien Fahrzeugen auf, jedoch stehen gesonderte Veröffentlichungen spezieller Betriebsprogramme derzeit nicht im Vordergrund. Soweit es technisch und organisatorisch möglich ist, will die DB AG dennoch Informationen zur Einstellung barrierefreier Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Die Ermittlung geeigneter Fahrzeuge für Menschen mit Behinderungen möchte die DB AG mit dem Informationsangebot der Mobilitätsservice-Zentrale sicherstellen 160, womit auch der Verzicht auf spezifische Betriebsprogramme begründet wird. Die nichtbundeseigenen Eisenbahnen sind in ihren Programmen dagegen auf eine Erstellung von Betriebsprogrammen nicht eingegangen, jedoch setzt eines der Unternehmen nach eigenen Angaben ausschließlich barrierefreie Fahrzeuge ein und ein anderes ausschließlich Fahrzeuge, die noch nicht den Anforderungen der Barrierefreiheit genügen. Zwar genügen diese Informationen vermutlich der gesetzlichen Verpflichtung zur Bekanntgabe des Einsatzes barrierefreier Fahrzeuge, da jedoch die Zugänglichkeit der Fahrzeuge und speziell der stufenlose Zugang zu Niederflurfahrzeugen auch von den infrastrukturellen Gegebenheiten am Bahnsteig insbesondere von den vorhandenen Bahnsteighöhen abhängt, beinhaltet eine Bekanntgabe des konkreten Einsatzes barrierefreier Fahrzeuge noch nicht die Information zur tatsächlichen Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der eingesetzten Fahrzeuge an den Bahnstationen. Da die Eisenbahnunternehmen, von denen Programme vorliegen, bisher kein Betriebsprogramm erarbeitet haben, steht dem Ziel eines vereinfachten Informationszuganges mittels der Bekanntgabe von Betriebsprogrammen und dem damit verbundenen eigenständigen Fahrtantritt von Menschen mit Behinderungen, weiterhin eine erschwerte Informationsbeschaffung im SPNV entgegen. Wirkungsanalyse: Anhörung von Spitzenorganisationen In der Begründung zum BGG wurde in Bezug zur Anhörungspflicht der Verweis aufgenommen, dass die Anhörung zur Schaffung einer angemessenen Entscheidungsgrundlage 160 DB PV GmbH 2005, S. 17

93 84 dient 161. Da jedoch die Aufsichtsbehörden von der Genehmigung der Programme entbunden sind sowie keine konkreten inhaltlichen Vorgaben von Seiten des Gesetzgebers bestehen, stellt sich hierbei die Frage, für wen und mit welcher Intension eine solche Entscheidungsgrundlage erforderlich ist. Um Fehlplanungen rechtzeitig vorzubeugen und einen offenen Dialog zwischen Unternehmen und Verbänden zu fördern, ist es dessen ungeachtet unabdingbar, Vertreter von Menschen mit Behinderungen einzubeziehen. Dennoch werden bei einer Anhörung die Spitzenorganisationen erst am Ende des Aufstellungsprozesses einbezogen und haben keinen direkten Einfluss bei der fortlaufenden Gestaltung der Programminhalte und der konkreten Maßnahmenplanungen. Folglich haben die Verbände durch ein reines Anhörungsverfahren mit der Möglichkeit zur Stellungnahme keine rechtliche Grundlage in ausreichendem Umfang, die Interessen und Belange von Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang mit spezifischen Programminhalten zu vertreten, sondern sind auf die Kooperationsbereitschaft der Eisenbahnen angewiesen. Ebenso haben die Verbände keine Handhabe, die tatsächliche Umsetzung der gegebenenfalls im Programm enthaltenen Maßnahmenplanung zu erwirken. Demgegenüber arbeitet bereits eine Vielzahl der Eisenbahnunternehmen auf lokaler Ebene und bei konkreten Projekten mit Verbänden von Menschen mit Behinderungen zusammen. Diese Arbeit wird als konstruktiv bezeichnet und sensibilisiert die Unternehmen für die Belange von Menschen mit Behinderungen, wohingegen andererseits die Verbände einen guten Einblick in die Problemlage der Unternehmen bekommen, was oftmals die Konsensfindung erleichtert 162. Wirkungsanalyse: Aktivitäten der Aufsichtsbehörden Von Seiten des Eisenbahnbundesamtes (EBA) waren während des Aufstellungsprozesses keine inhaltlichen Vorgaben bzw. Hilfestellungen vorhanden, dieses hat dagegen auch keine Fristen bzw. Sanktionen erlassen, eine Prüfung der Inhalte hat nicht stattgefunden 163. Dementsprechend hat sich das EBA in Bezug zu den bundeseigenen Eisenbahnen nach der Gesetzgebung gerichtet und deren Vorgaben erfüllt. Bei den Landesaufsichtsbehörden ist dagegen zu erkennen, dass eine fehlende Sanktionierung bzw. Aufstellungsfrist sowie eine zurückhaltende Vorgehensweise der Kontrollinstanzen auch zu einer verzögerten Programmaufstellung bei nichtbundeseigenen Eisenbahnen beiträgt, wobei jedoch in den einzelnen Bundesländern ein differenziertes Bild der Vorgehensweise zu erkennen ist 164. Zudem ist die Durchführung und Vorgehensweise einer inhaltlichen Prüfung der aufgestellten Programme auf ihre Wirkung zur Herstellung der Barrierefreiheit bisher ungeklärt. Eine Prüfung könnte zwar durch die jeweils zuständige Kontrollbehörde erfolgen, um den Spielraum der Eisenbahnen jedoch nicht einzuschränken, 161 Deutscher Bundestag 2006, S Diese Erkenntnis resultiert aus der telefonischen Nacherhebung bei den Eisenbahnunternehmen und Verbänden von Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang zur Evaluation der Programmaufstellung. 163 Hahn Bei telefonischen Gesprächen mit Verantwortlichen von NE-Bahnen wurde deutlich, dass die Landesaufsichtsbehörden unterschiedlich mit dem Instrument Programme nach 2 EBO umgehen. So findet z. B. in einem Bundesland eine intensive Zusammenarbeit bei der Programmaufstellung statt, ebenso hat Baden-Württemberg eine Befragung zum Stand der Programme vorgenommen, wohingegen andere Landesaufsichtsbehörden keine Aktivitäten zeigen.

94 85 sieht der Gesetzgeber dieses nicht vor 165. Da erhebliche Unklarheiten über die Gestaltung von Programminhalten und der Konkretisierung von Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit bestehen, wäre es erforderlich, die Eisenbahnen in diesen Punkten zu unterstützen und inhaltliche Hilfestellungen und Handlungsansätze zu kommunizieren. Es ist also festzuhalten, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden ihrer gesetzlichen Verpflichtung hinsichtlich der Programme nach 2 Abs.3 EBO nachkommen. Dennoch erscheint es sinnvoll, den Eisenbahnen vermehrt inhaltliche und organisatorische Hilfestellungen über die Aufsichtsbehörden anzubieten, um so Hemmnisse zur Aufstellung der Programme abzubauen. Darüber hinaus könnte unter Umständen ein Kontroll- bzw. Sanktionsinstrument zur Einhaltung der gesetzlichen Auflagen und zur inhaltlichen Wirkungskontrolle von Programmen in der Verantwortung der zuständigen Aufsichtsbehörden liegen. Wirkungsanalyse: Ausnahmen zur Aufstellungspflicht Da bestimmte Eisenbahnen nicht von den Vorschriften zur Herstellung von Barrierefreiheit betroffen sein können, sind Ausnahmen zur Aufstellungspflicht notwendig und sinnvoll. Die Beschränkung auf Museumseisenbahnen ist angebracht, denn für Eisenbahnen im regulären Personenverkehr ist somit eine formale Umgehung der Aufstellungspflicht ausgeschlossen. Dass Unternehmen, welche ausschließlich Güterverkehr durchführen, vom Gesetzgeber nicht ausgeschlossen wurden, ist nicht nachzuvollziehen, da diese materiell ebenfalls nicht betroffen sein können. 2.3 Programme als Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV auf regionaler Ebene Um zur überprüfen, ob Programme der Eisenbahnen als ein geeignetes Instrument zur barrierefreien Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig nutzbar sind, war es Aufgabe des Forschungsprojektes, das Instrument bei den Unternehmen, welche SPNV in der Modellregion durchführen, zu analysieren und zu evaluieren. In der Modellregion führen die Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Regio AG 166 und SüdThüringenBahn GmbH (STB) den Personennahverkehr auf den Kursbuchstrecken 570 (DB Regio AG und STB) und 572 (DB Regio AG) durch, die Infrastruktur sowie die Bahnstationen werden von der DB Netz AG bzw. DB Station & Service AG betrieben. Insofern war es Aufgabe des Forschungsvorhabens, zum einen das vorliegende Programm der DB AG auf deren regionalen Effekte in der Modellregion zu untersuchen sowie zum anderen eine Programmaufstellung bei der STB anzuregen. Aus diesem Grund wurde die Begleitung der Programmaufstellung bzw. Fortschreibung sowie die Ausarbeitung von modellhaften Ergänzungsvorschlägen in Zusammenarbeit mit den Unternehmen angestrebt 167. Dabei enthielten die im Rahmen der InnoRegio- Verkehrskonzeption 168 entwickelten Ansätze zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV und die in diesem Zusammenhang geplanten Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen im 165 Deutscher Bundestag 2006, S DB Regio Südost - Verkehrsbetrieb Thüringen 167 vgl. Institut Verkehr und Raum 2004, S Gather / Rebstock 2004, S

95 86 Untersuchungsgebiet 169 einen bedeutenden Modellcharakter, welche sich in dem Instrument Programme nach 2 EBO wiederspiegeln sollten. Um die genannten Ziele zu erreichen und das Instrument Programme nach 2 EBO in Bezug auf deren regionalspezifische Effekte zu evaluieren, wurden einerseits die Inhalte des vorliegenden Programms der DB AG auf deren Wirkung in der Modellregion bewertet sowie andererseits die AG Programme nach 2 EBO mit Vertretern der Eisenbahnaufsicht sowie der Eisenbahnunternehmen und der Kontaktstelle für kundenbezogene Behindertenangelegenheiten der DB AG initiiert (vgl. Teilnehmerliste in Anhang 8). Die AG wurde mit dem Fokus zusammengesetzt, das Forschungsvorhaben für diesen Arbeitspunkt fachlich zu begleiten und modellhafte Programmergänzungen zu erarbeiten bzw. abzustimmen. Hierbei sollten vorwiegend nachstehende Ergebnisse ausgearbeitet werden: Bestimmung der Konkretisierungsebenen / Detailgrade der in den Programmen enthaltenen Maßnahmen, Unterstützung bei der Implementierung und Evaluierung konkreter Inhalte / Maßnahmen, Abstimmung der unterschiedlichen Unternehmensprogramme. Die Ergebnisse der AG und die daraus resultierenden Erkenntnisse zu den regionalen Effekten des Programms der DB AG verdeutlichen, dass die eher allgemein gehaltene Maßnahmenbeschreibung in den Programmen wenig Wirkung auf lokaler Ebene mit konkreten Problempunkten aufweist. Zum DB-Programm stellte die AG dazu fest, dass zwar einerseits wichtige Formulierungen und Maßnahmen gebündelt dargestellt sind, dieses jedoch andererseits aufgrund der eher allgemein gehaltenen Konkretisierung und Prioritätensetzung lediglich bedingt zur Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV bei regionalspezifischen Fragestellungen geeignet ist (vgl. Punkt V in Kapitel a). Zwar enthält das Programm der DB AG für den Verkehrsbereich Südost, dass im Freistaat Thüringen die Fahrzeuge der Baureihe Verbrennungstriebwagen (VT) 641 und VT 642 mit Überfahrbrücken ausgerüstet sind 170 (der VT 641 verkehrt auch in der Modellregion 171 ) und eine automatische Einstiegshilfe (Schiebetritt) für VT 642 [ ]entwickelt [wurde], die bei entsprechender Finanzierungszusage durch den Besteller nachgerüstet werden kann. 172 Darüber hinaus sind jedoch keine spezifischen Aussagen zu Thüringen enthalten. Dieses führt zu einer Aufweichung der Regelungen sowie zu einer Übergabe der Verantwortung an die zuständigen Aufgabenträger. Die von den Vertretern von Menschen mit Behinderungen kritisierte Regelung, welche eine vollständige Herstellung der Barrierefreiheit an Bahnstationen bei Neu- und umfassenden Umbaumaßnahmen erst ab einer Frequenz von täglich Reisenden gewährleistet, stellt sich für Thüringen mit nur wenigen Ballungszentren und einer überwiegenden Anzahl gering frequentierter Bahnstationen als bedeutend in Bezug zur Zugänglichkeit des Verkehrssystems Schiene dar. So erfüllen lediglich 20 von ca. 300 Thüringer DB-Stationen dieses Kriterium und weisen eine entsprechend hohe Reisendenfrequenz auf 173. Auch in diesem 169 vgl. Gather / Rebstock 2004, S.100ff. 170 DB PV GmbH 2005, Anlage vgl. Gather / Rebstock 2004, S.120f. 172 DB PV GmbH 2005, S Kromke 2006a

96 87 Bereich schränkt das Programm die Verantwortung der DB AG ein und verweist auf öffentliche Finanzhilfen, deren Höhe den Ausbaustandard der Bahnstationen bestimmt 174. Trotz der inhaltlichen Kritikpunkte am Programm der DB AG kann festgestellt werden, dass sich unternehmensintern die Aufstellung und Erarbeitung des Programms positiv auf die Beschäftigten der DB AG auswirkte. So wurde eine deutliche Sensibilisierung und Auseinandersetzung auf den verschiedenen Mitarbeiterebenen mit der Thematik und Problematik erkennbar. Darüber hinaus hat sich die Konzernstruktur der DB AG bei der Programmaufstellung als äußerst vorteilhaft erwiesen, denn so war es möglich, die Maßnahmen der einzelnen Konzernbereiche (Betrieb, Infrastruktur sowie Station & Service) miteinander abzustimmen 175. Dieser Nutzen veranschaulicht deutlich, dass zur Vermeidung von Fehlplanungen die Programme anderer Eisenbahnen unternehmensübergreifend (insbesondere zwischen EVU und EIU) abgestimmt werden müssen, um so eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Eigenständige Programme ohne bereichsübergreifende Maßnahmenplanungen können lediglich als suboptimal angesehen werden. Im Vergleich zu den vorliegenden Programmen von nichtbundeseigenen Eisenbahnen ist das Programm der DB AG in der Detailtiefe und bei den festgehaltenen Maßnahmen ausführlicher sowie umfangreicher erarbeitet worden. Es zeigt sich auch, dass Unternehmen im SPNV aus Gründen des Wettbewerbs den Qualitätsstandard entsprechend den Vorgaben des Aufgabenträgers anpassen. Dies führt dazu, dass die Programminhalte zur Herstellung der Barrierefreiheit zum einem lediglich den Stand der Barrierefreiheit im Unternehmen darstellen, sowie zum anderen nicht wesentlich über die Forderungen der Aufgabenträger hinausgehen. Daher stehen die Maßnahmenplanungen der Eisenbahnen im SPNV im engen Zusammenhang zu den Vorgaben der Aufgabenträger. Infolgedessen sind die Schienennahverkehrspläne (vgl. auch Kapitel 1.3.3) der Bundesländer richtungweisend für die Inhalte der Programme nach 2 EBO. Die Ergebnisse der AG Programme nach 2 EBO lassen sich hierbei wie folgt zusammenfassen: Programme nach 2 EBO sind eher weiche Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV, der Verkehrsträger Schiene muss auch in Bezug zu Programmen als System angesehen werden, welches eine unternehmens- und bereichsübergreifende Abstimmung (ebenso mit anderen Verkehrsträgern) erforderlich macht, die Deutsche Bahn AG hat mit ihrem Programm den Standard für andere Bahnen vorgegeben, unabhängig von den spezifischen Programminhalten der Eisenbahnen haben die Vorgaben und Forderungen der Aufgabenträger einen wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung des SPNV und somit auf den Standard der Barrierefreiheit. 174 DB PV GmbH 2005, S Hahn 2005

97 88 Anhand dieser Ergebnisse wird deutlich, dass, im Gegensatz zum Fernverkehr, die spezifischen Programmbestandteile in Bezug zur Modellregion nur bedingt geeignet sind, tatsächlich neue und konkrete Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit über den gegenwärtigen Stand und den Vorgaben der Aufgabenträger hinaus zu initiieren. Da die Bestandteile der jeweiligen Programme allein in der Hand der Unternehmen liegen und kein Einfluss auf die Umsetzung dieser Bestandteile besteht, ist insbesondere der fehlende Einfluss durch die Verbände von Menschen mit Behinderungen auf die konkrete Programmausgestaltung zu bemängeln, denn diese haben lediglich ein Anhörungsrecht. Darüber hinaus ist eine Abstimmung zwischen den Verkehrsdienstleistern und den Infrastrukturbetreibern bisher kaum zu erkennen, dieses ist jedoch als eine wesentliche Voraussetzung zur Umsetzung der Barrierefreiheit im SPNV anzusehen. In Bezug zur Programmaufstellung der STB und der damit einhergehenden Abstimmung zwischen verschiedenen Unternehmen und lokalen Verbänden von Menschen mit Behinderungen, ist die STB bestrebt, im Laufe des Jahres 2006 ein Programm aufzustellen 176. Von daher können zum Berichtszeitpunkt (Juni 2006) noch keine Aussagen zu der regionalspezifischen Wirkung des Programms der STB getroffen werden. Abschließend kann zum Punkt Programme als Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV auf regionaler Ebene festgestellt werden, dass sich dieses Instrument zur Umsetzung konkreter Maßnahmen bisher als eher ungeeignet erweist. Indem sich hierbei die Qualität des Nahverkehrsangebotes im Wesentlichen aus den Vorgaben des Aufgabenträgers ableitet, ist außerdem zu erkennen, dass sich die Vorgaben des Schienennahverkehrsplans als bedeutender erweisen als die Programmausgestaltung durch die Eisenbahnen. Somit ist festzustellen, dass die Schienennahverkehrspläne sowie die Vorgaben der Aufgabenträger den wesentlichen Einfluss auf die Herstellung der Barrierefreiheit ausüben, wohingegen den Programmen der Eisenbahnen im SPNV eher eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund und da zudem von Seiten der DB AG signalisiert wurde, dass konkrete regionalspezifische Ergänzungen keine Chance auf Integration in das DB-Programm haben, wurde von deren Ausarbeitung abgesehen. Stattdessen wurde die Entwicklung von Standards für den Schienennahverkehrsplan des Freistaates Thüringen als zielführender erachtet (vgl. dazu Kapitel 1.3.3). 2.4 Handlungsempfehlungen zur Erarbeitung von Programmen im SPNV 177 Die Befragung der Eisenbahnunternehmen im SPNV zum Stand der Aufstellung von Programmen hat unter anderem auch ergeben, dass die Eisenbahnen nur über geringe Kapazitäten zur Entwicklung eines Ablaufprozesses zur Aufstellung von Programmen verfügen. Dieses ist auch ein Grund für das Defizit bei der Programmaufstellung (vgl. Kapitel 2.2.1). Zur Unterstützung der Eisenbahnen wurde daher eine Handlungsempfehlung zur Erarbeitung von Programmen im SPNV ausgearbeitet, welche im Folgenden vorgestellt wird: 176 Institut Verkehr und Raum 2005f, S Als Grundlage für die Handlungsempfehlung zur Erarbeitung von Programmen im SPNV wurden die Handlungsempfehlungen des Projektes HANNAH in Bezug zu den Nahverkehrsplänen herangezogen (vgl. K+K Küpper 2003, S.135 ff.).

98 89 Als essentiell für die Erarbeitung eines wirkungsvollen Programms wird die Mitgestaltungsmöglichkeit der Betroffenen erachtet. Daher ist es sinnvoll, einen Arbeitskreis mit Verantwortlichen des jeweiligen Eisenbahnunternehmens, lokalen Vertretern der anerkannten Verbände von Menschen mit Behinderungen sowie evtl. weiterer lokaler Eisenbahnunternehmen zu bilden. Dieser Arbeitskreis dient zur Erarbeitung und Diskussion der Programminhalte sowie der unternehmensübergreifenden Absprache und Maßnahmenplanung. Definition von Qualitätsstandards und Anforderungsprofilen Da in der Gesetzgebung lediglich die allgemeine Zielsetzung zur Herstellung einer weitestgehenden Barrierefreiheit für öffentliche Verkehrssysteme festgehalten wurde, sind für die jeweiligen Eisenbahnunternehmen spezifische Qualitätsstandards sowie Anforderungsprofile für Dienstleistungen, Fahrzeuge und Stationen sowie die Aufbereitung von Informationen zu definieren. Dies sollte in enger Zusammenarbeit mit sachkundigen Vertretern der Verbände von Menschen mit Behinderungen erfolgen. Da bereits Anforderungsprofile 178, konkrete Forderungen der Verbände und dokumentierte Erfahrungen vorliegen, können diese als Grundlage herangezogen werden, so dass es nicht nötig ist, für jeden Bereich neue Anforderungsprofile zu erarbeiten. Lediglich im Einzelfall und bei der Detailbetrachtung ist es erforderlich, die vorhandenen Spezifikationen zu konkretisieren und unternehmensspezifisch anzupassen. Bestandsaufnahme Die Bestandsaufnahme sollte einerseits die technischen und organisatorischen Aspekte sowie andererseits die Nachfrageaspekte beinhalten. Im Zuge der technischen und organisatorischen Bestandsaufnahme sind die bereits umgesetzten Maßnahmen und bisherigen Entwicklungen zur Herstellung der Barrierefreiheit zu erfassen. Die Anforderungen an die Barrierefreiheit sind je nach Unternehmensstruktur in folgende Bereiche einzuteilen: Betrieb und Dienstleistung, inklusive Informations- und Auskunftsmanagement sowie personeller Einsatz zur Unterstützung von Reisenden mit Behinderungen. Ebenso ist die Aufnahme eventuell vorhandener Abstimmungen zwischen Betrieb und Infrastruktur an Bahnstationen wichtig. Fahrzeuge und Infrastruktur, insbesondere der technische Ausstattungsgrad zur Herstellung der Barrierefreiheit unter den Aspekten der verschiedenen Behinderungsarten. Besonderes Augenmerk sollte auf die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Fahrzeuge und Stationen sowie der Bedienbarkeit essentieller Systeme für alle Menschen liegen. Diese technische Bestandsaufnahme ist ebenso geeignet, die entsprechenden Qualitätsforderungen der Aufgabenträger welche im Nahverkehrsplan und Verkehrsvertrag festgehalten wurden aufzunehmen und in den Gesamtkontext der Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit im Unternehmen zu stellen. Für die Bestandsaufnahme der Nachfrageseite sind zunächst besondere Bedarfsschwerpunkte wie z. B. Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Rehabilitationseinrich- 178 vgl. z. B. Rebstock 2004a, b und c

99 90 tungen etc. im Bedienungsgebiet zu lokalisieren. Darüber hinaus kann für eine Plausibilisierung auch die Reisendenzahl von Menschen mit Behinderungen aufgeführt werden. Hierbei ist jedoch darauf zu achten und entsprechend festzuhalten, dass nicht nur Menschen mit einem Behindertenausweis als mobilitätseingeschränkt gelten, sondern dazu auch Reisende mit Gepäck, Kinderwagen ebenso wie Schwangere oder Reisende, die zeitlich begrenzt auf Hilfsmittel angewiesen sind, dazugehören. Zudem kann auch nicht erwartet werden, dass Systeme, die derzeit noch nicht barrierefrei sind, von Reisenden mit Behinderungen übermäßig bzw. überhaupt genutzt werden können. Bestandsbewertung Im Anschluss der Bestandsaufnahme kann eine Bewertung der bereits umgesetzten Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit erfolgen. Es ist sinnvoll diese Bewertung in Zusammenarbeit mit verschiedenen Vertretern von Menschen mit Behinderungen vorzunehmen, um darüber auch eine Wirkungsanalyse aus Betroffenensicht zu erlangen. Zudem ist für die Bewertung ein Abgleich der bereits umgesetzten Maßnahmen mit den in den Qualitätsstandards und Anforderungsprofilen definierten Anforderungen vorzunehmen. Aus dieser Bewertung sind der Handlungsbedarf und die Maßnahmenplanung abzuleiten. Maßnahmenplanung Auf Grundlage der Bestandsbewertung und des Zielabgleichs kann in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden von Menschen mit Behinderungen die Ausarbeitung der Maßnahmen und Programminhalte erfolgen. Die Programminhalte sollten sich je nach Aufgabenbereich des Eisenbahnunternehmens an mindestens folgenden Punkten orientieren: Maßnahmen zur Fahrzeugausgestaltung, Maßnahmen zur Ausgestaltung der Stationen inkl. Bahnsteige etc., Maßnahmen zur Abstimmung von Infrastruktur und Fahrzeugen (inkl. Betrieb), Maßnahmen zur Handhabung der Dienstleistungen und Informationsweitergabe, inkl. Vorhaltung und Schulung von Personal sowie Störungsmanagement. Die Ausgestaltung der Maßnahmenplanung ist anhand der ausgearbeiteten Qualitätsstandards und der Anforderungsprofile vorzunehmen, wobei es sinnvoll ist, die einzelnen Punkte an die spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens anzupassen und mit tangierenden Bereichen anderer Eisenbahnen abzustimmen. Zur Ausarbeitung von Programminhalten zählt ebenso eine Wirkungsabschätzung der einzelnen Maßnahmen. Hierbei sind die konkreten Details der geforderten Qualitätsstandards auf ihre Wirkung zur Herstellung der Barrierefreiheit zu überprüfen. Die Wirkungsanalyse dient als Grundlage zur Entscheidungsfindung, um hierüber zu beurteilen, welche Maßnahmenbestandteile umgesetzt werden können und wofür Alternativen zu entwickeln sind. Zum Beispiel ist für die Maßnahme zur Herstellung der Zugänglichkeit von Bahnsteigen der Einsatz von Fahrstühlen oder/und Rampen ein Bestandteil der Maßnahmenplanung, mittels der Wirkungsanalyse können diese baulichen Gegebenheiten bewertet werden, hierbei sind

100 91 u. U. auch Alternativen wie z. B. höhengleiche Reisendenübergänge (vgl. Kapitel 5.2) in die Betrachtung einzubeziehen. Neben der Maßnahmenplanung und Wirkungsabschätzung ist ein Betriebsprogramm zur Einstellung barrierefreier Fahrzeuge in den Zügen auszuarbeiten. Hierfür sind die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu prüfen und gegebenenfalls Alternativen zur Bekanntgabe des Einsatzes von barrierefreien Fahrzeugen zu entwickeln. Prioritätensetzung und Umsetzungszeitplan Vorgeschlagen wird, die Prioritätensetzung der Maßnahmen entsprechend folgender Reihung vorzunehmen: Dringlichkeit zur Umsetzung der Barrierefreiheit für die Betroffenen, Durchführbarkeit unter organisatorischen und finanziellen Aspekten, Abhängigkeit der Maßnahmen untereinander sowie die Wirkung der Maßnahme zur Herstellung einer weitestgehenden Barrierefreiheit. Über die allgemeine Prioritätensetzung hinaus ist es zudem angebracht, auch Möglichkeiten einer zeitgleich laufenden Maßnahmenumsetzung zu diskutieren. Mit Hilfe der Prioritätensetzung und in Abhängigkeit einer zeitgleichen Maßnahmenumsetzung kann die Zeitplanung inklusive einer Meilensteinplanung erfolgen. Dieser Umsetzungszeitplan sollte sich auch an der allgemeinen Unternehmensplanung orientieren, so kann z. B. der Einsatz von barrierefreien Fahrzeugen an die Planung zur Neubeschaffung bzw. Überarbeitung von Fahrzeugen gekoppelt werden. Anhörung der Verbände von Menschen mit Behinderungen und Weiterleitung des Programms Nach Aufstellung der Maßnahmenplanung können diese in einem ersten vorläufigen Programmentwurf zusammengefasst werden. Dieser Programmentwurf ist für ein gesetzeskonformes Verfahren zur Anhörung an die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände von Menschen mit Behinderungen zu senden, wenn möglich mittels Einladung zu einem gemeinsamen klärenden Arbeitstreffen und mit der Aufforderung zur Stellungnahme. Um Planungssicherheit zu erlangen, sollte zur Abgabe der Stellungnahmen eine ausreichende Frist (ca. sechs Wochen) gesetzt werden. Nach Erhalt der Stellungnahmen bzw. nach Ablauf der gesetzten Frist sind eventuelle Ergänzungen, Verbesserungswünsche oder Forderungen der Verbände in der Arbeitsgruppe zu diskutieren und gegebenenfalls eine Überarbeitung des Programmentwurfes vorzunehmen. Mittels der Einarbeitung der Stellungnahmen aus dem Anhörungsverfahren in den Programmentwurf ist die Programmaufstellung abgeschlossen, dass Programm muss anschließend über die zuständige Aufsichtsbehörde an das für das Zielvereinbarungsregister zuständige Bundesministerium weitergeleitet werden. Nachdem der Aufstellungsprozess des Programms abgeschlossen ist, kann die Umsetzungsphase anhand der Prioritätensetzung und des erarbeiteten Zeitplanes erfolgen.

101 92 Fortschreibung Da die Gegebenheiten, technischen Fortschritte und Anforderungen an die Barrierefreiheit einem laufenden Prozess unterliegen, ist es von Bedeutung, dass in einem festzusetzenden Zyklus der Umsetzungsablauf des Programms und die enthaltenden Maßnahmen auf Aktualität und Wirkung überprüft werden und das Programm gegebenenfalls angepasst wird. Darüber hinaus sollte, analog zur Verfahrensweise bei der Aufstellung von Nahverkehrsplänen (vgl. Kapitel 1.1), ein fester Zeitraum angegeben werden, nach dem das Programm insgesamt fortgeschrieben wird. Dieser Zeitraum kann anhand des Umsetzungszeitplanes bestimmt und festgelegt werden. 2.5 Ausgestaltungsvorschläge zur Wirkungserweiterung von Programmen In den vorhergehenden Kapiteln wurde u. a. die Wirkung der Programme nach 2 Abs.3 EBO für die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit erörtert. Die Schlussfolgerung, dass Programme der Eisenbahnen für den SPNV als ein eher administratives Instrument mit geringer praktischer Wirkung betrachtet werden kann, begründet sich einerseits aus dem deutlichen Defizit der Programmaufstellung und andererseits aus der ungenügenden inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmenplanung. Um dennoch die Programme der Eisenbahnen als ein zweckmäßiges Instrument für den SPNV zu etablieren, werden im Folgenden für die Vorgaben des 2 EBO Ausgestaltungsvorschläge zur Wirkungserweiterung von Programmen unterbreitet und diskutiert. Ausgestaltungsvorschlag: Programmaufstellung Das Defizit der Programmaufstellung bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen (vgl. Kapitel 2.2.1) zeigt die Notwendigkeit zur Schaffung von Anreizen durch den Gesetzgeber. Hierbei sind jedoch, aufgrund einer komplexen inhaltlichen Vorbereitung zur Aufstellung eines wirkungsvollen Programms, allgemeine, für jedes Unternehmen geltende Fristen oder Sanktionen nicht zielführend. Vielmehr sollte den Aufsichtsbehörden, über die generelle Eisenbahnaufsicht hinaus, ein Instrument zur Verfügung gestellt werden, welches es ermöglicht, individuell auf die Eisenbahnen zuzugehen. Hierbei sollte vorerst eine inhaltliche, nicht bindende Unterstützung zur Programmaufstellung erfolgen, welche dazu dient, Hemmnisse und Vorurteile bei den Verantwortlichen der Eisenbahnunternehmen abzubauen. Dieses setzt eine wirkungsvolle Informationspolitik voraus, die ebenso als essentiell zur Förderung der Programmaufstellung angesehen wird. Sollte sich daraufhin bei einzelnen Eisenbahnunternehmen zeigen, dass sie den gesetzlichen Verpflichtungen weiterhin nicht nachkommen, ist eine Fristsetzung mit anschließender Sanktionierung in die Überlegung einzubeziehen. Dies trägt dazu bei, Anreize für Unternehmen zu setzen, die bislang keine Programmaufstellung anstreben, ohne andere Eisenbahnen in ihrem Spielraum durch Fristen bzw. Sanktionen während des Aufstellungsprozesses einzuschränken. Voraussetzung hierfür ist eine weitgehende Unterstützung durch die Aufsichtsbehörden. Um eine Aufstellung bei den Eisenbahnen anzuregen, sollten die zuständigen Aufsichtsbehörden zunächst auf die gesetzliche Verpflichtung hinweisen sowie über die Programmaufstellung informieren. Darüber hinaus könnten die entsprechenden Dienststellen die Unternehmen intensiv bei der

102 93 Programmaufstellung begleiten und zur Koordinierung einzelner Programme beitragen. Führt dieses bei einzelnen Eisenbahnen weiterhin nicht zu einer Programmaufstellung, so sollten die Aufsichtsbehörden in der Lage sein, zunächst Fristen zu setzen und nach Fristverstreichung die Aufstellung von Programmen durch Sanktionen zu erwirken. Aufgrund der sich ändernden technischen Randbedingungen und des Prozessfortschrittes zur Herstellung der Barrierefreiheit, ist neben der eigentlichen Einhaltung der Aufstellungspflicht desgleichen ein Turnus zur Programmfortschreibung von Bedeutung. D. h. mit der Programmaufstellung sollte eine zeitlich festgelegte Fortschreibung einhergehen, die es gestattet, das Programm an die sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Hierfür könnte der Gesetzgeber Empfehlungen aussprechen. Ausgestaltungsvorschlag: Programminhalte Um den Spielraum der Unternehmen nicht einzuschränken, wurden von Seiten des Gesetzgebers zu den Programminhalten lediglich die Anforderungen vorgegeben, welche durch 2 EBO geregelt sind 179. Jedoch ist es in der Regel regionalen Eisenbahnunternehmen nur beschränkt möglich, Zeit und Arbeitskraft zur Aufstellung eines adäquaten Programms mit den wirksamen Maßnahmen und Inhalten aufzuwenden 180. Diesen Unternehmen fehlen Hilfestellungen zum Aufstellungsprozess sowie der spezifischen Ausgestaltung der Maßnahmen mit den einhergehenden technischen Anforderungen. Zur Entlastung der Eisenbahnunternehmen und zur Erhöhung der Akzeptanz der Programmaufstellung, wäre es daher zweckmäßig, den Unternehmen eine unverbindliche Inhaltsvorgabe sowie einen Handlungsleitfaden zur Aufstellung von Programmen zur Verfügung zu stellen. Eine Orientierung an diesen Vorgaben sollte dazu führen, dass Programme aufgestellt werden, welche eine weitgehende Herstellung der Barrierefreiheit ermöglichen. In Kapitel 2.4 wurden zu diesem Zweck erste Handlungsempfehlungen zur Erarbeitung von Programmen und deren Inhalte unterbreitet. Da sich zeigte, dass die Ausgestaltung der vorliegenden Programme von Eisenbahnen im SPNV zum Teil wenig zur Zielerfüllung des BGG beitragen und wesentliche Verpflichtungen nicht eingehalten werden (wie z. B. fehlende Aufstellung von konkreten Betriebsprogrammen bzw. konformes Anhörungsverfahren), erscheint eine inhaltliche Prüfung durch eine Kontrollinstanz angebracht. Die Stellungnahmen der Verbände von Menschen mit Behinderungen sowie auszuarbeitende formale Anforderungen könnten die Grundlage einer solchen Prüfung sein. Um den Unternehmen dennoch genügend Spielraum bei der Gestaltung von Programmen einzuräumen, sollte die inhaltliche Ausrichtung der Prüfung einem verbindlichen, jedoch gleichwohl offenem Charakter unterliegen und sich auf die Wirkungsanalyse zur Herstellung der Barrierefreiheit im SPNV beschränken. 179 DB PV GmbH 2005, S Diese Erkenntnis ergab sich aus der vertiefenden telefonischen Nacherhebung im Zuge der schriftlichen Befragung der Eisenbahnunternehmen (vgl. Kap ).

103 94 Ausgestaltungsvorschlag: Betriebsprogramme Die Intension des Gesetzgebers zum Bestandteil der Betriebsprogramme liegt bei der Bekanntmachung des konkreten Einsatzes barrierefreier Fahrzeuge durch das Eisenbahnunternehmen, um so Informationen zur Zugänglichkeit von eingesetzten Zügen dem Reisenden mit Behinderung zur Verfügung zu stellen. Betriebsprogramme könnten darüber hinaus auch als Informationsmedium weiterer wichtiger Aussagen zur selbständigen Mobilität dienen. Denn nach wie vor gibt es differenzierte Ansichten zur Barrierefreiheit und oft genug wird dieser Begriff mit der Zugänglichkeit für Menschen mit Gehbehinderung oder Rollstuhlnutzer verwechselt. So ist eine Bekanntgabe der konkreten Gestaltung eingesetzter Fahrzeuge noch nicht berücksichtigt. Sollte es sich demnach um Fahrzeuge handeln, die noch nicht dem Anspruch der Barrierefreiheit im Sinne eines Design für Alle 181 genügen, wäre eine Bekanntmachung der Ausgestaltung und der dementsprechenden Nutzungsmöglichkeit des entsprechenden Fahrzeuges nach Behinderungsarten wünschenswert. Zudem ist eine engere Anpassung von Betrieb und Infrastruktur erstrebenswert. Betriebsprogramme wären ein geeignetes Mittel, eine engere organisatorische Abstimmung zwischen den einzelnen hierfür zuständigen Unternehmen zu erreichen. So könnte z. B. im Betriebsprogramm der genaue Halt des Zuges am jeweiligen Bahnsteig festgehalten sein, damit im Einstiegsbereich des eingesetzten barrierefreien Fahrzeuges eine möglichst große Bewegungsfläche vorhanden ist und diese nicht durch Bahnsteigelemente wie Treppen oder Lifte eingeschränkt ist sowie dass die Umsteigewege und zeiten möglichst kurz sind. Ausgestaltungsvorschlag: Dialog mit Verbänden von Menschen mit Behinderungen Der Verfahrensablauf der DB AG zur Programmaufstellung (vgl. Kapitel 2.2.1), welche auch eine nachhaltige Zusammenarbeit mit Verbänden von Menschen mit Behinderungen beinhaltete, hat verdeutlicht wie wichtig der intensive Dialog der Unternehmen mit den entsprechenden Verbänden schon während der Aufstellungsphase ist. Indem die DB AG frühzeitig mit den Verbänden zusammenarbeitete, konnte sie rechtzeitig in einen Kompromisslösungsprozess eintreten und gleichermaßen die Akzeptanz des Programms bei den Betroffenen erhöhen. Insofern ist ein bestimmtes Mitwirkungsrecht der Verbände von Menschen mit Behinderungen bei der Ausgestaltung der Maßnahmen von besonderer Bedeutung für die Wirkung von Programmen. Ein Mitwirkungsrecht könnte neben der Anhörung von Spitzenorganisationen ebenso eine Verpflichtung zur Schaffung von Arbeitskreisen beinhalten, mittels denen es lokalen Verbänden schon während des Aufstellungsprozesses möglich ist, auf die spezifischen Belange von Menschen mit Behinderungen hinzuweisen, Fehlplanungen zu vermeiden und gestaltend an den Programminhalten mitzuwirken. Der Gesetzgeber gibt den Verbänden von Menschen mit Behinderungen bereits ein Anhörungsrecht, jedoch bestehen grundsätzliche Defizite in Bezug zur Finanzierung externer Experten sowie zur Durchführung von fachspezifischen Weiterbildungen und Schulungen der Verbandsmitglieder (vgl. auch Kapitel 1.4 und Kapitel 3.5). Um diese Defizite abzubauen und das ihnen eingeräumte Anhörungsrecht bestmöglich auszufüllen, wäre eine breitere finanzielle und fachliche Unterstützung der Verbände von Menschen mit Behinderungen durch entsprechende 181 zum Konzept des Design für Alle vgl. EDAD 2005, S.12

104 95 politische Instanzen und den Gesetzgeber ratsam. Zudem ist es von erheblicher Bedeutung koordinierende Instanzen aufzubauen, hierfür könnten zum Beispiel die Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen moderierende und koordinierende Funktionen übernehmen (vgl. Kapitel 3.5). Ausgestaltungsvorschlag: Aktivitäten der Aufsichtsbehörden Wie bereits unter dem Punkt Programmaufstellung beschrieben, könnte neben der Schaffung von Anreizen für die Eisenbahnen auch ein wesentlicher Beitrag zur Qualität der Programme durch die Aufsichtsbehörden erfolgen. Diese fungieren dann als zuständige Anlaufstelle für die Verantwortlichen der Eisenbahnen und wären in der Lage, Informationen zum Aufstellungsprozess sowie zur wirkungsvollen Maßnahmenausgestaltung weiterzugeben. Ebenso wäre es den Aufsichtsbehörden möglich, verschiedene Unternehmensprogramme zu koordinieren, um darüber eine Abstimmung zwischen den Eisenbahnen insbesondere zwischen Infrastruktur und Betrieb zu erzielen. Sie könnten auch die Zuständigkeit einer inhaltlichen Prüfung des entsprechenden Programms übernehmen. Neben der Schaffung von Anreizen zur Programmaufstellung sollte es Ziel der Aufsichtsbehörden sein, über ein Kontrollinstrument die Inhalte von Programmen auf deren Wirkung zu überprüfen und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist ein entsprechendes Instrument, das es den Behörden neben der allgemeinen Eisenbahnaufsicht ermöglicht, auf die Unternehmen zuzugehen und Anreize zu schaffen, Inhalte zu prüfen sowie als letzte Instanz, einzelnen Unternehmen Fristen und Sanktionen aufzuerlegen. Darüber hinaus könnten die Aufsichtsbehörden beauftragt werden, allgemein beratend den Unternehmen zur Seite zu stehen.

105 96 3 GVFG-Maßnahmenplanungen als Instrument des BGG Im Folgenden wird das Instrument GVFG-Maßnahmenplanung, welches im Rahmen der Einführung des BGGEG weiter gefasst wurde, durch Darlegung der gesetzlichen Grundlagen auch im Zuge der Föderalismusreform sowie unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen mit der Anwendung des Instrumentes analysiert. Durch Auswertung der Erfahrungen und Begleitung eines GVFG-Vorhabens in der Modellregion werden Handlungsempfehlungen für eine optimierte Ausgestaltung des BGG-Instrumentes ausgearbeitet. 3.1 Gesetzliche Grundlagen der GVFG-Maßnahmenplanung Nach dem Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz / GVFG) gewährt der Bund den Ländern Finanzhilfen für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden 182. Diese Finanzierungsquelle sowohl für den öffentlichen Verkehr als auch für den kommunalen Straßenbau ist seit 1971 in Kraft und leitet sich von der Vorgabe des Grundgesetzes (GG) nach Artikel 104a Abs.4 ab, nach dem der Bund den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gewähren kann. Änderungen bzw. Ergänzungen, die im GVFG vorgenommen werden, können nicht allein durch den Bundestag oder das Finanzministerium verabschiedet werden sondern bedürfen zusätzlich der Zustimmung des Bundesrates 183. In 2 GVFG werden einzelne Vorhaben aufgeführt, die die Länder mit Finanzhilfen fördern können. Zu den förderungsfähigen Maßnahmen gehören sowohl der Bau oder Ausbau im kommunalen Straßenbau als auch Vorhaben, welche die Attraktivität des ÖPNV steigern. Eine Liste der förderungsfähigen Maßnahmen gemäß GVFG zeigt Anhang 9. Seit Änderung des GVFG durch das Steueränderungsgesetz im Jahre 1992 und der Einführung der Programmkompetenz liegt die Entscheidung über die Art und Weise der Durchführungsverfahren bei den Ländern, d. h. nach eigenem Ermessen können die Länder sowohl Vorhaben des kommunalen Straßenbaus als auch ÖPNV-Vorhaben fördern 184. In 3 GVFG werden die Voraussetzungen für die Förderung genannt. Grundsätzlich gilt, dass die jeweiligen Vorhaben nach Art und Umfang zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich sind und die Ziele der Raumordnung und Landesplanung berücksichtigt werden. Ebenso muss das Vorhaben in einem Generalverkehrsplan oder einem für die Beurteilung gleichwertigen Plan vorgesehen sein, d. h. wenn gemäß Landesrecht die Pflicht zur Aufstellung von Nahverkehrsplänen besteht, muss das GVFG-Vorhaben Bestandteil des Nahverkehrsplanes sein (vgl. Kapitel 1.1). Zudem muss das Vorhaben bau- und verkehrstechnisch einwandfrei geplant und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet werden. Entscheidend für die Anwendung des Instrumentes GVFG-Maßnahmenplanung zur Umsetzung der Barrierefreiheit ist die Fördervoraussetzung nach 3 Nr.1d GVFG, die mit Inkraft- 182 GVFG, VdK 2003, S BMVBS 2005, S.9

106 97 treten des Artikels 49 Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) des BGGEG präzisiert wurde (vgl. Abbildung 20). Abbildung 20: GVFG 3 Voraussetzung der Förderung Voraussetzung der Förderung nach 2 ist, dass das Vorhaben [ ] d) Belange behinderter Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt und den Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entspricht. Bei der Vorhabenplanung sind die zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte anzuhören. Verfügt eine Gebietskörperschaft nicht über Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte sind stattdessen die entsprechenden Verbände im Sinne 5 des Behindertengleichstellungsgesetzes anzuhören. Die bereits seit 1992 geltende Voraussetzung 185, die Belange von Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigung zu berücksichtigen, wurde dahingehend weiter gefasst, dass das Vorhaben den Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entsprechen muss. Durch Inkrafttreten des BGGEG und der daraus resultierenden Ergänzung im GVFG wurde der Begriff der Barrierefreiheit, der in 4 BGG umfassend definiert ist, eingeführt. Des Weiteren ist an die Förderung die Bedingung geknüpft, dass bei den Vorhabenplanungen die zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte anzuhören sind. Im Gegensatz zum PBefG (vgl. Kapitel 1.1) sieht das GVFG nicht nur eine Anhörung der Behindertenbeauftragten oder beiräte vor; denn verfügt eine Gebietskörperschaft nicht über einen Beauftragten oder Beirat, sind stattdessen die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände von Menschen mit Behinderungen anzuhören (derzeit 25 Verbände auf Bundesebene Stand: Oktober ). Dabei müssen beim Anhörungsverfahren alle anerkannten Verbände auf Bundesebene angehört werden; eine gemeinsame Stellungnahme ist nicht erforderlich, jedoch dürfen sich zur Vergabe der Investitionsmittel die Stellungnahmen der Verbände nicht widersprechen 187. Die Spitzenverbände haben die Möglichkeit, ihre Untergliederungen auf landes oder örtlicher Ebene für das Anhörungsverfahren zu bevollmächtigen 188. Durch die Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen bei den Vorhabenplanungen wird die Schaffung von Transparenz bei geförderten Maßnahmen ausgebaut. Neben der Stärkung der Beteiligungsrechte von Behindertenbeauftragten und verbänden wird der Lösungsansatz des BGG, konkrete Entscheidungen in den Bereichen Bau und Verkehr vor Ort zu treffen, mit dem Anhörungsrecht verstärkt Erweiterung des Förderkataloges durch Änderung des GVFG aufgrund des Steueränderungsgesetzes 186 Liste der nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände vgl. Anhang Grossmann 2006a 188 VdK 2003, S ebenda S.60

107 98 Durch das Anhörungsrecht bekommen die Vertreter behinderter Menschen die Möglichkeit, Einfluss auf den Ablauf und den Abschluss des Verfahrens zu nehmen. Anfangs müssen die Beauftragten darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass ein GVFG-Vorhaben geplant ist sowie über deren inhaltliche Planung unterrichtet werden. Im Verfahren müssen sich die Antragsteller inhaltlich mit der Stellungnahme des Behindertenbeauftragten, Beirates oder der Verbände auseinandersetzen. Es muss sichergestellt werden, dass die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens im weiteren Planungsprozess berücksichtigt werden. Die Stellungnahme muss anschließend der zuständigen GVFG-Genehmigungsbehörde vorgelegt werden 190. Neben dem Anhörungsrecht besteht für die Verbände die Möglichkeit einer Verbandsklage. Gemäß 13 Abs.1 Satz 2 BGG kann ein nach 13 Abs.3 BGG anerkannter Verband, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes erheben, falls ein Verstoß gegen die Vorschriften des Bundesrechts zur Herstellung der Barrierefreiheit in 3 Nr.1d GVFG festgestellt wird. Der Verband kann seine Klage nur gegen Verletzung von Verfahrensregeln, wie z. B. das Versäumen des Anhörungsverfahrens, richten und somit die Anwendung der Vorschrift fördern. Die Umsetzung der Barrierefreiheit kann hingegen nicht eingeklagt werden. Daraus folgt, dass bei Verstößen gegen das BGG eine Verbandsklage nur gegen die Genehmigungsbehörde möglich ist 191 (vgl. auch Kapitel 5.2). Bei der Antragstellung von Fördermitteln für GVFG-Vorhaben muss die restliche Finanzierung für das Vorhaben bei den Vorhabenträgern sichergestellt sein. Mit 3 Nr.2 GVFG wird vorausgesetzt, dass der Eigenanteil der Länder bzw. Gemeinden durch Eigenmittel, Kredite oder Zuwendungen Dritter den verbleibenden Teil nach GVFG-Förderung deckt 192. Zur Förderung der Vorhaben mit Finanzhilfen nach dem GVFG müssen von den Ländern Programme aufgestellt, jährlich angepasst und fortgeführt werden (Landesprogramme). In die Programme dürfen nur Vorhaben aufgenommen werden, welche die Fördervoraussetzungen nach 3 GVFG erfüllen bzw. zum Zeitpunkt der Förderung aufweisen 193. Die Bedingung erstreckt sich somit auch auf den Nachweis der Anforderung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit sowie der Einhaltung des Anhörungsverfahrens der Behindertenbeauftragten / -beiräte bzw. Verbände und muss bereits bei der Antragstellung der jeweiligen Länder vorliegen. Bei fehlenden oder unvollständigen Nachweisen wird das Vorhaben nur vorbehaltlich in das Programm aufgenommen. Vor Aufnahme in das Programm sind die Vorhaben mit städtebaulichen Maßnahmen abzustimmen, die mit diesen zusammenhängen. Die Länder übermitteln die aufgestellten Programme dem BMVBS und soweit es zur Entscheidung über die Aufnahme der Vorhaben in die Programme erforderlich ist, sind zusätzlich Planungsunterlagen einzureichen 194. Auf Grundlage der Programme teilt das BMVBS den Ländern die Finanzhilfen zu VDV 2003, S VdK 2003, S GVFG-Fördermittel können nicht ausgezahlt werden, falls der Eigenanteil der Finanzierung von den Vorhabenträgern nicht aufgebracht werden kann. 193 GVFG, 5, Abs GVFG, 6, Abs GVFG, 6, Abs.6

108 99 Neben den Landesprogrammen, die Vorhaben unter einer Investitionssumme von 51 Millionen Euro beinhalten und zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auch außerhalb der Verdichtungsräume dienen, können Bundesmaßnahmen nur mit einer Investitionssumme von über 51 Millionen Euro aufgestellt werden. Die Bundesprogramme sollen ÖPNV- Schienen-Großvorhaben, die in Verdichtungsräumen oder den dazugehörigen Randgebieten liegen und in denen die ausgewiesenen Mittel für die Länderprogramme nicht ausreichen 196, fördern 197. Die Bundesprogramme werden auf Grundlage von Vorschlägen der Bundesländer und im Einvernehmen mit den Ländern vom BMVBW aufgestellt und jährlich fortgeschrieben. Unter dem Gesichtspunkt der Investitionssumme können zur Übersicht die Förderanträge in drei Gruppen unterteilt werden: Vorhabensanträge mit einer Investitionssumme unter 25 Millionen Euro werden mit Begründung direkt beim jeweiligen Bundesland eingereicht. Landesvorhaben mit einer Investitionssumme zwischen 25 Millionen Euro und 51 Millionen Euro müssen zusätzlich anhand eines standardisierten Verfahrens den volkswirtschaftlichen Nutzen nachweisen 198. Die dritte Gruppe beinhaltet die Bundesprogramme für ÖPNV-Schienen-Großvorhaben in Verdichtungsräumen mit einer Investitionssumme von über 51 Millionen Euro, die den Ländern zweckgebunden zugewiesen wird 199. Für die DB AG oder andere Unternehmen, die sich in der Hand des Bundes befinden, besteht mit Zustimmung der Länder ebenso die Möglichkeit Investitionszuschüsse zu erhalten 200. Für Investitionsvorhaben des kommunalen Straßenbaus und des ÖPNV einschließlich der Investitionszuschüsse an die Eisenbahnen des Bundes stellt der Bund seit 2004 jährlich einen Betrag von bis zu 1,667 Mrd. Euro 201 aus Mineralölsteuereinnahmen zur Verfügung 202. Vom Gesamtbetrag kann das BMVBW einen Anteil von 0,15 %, im Einvernehmen mit den Ländern einen Anteil von bis zu 0,5 %, für Forschungszwecke in Anspruch nehmen. Von den verbleibenden Gesamtmitteln entfallen 20 % auf die Bundesprogramme und 80 % auf die Länderprogramme (vgl. Abbildung 21); den neuen Bundesländern stehen davon 24,2 % und den alten Bundesländern 75,8 % zu 203. Die Länder können nach eigenem Ermessen innerhalb der Länderprogramme die GVFG-Finanzhilfen für Verkehrsprojekte des kommunalen Straßenbaus als auch des ÖPNV flexibel je nach regionalen Erfordernissen und polischen Schwerpunkten - einsetzen VdK 2003, S GVFG, 6, Abs Kern 2005, S BMF 2006, S GVFG, Bis zum Jahr 2003 betrug der jährliche Förderungsgesamtbetrag 1,677 Mrd. 202 GVFG, 10, Abs GVFG, 10, Abs.2 - Die Verteilung auf die einzelnen Länder wird nach den jeweils dort angemeldeten Kraftfahrzeugen bezogen auf den gesamten Kraftfahrzeugbestand aller Länder bemessen. Die in den neuen Ländern zugelassenen Kraftfahrzeuge werden mit einem Zuschlagsfaktor von 1,25 angesetzt ( 6 Abs.2 GVFG). 204 BMVBS 2005, S.9

109 100 Abbildung 21: Verteilung der GVFG-Mittel 205 GVFG Mittel Forschungsmittel 0,15 0,5 % restliche Mittel 99,5 99,85 % Landesprogramm 80 % Bundesprogramm 20 % (nur für ÖPNV-Schienengroßvorhaben) kommunaler Straßenbau ÖPNV In 4 GVFG wird die Höhe und der Umfang der Förderung bestimmt, die bis zu 75 % der zuwendungsfähigen Kosten für Vorhaben im Landesprogramm und bis zu 60 % der zuwendungsfähigen Kosten für Vorhaben im Bundesprogramm betragen kann. Im Jahre 2004 betrug die Anzahl der geförderten Vorhaben für den kommunalen Straßenbau (neue Bundesländer Vorhaben, alte Bundesländer Vorhaben) und der Vorhaben für den ÖPNV ohne Fahrzeugförderung (neue Bundesländer 251, alte Bundesländer 1.228). Der größte Teil der Mittel floss hierbei für U-Bahn-, Stadtbahn- und S- Bahnvorhaben. Für die Vorhaben im kommunalen Straßenbau als auch für die Maßnahmen im ÖPNV (Infrastruktur und Fahrzeuge) wurden jeweils rund 844 Millionen Euro für Landesund Bundesprogramme verausgabt 206. Die Berichterstattung der Länder an das BMVBS beinhaltet die jährliche Übermittlung einer Übersicht, aus der die Zahl der geförderten Vorhaben und die Summe der aus den Finanzhilfen der im betreffenden Jahr gezahlten Zuwendungen hervorgeht 207. Mit Inkrafttreten des BGGEG wurde neben 3 GVFG auch 8 GVFG um eine Aussage in Bezug auf die Herstellung der Barrierefreiheit ergänzt. Die Länder werden verpflichtet, Bericht zu erstatten, inwieweit die geförderten Maßnahmen tatsächlich dem Ziel der Barrierefreiheit entsprechen (vgl. Abbildung 22). Abbildung 22: GVFG 8 Mitteilung über die Durchführung der Programme [ ] Die Berichterstattung der Länder erstreckt sich außerdem auf den Nachweis, inwieweit die geförderten Vorhaben dem Ziel der Barrierefreiheit nach 3 Nr. 1 Buchstabe d entsprechen. 205 verändert und ergänzt nach: Hofreiter 2006, S BMVBS 2005, S GVFG, 8

110 Analyse bisheriger Erfahrungen mit der Anwendung des GVFG als BGG- Instrument Das Instrument GVFG-Maßnahmenplanung hat sich seit Inkrafttreten des BGGEG zu einem bedeutsamen Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV entwickelt 208. Zur Überprüfung der Wirksamkeit dieses Finanzierungsinstrumentes werden im Folgenden die bisherigen Erfahrungen mit der Anwendung des GVFG bezogen auf die Sicherstellung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum in den Bundesländern sowie speziell im Freistaat Thüringen aufgezeigt. Zum einen werden die Resultate der Studie Auswirkungen des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) und zur Änderung anderer Gesetze auf die Bereiche Bau und Verkehr 209 (FoPS-Projekt) dargelegt, die sowohl die Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen im ÖPNV als auch im kommunalen Straßenbau unter Anwendung des GVFG-Instrumentes überprüft hat (vgl. Kapitel 3.2.1). Zum anderen wird mit dem Fokus auf die Modellregion die Förderpraxis in Thüringen, maßgeblich bezogen auf Vorhaben im ÖPNV, beleuchtet (vgl. Kapitel 3.2.2). Um erfolgreiche Maßnahmen sowie auftretende Umsetzungshemmnisse im Freistaat zu identifizieren sowie Handlungsempfehlungen für die optimierte Ausgestaltung des Instrumentes abzuleiten, wurde zudem ein GVFG- Vorhaben in der Modellregion moderiert und wissenschaftlich begleitet (vgl. Kapitel 3.2.3) Analyse des FoPS-Projektes in Bezug zum BGG-Instrument GVFG Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse des FoPS-Projektes zur Bewertung und Wirksamkeit des Instrumentes GVFG-Maßnahmenplanung zusammengefasst. Das Instrument GVFG-Maßnahmenplanung, das durch die Umsetzung von Art. 49 des BGGEG weiter gefasst wurde (vgl. Kapitel 3.1), wird im FoPS-Projekt daraufhin untersucht, inwieweit die Anforderungen zur Umsetzung von Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit bei GVFG-geförderten Vorhaben Berücksichtigung finden; dabei wird unterschieden in Art und Bedeutung des Vorhabens (z. B. Vorhaben im kommunalen Straßenbau oder des öffentlichen Verkehrs; Bushaltestellen im Regional- oder Stadtverkehr). Um sich einen Überblick zu verschaffen, wie der unbestimmte Rechtsbegriff möglichst weitreichende Barrierefreiheit in der Praxis interpretiert wird, wird eruiert, welche technischen Standards bei der Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit Anwendung finden. Zudem wird geklärt, inwieweit die Vertreter behinderter Menschen bei der Entwicklung von Standards zur Herstellung der Barrierefreiheit beteiligt sind. Um auszuwerten, inwieweit die Fördervoraussetzung nach 3 Nr.1d GVFG, die Belange mobilitätseingeschränkter Personen zu berücksichtigen 210, den Anforderungen der Barrierefreiheit zu entsprechen und Behindertenbeauftragte oder beiräte bzw. Verbände bei den Vorhabenplanung anzuhören, in der Praxis umgesetzt wird und sich im Hinblick auf die Herstellung der Barrierefreiheit ausgewirkt hat, wurden Vorhabenträger sowohl in kleineren 208 Deutscher Bundestag 2004, S vgl. BMVBW Bereits vor Inkrafttreten des BGGEG als Förderungsvorrausetzung im 3 GVFG gegeben

111 102 Gemeinden als auch in Klein-, Mittel- und Großstädten befragt 211. Bei der Auswahl und Bewertung der Auswirkungen in der Praxis wurde unterschieden nach Art des Vorhabens (ÖPNV-Vorhaben oder kommunaler Straßenbau) und deren Umfang (größere Neubauten / Neunanschaffung oder kleinere Neu- / Umbauten bei ÖPNV-Vorhaben bzw. Neubauten / wesentliche Umbauten oder kleinere Neu- / Umbauten bei Straßenbauvorhaben). Als Gesamtergebnis ist festzuhalten, dass das Instrument GVFG-Maßnahmenplanung sowohl im Bereich des ÖPNV als auch des kommunalen Straßenbaus zur Umsetzung der Barrierefreiheit in den Kommunen allgemein genutzt wird. Grundsätzlich besteht die Bereitschaft bei den Vorhabenträgern die Belange behinderter Menschen bei den GVFG-geförderten Maßnahmen zu berücksichtigen. Durch gezielte Fragen zu konkreten Maßnahmen wird die Bereitschaft damit bestätigt, dass möglichst weitreichende barrierefreie Maßnahmen bereits hergestellt wurden oder werden. Bei der Betrachtung der Belange betroffener Einzelpersonengruppen und ihren Behinderungsformen (gehbehinderte Personen / Rollstuhlfahrer / sehbehinderte und blinde Personen / hörbehinderte und gehörlose Personen) wurde allerdings festgestellt, dass die Belange hörgeschädigter bzw. gehörloser Personen nicht immer Berücksichtigung finden, insbesondere bei Vorhaben des kommunalen Straßenbaus. Um zu ermitteln, inwieweit das Instrument GVFG-Maßnahmenplanung in der Praxis Anwendung findet, wird geklärt, wie der unbestimmte Rechtsbegriff möglichst weitreichende Barrierefreiheit bei den Vorhabenträgern ausgelegt wird. Durch Nennung der zur Anwendung kommenden Regelwerke, Richtlinien, Empfehlungen und/oder Vorschriften, soll ersichtlich werden, welche technischen Standards zur Herstellung der Barrierefreiheit bei den Vorhabenplanungen in den jeweiligen Kommunen Berücksichtigung bzw. Verwendung finden. Das Ergebnis zeigt auf, dass den GVFG-Richtlinien und Verwaltungsvorschriften der Länder eine hohe Bedeutung zukommt. Zur Umsetzung der Barrierefreiheit sowohl bei ÖPNV-Vorhaben als auch bei Vorhaben des Straßenbaus werden vor allem die Vorschriften der Länder berücksichtigt. Ihnen muss bei der Herstellung möglichst weitreichender Barrierefreiheit, auch für die Zukunft, zweifellos eine Schlüsselstellung attestiert werden. 212 Im Vergleich zur DIN Barrierefreies Bauen-Teil 1, die bei den Vorhabenplanungen zur barrierefreien Ausgestaltung der Maßnahme häufig Anwendung findet, wird die DIN Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum als Leitfaden (Norm) kaum genutzt. Dies wäre zum einen mit dem geringen Wissen über die Existenz der Norm zu begründen, als auch, dass sich die örtlichen Behindertenvertreter über die taktile und akustische Gestaltung im öffentlichen Raum nicht immer einig sind. Noch weniger Anwendung findet der DIN-Fachbericht 124 Gestaltung barrierefreier Produkte mit Empfehlungen zum Mehr-Sinne-Prinzip 213. Einer der Gründe hierfür könnte sein, dass der 211 Rücklaufquote: Angeschrieben 115 Vorhabenträger davon 58 Antworten - vgl. BMVBW 2004, S BMVBW 2004, S Der Fachbericht zur Gestaltung barrierefreier Produkte richtet sich sowohl an die Verfasser von Produktnormen als auch an Entwickler, Hersteller und Anbieter technischer Produkte, Er gilt u. a. für Produkte, die dem Nutzer von Dritten zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden, z. B. Straßenschilder, Fahrkartenautomaten und kann ebenfass als Leitfaden für Transportmittel angewendet werden (vgl. DIN-Fachbericht 124, S.8).

112 103 Fachbericht erst Ende 2002 erschienen ist. Das FoPS-Projekt weist jedoch darauf hin, dass gerade die Empfehlungen zum Mehr-Sinne-Prinzip die Sensibilität für die Belange sensorisch behinderter Menschen wecken könnte. Für Vorhaben im ÖPNV Bereich existieren 214 überwiegend einheitliche Standards zur Herstellung der Barrierefreiheit in Form von Richtlinien, Vorschriften, Empfehlungen etc.; für Vorhaben im kommunalen Straßenbau hingegen kommen seltener Standards für die barrierefreie Ausgestaltung zum Einsatz. Zu erklären wäre dies mit der eher konzeptionslosen Herangehensweise im kommunalen Straßenbau an das Thema Barrierefreiheit. Bei GVFGgeförderten Straßenbauvorhaben handelt es sich oftmals um ein einmaliges größeres Projekt für einen langen Zeitraum. Bei Vorhaben im ÖPNV hingegen können Erfahrungen aus vorherigen Projekten in die nächsten Umbau- / Ausbaumaßnahmen einfließen, da oftmals mehrere kleine Projekte mit GVFG-Mitteln gefördert werden. Für größere Städte, die als Ziel die sukzessive Umsetzung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum haben, ist es von Vorteil, wenn die Kommune z. B. mittels Planungshilfen ein Gesamtkonzept für den gesamten Stadtraum erarbeitet und den Verwaltungen vorlegt bzw. vorschreibt 215. Bei der Anwendung des Anhörungsrechtes der Behindertenbeauftragten oder beiräte und bei Nicht-Vorhandensein die Einbeziehung von anerkannten Verbänden bei den Vorhabenplanungen sind ebenfalls zwischen Vorhaben im ÖPNV und des kommunalen Straßenbaus Unterschiede vorzufinden. ÖPNV-Vorhabenträger geben zum größten Teil an, Beauftragte, Beiräte und / oder Verbände bei ihren Vorhabenplanungen angehört zu haben oder anhören zu wollen. Beim Straßenbauvorhaben hingegen geben etwa ein Drittel der befragten Vorhabenträger an, keine Vertreter behinderter Menschen angehört zu haben bzw. zu wollen. Als Grund der Missachtung des gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens wird angegebenen, dass kein Beauftragter oder Beirat in der Kommune vorhanden wäre und keine Verbände bekannt bzw. vor Ort tätig seien. Die Nichtbeteiligung eines Behindertenbeauftragten oder eines -beirates bzw. der anerkannten Verbände bewirkt einen Verstoß gegen die in 3 GVFG enthaltende Anordnung zum Anhörungsrecht. Den Vorhabenträgern ist hierbei nicht unbedingt bewusst, dass sie gegen gesetzliche Vorschriften handeln, vielmehr ist es Unwissen darüber, wie die Handlungsweise des Anhörungsverfahrens bei Nicht-Vorhandensein eines Beauftragten/Beirats in der Kommune abzulaufen hat. Deutlich wird der Klärungsbedarf, werden die Angaben der Vorhabenträger bei der Frage betrachtet, wen sie beim Fehlen eines Behindertenbeauftragen / Beirats bei der Vorhabenplanung angehört haben bzw. anhören wollen. Bei einem Teil der genannten Verbände, die angehört wurden bzw. werden, handelt es sich nicht um die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Bundesverbände oder deren sachlich zuständigen Untergliederungen auf landes- oder örtlicher Ebene. Um das Problem der rechtswidrigen Handlungsweise beim Anhörungsverfahren zu beheben, müssten die Gemeinden aufgeklärt werden, wie die Vorgehensweise beim Anhörungsverfahren durchzuführen ist, falls die betreffende Gemeinde nicht über einen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeirat verfügt. 214 BMVBW 2004, S.147; Anm.: Die Existenz von Standards in Richtlinien / Planungsempfehlungen ist weniger das Problem als die fachgerechte Umsetzung der einheitlichen Standards. 215 Beispiel Planungshilfe Münster - vgl. BMVBW 2004, S.147

113 104 Bei der FoPS-Befragung wurde deutlich, dass das Hinzuziehen von Vertretern behinderter Menschen nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern ebenso hilfreich für das Vorhaben ist. Dieses subjektive Empfinden der Vorhabenträger in Bezug zum Anhörungsrecht ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer wesentlichen Veränderung der Maßnahme. Die Vorhaben sind entweder nur geringfügig geändert worden oder wie bei Vorhaben des kommunalen Straßenbaus größtenteils gar nicht. Um den wirtschaftlichen Aspekt bei der Herstellung der Barrierefreiheit zu beurteilen, wurden die Vorhabenträger befragt, ob die Anhörung von Beauftragten / Beiräten / Verbänden zu einer Verzögerung und / oder Verteuerung der Maßnahmen geführt hat. Bezogen auf die Ausführung des Anhörungsrechts wird dies von den Vorhabenträgern sowohl des ÖPNV als auch des kommunalen Straßenbaus größtenteils verneint. Jedoch auf die Frage, ob im Hinblick auf die Herstellung der Barrierefreiheit wirtschaftliche Aspekte bei dem Vorhaben eine Rolle spielen, antworten über die Hälfte der Vorhabenträger mit ja oder teilweise. Nach der Analyse ihrer Erläuterungen wird ersichtlich, dass sich eine Vielzahl der Antworten nicht direkt auf eine bestimmte Maßnahme bezieht. Die Antworten auf die offenen Fragen zeigen auf, dass die Vorhabenträger mangels Erfahrungen mit der Berücksichtigung von Belangen behinderter Menschen oftmals die Barrierefreiheit als einen zusätzlichen Kostenfaktor sehen. Neben der Angst vor überzogenen Anforderungen wird dabei auch die Berücksichtigung des Kosten-Nutzen Verhältnisses genannt. Der Befürchtung vor überzogenen Forderungen wäre Abhilfe geschaffen, sobald die Vorhabenträger die Erfahrung und das Wissen zur Herstellung der Barrierefreiheit, welches bereits in zahlreichen Empfehlungen behandelt und ausgearbeitet wurde, nutzen. Durch Aneignungen eigener Kompetenzen oder durch Einholung externen Sachverstandes hinsichtlich des Themas Barrierefreiheit, hier explizit die barrierefreie Straßenraumgestaltung, würden die Belange behinderter Personen nicht von vorneherein als zusätzlicher Kostenfaktor oder überzogene Maßnahme angesehen werden. Auch bei der angespannten Haushaltslage in den Gemeinden und Städten sollte der Aspekt der Barrierefreiheit mit zunehmender Erfahrung bei allen Planungen genauso behandelt werden wie die Belange des Brandschutzes: ohne Einhaltung der Barrierefreiheit kann die Maßnahme nicht realisiert werden. Die Berichterstattung der Länder mit dem jährlichen Nachweis, inwieweit die geförderten Vorhaben dem Ziel der Barrierefreiheit nach 3 Nr.1d GVFG entsprechen, ist im Paragraph 8 GVFG festgehalten. Der durch Art. 49 BGGEG weiter gefasste Paragraph zur Mitteilung über die Durchführung der Programme und der Bestätigung der Barrierefreiheit bei den jeweiligen Vorhaben ist in der Praxis mit keiner Regelprüfung des Bundes verbunden 216. Die Nachweise können vom Bund nach Anforderung in der jeweiligen Vorhabensakte eingesehen werden. Bei dem dargelegten Verfahren sind somit in der Regel die Länder für die Kontrolle der Einhaltung der möglichst weitreichenden Barrierefreiheit bei GVFG-geförderten Maßnahmen zuständig. Laut Anfrage des BMVBW bei den zuständigen Fachministerien der Länder findet 216 BMVBW 2004, S.151

114 105 diese Kontrolle statt. Jedoch machen die Länder keine Aussage darüber, in welcher Art und Weise die Kontrollen über die sachgerechte Verwendung der Finanzhilfen erfolgt. Da die Kontrolle über die Verwendung der Fördermittel bei den Ländern liegt, dient die Berichterstattung [der Länder] gemäß 8 Satz 2 GVFG [ ] also in der gehandhabten Form der Sicherung der gesetzeskonformen Mittelverwendung, nicht aber dem Interesse behinderter Menschen nach Transparenz. 217 Ob die Verlagerung der Kontrolle vom Land auf den Bund die Transparenz verbessern würde, ist allerdings in Frage zu stellen GVFG-Förderpraxis im ÖPNV des Freistaates Thüringen Grundsätzlich ist eine Förderung für Investitionen im ÖPNV nach dem GVFG nur möglich, wenn die in Kapitel 3.1 genannten Voraussetzungen beim Investitionsvorhaben erfüllt sind. Darüber hinaus sind die Länder verpflichtet, im Rahmen der Berichterstattung nachzuweisen, inwieweit die geförderten Maßnahmen dem Ziel der Barrierefreiheit nach 3 Nr.1d GVFG entsprechen 219. Wie die Förderpraxis von Investitionen im ÖPNV nach dem GVFG mit dem Fokus auf den gegenwärtig zugrunde liegenden Kriterien der Barrierefreiheit in Thüringen gehandhabt wird, wird im Weiteren aufgezeigt. a. GVFG-Förderungsverfahren im Freistaat Thüringen Die jährlichen Investitionen im Umfang von etwa 50 Millionen Euro, die der Bund im Rahmen des GVFG für die Landesprogramme zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden in Thüringen zur Verfügung stellt, werden im Freistaat vom Thüringer Landesamt für Straßenbau (TLSB) vergeben 220. Durch Erlass ermächtigt das TMBV das TLSB, seines Namens und im Auftrag die Zuwendungen zu bewilligen 221. Das TLSB ist auf Beschluss der Landesregierung im Jahre 1990 gebildet worden und ist als obere Straßenbaubehörde eine Landesbehörde im Geschäftsbereich des TMBV mit Sitz in Erfurt 222. Die Finanzhilfen werden nach Ermessen des Freistaates Thüringen je zur Hälfte und mit bis zu 75 % der anrechenbaren Kosten 223 sowohl in Vorhaben des kommunalen Straßenbaus als auch des ÖPNV investiert 224. Laut Landeshaushaltsplan 2006/2007 des Freistaates werden jeweils für die Jahre 2006 und 2007 für die Landesprogramme circa 24,5 Millionen Euro Finanzhilfen des Bundes sowohl für den kommunalen Straßenbau als auch für Maßnahmen des ÖPNV angesetzt. Die Finanzhilfen für den kommunalen Straßenbau stehen den Gemein- 217 BMVBW 2004, S ebenda 219 GVFG, 8, Abs TMBV 2005a 221 TMBV 2005d, S TLSB Nach der ÖPNV-Investitionsrichtlinie vom Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr werden bei einem barrierefreien Ausbzw. Umbau bis zu 90 % gefördert vgl. TMVB 2005c 224 TMBV 2005a

115 106 den zur Verfügung. Die Finanzhilfen zur Verbesserung der Infrastruktur des ÖPNV mit einer Summe von etwa 16,5 Millionen Euro für das Jahr 2006 und etwa 17,5 Millionen Euro für das Jahr 2007 werden sowohl den Gemeinden zugewiesen als auch als Zuschüsse an öffentliche und private Unternehmen vergeben. Die Finanzhilfen für die GVFG-Fahrzeugförderung mit einer Summe von 8 Millionen Euro für das Jahr 2006 und 7 Millionen Euro für 2007 werden als Zuschüsse für Investitionen an öffentliche Unternehmen angesetzt. Für ÖPNV-Großvorhaben im Rahmen der GVFG-Bundesprogramme sind für das Jahr 2006 etwa 14,5 Millionen Euro und für das Jahr 2007 etwa 2,8 Millionen Euro eingeplant 225. Das TLSB hat u. a. die Aufgabe der Planung, Genehmigung und Überwachung von Zuschüssen für kommunale Baumaßnahmen im Bereich des Straßenbaus und des ÖPNV. Sie ist die zuständige Bewilligungsbehörde und entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der im Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Mitteln nach Art, Umfang und Höhe der Zuwendung. Die Art und Weise der Durchführungsverfahren (u. a. Anforderungen an Förderanträge, Fristen, Termine) wird im Freistaat Thüringen als Verwaltungsvorschrift des Freistaates Thüringen zur Durchführung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (VV-GVFG) 226 und als Richtlinie zur Förderung von Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr in Thüringen (ÖPNV-Investitionsrichtlinie) 227 vom TMBV an das TLSB weitergereicht. Zuwendungsempfänger für Finanzhilfen nach dem GVFG sind kreisangehörige Gemeinden, kreisfreie Städte, Landkreise des Freistaates und Verkehrsunternehmen, die Linienverkehrsleistungen im Freistaat Thüringen erbringen 228. Die VV-GVFG besagt, dass Vorhaben u. a. nur unter Berücksichtigung der Belange mobilitätsbeeinträchtigter Personen förderungsfähig sind (vgl. Abbildung 23 und Abbildung 24). Abbildung 23: VV-GVFG 2. Gegenstand der Förderung Im Einzelnen gilt für die nach 2 GVFG förderungsfähigen Vorhaben Folgendes: [ ] 2.12 Haltestelleneinrichtungen [ ] Die Belange Behinderter und mobilitätseingeschränkter Personen sind zu berücksichtigen. Abbildung 24: VV GVFG 4. Zuwendungsvoraussetzung Voraussetzung für die Gewährung einer Zuwendung ist, 4.1 dass das Vorhaben [ ] die Belange Behinderter, alter Menschen und anderer Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt. 225 TMBV 2005e 226 TMBV 2005d 227 TMBV 2005c 228 TMBV 2005d, S.1591

116 107 Die wesentlichen Bestimmungen zur Finanzierung und Investitionsförderung werden im Thüringer Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr (ThürÖPNVG) festgelegt. In 2 Abs.7 ThürÖPNVG ist die Berücksichtigung mobilitätseingeschränkter Personen festgeschrieben (vgl. Abbildung 25). Abbildung 25: ThürÖPNVG 2 Ziele und Grundsätze, Abs.7 [ ] (7) Bei der Planung und Ausgestaltung der Verkehrsinfrastruktur, der Fahrzeugparks sowie des Angebotes des ÖPNV sind die Belange von Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt oder in besonderer Weise auf den ÖPNV angewiesen sind, angemessen zu berücksichtigen. Bezogen auf die Finanzierung wird in 8 ThürÖPNVG u. a. vorgegeben, dass das Land [ ] den Aufgabenträgern und Unternehmen zur Gewährleistung attraktiver und bedarfsgerechter ÖPNV-Angebote nach Maßgabe des jeweiligen Haushalts Finanzhilfen nach den Absätzen 2 bis 4 [gewährt]. [ ] Die Aufgabenträger nach 3 Abs.1 Nr.2 und 3 [Landkreise, kreisfreie Städte, u. U. große kreisangehörige Städte] erhalten vom Land Zuwendungen für ÖPNV- Investitionen. Die Zuwendungen gewährt das Land: 1. zur Finanzierung von Vorhaben des ÖPNV, die nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz [ ] gefördert werden oder 2. zur Finanzierung von ÖPNV-Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge außerhalb der Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, soweit diese nachweislich einen Beitrag zur Verbesserung des ÖPNV leisten. 229 Für die Gewährung von Finanzhilfen für die o. g. Vorhaben gilt die Aufstellung eines NVP (vgl. auch Kapitel 1.1) vom Aufgabenträger und dessen Vorlage beim TMBV als Voraussetzung 230. Die Fördermittel für Maßnahmen im ÖPNV werden nach Maßgabe der ÖPNV-Investitionsrichtlinie gewährt, die Ausführungen über Art, Umfang und Höhe der Zuwendung beinhaltet. Dabei ist entscheidend, dass der im GVFG maximal festgelegte Prozentsatz von 75 % der Förderung überschritten werden kann, wenn das Vorhaben zur Sicherstellung der Barrierefreiheit dient (vgl. Abbildung 26). Somit können derzeit ÖPNV-Vorhaben, die unter Einhaltung der Barrierefreiheit geplant werden, zum Beispiel der barrierefreie Um- / Ausbau einer Bushaltestelle, mit bis zu 90 % gefördert werden; die restlichen Kosten sind von den Kommunen zu tragen. Planungskosten für die Infrastrukturvorhaben des ÖPNV (in der Regel 10 % der Baukosten) sind nach dem GVFG nicht förderfähig und daher aus Kommunal- und Eigenmitteln zu finanzieren. In einem Schreiben des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur (TMWAI) im Jahr 2002 wurde auf das verabschiedete BGG und die damit verbundenen Konsequenzen für die ÖPNV-Investitionsförderung hingewiesen. Die Anforderung der möglichst weitreichenden Barrierefreiheit sowie das Anhörungsverfahren der Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte sind demnach Voraussetzung für die Aufnahme von Vorhaben in das Landesinvestitionsprogramm. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann davon 229 ThürÖPNVG, ThürÖPNVG, 5, Abs.6

117 108 Abbildung 26: ÖPNV-Investitionsrichtlinie 5. Art und Umfang, Höhe der Zuwendung [ ] 5.2. Die Höhe der Zuwendung kann bis zu 90 vom Hundert der zuwendungsfähigen Ausgaben betragen für den Bau und Ausbau von Omnibusbahnhöfen, Haltestellen und Wendeschleifen in der Baulast von Kommunen, von Straßenbahnhaltestellen sowie der Neubau von Haltepunkten des SPNV, sofern dieser behindertengerecht erfolgt. 5.3 Die Beschaffung von neuen Straßenbahnfahrzeugen kann mit bis zu 65 vom Hundert der zuwendungsfähigen Ausgaben gefördert werden. Die Modernisierung und der Umbau vorhandener Straßenbahnfahrzeugen kann mit bis zu 50 vom Hundert der zuwendungsfähigen Ausgaben gefördert werden. Eine Erhöhung um jeweils 5 vom Hundert ist möglich für die Ausstattung mit behindertengerechten Einrichtungen (insbesondere Niederflurtechnik). 5.4 Die Beschaffung von neuen Linienomnibussen kann mit bis zu 60 vom Hundert der zuwendungsfähigen Ausgaben gefördert werden. Eine Erhöhung um jeweils 5 vom Hundert ist möglich für die Ausstattung mit behindertengerechten Einrichtungen (insbesondere Niederflurtechnik, Kneeling, Lifting). abgewichen werden. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass dem Anhörungsverfahren der Beauftragten und Beiräte als Fördervoraussetzung des GVFG als Bundesgesetz Rechnung getragen werden muss 231. Die Bestellung eines Beauftragten für Menschen mit Behinderungen (Landesbehindertenbeauftragter) des Freistaates Thüringen ist im ThürGIG festgeschrieben 232, ebenso sind die Aufgaben und Befugnisse des Landesbehindertenbeauftragten dargelegt 233. Die Aufstellung kommunaler Behindertenbeauftragter ist in Thüringen jedoch keine Pflicht 234 (vgl. Kapitel 1.1). Investitionsmaßnahmen können für den ÖPNV laut der Thüringer ÖPNV-Investitionsrichtlinie sowohl aus Mitteln des GVFG, des RegG oder aus anderen verfügbaren Haushaltsmitteln gefördert werden. Eine Kofinanzierung aus diesen Mitteln ist möglich, eine Mehrfachförderung ist ausgeschlossen 235. Für Vorhaben aus dem GVFG-Bundes- oder Landesprogramm, die laut GVFG mit maximal bis zu 75 % der anrechenbaren Kosten finanziert werden, können somit zusätzliche Finanzmittel vom Land vergeben werden 236. Allerdings wird nach gegenwärtigem Planungsstand laut TLSB ab dem nur noch ein Höchstfördersatz von maximal 75 % der zuwendungsfähigen Kosten für ÖPNV-Vorhaben 231 TMWAI ThürGIG, ThürGIG, ThürGIG, 19, Abs TMBV 2005c 236 Ebenso besteht die Möglichkeit, die im GVFG festgelegten maximalen Prozentsätze zu unterschreiten (VDV 2003, S.104).

118 109 vergeben; für Vorhaben im Jahre 2006 gelten zum Teil noch die höheren Fördersätze entsprechend der ÖPNV-Investitionsrichtlinie 237. b. GVFG-Förderungsverfahrensablauf im ÖPNV des Freistaates Thüringen Im Folgenden wird das Förderverfahren im Freistaat Thüringen dargestellt, das in Teilen sowohl in der ÖPNV-Investitionsrichtlinie als auch in der VV-GVFG vorgegeben ist (vgl. Kapitel a). Abbildung 27 stellt abschließend die heutige Verfahrensweise bei der Vergabe von GVFG-Fördermitteln für ÖPNV-Vorhaben in einer schematischen Zusammenfassung dar. I. Antragsverfahren Das Antragsverfahren für geplante Investitionsvorhaben auf Gewährung einer Zuwendung nach dem GVFG erfolgt in zwei Stufen. Als Voraussetzung für die Antragsstellung muss eine Anmeldung des Bedarfs an Zuwendung für das GVFG-Fördervorhaben zur Aufnahme in das Programm des Landes gemäß 5 GVFG erfolgen. Nachdem das Vorhaben in das Programm aufgenommen wurde, kann ein Antrag auf Gewährung einer Zuwendung für Infrastrukturmaßnahmen sowie für die Beschaffung von Linienbussen und Schienenfahrzeugen 238 beim TLSB gestellt werden. Es besteht jedoch kein Rechtsanspruch eines Aufgabenträgers auf Gewährung einer Zuwendung 239, da die Bewilligung unter dem Haushaltsvorbehalt des Landes steht. II. Anmeldung Der Anmeldung bei der Bewilligungsbehörde (TLSB), die bis spätestens zum des dem vorgesehenen Baubeginn vorhergehenden Jahres erfolgt sein muss, hat eine Anmeldung des geplanten Vorhabens im Investitions- bzw. Finanzierungsplan der Aufgabenträger für den ÖPNV (Landkreis, kreisfreie Stadt) voranzugehen. Zur Aufnahme in das Landesprogramm sollte die geplante Maßnahme im Investitionsplan die Priorität 1 aufweisen, um die Förderchancen zu erhöhen 240. Der Investitions- / Finanzierungsplan ist als Anlage des NVP jährlich vom Aufgabenträger aufzustellen und fortzuschreiben 241 (vgl. Kapitel 1.1). Zuwendungsempfänger sind gemäß der ÖPNV-Investitionsrichtlinie die Aufgabenträger / Gemeinden / Unternehmen, sofern ihre Vorhaben Bestandteil der Investitionsplanung des zuständigen Aufgabenträgers sind. Die Anmeldung des Förderungsvorhabens für die Erstellung des Landesprogramms erfolgt gemäß 5 GVFG. So dürfen in das Programm nur Vorhaben aufgenommen werden, die die Fördervoraussetzung gemäß 3 GVFG beinhalten, d. h. die Vorhaben müssen den Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entsprech- 237 Damm In der überarbeiteten, ab geltenden ÖPNV-Richtlinie des Freistaates Thüringen ist eine Förderung von SPNV- Fahrzeugen nicht mehr vorgesehen (Thienel 2006). 239 TMBV 2005d, S Institut Verkehr und Raum 2005b 241 ThürÖPNVG, 6, Abs.2 und 3

119 110 en. Bei den Vorhabenplanungen sind die zuständigen Behindertenbeauftragten oder beiräte bzw. die Verbände anzuhören. Für die Anmeldung des Bedarfs an Zuwendung nach GVFG/ÖPNV (vgl. Anhang 16) sind Vordrucke gemäß Anlage der VV-GVFG 242 zu verwenden, in der unter anderem ein Erläuterungsbericht mit einer Kostenschätzung und Unterschriften des Antragstellers (z. B. Gemeinde), Aufgabenträgers (z. B. Landkreis) und des Verkehrsunternehmens zu erbringen sind. III. Antrag Ist das Vorhaben in den Investitionsplan des Aufgabenträgers und in das Landesprogramm aufgenommen, muss ein Antrag auf Gewährung einer Zuwendung für Infrastrukturmaßnahmen nach GVFG/ÖPNV (vgl. Anhang 17), ein Antrag auf Gewährung einer Zuwendung aus dem Landeshaushalt für die Beschaffung von neuen Linienomnibussen nach GVFG/ÖPNV bzw. ein Antrag auf Gewährung einer Zuwendung für die Beschaffung von Schienenfahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs nach GVFG vom Antragsteller bis spätestens drei Monate vor dem geplanten Vorhabensbeginn beim TLSB gestellt werden 243. Für erstmalige Antragstellungen sind Vordrucke gemäß Anlage der VV-GVFG 244 zu verwenden. Für die Gewährung von Zuwendungen für Infrastrukturmaßnahmen wird als Anlage unter anderem ein Bauzeitplan, ein Entwurfsplan, eine Kostenberechnung sowie eine Erklärung, dass die Maßnahme im NVP enthalten ist (vgl. Kapitel 1.1), gefordert. Wichtig für das Ziel der Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit ist das Anhörungsverfahren der Vertreter von Menschen mit Behinderungen, die im Rahmen des Antrages auf Gewährung einer GVFG-Zuwendung erfolgt. Hierbei ist im Antrag die Stellungnahme des zuständigen Behindertenbeauftragten bei der Genehmigungsbehörde einzureichen, die in der Regel für einen positiven Förderbescheid ausreichend ist. Jedoch ist bei ÖPNV-Anträgen nicht wie im Antrag auf Gewährung einer Zuwendung nach GVFG / Kommunaler Straßenbau (vgl. Anhang 18) die Anlage Rechtsverbindliche Erklärung der VV-GVFG enthalten, die u. a. besagt: Wir erklären hiermit für das Bauvorhaben dass [ ] 3. die zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte angehört wurden, die Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt sind und die Planung den Anforderungen der Barrierefreiheit weit reichend entspricht. 245 IV. Ablauf der Bewilligung Die Bewilligung des Antrags erfolgt nach Prüfung durch einen Sachbearbeiter des TLSB. Das TLSB berücksichtigt bereits heute die Belange behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen als Voraussetzung für die Förderung nach dem GVFG, allerdings sind die 242 vgl. TMBV 2005d, S TMBV 2005c 244 vgl. TMBV 2005d, S.1620ff. 245 TMBV 2005d, S.1613

120 111 Maßnahmen oftmals auf rollstuhlgerechte Maßnahmen beschränkt. Die Überprüfung der Berücksichtigung von Belangen mobilitätseingeschränkter Personen wird nach eigenem Ermessen des Sachbearbeiters durchgeführt. In der bisherigen Praxis ist zur Einhaltung der Anforderung Barrierefreiheit zum Beispiel beim Aus- bzw. Umbau einer Bushaltestelle der Einsatz von Formsteinen als Anfahrhilfe und die Einrichtung einer stufenlos zugänglichen Wetterschutzeinrichtung ausreichend. In begründeten Ausnahmefällen werden zudem Abweichungen von diesen rollstuhlgerechten Maßnahmen zugelassen 246, wie zum Beispiel bei der Lage der Haltestelle in einer Kurve. Demnach erfolgt die Bewilligung nicht anhand eines Kriterienkatalogs für Anforderungen an barrierefreie Maßnahmen im ÖPNV. Vom TMBV wird ein Verfahren, das mit Hilfe eines Maßnahmenkatalogs das Ziel der Barrierefreiheit überprüft, nicht gefordert. Gemäß 3 GVFG ist eine weitere Voraussetzung für die Förderung von Vorhaben nach 2 GVFG die Anhörung der zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte bzw. der entsprechenden Verbände bei den Vorhabenplanungen. Für die Einhaltung dieser Verordnung wird eine Stellungnahme des Behindertenbeauftragten oder des Behindertenbeirats bei der Antragstellung für die Gewährung einer Zuwendung nach GVFG vom Antragsteller mit eingereicht. Gegebenenfalls überprüft der Sachbearbeiter des TLSB beim Bewilligungsablauf z. B. per Telefon die Stellungnahme des Behindertenbeauftragten. Die Genehmigung der Maßnahme durch den zuständigen Behindertenbeauftragten ist obligatorisch und in der Regel für einen positiven Förderbescheid ausreichend. 247 V. Prüfung des Verwendungsnachweises Der Aufgabenträger hat nach Beendigung der Maßnahme dem TLSB einen Verwendungsnachweis vorzulegen, anhand dessen die Landesbehörde prüft, ob das Vorhaben im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Antrag und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Antragsprüfung ausgeführt wurde. 248 Der Verwendungsnachweis des Aufgabenträgers besteht aus einem Sachbericht und einem Rechnungsnachweis. Eine Erfolgskontrolle hinsichtlich der Einhaltung der Barrierefreiheit wird nicht durchgeführt. In einigen Fällen werden nach Beendigung der Baumaßnahme Photos beim TLSB eingereicht, die einen Eindruck darüber geben, ob das Ziel der Barrierefreiheit weitestgehend erreicht wurde. Laut TLSB sei es mit dem vorhandenen Personalbestand nicht leistbar, die geförderten (Bau)Maßnahmen und Investitionen im Hinblick auf die tatsächliche barrierefreie Umsetzung zu kontrollieren Institut Verkehr und Raum 2005a, S ebenda 248 TMBV 2005d, S Institut Verkehr und Raum 2005a, S.3

121 112 Abbildung 27: derzeitige Verfahrensweise in Thüringen bei der Vergabe von ÖPNV-Fördermitteln nach dem GVFG-Landesprogramm Verfahrensschritte Anmeldung des Vorhabens im Investitionsplan des Aufgabenträgers Zuständigkeit Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Aufnahme des Vorhabens in den Investitionsplan Aufgabenträger des ÖPNV Anmeldung des Bedarfs an GVFG- Zuwendungen beim TLSB Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Aufnahme des Vorhabens in das Landesprogramm Land (TMBV) Antrag auf Gewährung einer GVFG- Zuwendung beim TLSB auf Grundlage der Entwurfsplanung Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Anhörungsverfahren Stellungnahme zur Barrierefreiheit als Fördervoraussetzung Behindertenbeauftragte/-beiräte bzw. Verbände nach 13 BGG Bewilligung der Zuwendung Bewilligungsbehörde (TLSB) Ausführungsplanung Vorhabenträger / Planungsbüro Vorbereitung der Ausschreibung auf Grundlage einer Leistungsbeschreibung Vorhabenträger / Planungsbüro Submission / Ausschreibung Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Prüfung / Bestätigung der Ausschreibung inkl. Vergabevorschlag Bewilligungsbehörde (TLSB) Vergabe der Ausschreibung Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Bauausführung Bauunternehmen Bauabnahme Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Verwendungsnachweisprüfung Bewilligungsbehörde (TLSB)

122 Begleitung eines GVFG-Vorhabens in Thüringen Um die Wirksamkeit des BGG-Instrumentes GVFG-Maßnahmenplanung zu überprüfen sowie auftretende Umsetzungshemmnisse beim GVFG-Förderungsverfahren im Freistaat Thüringen aufzuzeigen hat das vorliegende Forschungsprojekt im März 2005 die AG barrierefreie RVG-Buslinie 850 gebildet und bis zum Ende des Forschungsprojektes moderiert und wissenschaftlich begleitet. Die Erfahrungen und Ergebnisse der AG, die im Folgenden beschrieben werden, bilden u. a. die Basis für die in Kapitel 3.5 ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen. Daneben produzierte die AG auch Ergebnisse, die zur Optimierung der Nahverkehrspläne genutzt wurden (vgl. Kapitel b). a. Arbeitsgruppe barrierefreie RVG-Buslinie 850 Auf Grundlage der Ergebnisse der InnoRegio-Verkehrskonzeption 250 wurde die RVG-Buslinie 850 (vgl. Abbildung 10 in Kapitel c) in Absprache mit der RVG für die wissenschaftliche Begleitung eines GVFG-Vorhabens ausgewählt. Neben der Bedienung der in der Modellregion liegenden Ortschaften Georgenthal, Tambach-Dietharz und Ohrdruf (in Planung) bietet die Buslinie neben dem stündlichen Taktverkehr eine vertaktete Verknüpfung zwischen dem SPNV und dem StPNV an. Zur Veranschaulichung des in der InnoRegio-Verkehrskonzeption entwickelten ÖPNV-Zielnetzes zur barrierefreien Erschließung der Modellregion dient Abbildung 9 in Kapitel c. Mit den Ergebnissen der InnoRegio-Verkehrskonzeption besteht bereits eine planerische Grundlage für eine barrierefreie Umgestaltung der RVG-Buslinie 850. Zu den wichtigsten Modernisierungsmaßnahmen gehören 251 : Einführung der RVG-Buslinie 850 Ohrdruf Georgenthal Tambach-Dietharz ÖPNV-Linienführung durch das Gewerbegebiet Ohrdruf Modernisierung der Infrastruktur der Ohratalbahn (vgl. Kapitel 5.6) führt zur Verlagerung der heutigen Zugkreuzung an den Bhf. Ohrdruf und somit zu einer Verlegung der zentralen StPNV-Verknüpfung von Ohrdruf Kirche nach Ohrdruf Bahnhof Bhf. Ohrdruf wird zentrale SPNV-StPNV-Verknüpfung barrierefreie Gestaltung der Buslinie auf Grundlage des Anforderungsprofils für barrierefreie Stadtbushaltestellen 252, des Anforderungsprofils für barrierefreie Verknüpfungshaltestellen des Straßenpersonennahverkehrs (StPNV) 253 sowie des Anforderungsprofils für barrierefreie Stadtbusse 254 Die geplante ÖPNV-Linienführung für die verlängerte RVG-Buslinie 850 durch das Gewerbegebiet Ohrdruf ist abhängig von der Freigabe der Brücke in der angrenzenden Gemeinde 250 Gather / Rebstock 2004, S Institut Verkehr und Raum 2005b, S.1ff. 252 vgl. Rebstock 2004a 253 vgl. Rebstock 2004c 254 vgl. Rebstock 2004b

123 114 Herrenhof für den Busverkehr. Aufgrund der Belastungsprüfung der Brücke kann die Freigabe der Brücke für Fahrzeuge > 6,5 t voraussichtlich bis zum Jahre 2007 nicht erfolgen 255. Durch die Gemeinde Georgenthal wurde [im September 2006] erklärt, dass für die Ertüchtigung des Durchlasses in Herrenhof ein Fördermittelantrag gestellt wird und die Baumaßnahmen für das Jahr 2008 erwartet werden. Damit kann ab 2008/2009 eine Busverbindung zwischen Herrenhof und dem Gewerbegebiet Ohrdruf eingerichtet werden. 256 Zur Überprüfung des BGG-Instrumentes GVFG-Maßnahmenplanung wurde mit Bildung der AG barrierefreie RVG-Buslinie 850 ein runder Tisch mit allen relevanten Akteuren (vgl. Anhang 11) entlang der Buslinie inklusive Fördermittelgeber mit folgenden Zielen implementiert 257 : Abstimmung von barrierefreien Maßnahmen entlang der RVG-Buslinie 850 Maßnahmenbündelung als Gesamtpaket Barrierefreie RVG-Buslinie 850 Beantragung der GVFG-Förderung als Gesamtpaket Aufgrund der Komplexität der barrierefreien Umbaumaßnahmen handelt es sich bei der Umsetzung des Vorhabens barrierefreie RVG-Buslinie 850 um einen mittel- bis langfristigen Prozess 258. Aus Sicht des barrierefreien Tourismus besteht durch die InnoRegio-Verkehrskonzeption bereits ein Vorschlag für einen schrittweisen Ausbau der Haltestellen entlang der verlängerten RVG-Buslinie 850. Die Prioritätenreihung (vgl. Punkt II in Kapitel b), die unter Berücksichtigung des Verkehrsaufkommens, der Art und Bedeutung der Haltestelle (z. B. Verknüpfungspunkt), der touristischen Bedeutung und von besonderen Aufkommensschwerpunkten (z. B. Seniorenwohnsitz) bemessen wurde, diente als Diskussionsgrundlage für die weitere Abstimmung der umzubauenden Haltestellen. Ferner sind der Ausbau des Busnetzes und die Lage der Verknüpfungspunkte in Georgenthal und Ohrdruf in Abstimmung mit dem SPNV festzulegen, d. h. die Umsetzung der Maßnahmen ist abhängig von der zukünftigen Planung zur Ohratalbahn. Eine Modernisierung der Infrastruktur würde zu einer SPNV-StPNV-Verknüpfungshaltestelle am Bahnhof Ohrdruf führen; eine Abbestellung der SPNV-Leistung würde den Ausbau der StPNV-Verknüpfung an der Haltestelle Ohrdruf Kirche zur Folge haben. Die Entscheidung zum dauerhaften Erhalt oder zur Abbestellung von SPNV-Leistungen auf der Ohratalbahn ist somit Grundlage für die Bestimmung der barrierefrei umzubauenden Haltestellen (vgl. Kapitel 5.6). b. Anforderungen an barrierefreie Bushaltestellen der RVG-Linie 850 Im ersten Schritt wurden mit den Teilnehmern der AG (vgl. Anhang 11) die funktionalen Standards und Anforderungen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit unter Berücksichtigung des im Rahmen der InnoRegio-Verkehrskonzeption entwickelten Anforderungsprofils für 255 Institut Verkehr und Raum 2005e, S Münch 2006a, S Institut Verkehr und Raum 2005b, S vgl. Gather / Rebstock 2004, S.220

124 115 barrierefreie Stadtbushaltestellen 259 und des Anforderungsprofils für barrierefreie Verknüpfungshaltestellen des Straßenpersonennahverkehrs (StPNV) 260 auf die Haltestellen der RVG-Buslinie 850 abgestimmt und festgelegt. Die Abstimmung der Standards war notwendig, da es sich bei dieser Buslinie weder um eine klassische Stadtbuslinie noch um eine reine Regionalbuslinie handelt. Letztlich fanden zur Ableitung der Anforderungen an barrierefreie Bushaltestellen der RVG-Buslinie 850 im Wesentlichen die Standards für Stadtbushaltestellen Anwendung, da die Linie sowohl Verbindungsfunktionen zwischen den Orten als auch Erschließungsfunktionen in den Ortschaften übernimmt 261. Die Tabelle Anforderungen an barrierefreie Bushaltestellen der RVG-Buslinie 850 mit Qualitätszielen sowie funktionalen Standards und Anforderungen zeigt Anhang 12. Anschließend wurde aus diesen Standards der Zielzustand für ideal ausgebaute, barrierefreie Haltestellen entwickelt. Grundsätzlich sind Umbaumaßnahmen den örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Daher wird bei der Entwurfsdarstellung ideal ausgebaute barrierefreie Bushaltestelle zwischen der Haltestellenform Haltstellenkap mit Wetterschutzeinrichtung (vgl. Abbildung 28) und Haltestelle am Fahrbahnrand mit Info-Stele (vgl. Abbildung 8 in Kapitel c) unterschieden. c. Kostensparende Minimalstandards für barrierefreie Bushaltstellen Da entlang der RVG-Buslinie Haltestellen existieren, die nicht als Verknüpfungshaltestelle dienen und / oder kein hohes Verkehrsaufkommen aufweisen (vgl. hierzu Abbildung 13 in Kapitel 1.3.2), würden die in Anhang 12 genannten Standards für die barrierefreie RVG-Linie an einzelnen, bereits bestehenden Haltestellen einen Umbau mit einem unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand bedeuten. Um die baulichen Aufwendungen und somit die Kosten für die Herstellung von barrierefreien Maßnahmen an Haltestellen mit einer geringen Nachfrage so niedrig wie möglich zu halten und gleichwohl die Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen sicherzustellen, wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut Verkehr und Raum in der Studie barrierefreie Bushaltestellen / kostensparende Mindestmaßnahmen 262 vergleichsweise preiswerte Standards für barrierefreie Bushaltestellen entwickelt. Hierbei wurden Mindeststandards aufgestellt, die zur Sicherstellung der Barrierefreiheit an Bushaltestellen unentbehrlich sind, und die dafür anfallenden Kosten im Vergleich zur ideal barrierefrei ausgebauten Haltestelle mit hohem Verkehrs- bzw. Fahrgastaufkommen ermittelt. Die Ausstattungsmerkmale, die als Mindestmaßnahmen für eine barrierefreie Haltestelle umzusetzen sind, umfassen die Teilaufpflasterung des Bussteigs auf 18 cm über Straßenniveau auf einer Länge von 3 m für den niveaugleichen Einstieg an der zweiten Fahrzeugtür sowie die taktil-optisch-akustische Markierung des Einstiegs an der ersten Fahrzeugtür mittels eines 90 cm breiten Aufmerksamkeitsfeldes (bei ungenügendem Kontrast zum Umgebungsbelag zusätzlich beidseitig angelegte, kontrastreiche, 30 cm breite Begleitstreifen) über die gesamte Gehwegbreite. Ist ein Fahrgastunterstand vorhanden, muss dieser gegebenenfalls an die neuen Höhen angepasst werden (vgl. Abbildung 14 in Kapitel a). 259 Rebstock 2004a 260 Rebstock 2004c 261 vgl. Gather / Rebstock 2004, S Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006c

125 116 Abbildung 28: Darstellung einer ideal ausgebauten barrierefreien Bushaltestelle Haltestellenkap mit Wetterschutzeinrichtung

126 117 Zudem ist darauf zu achten, dass vor den Einstiegsbereichen keine Einbauten platziert sind. Die Umbaukosten für die Mindestmaßnahmen (ohne Anpassung Fahrgastunterstand) betragen inklusive Planungskosten in Abhängigkeit der örtlichen Gegebenheiten rund Euro für eine Haltestelle und sind somit etwa 85 % günstiger als Maßnahmen, welche die gesamte Länge und gesamte Oberfläche der Haltestelle betreffen. d. Vorbereitung zur GVFG-Anmeldung Anhand der festgelegten funktionalen Standards und Anforderungen für die RVG-Linie wurde der Ist-Zustand der Bushaltestellen entlang der Strecke Ohrdruf Georgenthal Tambach- Dietharz aufgenommen (vgl. auch Kapitel b). Ein Auszug des Ist-Zustandes der Haltestellen entlang der Linie 850 verdeutlicht folgendes: bisher sind keine Haltestellen mit Hochborden ausgebildet bzw. weisen keinen niveaugleichen Einstieg auf bisher ist keine markierte Einstiegszone bzw. keine taktile Kennzeichnung an den Haltestellen vorzufinden bisher sind die Fahrplanaushänge nicht in kontrastreich gestalteter Großschrift und in mittlerer Sichthöhe angebracht grundsätzlich fehlt an allen Haltepunkten der Haltestellenname nur teilweise ist ein stufenloser Zugang zu den Haltestellen möglich 263 Die Kommunen Ohrdruf, Georgenthal und Tambach-Dietharz sprachen sich für eine schnelle Umsetzung der barrierefreien Maßnahmen an den Haltestellen im Rahmen einer GVFG- Förderung aus. Auf Grundlage der Bedeutsamkeit der Haltestellen (vgl. Abbildung 10 in Kapitel c) und des Planungsstandes zur Ohratalbahn wurden in der AG die für die Jahre 2006 und 2007 von den Kommunen für die GVFG-Förderung anzumeldenden, barrierefrei umzubauenden Haltestellen benannt, die vorab in den Investitionsplan des Landkreises Gotha anzumelden waren (vgl. Kapitel 3.2.2): Aufgrund der in Tambach Dietharz im Jahr 1997 mit Fördermitteln des Straßenbaus erneuerten Haltestellen entlang der Hauptstraße sind für diese Haltestellen in absehbarer Zeit keine Fördermittel für einen umfassenden Umbau zu erwarten. Jedoch besteht laut TLSB für einzelne Maßnahmen, wie z. B. für die Anhebung des Bussteigs und / oder Einrichtung eines Leitsystems die Möglichkeit einer GVFG-Förderung 264 (vgl. Kapitel c). Der Landkreis Gotha hat, aufgrund des notwendigen barrierefreien Umbaus, die StPNV- Verknüpfungshaltestelle Georgenthal Ort und die SPNV/StPNV-Verknüpfungshaltestelle Bahnhof Ohrdruf unter dem Titel barrierefreie RVG-Buslinie im Investitionsplan des Landkreises für das Jahr 2006 auf Priorität 1 gesetzt 265. Ebenso sollen die für das Jahr Institut Verkehr und Raum 2005c, S Institut Verkehr und Raum 2005d, S ebenda S.1

127 118 geplanten Umbaumaßnahmen SPNV/StPNV-Verknüpfung Bahnhof Georgenthal und Bushaltestelle Lohmühle in den Investitionsplan aufgenommen werden 266. Durch Bereitstellung von Haushaltsmitteln werden die nach 3 Nr.2 GVFG geforderten Eigenanteile der Gemeinden sowie die Planungsleistungen gedeckt (vgl. Kapitel 3.1). Die Anmeldung bzw. der Antrag zur Förderung des barrierefreien Umbaus für die genannten Bushaltestellen soll als Gesamtkonzept unter dem Titel barrierefreie RVG-Buslinie 850 beim TLSB eingereicht werden, wobei die Gemeinden für die auf ihrem Gebiet liegenden Haltestellen jeweils eigene Anträge stellen 267. Die Bündelung von Maßnahmen dient zum einem der Verwaltungsvereinfachung 268. Zum anderen wird die in der VV-GVFG benannte Voraussetzung, dass die zuwendungsfähigen Kosten für den Haltestellenumbau mindestens Euro 269 betragen müssen 270, durch thematische Zusammenfassung der Vorhaben erfüllt. Nach Erfahrungen des TLSB betragen die Kosten für den barrierefreien Umbau einer Haltestelle für beide Richtungen zusammen zwischen Euro und Euro 271 (ohne Planungsleistungen). Die Kosten für Vorhaben, die nur die Minimalstandards, wie Teilanhebung und Markierung der Einstiegszonen (vgl. Kapitel c) beinhalten, fallen somit geringer aus, sind jedoch durch die Bündelung der Maßnahmen förderfähig. Neben dem Antrag auf Gewährung einer Zuwendung für Infrastrukturmaßnahmen ist ebenfalls ein Antrag auf Gewährung einer Zuwendung für die Beschaffung eines Niederflurbusses für die barrierefreie Buslinie vom Omnibusbetrieb Omnibus- und Güterverkehr Klaus Gessert bei der Bewilligungsbehörde eingereicht worden 272. Neben dem niveaugleichen Einstieg wurden bei der Neuanschaffung die Belange der blinden und sehbehinderten Menschen unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils für barrierefreie Stadtbusse 273 bei der Bestellung des Busses berücksichtigt. e. GVFG-Anmeldung - Sachstand zum Projektende von BeGiN (Oktober 2006) Das Forschungsprojekt Begin hat im Laufe des Projektes die Gemeinden bei der Vorbereitung zur Anmeldung des Bedarfs einer Zuwendung für Infrastrukturmaßnahmen nach dem GVFG für die festgelegten Haltestellen begleitet. Im Folgenden wird der aktuelle Sachstand zum GVFG-Anmeldeverfahren für die genannten barrierefrei umzubauenden Haltestellen in Georgenthal und Ohrdruf dargelegt, sowie kurz die Bestands- und Rahmenbedingungen und das Planungskonzept der Haltestellen erläutert. Am 11. September 2006 wurde ein Arbeitstreffen mit Vertretern von Georgenthal und Tambach-Dietharz, der RVG und dem Institut Verkehr und Raum in Georgenthal abgehalten. Der Termin diente zur Identifikation der Haltestellen entlang der Buslinie 850 (vgl. Punkt III in Kapitel b), bei denen in Bezug zu touristischen Belangen ein vordringlicher Bedarf zur 266 ebenda S.1f. 267 Institut Verkehr und Raum 2005b, S VDV 2003, S für Haltestelleneinrichtungen mindestens TMBV 2005d, S Institut Verkehr und Raum 2005b, S vgl. Institut Verkehr und Raum 2005d, S Rebstock 2004b

128 119 Sanierung besteht und die entsprechend der kostenoptimalen Variante einer barrierefreien Haltestelle umgebaut werden können (vgl. Kapitel c). Mit diesem Schritt wurde die wissenschaftliche Arbeitsleistung, welche im Rahmen des InnoRegio-Projektes BeGiN erbracht wurde, in die Verantwortung der Kommunen übergeben, d. h. dass die Verantwortlichkeit für die weitere Vorgehensweise in Bezug zur Planung der barrierefreien RVG- Buslinie 850 und die Beantragung von Fördermitteln nun bei den Gemeinden liegt 274. I. Haltestelle Georgenthal Ort Die Gemeinde Georgenthal hat beim TLSB die Anmeldung des Bedarfs an Zuwendung nach dem GVFG für den barrierefreien Umbau der StPNV-Verknüpfungshaltestelle Georgenthal Ort eingereicht und am den Fördermittelbescheid erhalten. Der Umbau wird nach derzeitigem Planungsstand voraussichtlich in der 46. Kalenderwoche 2006 beginnen. (1) Bestands- und Rahmenbedingungen Die StPNV-Verknüpfungshaltestelle Georgenthal Ort liegt am westlichen Ortsrand von Georgenthal und ist in beide Richtungen als Busbucht am Straßenrand ausgebildet sowie versetzt zueinander angeordnet (vgl. Abbildung 29). An den Busbuchten halten werktags je Richtung etwa 40 Busse sechs unterschiedlicher Buslinien 275. Die Verknüpfungshaltestelle dient überwiegend als Umsteigehaltestelle zwischen den Verbindungen Ohrdruf Tambach- Dietharz und Gotha - Tambach-Dietharz 276. Umsteigevorgänge finden bei den genannten Verbindungen auf den jeweiligen Bussteigseiten statt. Fahrgäste, die aus bzw. in Richtung Friedrichroda unterwegs sind, müssen die Fahrbahn überqueren. Abbildung 29: StPNV-Verknüpfungshaltestelle Georgenthal Ort vor dem barrierefreien Umbau ortsauswärts ortseinwärts 274 Institut Verkehr und Raum 2006c, S Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, S Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, S.25

129 120 Der Ist-Zustand der Haltestelle weist zusammenfassend folgende Mängel in Bezug zur Barrierefreiheit auf: Bussteighöhe durchgehend 10 cm Wetterschutzeinrichtung stadtauswärts nicht stufenlos zugänglich (vgl. Abbildung 30) Oberkante Fahrplanaushänge > 1,70 m Keine Markierung der Einstiegszonen Busbucht als Verknüpfungshaltestellenform suboptimal Abbildung 30: Wetterschutzeinrichtung Haltestelle Georgenthal Ort ortsauswärts (2) Planungskonzept Von der Gemeinde Georgenthal wurde ein Planungsbüro beauftragt, das auf Grundlage der Anforderungen an barrierefreie Bushaltestellen der RVG-Buslinie 850 (vgl. Anhang 12) und der Entwurfsdarstellung einer ideal ausgebauten barrierefreien Bushaltestelle (vgl. Abbildung 8 in Kapitel b und Abbildung 28) das Planungskonzept für den barrierefreien Umbau der Haltestelle aufstellte (vgl. Anhang 13). Aufgrund der örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten, wie betriebsbedingter Aufenthaltszeiten der Busse für Umsteigevorgänge, ist die Busbucht als Haltestellenform beibehalten worden. Die grundlegenden Maßnahmen, die beim dargestellten Entwurf der Haltestelle Georgenthal Ort für die barrierefreie Umgestaltung beachtet wurden, sind (vgl. Anhang 13): Bussteighöhe 18 cm über Straßenniveau Einbau von Formsteinen; dadurch ist ein 30 cm breiter Warnstreifen an der Bussteigkante gegeben Einrichtung einer zusätzlichen, stufenlos zugänglichen Wetterschutzeinrichtung ortsauswärts

130 121 Markierung der Einstiegszone durch 90 cm breites, weißes Aufmerksamkeitsfeld (Bodenindikator) über die gesamte Gehwegbreite. Ausrichtung der Bodenindikator-Rippenstruktur parallel zur Fahrbahn. Gestaltung des restlichen Haltestellen-Oberflächenbelages mit Anthrazitfarbenen Bodenplatten Vorhaltung eines hindernisfreien, mindestens 1,50 m breiten Verkehrsweges Installation eines dynamischen Fahrgastinformationssystems (nicht im GVFG-Fördervolumen zum Haltestellenumbau enthalten separate Finanzierung durch RVG) Maßnahmen, welche die Bereitstellung von Service- und Informationseinrichtungen betreffen, können in der Regel nicht im Gesamtpaket barrierefreie RVG-Buslinie mit GVFG-Mittel gefördert werden, da der Aushang des Fahrplans und des Erkennungszeichens nicht Aufgabe der Gemeinde, sondern des Verkehrsunternehmens ist (vgl. Abbildung 31). In Kapitel b werden die im Forschungsprojekt entwickelten Maßnahmen für barrierefreie Haltestelleninformationen vertieft dargestellt. Da für Umsteigevorgänge zum Teil die Fahrbahn gequert werden muss, wurde vom Institut Verkehr und Raum eine Zusatzuntersuchung für eine barrierefreie Fußgängerüberquerung ausgeschrieben. Die Ergebnisse der Projektstudie Innovative Lösungsansätze für barrierefreie Straßenquerungen 277 sind in Kapitel 5.5 aufgeführt. Abbildung 31: Verantwortlichkeit für Haltestellen Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a 278 verändert nach: Schlierf 2004, S.56

131 122 II. Haltestelle Bahnhof Ohrdruf Aufgrund der ausstehenden Entscheidung hinsichtlich der Zukunft der Ohratalbahn (vgl. Kapitel 5.6) hat sich die Anmeldung auf GVFG-Förderung beim TLSB für den barrierefreien Ausbau der SPNV / StPNV-Verknüpfungshaltestelle Bahnhof Ohrdruf verzögert. Neben den vorgesehenen Eigenmitteln, die die Gemeinde Ohrdruf für den barrierefreien Umbau des Bahnhofsvorplatzes im Haushaltsplan fest eingeplant hat, sind auch bereits Planungsleistungen an ein Planungsbüro vergeben worden. Jedoch muss die Umsetzung der barrierefreien Maßnahmen verschoben werden, solange der dauerhafte Erhalt von SPNV- Leistungen auf der Ohratalbahn nicht feststeht. Der barrierefreie Umbau der SPNV/StPNV- Verknüpfung am Bahnhof Ohrdruf kann nur erfolgen, wenn die Abbestellung der SPNV-Leistung mittel- bis langfristig ausgeschlossen wird 279. Solange keine Entscheidung zur Perspektive der Ohratalbahn vom TMBV und der DB AG getroffen wird, werden keine GVFG-Fördermittel für den barrierefreien Umbau der Verknüpfungshaltestelle Bahnhof Ohrdruf vom TLSB bewilligt 280 (vgl. Kapitel 5.6). Die Bestands- und Rahmenbedingungen sowie das Planungskonzept der SPNV/StPNV- Verknüpfungshaltestelle Bahnhof Ohrdruf wurden bereits ausführlich in der InnoRegio- Verkehrskonzeption vorgestellt 281. Eine Abbestellung von SPNV-Leistungen auf der Ohratalbahn würde den barrierefreien Ausbau des jetzigen StPNV-Verknüpfungspunktes an der Haltestelle Ohrdruf Kirche und die GVFG-Anmeldung dieses Vorhabens erfordern. An der Haltestelle Ohrdruf Kirche besteht aufgrund der schlechten Ist-Situation und den in naher Zukunft geplanten Straßenbauarbeiten im Bereich der Haltestellen bereits heute ein hoher Handlungsbedarf. III. Haltestelle Bahnhof Georgenthal Der barrierefreie Umbau des Bahnhofes Georgenthal und des Bahnhofvorplatzes ist analog zum Bahnhof Ohrdruf von der Entscheidung zur Ohratalbahn abhängig. Sobald der Beibehaltung der SPNV-Leistung auf der Bahnstrecke zugestimmt wird, können in Anlehnung an die Zeitschiene der DB AG die Umbaumaßnahmen entlang der Strecke abgestimmt werden. Die Planungs- und Umbaumaßnahmen sowie die Anmeldung auf Gewährung einer GVFG- Zuwendung für den barrierefreien Umbau des Bahnhofes Georgenthal und der für die RVG- Linie relevanten Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Verknüpfungshaltestelle können erfolgen, sobald aufgrund der Modernisierung der bahnseitigen Infrastruktur der Kreuzungsbahnhof von Georgenthal nach Ohrdruf verlegt wird 282. Das Planungskonzept zur barrierefreien Umgestaltung des Bahnhofes Georgenthal und des Bahnhofsvorplatzes ist ebenfalls bereits in der InnoRegio-Verkehrskonzeption entwickelt worden Institut Verkehr und Raum 2006b, S TMBV 2006, S Gather / Rebstock 2004, S.119f. 282 Institut Verkehr und Raum 2006a, S.2f. 283 Gather / Rebstock 2004, S.115ff.

132 123 IV. Haltestelle Lohmühle Da die Haltestelle Lohmühle wegen ihrer Nähe zur Lohmühle mit Museum (u. a. Dampflokomotiven aus dem Fundus der Interessensgemeinschaft Hirzbergbahn e. V. - vgl. Kapitel 5.7), Restaurant und Freizeitanlage (z. B. Barfußpfad) sowie zur Saurierfundstätte aus Sicht des barrierefreien Tourismus in der Modellregion eine bedeutende Rolle spielt und die Gemeinde Georgenthal generell Haushaltsmittel für den barrierefreien Umbau bereit stellen könnte 284, sollte es Ziel sein, die GVFG-Anmeldung beim TLSB zeitnah vorzunehmen. Aufgrund der touristischen Bedeutung war zunächst abzuklären, wie die derzeitige Haltestellensituation an der Lohmühle (vgl. auch Kapitel b) nachhaltig verbessert werden kann. Da an der beidseitig als Busbucht angelegten Haltestelle Lohmühle, ebenso wie an der Haltestelle Georgenthal Ort (vgl. Abbildung 80 in Kapitel 5.5.2), die Überquerung der Straße notwendig ist (vgl. Abbildung 32 und Abbildung 34), wobei keine bauliche Querungshilfen in der näheren Umgebung vorhanden sind, wurden die Möglichkeiten zur barrierefreien Gestaltung der Haltestelle vertieft untersucht 285. Abbildung 32: Bestand Haltestelle Lohmühle 286 Der Fokus der Analyse wurde zum einen auf die barrierefreie Gestaltung von Straßenquerungen (vgl. Kapitel 5.5) und zum anderen auf die Möglichkeiten zur Vermeidung der Straßenquerung gelegt. Abbildung 33 zeigt theoretisch denkbare Lösungsbeispiele an Bushaltestellen zur Vermeidung der Fahrbahnquerung. Die Umsetzung dieser Beispiele ist allerdings stark abhängig von den örtlichen Gegebenheiten und der Flächenverfügbarkeit Institut Verkehr und Raum 2005d, S.1f. 285 Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a 286 verändert und ergänzt nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, S.21

133 124 Für die Haltestelle Lohmühle wurde angedacht, eine neue Haltestelle auf der Seite des Museums gemäß Abbildung 33, Lösung I zu gestalten. Die bestehenden Busbuchten könnten entsprechend zurückgebaut werden. Abbildung 33: Lösungsbeispiele zur Vermeidung von Fahrbahnquerungen 288 Abbildung 34 zeigt den Querschnitt im Bestand. Im Vergleich dazu stellt Abbildung 35 die entwickelte Lösung dar. Würde diese Lösung umgesetzt, wäre keine Überquerung der Straße mehr nötig, um den Bus zu nutzen. 288 Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild 10

134 125 Abbildung 34: Bestand Haltestelle Lohmühle Querschnitt A-A 289 Abbildung 35: Umbauvorschlag Haltestelle Lohmühle Querschnitt 290 In Abbildung 36 ist zu erkennen, dass durch die Umgestaltung eine deutlich höhere Qualität des ÖPNV erreicht werden könnte, allerdings zugleich das Parkangebot quantitativ sinken würde sowie Eingriffe in den Baumbestand vorgenommen werden müssten 291. Durch Befestigung und Kennzeichnung der Stellplätze würde sich aber die Stellplatzsituation zumindest qualitativ verbessern. Prinzipiell könnte so die Erreichbarkeit der Lohmühle mit dem ÖPNV qualitativ merklich gesteigert und das Lohmühlenareal optisch weiter aufgewertet werden. Die Umbaukosten der Haltestelle Lohmühle gemäß Abbildung 36 würden nach einer Grobkostenermittlung rund Euro betragen Ausschnitt: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild Ausschnitt: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, S ebenda S.30

135 126 Abbildung 36: Umbauvorschlag Lohmühle - Lageplan 293 Da anhand einer Ein- und Aussteigerzählung an der Haltestelle Lohmühle allerdings ein sehr geringes Fahrgastaufkommen nachgewiesen wurde 294, ist ein umfangreicher Umbau dieser Haltestelle zur Sicherstellung der Barrierefreiheit derzeit finanziell nicht darstellbar. Ein barrierefreier Umbau unter Anwendung kostensparender Minimalstandards (vgl. Kapitel c) wird aber an der Haltestelle Lohmühle gleichwohl empfohlen und als äußerst sinnvoll erachtet. Die Problematik der fehlenden barrierefreien Straßenquerung bleibt dann allerdings bestehen (vgl. Kapitel 5.5). Daher sollte in absehbarer Zeit dieser Sachverhalt gemeinsam mit der Querungsproblematik an der Haltestelle Georgenthal Ort nochmals im Gemeinderat von Georgenthal zur Sprache gebracht werden, da ansonsten die barrierefreie Wegekette nicht gewährleistet ist. Barrierefreie Mobilitätsketten sind aber unabdingbar, um die Erreichbarkeit potentieller Reiseziele für alle Kunden ohne besondere Erschwernis sicherzustellen verändert nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, S Verband Öffentlicher Verkehrsbetriebe 2003, S.13

136 Auswertung der Erfahrungen aus dem FoPS-Projekt und der Modellanwendungsphase Das GVFG hat sich seit Inkrafttreten des BGGEG als eines der wichtigsten Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit entwickelt. Da seit 1992 die Berücksichtigung der Belange von Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigung als Fördervoraussetzung im GVFG verankert ist (vgl. Kapitel 3.1), sind bereits vor Inkrafttreten des BGG barrierefreie Maßnahmen im Straßenbau und im ÖPNV mit GVFG-Fördermitteln umgesetzt worden. Die Untersuchungsergebnisse des FoPS-Projektes (vgl. Kapitel 3.2.1) belegen, dass sich durch Art. 49 BGGEG und der damit verbundenen Änderung des GVFG der Ablauf in der Herstellung der Barrierefreiheit in der Verkehrsplanung gefestigt und weiterentwickelt hat. Insbesondere die Beteiligung der Behindertenbeauftragten / Behindertenbeiräte, ersatzweise der anerkannten Behindertenverbände hat zur weiteren Entwicklung bzw. zur Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen sowohl bei Vorhaben des öffentlichen Verkehrs als auch bei Straßenbauvorhaben beigetragen 296. Jedoch belegen das FoPS-Projekt sowie die Begleitung des GVFG-Vorhabens barrierefreie RVG-Buslinie 850 (vgl. Kapitel 3.2.3) auch, dass bei der Anwendung des Steuerungsinstrumentes GVFG noch einige Defizite im Hinblick auf dessen sachgerechte Durchführung auftreten. Im Folgenden werden die aufgetretenen Umsetzungshemmnisse bezogen auf die Abwicklung der Fördervoraussetzung gemäß 3 Nr.1d GVFG sowie die Berichterstattung der Länder gemäß 8 GVFG aufgeführt. Umsetzung Barrierefreiheit Die Befragungsauswertung des FoPS-Projektes zeigt auf, dass die Belange sensorisch behinderter Menschen, insbesondere der hörbehinderten und gehörlosen Menschen bei Vorhabenplanungen und -ausführungen weniger beachtet werden, als die Interessen von gehbehinderten Personen. Diese Diskrepanz wird darauf zurückgeführt, dass es für hörbehinderte und gehörlose Personen keine bedeutsamen Anforderungen insbesondere im Straßenraum gäbe. Jedoch zeigen die Befragungsergebnisse ebenso auf, dass viele Vorhabenträger wenige Kenntnisse über die tatsächlichen Bedürfnisse dieser Menschen haben 297. Dementsprechend auffallend ist, dass zwischen GVFG-Vorhaben im Straßenbau und Vorhaben des ÖPNV Unterschiede in der sachgerechten Umsetzung der barrierefreien Gestaltung ersichtlich wurden. Die Belange hörbehinderter und gehörloser Personen finden bei Vorhaben im Straßenbau kaum Beachtung. Ebenfalls wird die Barrierefreiheit für gehbehinderte Personen und Rollstuhlnutzer sowie für sehbehinderte und blinde Personen weniger im kommunalen Straßenbau berücksichtigt als bei ÖPNV-Vorhaben. Der Unterschied bei der Art des Vorhabens wird darauf zurückgeführt, dass die Vorhabenträger weniger Erfahrung mit der Gestaltung eines barrierefreien Straßenraumes bezogen auf den kommunalen Straßenbau aufweisen als bei Vorhaben im öffentlichen Verkehr BMVBW 2004, S ebenda S ebenda S.147

137 128 Des Weiteren weist das FoPS-Projekt darauf hin, dass bei einigen Vorhabenträgern die Standards zur Herstellung der Barrierefreiheit noch nicht von vorneherein und selbstverständlich in die Maßnahmenplanungen mit einbezogen werden. Die Sorge vor überzogenen Anforderungen, die darüber hinaus einen zusätzlichen Kostenfaktor bei der Umsetzung der Vorhaben bedeuten, ist trotz zahlreich vorhandener Richtlinien / Empfehlungen sowie der Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen bei den Vorhabenplanungen in einigen Gemeinden und Städten weiterhin gegenwärtig 299. Nach Erfahrung des Forschungsprojektes BeGiN besteht bei Vorhaben, die alleine unter der Anwendung von Richtlinien und Empfehlungen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit geplant werden, ebenfalls die Gefahr von Fehlplanungen 300. Der Lösungsansatz des BGG, Entscheidungen zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Personen vor Ort zu treffen und zu planen, wird erst durch die Einbeziehung der Vertreter behinderter Menschen realisiert (vgl. Punkt Anhörungsverfahren). Fehlplanungen können verhindert werden, wenn die vor Ort ansässigen Behindertenbeauftragten, Beiräte und Verbände frühzeitig in die Planung einbezogen und ihre Stellungnahmen berücksichtigt werden. Die zusätzliche Einbeziehung formal nicht anhörungsberechtigter Vertreter behinderter Menschen kann bei der Herstellung von barrierefreien Maßnahmen im ÖPNV und bei kommunalen Straßenbauvorhaben hilfreich sein. Es ist jedoch zu beachten, dass eindeutige Standards der Barrierefreiheit bei der Gestaltung des Straßenraums zu Grunde gelegt werden. Es sollte daher eine möglichst weitgehende Standardisierung hinsichtlich der barrierefreien Gestaltung sowohl im ÖPNV als auch im kommunalen Straßenbau angestrebt werden 301. Im Rahmen der Begleitung des GVFG-Vorhabens barrierefreie RVG-Buslinie 850 (vgl. Kapitel 3.2.3) wurde als ein großes Defizit identifiziert, dass die Überprüfung der sachgerechten Umsetzung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit bei den zur GVFG- Förderung angemeldeten ÖPNV-Vorhaben nicht anhand eines standardisierten Verfahrens durchgeführt wird. Im Freistaat Thüringen erfolgt die Bewilligung eines ÖPNV-Vorhabens für die Gewährung einer Zuwendung nach GVFG durch einen Sachbearbeiter der Bewilligungsbehörde. Laut TLSB erfolgt die Kontrolle der GVFG-Fördervoraussetzung, die Belange mobilitätsbeeinträchtigter Personen zu berücksichtigen, oftmals nur durch Überprüfung, ob die Maßnahme rollstuhlgerecht ist. Dabei wird in der Regel ausschließlich auf die Einrichtung eines niveaugleichen Zugangs zur Wetterschutzeinrichtung und den Einsatz von Formsteinen als Anfahrhilfe geachtet; Maßnahmen zur Beachtung der Bedürfnisse von sensorisch behinderten Menschen, wie z. B. die kontrastreiche Gestaltung des Bussteigs oder die Kennzeichnung der Einstiegszonen werden nicht gefordert. Die Stellungnahme des zuständigen Behindertenbeauftragten, Beirates oder der Verbände, die mit dem Antrag zur Anmeldung 299 BMVBW 2004, S So wurden z. B. während der Projektlaufzeit von BeGiN sowohl beim Neubau der Bushaltestelle IKEA in Erfurt (vgl. Anhang 14) als auch bei der Neuanlage des Weimar Atrium (vgl. Anhang 15) eklatante Fehler in der Bauausführung der Blindenleitsysteme festgestellt, wobei zumindest im erstgenannten Fall durch rechtzeitige Intervention eine Korrektur durchgesetzt werden konnte (weitere Fehlplanungen / -bauten in Thüringen vgl. auch Gather / Rebstock 2004, S.106). 301 vgl. VDV 2003, S.424

138 129 eines GVFG-Vorhabens einzureichen ist, ist obligatorisch und für einen positiven Förderbescheid in der Regel ausreichend 302. Den Sachbearbeitern liegt mit der Verwaltungsvorschrift des Freistaates Thüringen zur Durchführung des GVFG die landesgesetzliche Förderungs- und Finanzierungsregelung für GVFG-Vorhaben vor. Die Verwaltungsvorschrift beinhaltet jedoch außer der Zuwendungsvoraussetzung, die Belange behinderter und alter Menschen sowie anderer Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigung zu berücksichtigen, keine konkreten Verfahrensregelungen zur Überprüfung der Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen bei GVFG-Vorhaben (vgl. Kapitel 3.2.2). Es wäre dienlich, wenn in der Verwaltungsvorschrift des Landes weitergehende Anpassungen und Konkretisierungen an den Gesetzesrahmen des durch Inkrafttreten des BGGEG erweiterten GVFG zur Herstellung der Barrierefreiheit eingeführt würden 303. Das Ziel sollte sein, eindeutige Standards der Barrierefreiheit im Förderverfahren zu implementieren, um eine möglichst weitgehende Standardisierung hinsichtlich der barrierefreien Gestaltung im ÖPNV und im kommunalen Straßenbau zu erreichen. Im Freistaat Thüringen ist eine einheitliche Förderpraxis notwendig, welcher eindeutige Standards der Barrierefreiheit zu Grunde liegen 304. Anhörungsverfahren Im Rahmen des FoPS-Projektes (vgl. Kapitel 3.2.1) wurde festgestellt, dass das Anhörungsrecht der Behindertenbeauftragten bzw. beiräte und bei Nicht-Vorhandensein die Einbeziehung der nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände bei Vorhabenplanungen in kleinen Gemeinden gelegentlich nicht beachtet wird. Kleine Gemeinden verfügen teilweise über keinen Behindertenbeauftragten / -beirat und es ist kein Ansprechpartner der anerkannten Verbände vor Ort anzutreffen. Kritisch wird es zusätzlich, wenn die Vorhabenträger über keine eigenen Konzepte und Erfahrungen bezüglich der barrierefreien Straßenraumgestaltung verfügen. Dieses Problem besteht insbesondere bei kleinen Gemeinden im kommunalen Straßenbau, da dort selten ein Straßenbauvorhaben mit GVFG-Mitteln gefördert wird. Auch wenn die Gemeinden nicht gesetzeskonform handeln, wird kein Vertreter behinderter Menschen nach 3 Nr.1d GVFG bei der Vorhabenplanung mit einbezogen. In anderen Fällen werden mangels eines Beauftragten oder Beirates Vertreter behinderter Menschen angehört, die nicht zu den nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbänden gehören 305. Unabhängig von den Ergebnissen der empirischen Untersuchung weist das FoPS-Projekt darauf hin, dass bei der Aufstellung eines kommunalen Behindertenbeauftragten bzw. eines Behindertenbeirates im Sinne des BGG / GVFG / PBefG die Funktion und Aufgaben klar und deutlich zu unterscheiden sind von den Aufgaben eines Vertreters, der die Interessen schwerbehinderter Beschäftigter in der betreffenden Institution vertritt. Dabei ist es weitestgehend ohne Bedeutung, welche konkrete Bezeichnung (Beauftragter, Beirat, Koordinator) 302 Institut Verkehr und Raum 2005a, S VDV 2003, S Institut Verkehr und Raum 2004, S BMVBW 2004, S.148f.

139 130 der Vertreter der Belange behinderter Menschen aufweist und ob dieser haupt- oder ehrenamtlich bzw. in Linien- oder Stabsfunktion tätig ist 306. Die alleinige Anhörung von örtlich ansässigen Selbsthilfegruppen, Arbeitskreisen etc. ist ebenso rechtswidrig wie die Anhörung von lediglich einzelnen Verbänden aus der Liste der bundesweit nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände. Bei der Anhörung der Verbände müssen nach der Fördervoraussetzung 3 Nr.1d GVFG alle anerkannten Verbände angehört werden. Zum einen bedeutet die Anhörung einen immensen Verwaltungsaufwand für die Vorhabenträger, da alle Verbände (derzeit 25, vgl. Anhang 10) durch Anschreiben über den relevanten Inhalt der Planung in Kenntnis gesetzt und angefragt werden müssen, ob sie vom Anhörungsrecht Gebrauch machen wollen. Zum anderen sind ebenfalls die Verbände vereinzelt u. a. aufgrund des hohen Zeitaufwandes mit der Thematik überfordert und verzichten daher auf die Abgabe ihrer Stellungnahme. Hierbei bereitet insbesondere die kompetente Beurteilung lokaler Vorhaben aus anderen Gemeinden oder gar aus anderen Bundesländern Schwierigkeiten sowie die Erfordernis der Abgabe von nicht widersprechenden Stellungnahmen aller Verbände zur Aufnahme der Vorhaben in das Investitionsprogramm 307. Um dieses Manko zu beseitigen, müsste klar und deutlich benannt werden, welche Institutionen bei GVFG-geförderten Vorhabenplanungen anzuhören sind, falls kein Behindertenbeauftragter / -beirat vor Ort anzutreffen ist. Die Verfahrensweise bei der Anhörung aller anerkannten Verbände müsste genauer dargelegt bzw. optimiert werden. Die Bildung von Landesuntergliederungen der anhörungsberechtigten Verbände oder die Einberufung einer Kompetenzstelle als Bindeglied zwischen den Verbänden könnte das Anhörungsverfahren der Verbände vereinfachen (vgl. Kaptitel 3.5). Im Rahmen der Begleitung des GVFG-Vorhabens in Thüringen (vgl. Kapitel 3.2.3) wird ein weiteres Manko in Bezug zum Anhörungsverfahren der Behindertenbeauftragten und beiräte deutlich. In den Gemeinden, in denen ein kommunaler Behindertenbeauftragter oder -beirat benannt ist, holen die Antragsteller Stellungnahmen der Vertreter behinderter Menschen für die anzumeldenden GVFG-Vorhaben ohne großen Aufwand ein. In der einseitigen Stellungnahme wird bei Einverständnis zur Durchführung der Maßnahme durch Ankreuzen erklärt, dass keine Einwände zur benannten Vorhabenplanung bestehen bzw. dass die Belange behinderter Menschen berücksichtigt wurden. Die Behindertenbeauftragen eines Landkreises haben in Thüringen oftmals die Funktion eines Behindertenbeauftragten zusätzlich zur Ihrer Hauptamtstätigkeit (z. B. im Jugendamt, Sozialamt oder Gesundheitsamt) zugewiesen bekommen, d. h. das Amt des Behindertenbeauftragten wird lediglich als nebenamtliche Aufgabe wahrgenommen. In einigen kreisfreien Städten, z. B. in Erfurt, Gera, Jena und Suhl, sind dagegen hauptamtliche Behindertenbeauftragte tätig. Neben den neben- und hauptamtlich Beschäftigten sind in einigen Landkreisen und kreisfreien Städten lediglich ehrenamtliche Behindertenbeauftragte berufen. Eine Liste der kommunalen Behindertenbeauftragten im Freistaat Thüringen für die Landkreise und Städte mit Angabe der Anschrift, Tätigkeit (hauptamtlich, ehrenamtlich, nebenamtlich), Telefon/Fax und Adresse kann 306 BMVBW 2004, S Grossmann 2006a

140 131 beim Beauftragten für Menschen mit Behinderungen des Freistaates Thüringen abgerufen werden (vgl. Anhang 1). Vor dem Hintergrund der teils vorherrschenden neben- bzw. ehrenamtlichen Tätigkeit der Behindertenbeauftragten ist es nicht verwunderlich, dass aufgrund des partiell geringen Fachwissens, vor allem aber auch aufgrund des fehlenden Zeit- und Finanzbudget der Beauftragten, Projekten zugestimmt wird, ohne vorhandene Defizite in der Barrierefreiheit zu erkennen. Das Ziel müsste jedoch sein, dass die Vertreter behinderter Menschen, die nach 3 Nr.1d GVFG anhörungsberechtigt sind, Qualifikationen hinsichtlich der Bewertung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum aufweisen, um die Vorhabenplanungen in Bezug zur Barrierefreiheit kompetent beurteilen zu können 308. Beim GVFG-Förderverfahren in Thüringen erfolgt das Anhörungsverfahren der Behindertenbeauftragten, -beiräte bzw. Verbände im Verlauf der Genehmigungsplanung. Die Stellungnahme der Vertreter behinderter Menschen zum Vorhaben ist für die Bewilligungszuwendung beim TLSB einzureichen. Die Beauftragten müssen dabei Stellung zu einem Vorhaben im Entwurfsstadium beziehen, ohne Einsicht in die Ausführungsplanung gehabt zu haben, die aufgrund der ausstehenden Bewilligung noch nicht beauftragt und erstellt ist. Nach Ansicht des Forschungsprojektes BeGiN erfolgt das Anhörungsverfahren derzeit zu früh, da alleine anhand der Genehmigungsplanung, die in der Regel aus dem Antrag auf Gewährung einer Zuwendung und deren Anlagen besteht, keine kompetente Beurteilung möglich ist (vgl. Punkt Entwicklung einer Verfahrensweise zur Qualitätssicherung der Barrierefreiheit bei der Vergabe von Fördermitteln nach den GVFG-Landesprogrammen in Kapitel 3.5). Berichterstattung Die Berichterstattung der Länder, inwieweit die geförderten Vorhaben dem Ziel der Barrierefreiheit nach 3 Nr.1d GVFG entsprechen, ist zurzeit mit keiner Regelprüfung des Bundes verbunden. Die Länder prüfen in erster Linie selbst, ob die Fördervoraussetzung, die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen und die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit sowie das Anhörungsrecht der Vertreter behinderter Menschen eingehalten werden. Somit wird anhand dieses Verfahrens die Zielstellung des BGG, die Herstellung von Transparenz als ein wesentlicher Verfahrensgrundsatz, nicht erfüllt 309 (vgl. Kapitel 3.2.1). Schlussfolgerung Die Auswertungen aus dem FoPS-Projekt und die Begleitung eines GVFG-Vorhabens in Thüringen zeigen, neben den in Kapitel und genannten positiven Erfahrungen, in diesem Kapitel die Umsetzungshemmnisse bei der Herstellung der Barrierefreiheit sowie bei der Beteiligung der Menschen mit Behinderungen bei Vorhabenplanungen. In Tabelle 15 und Tabelle 16 sind die Defizite bei der Umsetzung der Barrierefreiheit bei GVFG-Vorhaben und speziell beim Anhörungsverfahren in einer zusammenfassenden Übersicht dargestellt. 308 VDV 2003, S BMVBW 2004, S.151f.

141 132 Tabelle 15: Defizite bei der Umsetzung der Barrierefreiheit bei GVFG-Vorhaben Bedürfnisse von hörbehinderten und gehörlosen Menschen finden bei der Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen wenig Beachtung Geringer Erfahrungsschatz der Vorhabenträger bei der Realisierung von barrierefreien Maßnahmen im kommunalen Straßenbau Sorge der Vorhabenträger vor überzogenen Maßnahmen Umsetzung von Vorhaben zur Herstellung der Barrierefreiheit unter alleiniger Anwendung von Richtlinien / Empfehlungen ohne Berücksichtigung der Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Personen vor Ort Die Anwendung eindeutiger Standards der Barrierefreiheit, um die Einheitlichkeit von Infrastrukturmaßnahmen zu gewährleisten, ist nicht immer gegeben Beim GVFG-Bewilligungsverfahren hinsichtlich der Überprüfung der Fördervoraussetzung gemäß 3 Nr.1d GVFG werden oftmals nur die Bedürfnisse von gehbehinderten Personen berücksichtigt Beim GVFG-Bewilligungsverfahren erfolgt die Überprüfung der Fördervoraussetzung nach 3 Nr.1d GVFG nicht nach einem standardisierten Verfahren Der Inhalt von Stellungnahmen der Behindertenbeauftragten / Beiräte / Verbände wird bei der GVFG- Bewilligungsbehörde nicht hinterfragt Tabelle 16: Defizite bei der Umsetzung des Anhörungsverfahrens bei GVFG-Vorhaben In einigen kleinen Gemeinden sind keine Behindertenbeauftragte oder -beiräte bestellt Die Behindertenbeauftragten (oftmals als neben- bzw. ehrenamtliche Aufgabe) sind teilweise aufgrund des fehlenden Zeit- und Finanzbudget überfordert Die Behindertenbeauftragten verfügen teilweise nur über ein geringes Fachwissen in Bezug zur Ausgestaltung eines barrierefreien Straßenraumes Anhörungsverfahren erfolgt im Förderverfahrensablauf bereits während der Entwurfsphase, d. h. zu früh, so dass eine kompetente Beurteilung des Vorhabens kaum möglich ist Bei der Anhörung der Verbände werden nicht alle (zurzeit 25) nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände angehört bzw. es werden Vertreter behinderter Menschen angehört, die nicht zu den anerkannten Verbänden gehören Die rechtsverbindliche Anhörung aller bundesweit anerkannten Verbände bedeutet sowohl für die Vorhabenträger als auch für die Verbände einen immensen Aufwand Nicht alle bundesweit anerkannten Verbände können regionalspezifische Vorhaben kompetent beurteilen Insgesamt ist festzustellen, dass das GVFG ein bedeutendes Instrument für die Sicherstellung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum ist. Es ist entscheidend für die Qualität der barrierefreien Erschließung in der Region. Die Umsetzungshemmnisse zeigen jedoch auch, dass die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen und die Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen als Fördervoraussetzung des GVFG die Barrierefreiheit nicht per se sicherstellt. In Kapitel 3.5 werden Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des Instrumentes GVFG ausgearbeitet, mit dem Ziel einer einheitlichen Förderpraxis in Thüringen unter Berücksichtigung der Übertragbarkeit auf andere Regionen.

142 Zukunft des GVFG im Zuge der Föderalismusreform Aufgrund der Bedeutsamkeit des GVFG-Instrumentes zur Herstellung eines barrierefreien Lebensraumes ist es sehr wichtig, dass das Gesetz weiterhin in vollem Umfang zur Verfügung 310 steht. So ist es von großer Bedeutung, dass auch im Zuge der sogenannten Föderalismusreform die zur Verfügung gestellten Fördermittel an die Herstellung der Barrierefreiheit und an die Anhörung der Vertreter behinderter Menschen geknüpft sind. In diesem Kapitel wird der Sachstand zur aktuell von der bundesdeutschen Politik beschlossenen Föderalismusreform dargelegt sowie die Auswirkungen auf das GVFG-Instrument und die Folgen für die Sicherstellung des barrierefreien Straßenraumes abgeleitet. Am 30. Juni 2006 ist im Bundestag und am 07. Juli 2006 im Bundesrat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und das Föderalismusreform-Begleitgesetz - kurz die Föderalismusreform - beschlossen worden. Ziel der Föderalismusreform ist es, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entflechten sowie die Zahl der in der Länderkammer zustimmungspflichtigen Gesetze zu verringern. Auf dieser Grundlage sind nun Dutzende Grundgesetzartikel und Gesetze zu ändern. Die Finanzhilfen des Bundes nach dem GVFG werden im Zuge der Föderalismusreform neu geregelt. Die gewährten Finanzhilfen für die Landesprogramme laufen im Jahre 2006 aus und werden vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2019 durch jährliche Beträge aus dem Bundeshaushalt kompensiert. Durch die Kompensationszahlungen stehen den Ländern die erforderlichen Mittel zur Verfügung, um die in ihre alleinige Finanzierungskompetenz übergehenden Aufgaben zu erfüllen. Die Beträge sind bis Ende 2013 zweckgebunden und belaufen sich auf 1.335,5 Millionen Euro jährlich. Ab dem Jahre 2014 soll vom Bund und von den Ländern überprüft werden, in welcher Höhe die Kompensationszahlungen weitergeführt werden sollen. Die Ausgleichszahlungen für die GVFG-Länderprogramme sind ab dem Jahr 2014 nur noch investiv zweckgebunden und laufen im Jahr 2019 aus. Die Mittel für die GVFG-Bundesprogramme (ÖPNV-Großvorhaben) und Forschungszwecke bleiben erhalten 311. Durch Abschaffung der GVFG Länderprogramme - nach dem FoPS-Projekt und den Erfahrungen des Projektes BeGiN das zentrale Instrument des BGG - ist die Sicherstellung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum prinzipiell gefährdet. Nach dem heutigen geltenden GVFG ist eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit sowie die Anhörung der Vertreter behinderter Menschen Voraussetzung für die Vergabe von Finanzhilfen des Bundes an die Gemeinden. Nach Wegfall des GVFG entfällt die im 3 Nr.1d GVFG ausgewiesene Zweckbindung an die Herstellung der Barrierefreiheit sowie die Beteiligung der behinderten Menschen an der Vorhabenplanung. Bis zum Jahr 2013 sollen die Kompensationsmittel für die GVFG-Mittel noch zweckgebunden sein, d. h. die Mittel sind in der Regel an die förderungsfähigen Vorhaben nach 2 GVFG zu vergeben. Nach derzeitigem Stand (Oktober 2006) entfällt jedoch die Fördervoraussetzung gemäß 3 GVFG 312. Bereits ab 2007 bestimmen die Länder selbst die Fördervoraus- 310 BMVBW 2004, S Deutscher Bundestag 2006, S Laut IbGM beschreibt der Wortlaut des Entflechtungsgesetzes, dass die bis zum Jahre 2013 geltende Zweckbindung die förderungsfähigen Vorhaben nach 2 GVFG beinhaltet, nicht jedoch die Fördervoraussetzung nach 3 GVFG (IbGM 2006).

143 134 setzungen, die Herstellung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum obliegt dann der alleinigen Zuständigkeit der Länder. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen der Bundesländer enthalten keine Bestimmung gemäß der Fördervoraussetzung nach 3 Nr.1d GVFG (vgl. auch Kapitel 3.2.2). Die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen und die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit ist in den entsprechenden gesetzlichen Regelungen (z. B. Gleichstellungs-, Nahverkehrs- und Straßengesetzen) bei der Hälfte der Länder nicht wie in der GVFG- Fördervoraussetzung durch eine Muss -Bestimmung sondern durch relativierende Formulierungen, d. h. durch eine Kann -Bestimmung definiert. Die Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen bei der Vorhabenplanung wird in keinen gesetzlichen Regelungen der Länder vorgeschrieben. Ebenso berühren die gesetzlichen Vorgaben zur Herstellung der Barrierefreiheit in etwa der Hälfte der Länder entweder nur ÖPNV-Vorhaben oder nur Straßenbauvorhaben 313. So gibt es auch im Freistaat Thüringen keine GVFG-adäquaten Vorschriften in den entsprechenden Gesetzestexten des ThürGIG (vgl. Abbildung 37) bzw. des ThürÖPNVG (vgl. Abbildung 25 in Kapitel a) und das Thüringer Straßengesetz in der aktuellen Fassung vom sieht die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen als Regelung in keiner Weise vor 314. Durch die Formulierungen sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften zu gestalten 315 und sind angemessen zu berücksichtigen 316 wird die Herstellung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum nicht - wie bei der GVFG-Fördervoraussetzung - explizit vorgeschrieben. Abbildung 37: ThürGIG 10 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr, Abs.2 Sonstige bauliche und andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten. Die Zweckbindung an die Herstellung der Barrierefreiheit und die Beteiligung der behinderten Menschen muss jedoch beim Wegfall der GVFG-Länderprogramme weiterhin Gültigkeit haben. Das Ziel muss sein, dass der Freistaat Thüringen die Vorgaben für die Belange behinderter Menschen in seinen entsprechenden Landesgesetzen verankert. Mit Einführung des BGGEG ist das GVFG ergänzt worden, um Barrierefreiheit im Verkehrsaum sicherzustellen. Bei Wegfall des GVFG als Bundesgesetz muss das Land nun sicherstellen, dass in den Landesgesetzen die Herstellung der Barrierefreiheit und das Anhörungsrecht der Vertreter behinderter Menschen als Fördervoraussetzung festgeschrieben werden (vgl. Punkt Entwicklung einer Verfahrensweise zur Qualitätssicherung der Barrierefreiheit bei der Vergabe von Fördermitteln nach den GVFG-Landesprogrammen in Kapitel 3.5). Um auch zukünftig 313 IbGM vgl. ThürStrG 315 ThürGIG, 10, Abs ThürÖPNVG, 2, Abs.7

144 135 die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen, darf das zentrale Element des BGG nicht im Zuge der Föderalismusreform geopfert werden Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des BGG-Instrumentes GVFG Auf Grundlage der Ergebnisse der in Kapitel 3.3 genannten Umsetzungshemmnisse zusammengetragen aus den Erfahrungen des FoPS-Projektes (vgl. Kapitel 3.2.1) und der Begleitung des GVFG-Vorhabens (vgl. Kapitel 3.2.3) - werden Empfehlungen für eine optimierte Ausgestaltung des Instrumentes GVFG-Maßnahmenplanung mit dem Ziel ausgearbeitet, einen möglichst hohen Standard der Barrierefreiheit sicherzustellen. Durch die Gewährleistung einer einheitlichen Förderpraxis in Thüringen und der damit verbundenen Festlegung von eindeutigen Standards der Barrierefreiheit kann die Qualität der barrierefreien Erschließung in der Modellregion gesteigert werden. Die in diesem Kapitel genannten Handlungsempfehlungen für eine optimierte Ausgestaltung des BGG Instrumentes GVFG-Maßnahmenplanung können sowohl in Thüringen als auch außerhalb des Freistaates Anwendung finden. Da das GVFG zurzeit noch ein Bundesgesetz ist und somit in allen Bundesländern Gültigkeit besitzt, sind die aufgeführten Empfehlungen in der Regel auf alle Bundesländer übertragbar. Aufgrund der beschlossenen Föderalismusreform und der damit verbundenen Beendigung der geltenden Fassung des GVFG, bestimmen die Länder ab dem Jahr 2007 die Fördervoraussetzung in den entsprechenden Landesgesetzen. Der Freistaat Thüringen steht folglich bei Wegfall der GVFG-Fördervoraussetzung selbst in der Verantwortung, die Sicherstellung der Barrierefreiheit in seinen Landesgesetzen festzuschreiben; insbesondere, da die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit sowie das Anhörungsverfahren gemäß 3 Nr.1d GVFG in den bisherigen gesetzlichen Regelungen nicht bindend fest geschrieben ist 318 (vgl. Kapitel 3.4). Die in diesem Kapitel beschriebenen Punkte sollen somit insbesondere auch im Zuge der Föderalismusreform den Ländern bzw. dem Freistaat Thüringen Empfehlungen für die Ausgestaltung der Landesfördergesetze aufzeigen, um die Inhalte des BGG - insbesondere die Sicherstellung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum und die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen bei den Vorhabenplanungen weiterhin zu erfüllen. Bei der Erstellung der Landesgesetze haben zudem die Behindertenverbände in den nächsten Jahren die Möglichkeit, Einfluss auf die Inhalte der entsprechenden Landesfördergesetze zu nehmen 319. In erster Linie muss sichergestellt werden, dass das Anhörungsverfahren der Vertreter behinderter Menschen bei Wegfall des 3 GVFG als Fördervoraussetzung für Straßen- und ÖPNV-Vorhaben in den entsprechenden gesetzlichen Regelungen festgeschrieben wird. Umsetzung von Standards im Planungsprozess Um die Herstellung der Barrierefreiheit für alle Menschen zu gewährleisten, bedarf es eines erhöhten Verständnisses sowie Erfahrungen in Bezug zur Herstellung barrierefreier Maßnah- 317 Deuscher Behindertenrat vgl. IbGM vgl. Schmidt 2006

145 136 men im öffentlichen Verkehrsraum. Empfehlungen und Planungshandbücher, die auch konkrete Lösungsvorschläge und Praxisbeispiele aufzeigen, sollten - auch im Hinblick auf die Belange von sensorisch behinderten Personen 320 weiterentwickelt werden. Eine entsprechende zusätzliche Vorgabe in den GVFG-Richtlinien und Verwaltungsvorschriften der Länder, die Belange aller Personengruppen mit Behinderungen bei GVFG-Vorhaben zu berücksichtigen, könnte laut FoPS-Projekt den Wissenserwerb hinsichtlich der Kenntnisse zur Herstellung der Barrierefreiheit für alle Personengruppen (vgl. Punkt Fortbildung der am Planungsprozess beteiligten Akteure) bei den Vorhabenträgern fördern. Durch Weiterentwicklung technischer Regeln und Vereinheitlichung von funktionalen Standards kann mit steigender Erfahrung der Vorhabenträger, Planungsbüros und Vertreter behinderter Menschen die Interpretation von unbestimmten Rechtsbegriffen wie möglichst weitreichend erleichtert werden. Wie die Begleitung des GVFG-Vorhabens (vgl. Kapitel 3.2.3) zeigt, sind Standards und Maßnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit den örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten anzupassen. Hierbei ist zu beachten, dass es bei konkreten Maßnahmen zur barrierefreien Gestaltung des ÖPNV [ ] im Allgemeinen nicht nur eine (zwingende Lösung) sondern zumeist mehrere Alternativen 321 gibt. Um die Barrierefreiheit auch bei Bestandshaltestellen mit einer geringen Nachfrage zu gewährleisten, muss aufgrund der Kosten, die eine komplette Umbaumaßnahme der Haltestelle in der Regel mit sich bringt, in Abhängigkeit der örtlichen Gegebenheiten abgewogen werden, welche Mindeststandards beim Umbau anzuwenden sind (vgl. Kapitel 1.3.2). Die zu beachtenden Mindeststandards sind u. a. mit dem Fahrgastaufkommen und der Bedeutung der ÖPNV-Linie (Stadtbuslinie / Regionalbuslinie, Verknüpfungshaltestelle / Streckenhaltestelle) abzustimmen (vgl. Kapitel c). Hierbei ist zu beachten, dass sich die Kosten auf Umbaumaßnahmen bestehender Haltestellen beziehen. Bei Neuanlagen, die nach Kriterien der Barrierefreiheit errichtet werden, belaufen sich die zusätzlichen Kosten in der Regel auf maximal 2-3 % der Bausumme 322, was vorwiegend auf die vertikale Erschließung durch Aufzüge zurückzuführen ist. 323 Bei konsequenter barrierefreier Umgestaltung eines Verkehrsnetzes steht diesen Kosten zudem ein Nutzen in Form von Fahrgastzugewinnen gegenüber, welche in Bezug zum Busverkehr im Durchschnitt etwa 15 % betragen 324. Neben der Wirtschaftlichkeit sind daneben Fragen des Städtebaus und Denkmalschutzes bei der Umsetzung von Maßnahmen zu berücksichtigen, die unter Umständen ebenfalls ein Abweichen von der idealen Lösung bedingen. Die Erfahrungen, die aus der Praxis mit den umgesetzten barrierefreien Maßnahmen resultieren, sind bei der weiteren Entwicklung von Standards, die sich aufgrund des technischen Fortschritts ergeben, mit zu berücksichtigen. 320 vgl. BMVBW 2004 S VDV 2003, S vgl. Neumann / Reuber 2004, S Arnade / Heinen 2006, S.18; In der Schweiz wurde festgestellt, dass die Barrierefreiheit bei der Neuplanung von Gebäuden durchschnittlich sogar nur 1,8 % der Bausumme ausmacht (Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen 2004, S.4). 324 Europäische Kommission Generaldirektion Verkehr 1999, S.12

146 137 Fortbildung der am Planungsprozess beteiligten Akteure Die Vorhabenträger sollten sich, aufbauend auf vorhandene und künftige Forschungserkenntnisse zum Thema barrierefreies Bauen im Verkehrsraum, Fachkenntnisse hinsichtlich der Empfehlungen und Richtlinien erarbeiten und/oder externen Sachverstand bei speziellen Fragestellungen einholen, da es sich [ ] immer wieder gezeigt [hat], dass der Kompetenzauf- und ausbau bei den Beteiligten eine der wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Arbeit in der Praxis darstellt. 325 Ebenso müsste die Kompetenz der zuständigen Planungsbüros hinsichtlich der Belange behinderter Menschen weiter ausgebaut werden, um im Planungsprozess die Vorgaben der Barrierefreiheit zu erfüllen. Mit Hilfe dieses Fachwissens bestünde für die Vertreter behinderter Menschen die Möglichkeit, auf externes Wissen zur barrierefreien Gesamt- bzw. Detailplanung zurückzugreifen, insbesondere wenn es sich um Beurteilungen von außerordentlichen Maßnahmen handelt 326. Für eine sachgerechte Umsetzung der Barrierefreiheit wäre es zudem sinnvoll, wenn die vom Vorhabenträger beauftragten Planungsbüros unter Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen die Ausführungsplanung erstellen (vgl. Punkt Entwicklung einer Verfahrensweise zur Qualitätssicherung der Barrierefreiheit bei der Vergabe von Fördermitteln). Eine Qualifizierung der Vertreter behinderter Menschen hinsichtlich der barrierefreien Gestaltung im Verkehrsraum wird heute bei der Durchführung des Anhörungsverfahrens nicht gefordert. Aufgrund komplexer Aufgaben- und Problemstellungen bei der Bewertung von Vorhaben im Verkehrsraum müsste es jedoch Ziel sein, gezielte Fortbildungsmaßnahmen hinsichtlich der barrierefreien Gestaltung im Verkehrsraum -trotz Zeit- und Personalmangelszu fördern. Neben den Fortbildungskursen, die angeboten werden könnten, sollte ein Erfahrungsaustausch zwischen den kommunalen Vertretern behinderter Menschen auf der überörtlichen Ebene stattfinden, der u. a. aufgrund der Anzahl und Größen der Gemeinden gebündelt vom Landesbehindertenbeauftragten gesteuert und ausgebaut werden könnte 327. Dies wird auch durch das ThürGIG ausdrücklich unterstützt (vgl. Abbildung 38). Abbildung 38: ThürGIG 19 Kommunale Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Abs.2 Der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen bildet zusammen mit den Kommunalen Beauftragten eine Landesarbeitsgemeinschaft, deren Aufgabe der Erfahrungs- und Informationsaustausch sowie die Aus- und Weiterbildung der Beauftragten im Sinne einer einheitlichen Beachtung bestehender Rechtsvorschriften zugunsten von Menschen mit Behinderungen ist. Darüber hinaus könnte ein Kompetenz-Netzwerk für einen bundesweiten Erfahrungsaustausch auf Ebene der Landesbehindertenbeauftragten gebildet werden, um sowohl Fach und Sachkompetenz als auch die Entwicklung und Anwendung von einheitlichen, eindeutigen und bundesweit geltenden Standards der Barrierefreiheit schrittweise auszubauen. 325 BMVBW 2004, S VDV 2003, S ebenda

147 138 Empfehlungen für das Anhörungsverfahren der Behindertenbeauftragten, -beiräte bzw. Verbände Das Anhörungsverfahren bzw. die Einreichung der Stellungnahme der Behindertenbeauftragten, -beiräte bzw. Verbände bei der GVFG-Bewilligungsbehörde erfolgt derzeit bereits in der Phase der Genehmigungsplanung, d. h. die Vertreter behinderter Menschen müssen Stellung zu einem Vorhaben im Entwurfsstadium beziehen, ohne Einsicht in die Ausführungsplanung gehabt zu haben, die aufgrund der ausstehenden Bewilligung noch nicht beauftragt und erstellt ist. Folglich findet die Beteiligung der Vertreter behinderter Menschen bei der Vorhabenplanung momentan zu früh statt, so dass eine kompetente Beurteilung des Vorhabens kaum möglich ist. Zielführender wäre es, wenn das Anhörungsverfahren erst im Rahmen der Ausführungsplanung erfolgen würde, so dass die Behindertenbeauftragten, -beiräte bzw. Verbände auf einer konkreten planerischen Grundlage Stellung beziehen können. Zugleich ist allerdings zu beachten, dass die Anhörung nicht erst nach Abschluss der Ausführungsplanung stattfindet, so dass potentielle Änderungen infolge der Anhörung frühzeitig in die Planung mit einbezogen sowie ohne großen Aufwand eingearbeitet werden können und so kostenintensive, nachträglich vorzunehmende Änderungen erspart bleiben (vgl. hierzu auch Anhang 14 und Anhang 15). Darüber hinaus sollte die Verfahrensweise zur Anhörung der bundesweit anerkannten Verbände nach 13 Abs.3 BGG, die nach der Fördervoraussetzung gemäß 3 Nr.1d GVFG erfolgen muss, wenn kein Behindertenbeauftragter/-beirat vor Ort anzutreffen ist, erleichtert werden. Zurzeit müssen alle bundesweit anerkannten Verbände (derzeit 25, vgl. Anhang 10) zur Abgabe der Stellungnahme angehört werden, was sowohl für die Gebietskörperschaften als auch für die Verbände einen immensen Aufwand darstellt. Darüber hinaus besteht laut FoPS-Projekt bei einigen Vorhabenträgern Unwissen über die rechtmäßige Vorgehensweise bei der Anhörung der Verbände (vgl. Kapitel 3.2.1). Ziel muss es sein, diese Verfahrensweise zu vereinfachen, um den Aufwand auf beiden Seiten so gering wie möglich zu halten. Ebenso bedarf es einer Lösung des Problems, dass Bundesverbände lokale Vorhaben aus Gemeinden beurteilen müssen, unabhängig davon, ob die Verbände Ortskenntnisse besitzen oder nicht (vgl. Punkt Anhörungsverfahren in Kapitel 3.3.). Zunächst wird empfohlen, beim Anhörungsverfahren der Verbände eine Frist für die Abgabe der Stellungnahme zu setzen. So kann das Problem vermindert werden, dass einige Verbände die Abgabe ihrer Stellungnahme auf eine unbestimmte Zeit hinauszögern, um dann gegebenenfalls komplett auf die Abgabe zu verzichten. Bei der Setzung der Frist ist zu beachten, dass im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Einsicht in Planungsunterlagen und das Verfassen der schriftlichen Stellungnahme erfolgen kann 328. Damit beim Anhörungsverfahren der Bundesverbände lokale Vorhaben kompetent beurteilt werden können, wurde im Rahmen des FoPS-Projektes vom Deutschen Behindertenrat (DBR) vorgeschlagen, Listen mit örtlichen Landesuntergliederungen der anhörungsberechtigten Verbände zu erstellen und an die Vorhabenträger zu verteilen. Die von den Spitzen- 328 Es wird eine Frist von ca. 4 Wochen ab Eingang des Anschreibens empfohlen; sie ist jedoch insbesondere in Abhängigkeit von Art und Umfang des Vorhabens sowie den üblichen Fristen in den Bauleitplanung zu sehen.

148 139 verbänden bevollmächtigten Untergliederungen sollen bei den Vorhaben angehört werden und das Fehlen der Ansprechpartner vor Ort beheben 329. Die von den Verkehrsministerien der Bundesländer (Vorschlag DBR) oder von den Bundesverbänden (Vorschlag FoPS- Projekt) erstellten Listen, lösen aber nach Ansicht des Forschungsprojektes BeGiN nicht das Aufwand -Problem. Nach wie vor müssten alle derzeit 25 Verbände oder deren örtlichen Untergliederungen für die Stellungnahme angeschrieben und angehört werden. Dagegen wird empfohlen, zwischen den Vorhabenträgern und den Verbänden eine Kompetenzstelle als Bindeglied zu errichten. Die berufene Instanz, z. B. der DBR oder der jeweilige Landesbehindertenbeauftragte, könnte als Vermittler zwischen Vorhabenträgern und Verbänden auftreten. Deren Aufgabe bestünde, neben der Funktion als Ansprechpartner, auch in der Vermittlung zwischen den Vorhabenträgern und Vertretern behinderter Menschen bei Unstimmigkeiten. Die Ernennung einer Vermittlungs- und Schlichtungsstelle würde die Anhörung aller bundesweit anerkannten Verbände auf nur noch eine kompetente Adresse begrenzen. Aufgrund der Beendigung der geltenden Fassung des GVFG-Bundesgesetzes wird sich im Zuge der Föderalismusreform die bundesweite Anhörung voraussichtlich ohnehin erübrigen (vgl. Kapitel 3.4). In diesem Zusammenhang sollte auch eine Regionalisierung des Beteiligungsrechtes in Erwägung gezogen werden, also den Einbezug von Vertretern behinderter Menschen mit Ortskenntnissen. Dies könnte z. B. in Anlehnung an die Verfahrensweise bei Landeszielvereinbarungen nach dem ThürGIG erfolgen, in dem die Landesverbände von Menschen mit Behinderungen als Zielvereinbarungspartner benannt sind (vgl. Abbildung 42 in Kapitel 4.4). Grundsätzliches Ziel müsste jedoch sein, dass auch kleine Gemeinden über einen Behindertenbeauftragten / -beirat verfügen (vgl. auch Kapitel 1.4). Der gegebenenfalls ehrenamtliche Behindertenbeauftragte müsste nicht in allen Bereichen der barrierefreien Verkehrsraumgestaltung die fachliche Kompetenz aufweisen, sondern könnte sich je nach Erfordernis entsprechenden Rat und Verstärkung z. B. bei Behindertenbeauftragten benachbarter Kommunen, Landesbehindertenbeauftragten, anerkannten Verbänden, Hochschulen, Planungsbüros oder ortsansässigen Vertretern behinderter Menschen einholen. Entwicklung einer Verfahrensweise zur Qualitätssicherung der Barrierefreiheit bei der Vergabe von Fördermitteln nach den GVFG-Landesprogrammen bzw. den ÖPNV-Förderrichtlinien der Bundesländer Bezüglich des GVFG-Förderverfahrensablaufes in Thüringen ist festzustellen, dass die Überprüfung der sachgerechten Umsetzung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit nicht anhand eines standardisierten Verfahrens erfolgt (vgl. Punkt Umsetzung Barrierefreiheit in Kapitel 3.3). Insbesondere Vorhaben, die aufgrund der Herstellung der Barrierefreiheit zur Zeit noch mit bis zu 90 % der Baukosten gefördert werden können, unterliegen keiner genauen Prüfung, ob die förderungsfähigen Maßnahmen tatsächlich den Bedürfnissen mobilitätseingeschränkter Personen entsprechen. Um jedoch die Einheitlichkeit von Infrastrukturmaßnahmen zu fördern, müsste insbesondere das Förderverfahren mit Hilfe eines standardisierten Verfahrens zur Überprüfung der Umsetzung der Barrierefreiheit 329 BMVBW 2004, S.376

149 140 optimiert werden. Da das GVFG im Zuge der Föderalismusreform Anfang 2007 außer Kraft gesetzt wird (vgl. Kapitel 3.4), stehen die Länder selbst in der Verantwortung, das zentrale Element des BGG, die Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr 330, in die ab Januar 2007 geltenden Landesrichtlinien zu integrieren. Mit Aufnahme einer verbindlichen Pflicht in die Landesförderrichtlinien, dass bei Fördermaßnahmen konkrete Qualitätsstandards zur Barrierefreiheit beachtet werden müssen, könnte der Freistaat Thüringen hinsichtlich der Herstellung der Barrierefreiheit in Bezug zum Umgang mit dem GVFG nach der Föderalismusreform sowie zur Qualitätssicherung bei der Fördermittelvergabe eine deutschlandweite Vorreiterrolle übernehmen. Anhand des Ablaufs des heutigen Förderverfahrens in Thüringen (vgl. Abbildung 27 in Kapitel b) werden u. a. folgende Defizite im Hinblick einer sachgerechten Durchführung der Zielsetzung des BGG deutlich: Anhörungsverfahren erfolgt zu früh, so dass eine kompetente Beurteilung des Vorhabens aus Sicht der zuständigen Vertreter behinderter Menschen kaum möglich ist zuständige Vertreter behinderter Menschen verfügen teilweise über geringe Qualifikationen hinsichtlich der Bewertung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum, so dass eine kompetente Beurteilung des Vorhabens kaum möglich ist keine konkreten Verfahrensregelungen zur Überprüfung der Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen bei der Fördermittelvergabe fehlende Erfolgskontrolle nach Bauabschluss hinsichtlich der tatsächlichen Herstellung barrierefreier Maßnahmen Im Rahmen des Workshops Qualitätssicherung von GVFG-Fördermaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit wurde vom Institut Verkehr und Raum u. a. mit dem TMBV, dem TLSB und Vertretern behinderter Menschen (Teilnehmer vgl. Anhang 19) ein standardisiertes Verfahren zur Qualitätssicherung der Barrierefreiheit bei Fördermaßnahmen diskutiert und entwickelt. Ziel ist, Qualitätsstandards der Barrierefreiheit in das Förderverfahren zu integrieren, so dass im Freistaat Thüringen eine einheitliche Förderpraxis erreicht wird: Auf Grundlage des im Rahmen der InnoRegio-Verkehrskonzeption entwickelten Anforderungsprofils für barrierefreie Stadtbushaltestellen 331 wurde die Checkliste Mindeststandards für barrierefreie Stadtbushaltestellen (vgl. Anhang 20) abgeleitet, die als Diskussionsgrundlage und Versuchsmuster für die Einführung eines Kriterienkataloges zur Überprüfung von barrierefreien Maßnahmen diente. Anhand des Versuchsmusters wurde die Verfahrensweise zur Anwendung der Checklisten erörtert, die für die Umsetzung und Kontrolle der Barrierefreiheit im Rahmen von GVFG-Fördermaßnahmen am zielführensten erscheint. Folgende Anwendungen der Checklisten beim Förderverfahren standen zur Diskussion: Das TLSB prüft in seiner Eigenschaft als GVFG-Genehmigungsbehörde die Barrierefreiheit eingereichter Maßnahmen anhand der Checkliste. 330 BGG, Rebstock 2004a

150 141 Die Behindertenbeauftragten / beiräte bzw. die nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbände prüfen in ihrer Eigenschaft als Anhörungsberechtigte bei GVFG-Fördermaßnahmen die Barrierefreiheit eingereichter Maßnahmen anhand der Checkliste. Das Land Thüringen legt die Anwendung der Checkliste bindend fest (TLSB oder Behindertenbeauftragte / -beiräte bzw. nach 13 Abs.3 BGG anerkannte Verbände). Der Landesbehindertenbeauftragte gibt eine Empfehlung an alle kommunalen Behindertenbeauftragten / beiräte bzw. Verbände zur Anwendung der Checkliste. Der Vorhabenträger bzw. das beauftragte Planungsbüro prüft im Rahmen des Anhörungsverfahrens mit dem kommunalen Behindertenbeauftragten, -beirat bzw. den Verbänden in ihrer Eigenschaft als Anhörungsberechtigte die Barrierefreiheit eingereichter Maßnahmen anhand der Checkliste. Hierbei erscheint das letztgenannte Verfahren, die Anwendung der Checklisten im Rahmen des Anhörungsverfahrens, aus Sicht der AG für das Förderverfahren am zielführendsten. Die Anwendung der Checklisten im entwickelten Förderverfahren wird in Abbildung 39 schematisch dargestellt und anhand der Verfahrensschritte erläutert: Der Anmeldung des Bedarfs an ÖPNV-Zuwendungen durch den Vorhabenträger bei der zuständigen Bewilligungsbehörde (TLSB) geht eine Anmeldung des geplanten Vorhabens im Investitions-/Finanzierungsplan des Aufgabenträgers voran. Der Investitions-/ Finanzierungsplan ist als Anlage des NVP jährlich vom Aufgabenträger aufzustellen und fortzuschreiben 332. In der Regel beinhaltet die Aufstellung des NVP - soweit Behindertenbeauftragte oder beiräte in der betreffenden Kommune vorhanden sind - bereits ein Anhörungsverfahren der Vertreter behinderter Menschen (vgl. Kapitel 1.1). Ist das geplante Vorhaben im Investitionsplan des Aufgabenträgers aufgenommen, kann die Anmeldung des Bedarfs an ÖPNV-Zuwendungen beim TLSB zur Aufnahme in das Landesprogramm erfolgen. Nach positiver Prüfung der Anmeldung durch das TMBV wird das Vorhaben in den Investitionsplan des Landes (Landesprogramm) aufgenommen. Nachdem das Vorhaben in das Landesprogramm aufgenommen wurde, stellt der Vorhabenträger einen Antrag auf Gewährung einer Fördermittel-Zuwendung beim TLSB. Dem Antrag ist neben der Entwurfsplanung auch eine rechtsverbindliche Erklärung, dass das Vorhaben den Anforderungen der Barrierefreiheit entspricht und die zuständigen Vertreter behinderter Menschen angehört werden, beizufügen (in Anlehnung an den heutigen Ablauf bei GVFG-Förderverfahren im kommunalen Straßenbau, vgl. Kapitel b), um die Beteiligung der Behindertenbeauftragten/-beiräte bzw. der Verbände während der darauffolgenden Ausführungsplanung zu gewährleisten. Darüber hinaus sollte auch die Pflicht zur weitestgehenden Beachtung der Checklisten zur Barrierefreiheit im weiteren Planungsverlauf als Fördervoraussetzung in dieser Erklärung festgeschrieben werden. 332 ThürÖPNVG, 6, Abs.2, 3

151 142 Abbildung 39: Empfohlene Verfahrensweise zur Qualitätssicherung der Barrierefreiheit bei der Vergabe von ÖPNV-Fördermitteln Verfahrensschritte Anmeldung des Vorhabens im Investitionsplan des Aufgabenträgers Zuständigkeit Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Aufnahme des Vorhabens in den Investitionsplan Aufgabenträger des ÖPNV Anmeldung des Bedarfs an ÖPNV- Zuwendungen beim TLSB Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Aufnahme des Vorhabens in das Landesprogramm Land (TMBV) Antrag auf Gewährung von ÖPNV- Zuwendungen beim TLSB auf Grundlage der Entwurfsplanung Rechtsverbindliche Erklärung, dass das Vorhaben den Anforderungen der Barrierefreiheit entspricht, die Checklisten beachtet und die zuständigen Vertreter behinderter Menschen angehört werden Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Bewilligung der Zuwendung Bewilligungsbehörde (TLSB) ggf. Anpassung Ausführungsplanung Anhörungsverfahren gemeinsame Abstimmung der Checkliste - Abgabe der Stellungnahme Vorbereitung der Ausschreibung auf Grundlage einer Leistungsbeschreibung (inkl. Ergebnis des Anhörungsverfahrens) Submission / Ausschreibung Prüfung / Bestätigung der Ausschreibung inkl. Vergabevorschlag Vergabe der Ausschreibung Bauausführung Bauabnahme unter Nutzung der Checkliste füllt aus Kontrolle Ausgefüllte Checkliste als Kontrollinstrument CHECKLISTE Beachtung Beachtung Vorhabenträger / Planungsbüro Behindertenbeauftragte/-beiräte bzw. Verbände nach 13 BGG Vorhabenträger / Planungsbüro Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Bewilligungsbehörde (TLSB) Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Bauunternehmen Vorhabenträger (Landkreis, Stadt, Gemeinde, Verkehrsunternehmen) Verwendungsnachweisprüfung inklusive inhaltlicher Prüfung von Checkliste und Sachbericht Bewilligungsbehörde (TLSB)

152 143 Auf Grundlage der vom Vorhabenträger / Planungsbüro erstellten Entwurfsplanung sowie der rechtsverbindlichen Erklärung zur Barrierefreiheit erfolgt nach positiver Prüfung von Seiten des TLSB die Bewilligung der Zuwendung. Nach der Bewilligung kann die Ausführungsplanung vom Vorhabenträger erstellt bzw. beauftragt werden. Im Rahmen der Ausführungsplanung kommt die entsprechende Checkliste zur Anwendung, die zunächst vom Vorhabenträger bzw. dem beauftragten Planungsbüro zu berücksichtigen und entsprechend auszufüllen ist. Die ausgefüllte Checkliste wird dann zusammen mit der Einladung zum Anhörungsverfahren an die zuständigen Behindertenbeauftragten, -beiräte bzw. Verbände weitergeleitet. Im Anhörungsverfahren wird die Checkliste anhand der Ausführungsplanung vom Vorhabenträger / Planungsbüro gemeinsam mit den Vertretern behinderter Menschen überprüft, diskutiert und abgestimmt. Da aufgrund von örtlichen und / oder betrieblichen Gegebenheiten nicht immer alle Standards der Checkliste erfüllt werden können, müssen im Dialog zwischen den Vorhabenträgern bzw. dem beauftragten Planungsbüro und den Vertretern behinderter Menschen gegebenenfalls Kompromisslösungen abgestimmt und die Begründungen für eine Abweichung von den Standards in der Checkliste aufgeführt werden. Das Anhörungsverfahren inklusive des Resultats der abgestimmten Checkliste dient bei der Vorbereitung der Ausschreibung als Grundlage für die Leistungsbeschreibung. Unter Berücksichtigung der Leistungsbeschreibung kann der Vorhabenträger nun die Submission durchführen. Die Ausschreibung und der Vergabevorschlag werden nach der Submission von der Bewilligungsbehörde geprüft und bestätigt. Die ausgefüllte Checkliste mit der Stellungnahme der Vertreter behinderter Menschen dient hierbei als Kontrollinstrument und wird im weiteren Verlauf des Verfahrens an die entsprechenden Instanzen weitergereicht. Nach positiver Prüfung der Ausschreibung durch das TLSB kann der Vorhabenträger den Auftrag an die entsprechenden Bauunternehmen vergeben. Die beauftragten Bauunternehmen setzen das Projekt im Rahmen der Bauausführung entsprechend der Ausführungsplanung um. Nachdem die Bauunternehmen die Bauausführung abgeschlossen haben, wird die Baumaßnahme vom Vorhabenträger abgenommen. Um gegebenenfalls auftretende Baumängel, die aus der Bauausführung resultieren, sofort feststellen zu können, ist die Bauabnahme unter Anwendung der Checkliste vorzunehmen. Bei diesem Verfahrensschritt ist anhand der ausgefüllten Checkliste zu überprüfen und zu bestätigen, ob alle Maßnahmen und Kompromisslösungen, die in der Checkliste aufgeführt sind, vom Bauunternehmen bei der Bauausführung ordnungsgemäß beachtet wurden. Um das Problem der fehlenden Erfolgskontrolle bei der Bewilligungsbehörde anzugehen, muss das TLSB im Rahmen der Prüfung des Verwendungsnachweises (vgl. Kapitel b) den Verwendungsnachweis hinsichtlich der Einhaltung der Barrierefreiheit kontrollieren. Hierzu ist ein inhaltlicher Abgleich zwischen Checkliste und Sachbericht des

153 144 Vorhabenträgers vorzunehmen, um zu prüfen, ob das Vorhaben in Übereinstimmung mit dem Antrag und unter Beachtung der Ergebnisse der Antragsprüfung ausgeführt wurde. Zur Einführung des oben beschriebenen Verfahrens im Freistaat Thüringen, sollte die Anwendung der Checklisten mit einer entsprechenden Formulierung (z. B. im Förderverfahren ist die entsprechende Checkliste zu Barrierefreiheit anzuwenden) in den für das Jahr 2007 auszuarbeitenden ÖPNV-Förderrichtlinien des Freistaates Thüringen integriert werden. Laut TMBV werden in der für das Jahr 2007 geplanten ÖPNV-Investitionsrichtlinie des Freistaates Thüringen folgende Investitionsvorhaben förderfähig sein: Bau- und grundhafter Ausbau von Straßenbahntrassen und Schieneninfrastruktur des SPNV Bau und Ausbau von Zugangsstellen zum ÖPNV, [ ] Verknüpfungspunkten und Wendeschleifen Bau- und Ausbau von Park&Ride- und Bike&Ride-Anlagen an Zugangsstellen des ÖPNV Telematikmaßnahmen im ÖPNV, wie Errichtung von Leit-, Beschleunigungs-, Sicherungs-, Vertriebs-, Fahrgastservice- und -informationssystemen Beschaffung und Ersatzbeschaffung von technischen Anlagen und Ausrüstungen für Betriebshöfe des ÖPNV sowie Instandsetzung baulicher Anlagen von Betriebshöfen Beschaffung von neuen Straßenbahnfahrzeugen [und] [ ] neuen Linienomnibussen Umrüstung vorhandener Linienomnibusse auf neueste Umweltstandards zur Minderung von Emissionen 333 So können auf Grundlage der förderfähigen Vorhaben des ÖPNV sowie des kommunalen Straßenbaus die entsprechenden Checklisten mit Mindeststandards zur Herstellung der Barrierefreiheit entwickelt werden. Da die Landesförderrichtlinie bereits ab dem in Kraft tritt, kann mit einer entsprechenden Formulierung (z. B. soweit entsprechende Checklisten vorliegen) auf die bis dahin gegebenenfalls noch nicht erstellten Checklisten hingewiesen werden. Bei Ausarbeitung der Checklisten ist zu beachten, welche Maßnahmen/Standards förderfähig sind (vgl. Anhang 9). Die nicht förderfähigen Maßnahmen sollten aber als Empfehlungen gekennzeichnet in der Checkliste aufgeführt werden (vgl. grau hinterlegte Teilbereiche in Anhang 20). Aufgrund des partiell vorherrschenden, geringen Fachwissens der kommunalen Behindertenbeauftragten, -beiräte bzw. Verbände bezüglich des barrierefreien Straßenraums sollte die Handhabung der Checkliste in einem Planungsleitfaden (z. B. im Stil der Kapitel 5.1 und 5.2) und gegebenenfalls in Schulungen praxisnah erläutert werden. Zur Sicherung einer sachgerechten Umsetzung der Barrierefreiheit bei GVFG-geförderten Maßnahmen sowie einer einheitlichen Förderpraxis in Thüringen, ist eine Optimierung des 333 Thienel 2006

154 145 gegenwärtigen Förderverfahrens unerlässlich. Insbesondere da im Zuge der Föderalismusreform die Bundeskompetenz für die Gemeindeverkehrsfinanzierung im Rahmen der GVFG- Landesprogramme 334 Ende 2006 ausläuft, muss die Barrierefreiheit als Fördervoraussetzung für die Gewährung von Zuwendungen für ÖPNV-Vorhaben und für Vorhaben des kommunalen Straßenbaus im Rahmen der Neuregelung der Landesfördergesetze weiterhin bestehen. Durch die o. g. Integration von Checklisten in das Förderverfahren würde im Freistaat Thüringen ein Instrument zur Qualitätssicherung von Fördermaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit eingeführt werden. Dadurch würde das BGG-Instrument GVFG, welches bisher eine entscheidende Rolle in Bezug zur Sicherstellung der Barrierefreiheit im Verkehrsraum spielt (vgl. Kapitel 3.2.1), zumindest in seiner Wirksamkeit erhalten bleiben bzw. sogar nachhaltig gestärkt werden. Der Freistaat Thüringen könnte so eine deutschlandweite Vorreiterrolle hinsichtlich der Herstellung der Barrierefreiheit in Bezug zum Umgang mit dem GVFG nach der Föderalismusreform sowie zur Qualitätssicherung bei der Fördermittelvergabe einnehmen. Das optimierte Beteiligungsverfahren der Behindertenbeauftragten / -beiräte oder Verbände sowie die vorgeschlagene Integration von Qualitätskriterien in das Förderverfahren können zudem indirekte Auswirkungen im Planungsprozess auslösen. Es ist anzunehmen, dass sich zum einen die Planungsbüros intensiver mit dem Thema Barrierefreiheit bei der Erarbeitung der Genehmigungs- und Ausführungsplanungen befassen, um nach dem Anhörungsverfahren nachträglich keine großen Veränderungen vornehmen zu müssen. Zum anderen sind die Vorhabenträger darauf bedacht, den Höchstfördersatz der zuwendungsfähigen Kosten für GVFG-Vorhaben bewilligt zu bekommen (vgl. Kapitel a). Zum Ende des BeGiN-Projektes (Oktober 2006) liegt die ÖPNV-Richtlinie in einem Entwurf vor. Die Erklärung des Antragstellers zur Beachtung der Checklisten (soweit vorliegend) ist hierbei in den Antrag auf Gewährung einer Zuwendung nach ÖPNV-Richtlinie (Infrastrukturvorhaben) sowie in den Antrag auf Gewährung einer Zuwendung nach ÖPNV-Richtlinie (Fahrzeugförderung) integriert. Ebenso ist zu erklären, dass das Vorhaben barrierefrei geplant wird und die zuständigen Behindertenbeauftragten oder beiräte anzuhören und einzubinden sind. Die Anwendung der Checklisten selbst ist in das vom Behindertenbeauftragten auszufüllende Formular eingegliedert, d. h. der Beauftragte hat zu erklären, dass die Barrierefreiheit des Vorhabens anhand der Checkliste (soweit vorliegend) geprüft und der Erklärung beigefügt wurde. Die o. g. aktuellen Entwicklungen sind grundsätzlich begrüßenswert, allerdings wäre es aus Sicht von BeGiN noch effektiver, dem Vorhabenträger die Pflicht zur Ausfüllung der Liste zu übertragen. Aber auch der vorliegende Entwurf ist ein erfreuliches direktes Ergebnis des Projektes BeGiN. Falls die Richtlinie dem Entwurf entsprechend in Kraft tritt, wird die Qualität der Barrierefreiheit im ÖPNV des Freistaates Thüringen nachhaltig gesteigert werden. 334 Die im Bereich der Gemeindeverkehrsfinanzierung für besondere Programme nach GVFG 6 Abs.1 (Bundesprogramme für Großvorhaben) sowie für Fördermittel nach GVFG 10 Abs.2 Satz 1 und 3 (Fördermittel für Forschungszwecke) geschaffene Regelungen bleiben bestehen.

155 146 4 Zielvereinbarungen als Instrument des BGG Als weiteres ergänzendes Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit wurde vom Bundesgesetzgeber die Möglichkeit zum Abschluss von Zielvereinbarungen in das BGG aufgenommen. Innerhalb des BeGiN-Projektzeitraumes trat zudem das ThürGIG in Kraft, welches ebenso die Möglichkeit von Zielvereinbarungen auf Landesebene als ergänzendes Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit enthält und in der Landesgesetzgebung verankert ist. Im folgenden Kapitel werden die Bedingungen zur Aufnahme von Verhandlungen sowie zum Abschluss von Zielvereinbarungen vorgestellt sowie deren Anwendbarkeit im Bereich des ÖPNV in Bezug zur Modellregion beurteilt. 4.1 Gesetzliche Grundlagen der Zielvereinbarungen nach Bundesrecht Für die Herstellung der Barrierefreiheit sind durch das BGGEG umfangreiche gesetzliche und ordnungsrechtliche Vorschriften zur Herstellung der Barrierefreiheit für die unterschiedlichen Lebensbereiche eingeführt bzw. geändert worden. Die spezifischen Belange von Menschen mit Behinderungen sind jedoch äußerst vielfältig, so dass die Herstellung einer weitestgehenden Barrierefreiheit durch relativ unflexible gesetzliche Verordnungen lediglich bedingt möglich ist. Zudem können gesetzliche Regelungen nur begrenzt die unterschiedlichen Lebensbereiche ausreichend detailliert abdecken. Da sich dessen ungeachtet einhergehend mit einer verstärkten Auseinandersetzung mit den Belangen von Menschen mit Behinderungen ebenso die Komplexität, technische Entwicklung und die unterschiedlichen Rahmenbedingungen verändern, ist es dem Gesetzgeber wichtig, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, welcher positive Entwicklungen und Tendenzen fördert. Frei vereinbarte Maßnahmen und Lösungen zwischen den Beteiligten (Unternehmen und Behindertenverbände) sieht der Gesetzgeber im Gegensatz zu Gesetzesvorgaben als wesentlich flexibler und zweckmäßiger an. Daher wurden mit 5 des BGG die Zielvereinbarungen als ergänzendes Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit eingeführt. Ziel ist, für die Lebensbereiche, welche nicht durch besondere gesetzliche oder verordnungsrechtliche Vorgaben ausreichend geregelt sind, eine Möglichkeit für verbindliche Vereinbarungen zur Herstellung und Einhaltung der Barrierefreiheit zu schaffen (vgl. Abbildung 40). Abbildung 40: BGG 5 Zielvereinbarungen, Abs.1 (1) Soweit nicht besondere gesetzliche oder verordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen, sollen zur Herstellung der Barrierefreiheit Zielvereinbarungen zwischen Verbänden, die nach 13 Abs.3 anerkannt sind, und Unternehmen oder Unternehmensverbänden der verschiedenen Wirtschaftsbranchen für ihren jeweiligen sachlichen und räumlichen Organisations- oder Tätigkeitsbereich getroffen werden. Die anerkannten Verbände können die Aufnahme von Verhandlungen über Zielvereinbarungen verlangen. Der 5 BGG bildet den gesetzlichen Rahmen für eine Selbstregulierung der Interessensgruppen. Den Vereinbarungspartnern wird dabei die Möglichkeit eingeräumt, unabhängig

156 147 und eigenständig mittels vertraglichen Regelungen, Verpflichtungserklärungen oder Programmen das angestrebte Ziel der Barrierefreiheit in den unterschiedlichsten Lebensbereichen zu verwirklichen 335. Grundsätzlich sind die Partner aufgefordert, konkrete Vereinbarungen zu Mindestbedingungen und -standards der Barrierefreiheit im jeweiligen Bereich zu verhandeln und diese innerhalb eines definierten Zeitraumes umzusetzen. Zielvereinbarungen sind im Grunde zivilrechtliche Verträge, deren Inhalte durch die Vertragsparteien frei ausgehandelt und festgelegt werden Voraussetzungen und Bedingungen für Zielvereinbarungen nach Bundesrecht Der Bundesgesetzgeber formuliert in 5 BGG verschiedene Voraussetzungen und Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen und den Abschluss von Zielvereinbarungen. Diese regeln die formalen inhaltlichen Mindestanforderungen, die Berechtigungen der einzelnen Vertragsparteien als auch Ansprüche zur Aufnahme von Verhandlungen und Abschlussvoraussetzungen. Vertragsparteien Die Vertragspartner sind einerseits auf Unternehmen bzw. deren Verbände und andererseits auf Verbände von Menschen mit Behinderungen, welche nach 13 Abs.3 BGG anerkannt sind (vgl. Anhang 10), beschränkt. Die Einschränkung auf anerkannte Verbände soll gewährleisten, dass relativ einflussreiche Verbände als Vertragspartner zur Verfügung stehen, welche über ein möglichst umfangreiches Maß an Kompetenz, Erfahrung und Erkenntnis in Bezug zu den Belangen von Menschen mit Behinderungen verfügen 337. Die Verbände sollten indes nur für ihren jeweiligen sachlichen und räumlichen Organisations- und Tätigkeitsbereich entsprechende Vereinbarungen treffen, gleiches gilt für den Zuständigkeitsbereich der Unternehmen bzw. der Unternehmensverbände. Demnach soll z. B. ein Blindenverband keine Vereinbarungen für Menschen mit Gehbehinderungen treffen 338. In der Begründung zum BGG-Gesetzentwurf wurde die Vermutung aufgestellt, dass sich bei der Umsetzung von Zielvereinbarungen voraussichtlich mehrere Betroffenenverbände zusammenschließen, um möglichst viele Behinderungsarten zu berücksichtigen 339. Diese Annahme hat sich bei laufenden bzw. durchgeführten Verhandlungen zum Abschluss von Zielvereinbarungen, welche nicht nur auf spezifische Behinderungsarten ausgerichtet sind, bestätigt (vgl. Anhang 21). Somit kann eine möglichst umfassende Berücksichtigung der verschiedenen Behinderungsarten bei der Aufnahme von Verhandlungen zu Zielvereinbarungen als gewährleistet angesehen werden. Neben der Eingrenzung auf anerkannte Verbände von Menschen mit Behinderungen wurde auch eine Definition des Unternehmens in der Begründung zum BGG-Gesetzentwurf vorgenommen, so wird der Begriff des Unternehmens [...] in Anlehnung an die Rechtsprechung 335 Deutscher Bundestag 2001, S ebenda S ebenda 338 ebenda 339 ebenda

157 148 des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsverfassungsgesetz im umfassenden Sinne verstanden. Kennzeichnend für ein Unternehmen ist eine organisatorische Einheit, mit der ein Unternehmen seine wirtschaftlichen oder ideellen Ziele verfolgt. 340 Für den Bereich des öffentlichen Personenverkehrs bedeutet dies, dass Zielvereinbarungen direkt mit den Verkehrsunternehmen (auch kommunale Eigenbetriebe) abgeschlossen werden können, demnach stehen die Aufgabenträger des ÖPNV welche hoheitliche Aufgaben ausüben und nicht als Unternehmen gelten für Zielvereinbarungen nach dem BGG grundsätzlich nicht zur Verfügung 341. Für den ÖPNV ist weiterhin anzumerken, dass dieser Bereich durch die Vorschriften des PBefG (Nahverkehrsplan, vgl. Kapitel 1) und der EBO (Eisenbahnprogramme, vgl. Kapitel 2) als weitreichend geregelt anzusehen ist und daher wenig Handlungsspielraum zur Aufnahme von Vereinbarungsverhandlungen gegeben ist 342. Inhaltliche Mindestanforderungen von Zielvereinbarungen nach Bundesrecht Die inhaltlichen Mindestanforderungen von Zielvereinbarungen sind ebenfalls im BGG konkretisiert (vgl. Abbildung 41). Abbildung 41: BGG 5 Zielvereinbarungen, Abs.2 (2) Zielvereinbarungen zur Herstellung von Barrierefreiheit enthalten insbesondere 1. die Bestimmung der Vereinbarungspartner und sonstige Regelungen zum Geltungsbereich und zur Geltungsdauer, 2. die Festlegung von Mindestbedingungen darüber, wie gestaltete Lebensbereiche im Sinne von 4 künftig zu verändern sind, um dem Anspruch behinderter Menschen auf Zugang und Nutzung zu genügen, 3. den Zeitpunkt oder einen Zeitplan zur Erfüllung der festgelegten Mindestbedingungen. Sie können ferner eine Vertragsstrafenabrede für den Fall der Nichterfüllung oder des Verzugs enthalten. Die Regelungen zur Vertragsverletzung sollten aus Gründen der Umsetzungssicherung von Zielvereinbarungen vorgenommen werden, wobei es den Vertragspartnern überlassen bleibt, ob dieses in Form von Vertragsstrafenabreden durchgeführt wird oder andere Maßnahmen greifen sollen 343. Alle weitergehenden Regelungen und Vertragsinhalte können die Vertragsparteien frei definieren und konkretisieren. Da quantifizierte Ziele im Vergleich zu qualitativ formulierten eine höhere Kraft in der Umsetzung entfalten [sind neben den o. g. gesetzlichen Mindestanforderungen] für Zielvereinbarungen [ ] quantitativ formulierte Qualitätskriterien [ ] unentbehrlich Deutscher Bundestag 2001, S Worsek 2002, S VDV 2003, S Deutscher Bundestag 2001, S Topp 2006, S.671

158 149 Abschluss von Zielvereinbarungen nach Bundesrecht Der Vorgang zum Abschluss von Zielvereinbarungen ist durch den Wortlaut des 5 BGG vorgegeben. Sofern ein anerkannter Verband beabsichtigt, Verhandlungen mit Unternehmen oder deren Verbände aufzunehmen, ist dieser zunächst verpflichtet, dies gegenüber dem Zielvereinbarungsregister anzuzeigen. Das Zielvereinbarungsregister wird derzeit vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geführt, enthält alle abgeschlossenen sowie laufenden Vereinbarungsverhandlungen und ist auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht. Bei der Meldung an das Zielvereinbarungsregister sind die Verhandlungsparteien und der Verhandlungsgegenstand zu benennen. Das zuständige Bundesministerium gibt anschließend diese Informationen auf der Internetseite des Ministeriums bekannt 345. Andere Verbände können so an Informationen zu beabsichtigten Zielvereinbarungsverhandlungen gelangen und der Verhandlungskommission beitreten. Dieses Vorgehen dient zur Konzentration der Verhandlungen. Denn es ist politisch beabsichtigt, dass sich möglichst viele Verbände den Verhandlungen anschließen, damit ein entsprechend breites Spektrum je Zielvereinbarung abgedeckt ist 346. Die Verbände, welche sich den Verhandlungen anschließen möchten, haben innerhalb von vier Wochen nach Bekanntgabe der Verhandlungsabsicht die Möglichkeit zum Verhandlungsbeitritt. Nach Ablauf dieser Frist verlieren die Verbände, die sich nicht gemeldet haben, gegenüber dem Vereinbarungspartner einen Anspruch auf Verhandlungen in Bezug auf den Zielvereinbarungsgegenstand 347. Die Aufnahme von Verhandlungen soll dann beginnen, wenn eine gemeinsame Verhandlungskommission von Seiten der Verbände gebildet worden sowie eine angemessene Vorbereitungsfrist (höchstens vier Wochen) abgelaufen ist, demzufolge ist die Zeit zwischen Anmeldung der Verhandlung bis zur Verhandlungsaufnahme auf acht Wochen begrenzt Zielvereinbarungen nach Bundesrecht in der Praxis Das Zielvereinbarungsregister führt zum Ende des BeGiN-Projektes (Oktober 2006) vier abgeschlossene Zielvereinbarungen, fünf laufende Verfahren zum Abschluss von Vereinbarungen sowie eine Ankündigung (vgl. Anhang 21). Zwei der im Register geführten Zielvereinbarungen greifen die Thematik der Barrierefreiheit im ÖPNV auf. So führt die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e. V. (BAG Selbsthilfe) mit der Kreisverkehrsgesellschaft Main-Kinzig mbh bereits seit 2003 Verhandlungen über die barrierefreie Gestaltung von Haltepunkten und Fahrzeugen. Mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG werden ebenfalls seit 2003 die Bedingungen für eine Zielvereinbarung zur Nachrüstung der Stuttgarter Stadtbahn mit Hochbahnsteigen verhandelt. Der Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e. V. ist für diese angestrebte Zielvereinbarung der Verbandspartner, wobei der Körperbehinderten- Verein Stuttgart e. V. als Bevollmächtigter agiert. 345 BGG, 5, Abs Deutscher Bundestag 2001, S ebenda 348 ebenda

159 150 Das Forschungsprojekt Auswirkung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) und zur Änderung anderer Gesetze auf die Bereiche Bau und Verkehr (FoPS-Projekt) hat zur Untersuchung der Anwendbarkeit des Instrumentes Zielvereinbarungen umfangreiche Befragungen durchgeführt. Hierbei wurde im Zusammenhang mit der Zielvereinbarungsverhandlung der Kreisverkehrsgesellschaft Main-Kinzig mbh und der BAG Selbsthilfe festgestellt, dass aus Sicht der BAG Selbsthilfe eine Zielvereinbarung insofern notwendig erschien, da der entsprechende NVP als eigentliches Regelungsinstrument keine Aussagen zur barrierefreien Gestaltung der Infrastruktur und Fahrzeuge enthielt 349. Um Detailfragen der Herstellung der Barrierefreiheit in Stuttgart und im Kreis Main-Kinzig zu klären, wurden die Verhandlungen zur Zielvereinbarung mit den lokalen Verkehrsbetrieben aufgenommen, ein Abschluss der Verhandlungen ist in beiden Fällen jedoch nicht absehbar. Die Ursache hierfür liegt in der vom FoPS-Projekt erkannten Tatsache, dass die Verhandlungen eher zur Verbesserung von unzulänglichen Nahverkehrsplänen aufgenommen wurden und somit in einen als geregelt anzusehenden Bereich eingreifen 350. Diese Beispiele zeigen, dass im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs welcher stark durch gesetzliche bzw. verordnungsrechtliche Vorgaben geprägt ist ein Bedarf zur Konkretisierung der erforderlichen Barrierefreiheit besteht. Hierbei können die noch vorhandenen Lücken in den regionalen Regelungsinstrumenten des Nahverkehrs ausschlaggebend für die Aufnahme von Zielvereinbarungsverhandlungen sein. Jedoch scheint die Verhandlung selbst nicht in der Lage zu sein, diese Defizite zu beheben, was durch die aufgeführten Beispiele insofern belegt wird, dass eine Aufnahme von Verhandlungen unter Umständen nicht zu einem zeitnahen bzw. befriedigenden Abschluss führt und der Abschluss immer vom Kooperationswillen der Vertragspartner abhängt. Dieses deckt einen der Schwachpunkte des BGG- Instruments Zielvereinbarungen auf: Die Unternehmen sind zwar verpflichtet, Verhandlungen mit den Verbänden aufzunehmen, dessen ungeachtet ist es ihnen aber möglich die Verhandlungen abzubrechen bzw. nicht zielführend abzuschließen. Da als Vertragspartner für Zielvereinbarungen nach dem BGG lediglich die Verkehrsunternehmen und nicht die Aufgabenträger zur Verfügung stehen, ist es mit Zielvereinbarungen nur bedingt möglich, Fehler und Unzulänglichkeiten der eigentlichen Regelungsinstrumente (wie etwa der Nahverkehrspläne, vgl. Kapitel 1) auszugleichen. Daher sind Zielvereinbarungen für den Bereich des ÖPNV im Grunde auszuschließen. Insofern bestätigt sich die Erkenntnis des FoPS-Projekts, dass Zielvereinbarungen im geregelten Bereich des Personenverkehrs nicht der Intension des Bundesgesetzgebers bei Einführung dieses Instruments entsprechen. Die Absicht des Bundesgesetzgebers, dass lediglich Bereiche, welche bisher nicht geregelt sind, für Zielvereinbarungen als ergänzendes Instrument in Frage kommen, ist allerdings dem Gesetzestext nicht eindeutig zu entnehmen. Dieses ist erst in der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf ersichtlich. Leichter verständlich wäre, wenn das Gesetz, z. B. unter den in 5 Abs.4 BGG genannten Ausschlusskriterien, auch einen Ausschluss bei Vorhandensein von Nahverkehrsplänen bzw. Eisenbahnprogrammen enthalten würde und somit ein Anspruch auf Verhand- 349 BMVBW 2004, S ebenda

160 151 lungen im Bereich des ÖPNV grundsätzlich nicht bestünde. Ein solcher Passus widerspräche jedoch den allgemeinen gesetzessystematischen Regeln 351. In Anbetracht der Umstände, dass seit Inkrafttreten des BGG lediglich zehn Verfahren im Zielvereinbarungsregister aufgeführt werden, können die noch im FoPS-Projekt ermittelten hohen Erwartungen der Verbände von Menschen mit Behinderungen an das Instrument Zielvereinbarungen 352 bis dato als nicht erfüllt angesehen werden. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die ebenfalls vom FoPS-Projekt erkannten Defizite bei den Verbänden von Menschen mit Behinderungen bisher noch nicht ausgeglichen werden konnten. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um personelle, organisatorische und finanzielle Defizite sowie mangelnde Fachkompetenz und fehlende professionelle Unterstützung, die nur durch eine Förderung des Kompetenzaufbaus ausgeglichen werden könnten 353. Diese Erkenntnis hat sich in anderen Bereichen auf lokaler Ebene auch während des Projekts BeGiN bestätigt (vgl. Kapitel 1.4 und Kapitel 3.3). 4.4 Zielvereinbarungen nach Landesrecht des Freistaates Thüringen Die Einführung eines ergänzenden Instrumentes zur Herstellung der Barrierefreiheit auf Bundesebene wurde vom Freistaat Thüringen aufgegriffen und die Möglichkeit zum Abschluss von Zielvereinbarungen auf Landesebene in 15 ThürGIG (vgl. Abbildung 42) verankert. Diese Möglichkeit richtet sich an die Landesverbände von Menschen mit Behinderungen, welche für die Lebensbereiche, die durch das ThürGIG nicht erfasst sind, Zielvereinbarungen mit Thüringer Unternehmen und deren Verbänden oder den Trägern der öffentlichen Verwaltung abschließen können. Abbildung 42: ThürGIG 15 Zielvereinbarungen (1) Soweit nicht besondere gesetzliche oder verordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen, können zur Herstellung der Barrierefreiheit zwischen Landesverbänden von Menschen mit Behinderungen einerseits und Unternehmen oder Unternehmensverbänden der verschiedenen Wirtschaftsbranchen sowie den nach 6 Abs.1 verpflichteten Stellen andererseits für den jeweiligen sachlichen und räumlichen Organisations- oder Tätigkeitsbereich der Beteiligten Zielvereinbarungen getroffen werden. (2) Die Zielvereinbarungen sind an das Zielvereinbarungsregister zu melden, das von der Geschäftsstelle des Thüringischen Landesbeirats für die Belange von Menschen mit Behinderungen geführt wird. Die Regelungstiefe des 15 ThürGIG ist im Hinblick auf den Abschluss von Zielvereinbarungen im Vergleich zum BGG (vgl. Punkt Abschluss von Zielvereinbarungen in Kapitel 4.2) 351 VDV 2003, S BMVBW 2004, S ebenda S.343

161 152 weniger detailliert, schließt in Bezug zu den Vertragspartnern jedoch neben den Thüringer Unternehmen und deren Verbände auch die Träger der öffentlichen Verwaltung ein (vgl. Abbildung 42). Hierbei wird explizit auf den in 6 Abs.1 ThürGIG genannten Adressatenkreis verwiesen, welcher auch das Land Thüringen und die kommunalen Gebietskörperschaften, deren Behörden und Dienststellen sowie die landesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten einschließt (vgl. Abbildung 43). Somit wäre im Freistaat Thüringen theoretisch im Gegensatz zum BGG auch ein Ansatz zum Abschluss einer Zielvereinbarung mit den Aufgabenträgern des ÖPNV gegeben. Abbildung 43: ThürGIG 6 Geltungsbereich, Abs.1 (1) Das Land und die kommunalen Gebietskörperschaften, deren Behörden und Dienststellen sowie die landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind verpflichtet, die in 1 genannten Ziele im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs aktiv zu fördern. Um zu gewährleisten, dass Verbände von Menschen mit Behinderungen als Vereinbarungspartner agieren, welche eine gewisse Größe und Bedeutung aufweisen und somit über entsprechende Kenntnisse verfügen, sind lediglich Landesverbände zur Aufnahme von Verhandlungen berechtigt. In Bezug zur inhaltlichen Ausgestaltung von Zielvereinbarungsverträgen sind im ThürGIG keine Einschränkungen und Regelungen aufgenommen worden. Somit können die Vertragsinhalte von den Partnern frei ausgehandelt und gestaltet werden, die Reichweite der jeweiligen Zielvereinbarung ist jedoch auf den sachlichen und räumlichen Organisations- bzw. Tätigkeitsbereich der Beteiligten beschränkt. Daneben ist es den Verhandlungspartnern möglich, im Vertrag spezifische Regelungen für den Fall von Vertragsbrüchen vorzusehen 354. Der Anwendungsbereich zum Abschluss einer Landeszielvereinbarung wird dadurch eingegrenzt, dass Vereinbarungen lediglich dann abgeschlossen werden können, wenn keine besonderen gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Vorschriften dagegen stehen. Welche gesetzlichen bzw. verordnungsrechtlichen Vorschriften betroffen sind und ob das Vorhandensein eines Nahverkehrsplans zum Ausschluss von Zielvereinbarungen im ÖPNV-Bereich führt, finden im Gesetzestext bzw. dessen amtlicher Begründung 355 keine Erwähnung. Zudem verpflichtet das ThürGIG die Unternehmen bzw. deren Verbände oder die Träger öffentlicher Verwaltung im Gegensatz zum BGG (vgl. Kapitel 4.1) nicht, Verhandlungen aufzunehmen, wenn diese von den Verbänden von Menschen mit Behinderungen angestrebt werden. Auf Erfahrungen mit dem Instrument der Landeszielvereinbarung nach dem ThürGIG kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zurückgegriffen werden, da im Freistaat Thüringen bisher weder Landeszielvereinbarungen abgeschlossen noch aufgenommen wurden Thüringer Landtag 2005, S vgl. ebenda 356 Brockhausen 2006

162 Anwendbarkeit von Zielvereinbarungen im ÖPNV in Bezug zur Modellregion Im Rahmen des Projekts BeGiN wurde zunächst die Durchführung einer Zielvereinbarung mit einem regionalen Verkehrsunternehmen als ergänzende Maßnahme zur Verbesserung der Barrierefreiheit im ÖPNV der Modellregion in Erwägung gezogen 357. Als näherer Betrachtungsgegenstand bot sich hierfür eine weitere Konkretisierung zum Ausbau der RVG-Buslinie Tambach-Dietharz Georgenthal Ohrdruf als barrierefreie RVG-Buslinie 850 an. Diese Linie wurde schon im Rahmen der InnoRegio-Verkehrskonzeption 358 näher betrachtet, im Projekt BeGiN ist die enge Zusammenarbeit mit dem Nahverkehrsanbieter (RVG) intensiviert und ausgebaut worden. Eine enge Zusammenarbeit fand insbesondere bei der Bearbeitung folgender Projektaufgaben statt: taktile Haltestelleninformationen (vgl. Kapitel 1.3.1), barrierefreie Bushaltestellen der RVG-Buslinie 850 (vgl. Kapitel 3.2.3), Anschaffung barrierefreier Niederflur-Regionalbusse (vgl. Kapitel 1.3.1). Hierfür wurden zahlreiche Arbeitsgruppentreffen mit Akteuren aus der Region und Vertretern von Menschen mit Behinderungen durchgeführt und Lösungsoptionen ausgearbeitet. Dieses kooperative Vorgehen während der Projektlaufzeit war Grundlage dafür, dass die lokalen Akteure für die Belange mobilitätseingeschränkter Bevölkerungsgruppen sensibilisiert wurden sowie die Anforderungen und Grundsätze der Barrierefreiheit im ÖPNV kennen lernten. In Anbetracht dieser Vorgehensweise erschien eine Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss einer Zielvereinbarung als mögliche Beeinträchtigung im weiteren Prozess zur Herstellung der Barrierefreiheit in der Modellregion. Dieses begründet sich darin, dass von Seiten der RVG bereits eine ausgeprägte Kooperationsbereitschaft sowie ein wirkliches Interesse zur Herstellung der Barrierefreiheit besteht. Dieses war ein wesentlicher Bestandteil der zielgerichteten Zusammenarbeit in der Region. Die Durchführung einer Zielvereinbarungsverhandlung hätte unnötig Ressourcen sowohl beim Nahverkehrsdienstleister als auch bei den Verbänden von Menschen mit Behinderungen gebunden sowie den vorhandenen Kooperationsprozess deutlich reglementiert und verkompliziert. Zudem war absehbar, dass auch mit einer Zielvereinbarung keine weiterführenden Ergebnisse als die bereits erarbeiteten zu erzielen sind. Es ist vielmehr anzunehmen, dass durch eine Zielvereinbarung der freiwillige Charakter der kooperativen Zusammenarbeit von Seiten des Verkehrsunternehmens in einen Erfüllungszwang überführt worden wäre, welcher den weiteren Entwicklungsprozess wesentlich beeinträchtigen hätte können. Für den weiteren Prozess zur Herstellung der Barrierefreiheit in der Modellregion ist die vom Projekt angeregte Zusammenarbeit der lokalen Akteure intensiv fortzuführen sowie die Nahverkehrsplanung (vgl. Kapitel 1.3) und ÖPNV-Angebotsgestaltung im Sinne einer kooperativen Vorgehensweise weiterzuentwickeln. Insofern hat sich im Projekt BeGiN herausgestellt, dass bei einer bestehenden Kooperationsbereitschaft des Nahverkehrsdienstleisters eine Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss einer Zielvereinbarung nicht zwangsläufig zu einem anspruchsvolleren Ergebnis 357 Institut Verkehr und Raum 2004, S Gather / Rebstock 2004, S.161ff.

163 154 führt, sondern vielmehr einen bereits angelaufenen Prozess zur Verbesserung der Barrierefreiheit durch Reglementierung und Verkomplizierung potentiell beeinträchtigen könnte und daneben zusätzliche Ressourcen bindet. 4.6 Zielvereinbarungen als Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV Werden im Nahverkehrsplan (vgl. Kapitel 1) bzw. im Eisenbahnprogramm (vgl. Kapitel 2) die Belange von Menschen mit Behinderungen hinreichend berücksichtigt, so ist der ÖPNV im Sinne der Grundsätze zur Herstellung der Barrierefreiheit als ausreichend geregelt anzusehen 359. Insofern sind im Bereich des ÖPNV sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene nur wenige Ansatzpunkte zur Durchführung von Zielvereinbarungen als ergänzendes Instrument zur Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV gegeben. Einerseits unterstreicht diese Erkenntnis die Bedeutung der Nahverkehrspläne sowie der Schienennahverkehrspläne (vgl. Kapitel 1.3.3), andererseits besteht dadurch eine Eingrenzung des Handlungsspielraumes der Verbände zur Durchführung von Zielvereinbarungen mit Unternehmen des ÖPNV. Streben Verbände dennoch eine Aufnahme von Zielvereinbarungsverhandlungen in diesem Bereich an, so haben die Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger in Thüringen prinzipiell die Möglichkeit auf den NVP als regelndes Instrument zu verweisen und sind demnach in der Lage, sich den Verhandlungen zu entziehen. Grundsätzlich ist der Abschluss von Zielvereinbarungen immer vom Kooperationswillen der Verhandlungspartner abhängig. Die anerkannten Verbände haben durch das BGG zwar das Recht, die Aufnahme von Verhandlungen zu bewirken, jedoch keine Handhabe spezifische Vereinbarungen mit den Unternehmen bzw. Unternehmensverbänden in ihrem Sinne abzuschließen. Da es sich bei Verkehrsunternehmen im ÖPNV auf lokaler bzw. regionaler Ebene um Unternehmen kleinerer Größenordnung handelt und indem die Nahverkehrsdienstleistung vom Aufgabenträger auf Grundlage der Nahverkehrspläne bestellt wird, kann ein möglicher Imageverlust bei einem Abbruch der Verhandlungen für die Unternehmen zudem von untergeordneter Bedeutung sein. Auf Landesebene ist im ThürGIG die Pflicht der Unternehmen bzw. der Träger öffentlicher Verwaltung zur Aufnahme von Landeszielvereinbarungsverhandlungen nicht verankert, diese können die Aufnahme von Verhandlungen generell ablehnen. Die Thüringer Landesverbände haben somit keine Handhabe, den gewünschten Partner zur Aufnahme von Verhandlungen unabhängig von den Erfolgsaussichten zu zwingen. Insofern gewinnt der Kooperationswillen des potentiellen Verhandlungspartners in Thüringen zusätzlich an Bedeutung. Überlegenswert erscheint die Aufnahme von Verhandlungen zu Zielvereinbarungen im ÖPNV lediglich zur Erzeugung einer Öffentlichkeit, wenn neue Nahverkehrspläne deutliche Unzulänglichkeiten in Bezug zur Herstellung der Barrierefreiheit aufweisen und das jeweilige Verkehrsunternehmen bzw. der Aufgabenträger keinen Kooperationswillen zeigt. Ungeachtet der Tatsache, dass der Aufgabenträger und die Verkehrsunternehmen in diesen Fällen ihrer gesetzlichen Verpflichtung gegenüber den Belangen mobilitätsbeeinträchtigter Bevölkerungsgruppen nicht nachkommen, ist es so unter Umständen möglich, bei einem Abbruch der Verhandlungen das Unternehmen durch öffentlichen Druck zum Einlenken zu bewegen. 359 vgl. VDV 2003, S.64

164 155 Allerdings sollten die Verbände von Menschen mit Behinderungen im Vorfeld grundsätzlich abwägen, ob der Aufwand zur Aufnahme von Zielvereinbarungsverhandlungen die Wirkung auf ein Unternehmen rechtfertigt. Letztlich wären Zielvereinbarungen im ÖPNV auch denkbar, um eine positive Öffentlichkeit zu erzeugen, also einen Werbeeffekt für das Verkehrsunternehmen zu bewirken. Aber auch hier stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen, da ÖPNV- Dienstleister, welche ihre Bereitschaft zur Umsetzung zielvereinbarungsrelevanter Maßnahmen signalisiert haben, wiederum abzuwägen hätten, ob der gegebenenfalls zu erzielende Werbeeffekt die vertragliche Festschreibung der Umsetzung rechtfertigen würde. Insofern ist abschließend zu schlussfolgern, dass einerseits aufgrund der Regelungstiefe im ÖPNV wenig Handlungsspielraum für Zielvereinbarungen besteht sowie andererseits ein erfolgreicher Abschluss generell vom Kooperationswillen der Verhandlungspartner abhängt. Zeigt sich jedoch, wie in der Modellregion, eine enge Kooperationsbereitschaft, so könnte der Aufwand für mögliche Zielvereinbarungsverhandlungen den Prozess zur Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV lediglich zusätzlich reglementieren und verkomplizieren. Demzufolge ist davon auszugehen, dass für den Bereich des ÖPNV ein Mitgestaltungswillen des Unternehmens und Aufgabenträgers vorausgesetzt kooperative Planungsprozesse und der Austausch innerhalb von Arbeitsgruppen mindestens genauso wirkungsvoll sein können als Verhandlungen zu Zielvereinbarungen. Ein Grundsatzproblem ist zudem, dass sich Unternehmen bzw. deren Verbände nach der formalen Aufnahme der Verhandlungen ohne Angabe eines Grundes dem Abschluss entziehen bzw. das Verfahren in die Länge ziehen können. Falls über einen kooperativen Planungsprozess kein Konsens mit den Unternehmen und Aufgabenträgern zu erzielen ist, so ist zur Verbesserung der Barrierefreiheit im ÖPNV die Einflussnahme über das Anhörungsrecht bei der Aufstellung von Nahverkehrsplänen als das zielführende Instrument für die Vertreter von Menschen mit Behinderungen anzusehen (vgl. Kapitel 1). Auch wenn sich Zielvereinbarungen in dem als geregelt anzusehenden Bereich des ÖPNV in der Regel als nicht zweckdienlich erweisen, kann das Instrument insbesondere für den ungeregelten Bereich des Personenverkehrs 360 (Taxigewerbe, Reisetourismus) und in anderen Lebensbereichen durchaus als sinnvolle und ergänzende Maßnahme zur Herstellung der Barrierefreiheit angesehen werden. Im Rahmen des Projektes BeGiN wurde aber von der Begleitung bzw. Initiierung einer Zielvereinbarungsverhandlung abgesehen, da zwar im Tourismus durchaus sinnvolle Themen für eine Zielvereinbarung existieren (z. B. Zielvereinbarung zur Weiterführung des InnoRegio-Projektes durch den Naturpark Thüringer Wald e. V.), diese aber thematisch nicht in die Aufgabenbereiche des Projektes einzuordnen waren. 360 VDV 2003, S. 64

165 156 Teil B Detailstudien zur Barrierefreiheit im Verkehr Über die Analyse der BGG-Instrumente in Teil A hinaus sind in Teil B die Themen mit Verkehrsbezug des BeGiN-Arbeitspaketes Vertiefung von Forschungsansätzen aus dem Inno- Regio-Projekt Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig aufgeführt 361 : Barrierefreie Gestaltung von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen (vgl. Kapitel 5.1) Barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen in Bahnhöfen (vgl. Kapitel 5.2) Barrierefreie Gestaltung von Bahnhofsplänen bzw. Umgebungsplänen (vgl. Kapitel 5.3) Barrierefreie Gestaltung von Fahrscheinautomaten (vgl. Kapitel 5.4) Daneben wurden weiterführende, spezifische Verkehrsthemen in Teil B integriert, die kein explizites Arbeitspaket des BeGiN-Forschungsantrages waren: Barrierefreie Gestaltung von Straßenquerungen (vgl. Kapitel 5.5) Barrierefreier Ausbau der Ohratalbahn KBS 572 Gotha-Gräfenroda (vgl. Kapitel 5.6) Die wesentlichen Resultate aus den vom Institut Verkehr und Raum beauftragten Projektstudien Erschließung von Bushaltestellen Innovative Lösungsansätze für barrierefreie Straßenquerungen. Musterlösungen am Beispiel Georgenthal (vgl. Kapitel 5.5) und innovative Lösungsmöglichkeiten für barrierefreie höhengleiche Reisendenübergänge in Bahnhöfen am Beispiel Bahnhof Ohrdruf (vgl. Kapitel 5.2.8) sind ebenfalls in Teil B integriert. Kapitel 5.1 Barrierefreie Gestaltung von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen und Kapitel 5.2 Barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen in Bahnhöfen wurden bereits während der Laufzeit des Projektes BeGiN vom Thüringer Beauftragten für Menschen mit Behinderungen beim Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit als Druckversion herausgegeben (vgl. Abbildung 44). Abbildung 44: Deckblätter der Druckausgaben bereits veröffentlichter Ergebnisse von BeGiN vgl. Institut Verkehr und Raum 2004, S Quellen: linkes Bild: Rebstock 2005; rechtes Bild: Rebstock et. al. 2006

166 157 5 Vertiefung von Forschungsansätzen aus dem InnoRegio-Projekt 03I2805 barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig Über die Analyse der BGG-Instrumente in den Kapiteln 1, 2, 3, und 4 hinaus sind im Folgenden die Ergebnisse des BeGiN-Arbeitspaketes Vertiefung von Forschungsansätzen aus dem InnoRegio-Projekt Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig aufgeführt. Neben der Bearbeitung der im Rahmen des InnoRegio-Projektes Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig festgestellten, offenen Forschungsfragen im Bereich Barrierefreiheit und Verkehr 363 (vgl. Kapitel 5.1 bis 5.4), sind die wissenschaftlichen Untersuchungen und konzeptionellen Arbeiten für eine innovative, barrierefreie Traditionseisenbahnausstellung auf dem Gelände der IG Hirzbergbahn e. V. in Georgenthal 364 dargestellt (vgl. Kapitel 5.7 / Teil C). Spezifische Aktivitäten im Verkehrsbereich (vgl. Kapitel 5.5 und Kapitel 5.6) werden ebenfalls abgehandelt. 5.1 Barrierefreie Gestaltung von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen 365 Kreisverkehre erleben in den letzten Jahren in Deutschland eine Renaissance. Allerdings liegt, im Gegensatz zu den bis in die 60er Jahre gebauten Kreisverkehrsplätzen mit großen Radien, der Schwerpunkt heute auf der Anlage von Klein- und Minikreiseln. Diese gelten gemeinhin als vergleichsweise sichere Verkehrsanlagen. Aus Sicht blinder und sehbehinderter Menschen stellen die Kreisverkehre jedoch eine besondere Herausforderung dar, die spezifischen Belange dieser Gesellschaftsgruppen wurden und werden aber bisher nicht gebührend berücksichtigt. Im Folgenden wird der derzeitige Stand der deutschen Forschung zur Gestaltung von Kreisverkehrsplätzen unter besonderer Berücksichtigung der Belange von blinden und sehbehinderten Menschen dokumentiert und daraus gemeinsam mit Vertretern des Blinden und Sehbehindertenverbandes Thüringen e. V. Lösungsmöglichkeiten für eine optimierte Gestaltung abgeleitet Historische Entwicklung des Kreisverkehres in Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland war der Kreisverkehrsplatz noch bis in die 60er Jahre ein beliebtes Element der Straßenführung. Aufgrund der rasanten Zunahme des MIV musste die Leistungsfähigkeit der Kreisverkehre aber stetig gesteigert werden, was zu immer größeren Kreisdurchmessern und breiteren Fahrbahnen führte. Dadurch stiegen jedoch die Unfallzahlen im Vergleich zu lichtsignalgesteuerten Kreuzungen überproportional an und etliche Kreisverkehre wurden zu Ampelkreuzungen umgebaut 366. Auch heute noch wird davon abgeraten, große Kreisverkehre mit mehreren Fahrstreifen ohne Lichtsignalanlagen (LSA) anzu- 363 vgl. Institut Verkehr und Raum 2004, S vgl. Institut Verkehr und Raum 2004, S.9f. 365 Version 1.7; unter Version 1.2 herausgegeben vom TMSFG, vgl. Rebstock Alrutz / Stellmacher-Hein 2002, S.2

167 158 legen, da diese insbesondere für den Radverkehr nicht sicher zu gestalten sind 367. Daher werden die Anforderungen an große Kreisverkehrsplätze hier nicht weiter vertieft. Dem steht die Renaissance der sog. kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätze entgegen, die seit Ende der 60er Jahre in England und seit den 80er Jahren u. a. auch in der Schweiz und in Frankreich gebaut wurden. Aufgrund der positiven Erfahrungen in diesen Ländern werden nun auch in Deutschland seit Mitte der 90er Jahre verstärkt Klein- und Minikreisverkehre eingerichtet Kreisverkehrsarten Grundsätzlich können drei Arten von Kreisverkehren unterschieden werden: Große Kreisverkehrsplätze (gestaltete Mittelinsel, mehrstreifige Verkehrsführung, Außendurchmesser > 35 m) Kleine (kompakte) Kreisverkehrsplätze (gestaltete Mittelinsel, einstreifige Verkehrsführung, Außendurchmesser 26 m und 35 m) 369 Mini-Kreisverkehrsplätze (überfahrbare Mittelinsel, einstreifige Verkehrsführung, Außendurchmesser 13 m und < 26 m) 370 Die Mindestabmessung für kleine Kreisverkehre begründet sich dadurch, dass ein Kreisel mit gestalteter Mittelinsel erst ab etwa 26 m Kreisdurchmesser mit Lkw der maximal zugelassenen Größe umrundet werden kann. Das Mindestmaß von 13 m für Mini-Kreisverkehre leitet sich von der Diagonalabmessung einer Kreuzung zweier einbahniger Straßen ab Vorteile von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen Die Vorteile kleiner Kreisverkehre sind denen von Mini-Kreisverkehren sehr ähnlich. Tabelle 17 zeigt die wesentlichen Vorteile gegenüber herkömmlichen Knotenpunkten (mit und ohne LSA). 367 FGSV 1995, S Brilon, W. / Bondzio, L. 2000, S Alrutz / Stellmacher-Hein 2002, S Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen 1999, S.5ff 371 Brilon, W. / Bondzio, L. 2000, S.39

168 159 Tabelle 17: Vorteile von kleinen / Mini-Kreisverkehren gegenüber konventionellen Knotenpunkten 372 Kleine Kreisverkehrsplätze Mini-Kreisverkehrsplätze höhere städtebauliche Gestaltungsqualität günstigere Unfallbilanz, höhere Verkehrssicherheit (Ausnahmen vgl. Kapitel 5.1.4) und Verringerung schwerer Unfälle Geschwindigkeitsreduzierung sowie Verkehrsberuhigung auch in den zuführenden Straßen höhere Leistungsfähigkeit als flächengleiche Knotenpunkte mit LSA (bis Kfz/Tag) Kapazität bis zu Kfz/Tag (bei Knotenpunkten mit LSA nur mit Abbiegespuren erreichbar) generell geringere Wartezeiten und insbesondere zu Schwachlastzeiten (Lärmminderung) deutlich geringere Betriebskosten, da keine Betriebs- und Unterhaltungskosten für LSA anfallen hohe gesellschaftliche Akzeptanz durch Verkehrsteilnehmer und Anwohner Kreisverkehrsplätze aus Sicht der Fußgänger Im Gegensatz zu den in Kapitel genannten Vorteilen von kleinen und Mini-Kreisverkehren, führen diese Elemente der Straßenraumgestaltung insbesondere für blinde und sehbehinderte Fußgänger, aber auch für ältere Menschen, zu erheblichen Problemen. Allerdings existieren bis heute [ ] keine gesicherten Erkenntnisse über die barrierefreie Gestaltung von Kreisverkehrsplätzen, die insbesondere die Sicherheitsbelange von stark sehbehinderten und blinden Verkehrsteilnehmern berücksichtigen. 373 Diverse wissenschaftliche Veröffentlichungen weisen sogar explizit darauf hin, dass der Sicherheitsgewinn an Kreisverkehren für Fußgänger besonders groß ist. Beispielsweise nennt die Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen hierfür als Gründe das generell geringere Geschwindigkeitsniveau und die gute Überschaubarkeit der Kreisverkehrsplätze für Fußgänger 374. Das Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung stellt fest, dass das Sicherheitsniveau [ ] an [ ] Kreisverkehrsplätzen [ ] positiv zu bewerten [ist] und Behinderungen und kritische Situationen für Fußgänger [ ] an kleinen Kreisverkehrsplätzen insgesamt [ ] sehr seltene Ereignisse [sind]. 375 Dagegen weisen die Ergebnisse einer Fußgängerbefragung in derselben Veröffentlichung trotz der insgesamt sehr positiv bewerteten kleinen Kreisverkehre auch auf Probleme hin. So fühlen sich 70 % der Fußgänger an kleinen Kreisverkehren sicher, und 90 % sind mit der Situation zufrieden. Anders interpretiert fühlen sich demnach aber 30 % der 372 Quellen: Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen 1999, S.6ff und Alrutz / Stellmacher-Hein 2002, S.4f. vgl. auch Bösl Heise / Junge / König 2004b, S FGSV 1998, S Alrutz / Stellmacher-Hein 2002, S.8

169 160 Fußgänger nicht sicher und 10 % sind unzufrieden mit der Kreisverkehrslösung. Als Verbesserungswunsch wurde von Seiten der Fußgänger mehrheitlich die Anlage von Zebrastreifen an den Überquerungsstellen angemahnt 376. Problembewusster gibt sich das Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: In einer Empfehlung heißt es, dass Fußgänger an Mini-Kreisverkehren zwar keine ernsthaften Probleme hätten. Allerdings würden die kurzen Entfernungen zwischen den nebeneinander gelegenen Zu- und Ausfahrten die Einschätzung für Fußgänger erschweren, ob ein Fahrzeug den Kreisel verlassen wolle oder nicht. Daher wird empfohlen, in besonderen Fällen, z. B. bei besonders hohen Fußgängerverkehrsstärken oder bei besonders schutzbedürftigen Fußgängern, [ ] die Anlage von Fußgängerüberwegen (Zeichen 293 StVO Zebrastreifen ) in Erwägung zu ziehen. 377 Das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen bezeichnet Kreisverkehre bei hohen Anteilen sehbehinderter oder älterer Fußgänger als eher nicht geeignet. 378 Für blinde und sehbehinderte Verkehrteilnehmer ist insbesondere die akustische Richtungsunterscheidung der Verkehrsströme an Kreisverkehren schwierig zu beurteilen. Zudem gibt es keine Ruhephasen in den Verkehrsströmen, wie beispielsweise an LSA-gesteuerten Kreuzungen, was die akustische Orientierung ebenfalls erschwert 379. Grundsätzlich ist die LSA mit akustischen Zusatzeinrichtungen 380 die optimale Lösung für blinde und sehbehinderte Fußgänger 381, kleine Kreisverkehre hingegen schaffen mehr oder minder eine No-Go- Area, also eine Tabuzone [ ], [und] sind aus [ ] Sicht der Blinden und Sehbehinderten [ ] eigentlich abzulehnen wegen ihres Gefahrenpotentials und vor allem wegen der entstehenden Orientierungsprobleme beim Auffinden des Zebrasteifens und seiner gefahrlosen Benutzung Empfehlungen aus der Fachliteratur zur barrierefreien Gestaltung von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen Aufgrund der in Kapitel genannten Orientierungsprobleme von blinden und sehbehinderten Verkehrsteilnehmern an Kreisverkehrsplätzen wird zum einen die eindeutige Trennung zwischen Fuß- und Radweg gefordert und zum anderen die Anlage von Fußgängerüberwegen in einem Abstand zur Kreisfahrbahn zwischen 20 m und 40 m. Allerdings wird auch festgestellt, dass durch die Verlegung der Querung Umwege entstehen und das Auffinden der Querungsstelle (insbesondere bei fehlender oder mangelnder farblich kontrastierender Kennzeichnung und taktiler Wahrnehmbarkeit) erschwert würde 383. Im Gegensatz dazu stehen Planungsempfehlungen, welche die Überwege in einer Entfernung zwischen 2 m und 6 m platzieren. So heißt es z. B. im Merkblatt für die Anlage von kleinen Kreisverkehrs- 376 Alrutz / Stellmacher-Hein 2002, S.9f. 377 Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen 1999, S Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen 2004, S Bräuer 2003, S.125f. 380 vgl. Gather / Rebstock 2004, S.187ff 381 vgl. Behling 2003, S.133 und Wäldin-Kern 2004, S Behling 2003, S.133ff 383 ebenda S.133f.

170 161 plätzen, dass die Absetzung der Fußgängerquerungsstelle 6,00 m nicht überschreiten [solle]. 384 Das Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung gibt bei Überwegen mit Zebrastreifen einen Mindestabstand zum Kreisel von nur 2 m an, bei Querungen ohne Zebrastreifen sollte der Abstand 4 m betragen 385. Die Empfehlung des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen nennt hingegen für alle Querungen, unabhängig ob mit oder ohne Zebrastreifen bzw. Fahrbahnteiler, einen Abstand zur Kreisfahrbahn von ca. 4 m 386. Ein Ratsbeschluss der Stadt Duisburg hat den Abstand wiederum auf maximal 5 m festgelegt 387. Das Planungsbüro AB Stadtverkehr Köln schlägt für die Stadt Düsseldorf einen Abstand von exakt 5 m vor (vgl. Anhang 22). Demgegenüber formuliert das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Kassel einen Mindestabstand der Querungsstellen zum Kreisel von 5 m (vgl. Abbildung 45). Abbildung 45: Skizze Fußgängerüberweg 388 Ebenfalls nicht eindeutig sind die Aussagen der verschiedenen Empfehlungen zur Ausstattung von Fußgängerquerungen mit Fahrbahnteiler und Zebrastreifen (Fußgängerüberweg (FGÜ) nach 26 StVO). Problematisch ist die Rechtsgrundlage nach der StVO an den Zuund Ausfahrten von Kreisverkehren ohne Zebrastreifen, da aus dem Kreisel ausfahrende Fahrzeuge laut Vorfahrtsrecht als Abbieger gelten und somit wartepflichtig sind, während in den Kreisel einfahrende Fahrzeuge Vorfahrt vor den querenden Fußgängern haben. Daher sollten generell an allen Zufahrtsstraßen Fahrbahnteiler in Form von Mittelinseln angelegt werden 389. Aus der Problemanalyse blinder und sehbehinderter Menschen an Kreisverkehren heraus lässt sich zudem ableiten, dass innerorts die Anlage von Zebrastreifen als Regelfall [...] [be- 384 FGSV 1998, S Alrutz / Stellmacher-Hein 2002, S Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen 1999, S Bräuer 2003, S Heise / Junge / König 2004b, S ebenda S.1ff.

171 162 trachtet werden sollte]. [ ] [Es] ist zu empfehlen, die nach den Richtlinien für die Anlage und Ausgestaltung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001) zulässigen Ausnahmen von den dort angegebenen Regelverkehrsstärken im Einzelfall aufzugreifen und auch bei stärkerem Fußgängeraufkommen nur an einer Zufahrt trotzdem an allen Zufahrten Zebrastreifen einzurichten. 390 Grundsätzlich hat auch eine geringe Anzahl von Fußgängern [ ] keinen erkennbaren Einfluss auf die Sicherheit eines FGÜ. 391 Die Regelverkehrsstärken nach den R-FGÜ 2001 sind in Tabelle 18 dargestellt. Die Fußgängerverkehrsstärke wird zur Spitzenstunde des werktäglichen Fußgängerquerverkehrs ermittelt, die Kraftfahrzeugverkehrsstärke entsprechend in derselben Stunde. Tabelle 18: Einsatzbereiche für Fußgängerüberwege nach 26 StVO 392 Fg/h Kfz/h über FGÜ möglich FGÜ möglich FGÜ empfohlen FGÜ möglich FGÜ möglich FGÜ empfohlen FGÜ empfohlen FGÜ möglich über 150 FGÜ möglich Nach Tabelle 18 beträgt demnach die Mindestfußgängerfrequenz 50 Fußgänger pro Spitzenstunde bei Fahrzeugverkehrsstärken zwischen 200 und 750 Fahrzeugen. Werden sowohl die empfohlenen bzw. möglichen Fußgänger- als auch die Fahrzeugverkehrsstärken überschritten, sind im Normalfall LSA erforderlich. Bei Unterschreitung der Werte reichen gemäß den R-FGÜ zumeist Fahrbahnteiler aus. Wie bereits erwähnt, ermöglicht die R-FGÜ aber auch die Anordnung von Fußgängerüberwegen außerhalb des für FGÜ möglichen / empfohlenen Einsatzbereiches [ ] [, allerdings nur] in begründeten Ausnahmefällen. 393 Die Bundesländer haben dennoch die Möglichkeit, durch Einführungserlass die Mindestverkehrsstärken generell aufzuheben, z. B. hat das Land Berlin die o. g. Vorgaben zur Mindestfußgängerfrequenz gänzlich außer Kraft gesetzt 394. Dagegen gilt die R-FGÜ im Freistaat Thüringen uneingeschränkt. Zur Erleichterung der Anlage von Fußgängerüberwegen sollte daher auch in Thüringen eine Richtlinienänderung in Betracht gezogen werden. Grundsätzlich sollten Fußgängerüberwege möglichst rechtwinklig zur Fahrbahnachse angelegt werden, um die Orientierung bei der Querung zu erleichtern Alrutz / Stellmacher-Hein 2002, S Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen 2002, S BMVBW 2001b, S ebenda S Arbeitsgruppe Fußverkehr von SRL und FUSS e. V. 2002, S Heise / Junge / König 2004b, S.3; vgl. auch Gather / Rebstock 2004, S.190

172 163 Um die Querungsstellen auffinden zu können, ist die taktile Kennzeichnung notwendig, also die Ausstattung des Überweges mit Bodenindikatoren 396. Im Bereich taktiler Bodenelemente gibt es ebenfalls unterschiedlichste Lösungsansätze im Detail. So empfiehlt z. B. das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Kassel, hierzu Aufmerksamkeitsfelder (AMF) mit Noppenprofil quer zur Gehrichtung einzusetzen und am Fahrbahnrand ebenfalls mit Noppenprofil abzuschließen, wobei die Fahrbahnrandoberfläche ein Trapezprofil aufweist (vgl. Anhang 23). Das Planungsbüro AB Stadtverkehr Köln schlägt für die Stadt Düsseldorf ebenfalls Aufmerksamkeitsfelder mit Noppenprofil quer zur Gehrichtung vor, für die Aufmerksamkeitsfelder im Wartebereich von Fußgängerfurten auf Gehwegen und Schutzinseln wird dagegen eine Rillenplatte mit Längsmuster in Gehrichtung der Furt über die gesamte Gehspurbreite der Querungsanlage befürwortet (vgl. Anhang 22). Nach der DIN-Norm Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum kommt für Fußgängerquerungen vor der Fußgängerfurt ebenfalls die Rillenplatte zum Einsatz, aber im Gegensatz zu den o. g. Beispielen verlangt die DIN auch den Einsatz von Rillenplatten über die gesamte Gehwegbreite auf dem parallel zur Fahrbahn verlaufenden Gehweg 397 (vgl. Abbildung 46). Abbildung 46: Fußgängerüberweg mit Aufmerksamkeitsfeld nach DIN Um in diesem Bereich eine Einheitlichkeit zu erreichen (vgl. auch Abbildung 76 und Abbildung 77 in Kapitel 5.5.1), wäre die Abstimmung und Einigung der verschiedenen Interessensvertreter blinder und sehbehinderter Menschen auf nationaler bzw. europäischer Ebene ratsam. Die deutsche Blindenstudienanstalt e. V. hat hierzu im Rahmen eines Fachseminars den konzeptionellen Vorschlag gemacht, Bodenindikatoren anhand verschiedener 396 Bräuer 2003, S Gather / Rebstock 2004, S ebenda

173 164 Oberflächenstrukturen, denen bestimmte Funktionen zugewiesen werden, zu standardisieren (z. B. an LSA Einsatz von Noppenplatten und an Plätzen, Verkehrsanlagen o.ä. Rippenplatten) 399. Dieser Vorschlag sollte präzisiert und intensiv auf nationaler Ebene diskutiert werden mit dem mittel- bis langfristigen Ziel einer nationalen bzw. europäischen funktionalen Standardisierung. Erste konstruktive Schritte in dieser Richtung bilden die vom Gemeinsamen Fachausschuss für Umwelt und Verkehr (GFUV) des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. aufgestellten Forderungen zur Sicherung des Fußgängerverkehrs im Bereich von Kreisverkehren 400. Diese Forderungen stehen auf einer breiten Basis, da im GFUV die Vertreter verschiedener Organisationen, wie z. B. des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf, Pro Retina Deutschland e. V., Nikolauspflege Stuttgart - Stiftung für Blinde und Sehbehinderte sowie der Berufsverband der Rehabilitationslehrer/-innen für Orientierung und Mobilität für blinde und sehbehinderte Menschen, aktiv zusammenarbeiten 401. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die Aussagen von Seiten der Fachliteratur und der Wissenschaft teilweise widersprechen, aufgrund dessen über die barrierefreie Gestaltung von Kreisverkehren letztlich noch keine allgemein gültige Gestaltungsempfehlung abgeleitet werden kann. Daher ist für die Erstellung eines Anforderungsprofils für barrierefreie kleine und Mini-Kreisverkehrsplätze für den Freistaat Thüringen die Abstimmung mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen e. V. (BSVT) unabdingbar Anforderungsprofil für barrierefreie kleine und Mini-Kreisverkehrsplätze Im Folgenden werden die für eine barrierefreie Gestaltung von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen notwendigen Anforderungen ausgearbeitet. Grundsätzlich gelten auch an Kreisverkehren die allgemeinen Anforderungen an barrierefreie Straßenseitenräume (Gehwege) 402, welche bereits in der Verkehrskonzeption für die barrierefreie Modellregion 403 veröffentlicht wurden. Diese Standards sollten generell für alle Fußwege zur Anwendung kommen. In der Verkehrskonzeption wurden Standards u. a. für die Dimensionierung, Neigung und Oberflächenbeschaffenheit der Gehwege, die Abgrenzung, Nivellierung und Zonierung der Gehwege, die Orientierung bzw. Wegeleitung, die Sicherheit auf Gehwegen sowie für Fußgängerüberwege und Lichtsignalanlagen festgelegt. 399 BLISTA vgl. Böhringer / Schmidt-Block vgl. DVBS vgl. Gather / Rebstock 2004, S.181ff 403 vgl.ebenda S

174 165 Darüber hinaus gibt es für kleine und Mini-Kreisverkehrsplätze spezifische Anforderungen im Detail, die im Folgenden dargestellt sind. Die Inhalte des Anforderungsprofils für barrierefreie kleine und Mini-Kreisverkehrsplätze wurden gemeinsam mit Herrn Eberhard Tölke in seiner Funktion als Leiter des Arbeitskreises Umwelt und Verkehr des BSVT unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Sachstandes (vgl. Kapitel 5.1.5) am erarbeitet. Folgende Abstimmungen wurden im Rahmen des o. g. Arbeitstreffens getroffen: Die Fußgängerquerungsstelle ist in einem Abstand von 5 m zur Kreisfahrbahn anzulegen. Der bereits erwähnte Vorschlag, die Querung zwischen 20 und 40 m von der Kreisfahrbahn abzusetzen und in die Zufahrtsstraßen zu verlegen, wird zum einen aufgrund der großen Umwege und der daraus resultierenden Problematik des Auffindens der Querungsstelle für blinde und sehbehinderte Menschen sowie der zu erwartenden Ablehnung durch nicht sehbehinderte Fußgänger 404 als nicht zielführend beurteilt. Zum anderen ist bei Fußgängerquerungen, die weiter als 5 m vom Kreisel entfernt sind, mit deutlich höheren Geschwindigkeiten der aus dem Kreisel ausfahrenden Fahrzeuge zu rechnen 405, was das Unfallrisiko für Fußgänger deutlich erhöhen würde. Generell sind Fahrbahnteiler an allen Überwegen anzulegen. Die Fußgängerführung auf den Fahrbahnteilern ist seitlich durch ein mindestens 3 cm hohes Bord zu begrenzen. Die Anlage von Zebrastreifen an allen Zu- und Ausfahrten des Kreisverkehres ist für blinde und sehbehinderte Menschen zentral, da ansonsten ein gefahrloses Überqueren der Fahrbahn nicht möglich ist. Oftmals wird die gesetzliche Regelung missachtet, dass aus dem Kreisel ausfahrende Fahrzeuge gegenüber Fußgängern wartepflichtig sind. Demgegenüber kommt es häufig vor, dass in den Kreisel einfahrende Fahrzeuge warten, obwohl diese rechtlich Vorfahrt haben. Um eine eindeutige Regelung zu erreichen, ist die Anlage von Fußgängerüberwegen nach 26 StVO unerlässlich, auch wenn die erforderliche Fahrzeugdichte bzw. Fußgängerfrequenz nach den R-FGÜ nicht vorliegt. Für die Anlage von Fußgängerüberwegen wird deshalb empfohlen, den rechtlichen Spielraum zu nutzen und im Freistaat Thüringen generell die Mindestverkehrsstärken aufzuheben sowie gegebenenfalls die Höchstgrenzen heraufzusetzen. Vor der Fußgängerfurt sind auf Gehwegen und Fahrbahnteilern Aufmerksamkeitsfelder in Form von Rippenplatten mit Ausrichtung der Rippenstruktur in Gehrichtung der Furt und über die gesamte Furtbreite mit einer Tiefe von 90 cm zu verwenden. Der Bodenindikator sollte einen Rippenabstand von mindestens 20 mm aufweisen und direkt an die Bordsteinkante anschließen. Zur Anzeige eines rechtwinklig vom Gehweg abzweigenden Fußgängerüberweges sind Steinnoppenplatten quer über die gesamte Gehwegbreite in einer Tiefe zwischen 90 und 100 cm einzusetzen. Die Noppenplatten müssen rechtwinklig auf die Mitte der Rippenplatte an der Furt zulaufen (T-förmige Anordnung, vgl. Abbildung 47). 404 vgl. ADAC 2005, S vgl. FGSV 1998, S vgl. BMVBW 2001b

175 166 Die eingesetzten Bodenindikatoren müssen sich optisch kontrastreich von der Umgebung, d.h. vom Gehwegbelag, abheben. Daher ist gegebenenfalls der Einsatz von beidseitigen, 30 cm breiten und kontrastreichen Begleitstreifen notwendig. Optimale Kontraste für Bodenindikatoren werden durch weiße Aufmerksamkeitsfelder in Kombination mit schwarzen Begleitstreifen erzielt, daher sollte diese Bauelementkombination bevorzugt eingesetzt werden 407. Die Bordsteinkanten der Gehwege und Fahrbahnteiler sind an den Querungsstellen über die gesamte Furtbreite auf 3 cm abzusenken (maximale Toleranz 10 %) sowie optisch kontrastreich zum Geh- und Fahrbahnbelag zu markieren. Außerhalb der Querungsanlage muss eine klare Trennung zwischen Fahrbahn und Gehweg existieren. Daher dürfen die Bordsteinkanten im Kreisverkehrsbereich außerhalb der Querungsanlage nicht abgesenkt sein. Förderlich ist zudem die Anlage von Grünsteifen, Brüstungen oder Abschrankungen im Kreisverkehrsbereich, da dies eine zusätzliche Trennung von Fahrbahn- und Fußgängerbereichen bewirkt. Fahrradwege sind generell vor dem Kreisverkehr aufzulösen und auf die Fahrbahn zu leiten. Auch bei Ausfahrten sollte der Radweg erst nach dem Fußgängerüberweg beginnen. Gemeinsame Fuß- und Radwege sollten nicht gebaut werden 408. Die Fußgängerüberwege müssen optimal beleuchtet sein. Hierzu ist die Beleuchtung entsprechend den R-FGÜ nach DIN 5044 und DIN auszuführen. Schattenzonen sind zu vermeiden. Erfüllen die durch die allgemeine Straßenbeleuchtung gegebenen Beleuchtungsverhältnisse die Normvorgaben nicht, ist eine zusätzliche ortsfeste Beleuchtung der Fußgängerüberwege notwendig. Diese ist so anzuordnen, dass der Fußgängerüberweg und die Aufstellflächen von den entsprechenden Verkehrsrichtungen aus beleuchtet werden, da dadurch Fußgänger am Überweg von herannahenden Fahrzeugen besser zu erkennen sind. Diese Anforderungen gelten grundsätzlich an allen Fußgängerüberwegen nach 26 StVO 410. Es ist zu prüfen, inwieweit bauliche und verkehrstechnische Maßnahmen ergriffen werden können, um weitgehend zu verhindern, dass Fahrzeuge auf dem Fußgängerüberweg halten. Insbesondere sollte die Gefahr minimiert werden, dass blinde und sehbehinderte Fußgänger bei einem auf dem Zebrastreifen haltenden Gespann zwischen Fahrzeug und Anhänger geraten können. Abbildung 47 zeigt die modellhafte barrierefreie Gestaltung eines Fußgängerüberweges an kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen. 407 vgl. BSVT 2005, S zur Trennung des Rad- und Fußgängerverkehrs vgl. ADFC / BSVT vgl. BMVBW 2001b 410 vgl. ebenda S.38

176 167 Abbildung 47: Gestaltungsstandards für barrierefreie Fußgängerüberwege an Kreisverkehrsplätzen 411 Aus den Erkenntnissen der wissenschaftlichen und planerischen Fachliteratur sowie aus den Abstimmungen mit dem BSVT kann nun das Anforderungsprofil für barrierefreie kleine und Mini-Kreisverkehrsplätze abgeleitet werden (vgl. Tabelle 19). 411 verändert und ergänzt nach: Bräuer 2004

177 168 Tabelle 19: Anforderungsprofil für barrierefreie kleine und Mini-Kreisverkehrsplätze Bereich Funktionale Standards / Mindeststandards Anforderungen / Umsetzung an die Örtlichkeiten angepasste, ausreichend helle, gleichmäßige sowie blendfreie Beleuchtung Vermeidung von Schattenzonen Beleuchtung der FGÜ nach R-FGÜ 2001 Sichtverhältnisse Gewährleistung guter Einsehbarkeit und Sichtverhältnisse Sicherstellung uneingeschränkter und möglichst frühzeitiger Sichtbeziehungen zwischen Fußgänger und Fahrzeugführer an Querungsstellen Vermeidung von Parkierungsanlagen im Querungsstellenbereich ggf. Anlage von Gehwegvorstreckungen an Querungsstellen Abgrenzung Fahrbahn - Gehweg Radwegeführung Fußgängerquerung Vermeidung von Bordsteinkantenabsenkungen im Bereich kleiner und Mini-Kreisverkehrsplätze außerhalb der Querungsstellen sowie in den einmündenden Straßen Führung des Fahrradverkehrs im Bereich kleiner und Mini-Kreisverkehrsplätze grundsätzlich auf der Fahrbahn Einrichtung von Fußgängerquerungsstellen für alle relevanten Gehbeziehungen Anordnung von Fußgängerquerungsstellen in einem Abstand zur Kreisfahrbahn von 5 m Anordnung von Fußgängerquerungsstellen rechtwinklig zur Fahrbahnachse Anlage von Fußgängerüberwegen nach 26 StVO (Zebrastreifen) an allen Zufahrtsstraßen als Regelfall für innerörtliche Kreisverkehre Anlage von Fahrbahnteilern (Mittelinseln) an allen Zufahrtsstraßen des Kreisverkehres Bordsteinabsenkung an der Fußgängerfurt auf dem Gehweg und der Mittelinsel auf 3 cm Höhe (10 % maximale Toleranz) Ausstattung von Wartebereichen und Aufstellflächen mit taktil-optisch-akustischen Aufmerksamkeitsfeldern (AMF) Kennzeichnung der vom Gehweg abzweigenden Querungen mittels taktil-optisch-akustischen Aufmerksamkeitsfeldern bzw. streifen Einsatz optisch kontrastreicher Aufmerksamkeitsfelder bzw. streifen Prüfung von baulichen und verkehrsrechtlichen Maßnahmen zur weitgehenden Vermeidung von Fahrzeughalten auf Fußgängerüberwegen Bordsteinmindesthöhe 10 cm Anlage von Grünsteifen, Brüstungen oder Abschrankungen im Kreisverkehrsbereich bewirkt zusätzliche Trennung von Fahrbahn- und Fußgängerbereichen Vermeidung von kombinierten bzw. gemeinsamen Fuß- und Radwegen sowie von Radfahrstreifen auf der Kreisfahrbahn identische Fußgängerführungsform für alle Kreisverkehrsarme Ausdehnung der Querung in Zufahrtsstraßen max. 5 m zzgl. Querungsstellenbreite Vermeidung von Entwässerungsschächten u.ä. Hindernissen im Überquerungsbereich Anlage auch, wenn die nach R-FGÜ 2001 erforderliche Fahrzeugdichte bzw. Fußgängerfrequenz nicht vorliegt Mittelinsel-Breite in Gehrichtung 2,50 m seitliches Begrenzungsbord: Höhe 3 cm Absenkung über die gesamte Furtbreite optisch kontrastreiche Markierung der abgesenkten Bordsteinkante Rippenplatte mit Rippenabstand 20 mm Ausrichtung der Rippenstruktur in Gehrichtung der Furt Anlage auf Gehweg und Mittelinsel über die gesamte Furtbreite AMF-Tiefe 900 mm AMF-Anordnung direkt an die Bordsteinkante Steinnoppenplatte Anlage auf parallel zur Fahrbahn verlaufendem Gehweg über die gesamte Gehwegbreite Anlage rechtwinklig auf die Mitte des Querungsstellen-AMF ( T -förmige Anordnung der AMF, vgl. Abbildung 47) AMF-Tiefe mm deutlicher Kontrast zum verwendeten Gehwegbelag optimal: weißer Bodenindikator in Kombination mit schwarzen, fugenarmen, 30 cm breiten, beidseitigen Begleitstreifen insbesondere, damit blinde und sehbehinderte Fußgänger bei Gespannen nicht zwischen Fahrzeug und Anhänger geraten

178 Barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen in Bahnhöfen Vorbemerkung Die barrierefreie Gestaltung von Bahnanlagen hat im Zuge des im Jahr 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen 413 (BGG) an Bedeutung gewonnen. Ziel des Gesetzes ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu unterbinden, ihre gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensweise zu ermöglichen 414. Im Rahmen der Einführung des BGG wurde u. a. auch die EBO geändert. Eisenbahngesellschaften sind danach verpflichtet, die EBO so anzuwenden, dass die Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte Menschen und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis ermöglicht wird 415 sowie Programme aufzustellen, um eine möglichst weitgehende Barrierefreiheit von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erreichen (vgl. Kapitel 2). Vor der Aufstellung der Programme haben die Eisenbahnen die Pflicht, die Spitzenorganisationen der anerkannten Behindertenverbände anzuhören. 416 Darüber hinaus wird den nach 13 Abs.3 BGG anerkannten Verbänden von Menschen mit Behinderungen ein Verbandsklagerecht in verwaltungs- und sozialrechtlichen Angelegenheiten eingeräumt, d.h. es besteht die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften des BGG 417. Die Umsetzung der Barrierefreiheit kann hingegen nicht eingeklagt werden. Daraus folgt, dass bei Verstößen gegen das BGG im Bahnverkehr keine Verbandsklage gegen Eisenbahngesellschaften sondern nur gegen das EBA in ihrer Funktion als Genehmigungsbehörde möglich ist 418. Vor diesem Hintergrund reichten im Jahr 2004 zwei nach 13 Abs.3 BGG anerkannte Verbände Klage gegen eine vom EBA erteilte Umbaugenehmigung ein. Hierbei handelt es sich um den Bahnhof Oberkochen in Baden-Württemberg, welcher vor der Umbaumaßnahme über einen Haus- und einen Mittelbahnsteig verfügte, wobei der Mittelbahnsteig über einen höhengleichen Reisendenübergang erschlossen wurde. Stein des Anstoßes war nun, dass im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen der neu zu errichtende Mittelbahnsteig, welcher die beiden bisherigen Bahnsteige ersetzen soll, lediglich über eine Fußgängerunterführung mit zwei Treppen erreichbar wäre, woraus folglich eine Verschlechterung der Situation für Menschen mit Behinderungen resultieren würde. Als Begründung für die Nichtherstellung der Barrierefreiheit nennt die DB AG, dass der Bahnhof Oberkochen von weniger als Fahrgästen pro Tag genutzt werde, umfassende Barrierefreiheit bei der DB AG aber in der Regel erst ab dieser Reisendenzahl umgesetzt würde 419 (vgl. auch Kapitel 2.2.3). Die Verbandsklage wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren am abgewiesen. Wesentliche Begründung war, dass 2 EBO selbst keine Anforderungen an Bahn- 412 Version 1.1; unter Version 1.05 herausgegeben vom TMSFG, vgl. Rebstock et. al vgl. BGG 414 VDV 2003, S EBO 2, Abs Hennes 2003, S BGG 13, Abs VdK 2003, S DBSV 2004

179 170 anlagen stelle und die Vorschrift dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliege. So sei es unverhältnismäßig, bei jedem Umbau von Verkehrsstationen eine Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit zu unterstellen. Die Festlegung, vorrangig Stationen mit mindestens Fahrgästen pro Tag barrierefrei umzugestalten sei ein sachgerechtes Kriterium. Allerdings wird auch festgestellt, dass die Regelung in der EBO unvollkommen ist und daher über die Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu Bahnstationen einzelfallbezogen zu entscheiden sei, unabhängig davon, ob vor dem Umbau bereits ein barrierefreier Zugang bestand oder nicht 420. Ungeachtet dessen, dass die 1000er Regelung aus Rechtssicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist diese insbesondere in Flächenländern mit nur wenigen Ballungszentren prägend für die Nutzung des SPNV durch Menschen mit Behinderungen. Eine konsequente Anwendung dieser Regel ohne eine ausreichende Prüfung von Alternativen könnte dazu führen, dass viele Reisende mit Behinderungen erhebliche Anfahrwege zu barrierefreien Bahnstationen hinnehmen müssten bzw. den SPNV nicht zumutbar nutzen können. Die vorliegende Forschungsarbeit Barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen in Bahnhöfen möchte einen Beitrag zur o. g. Thematik über die barrierefreie Gestaltung von Bahnhöfen liefern, um einerseits die aktuelle Diskussion über ebenerdige Gleisquerungen zu versachlichen, indem die Rahmenbedingungen für die Einrichtung höhengleicher Reisendenübergänge im deutschen Bahnstreckennetz aufgezeigt und die spezifischen Anforderungen an diese Übergänge aus Sicht von Menschen mit Behinderungen dargestellt werden. Schließlich kann die ebenerdige Querung von Gleisanlagen nicht per se als barrierefrei bezeichnet werden, zumal es immer wieder zu schweren Unfällen beispielsweise an unbeschrankten Bahnübergängen kommt 421. Andererseits werden auch Alternativen einer ebenerdigen, barrierefreien Erschließung von Bahnsteigen vorgestellt, um den bei Umbauplanungen von Bahnhöfen beteiligten Akteuren über die klassischen Varianten einer Bahnsteigerschließung durch höhengleiche Reisendenübergänge oder höhenfreie Zugänge hinaus optionale Möglichkeiten der Herstellung barrierefreier Bahnsteigzugänge aufzuzeigen, die im Vergleich zur höhenfreien Bahnsteigerschließung kostengünstiger zu realisieren und zu betreiben sind. Die Autoren erhoffen sich, dass durch diese Publikation die Diskussion um finanzierbare Möglichkeiten einer barrierefreien Erschließung von Bahnanlagen neue Anregungen erfährt und dadurch künftig möglicherweise auch Bahnsteige barrierefrei zugänglich gemacht werden können, die derzeit noch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zum Opfer fallen. 420 Bundesverwaltungsgericht 2006, S.4ff. 421 So ereignete sich im Verlauf der Bearbeitung der vorliegenden Studie auf der Bahnstrecke Gotha-Gräfenroda ein tödlicher Unfall an einem technisch ungesicherten Fußgängerübergang, der nur mit Umlaufsperre gesichert ist. Obwohl der Triebfahrzeugführer vor dem Übergang Warnsignal gegeben hat, konnte eine 87-jährige Frau den Übergang nicht rechtzeitig verlassen und verstarb noch an der Unfallstelle (vgl. Suhler Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG 2006c).

180 Höhengleiche Reisendenübergänge in Bahnhöfen Um an Bahnhöfen den Zugang zu denjenigen Bahnsteigen herzustellen, die einer Querung des Gleises bedürfen, gibt es in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten die drei Möglichkeiten Personenüberführung (Fußgängerbrücke, z. T. mit Rampen / Aufzügen / Fahrtreppen / Treppenlift), Personenunterführung (Tunnel, z. T. mit Rampen / Aufzügen / Fahrtreppen / Treppenlift) und höhengleicher (Reisenden)Übergang (schienengleicher Bahnsteigzugang / ebenerdige Gleisquerung). Daneben existieren Sonderfälle bzw. -lösungen, z. B. die Realisierung einer niveaugleichen Gleisquerung außerhalb der Bahnhofsanlage über einen konventionellen Bahnübergang oder die Herstellung eines ebenerdigen Zugangs zu allen Bahnsteigen durch Neuordnung der Gleisinfrastruktur unter Vermeidung der Gleisquerung. Die DB AG differenziert drei Arten von Bahnsteigen nach ihrer jeweiligen Gleislage 422 : 1. Mittelbahnsteig (1 2 nutzbare Bahnsteigkanten; Lage zwischen den Bezugsgleisen) 2. Außenbahnsteig (1 nutzbare Bahnsteigkante; äußere Lage zum Bezugsgleis) 3. Zwischenbahnsteig (Mittelbahnsteig-Sonderform im Bestand Neuanlage unzulässig; 1 nutzbare, sehr niedrige Bahnsteigkante zum Bezugsgleis; abfallende Oberfläche zum anderen Gleis bzw. zum höhengleichen Reisendenübergang) Gemeinhin dienen höhengleiche Reisendenübergänge (RÜ) der Erschließung von Mittelbzw. Zwischenbahnsteigen, in Sonderfällen aber auch von Außenbahnsteigen. Die DB AG unterscheidet sieben Arten höhengleicher Reisendenübergänge in Bahnhöfen, die sich an den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten am Bahnhof, der vorhandenen Streckenart sowie der Anzahl zu querender Gleise orientieren. Grundsätzlich verbinden die Querungen entweder zwei Bahnsteige miteinander oder einen Bahnsteig mit einer Bahnanlage bzw. dem öffentlichen Verkehrsraum 423. In Anhang 24 sind die verschiedenen Arten von höhengleichen Reisendenübergängen nach Festlegung der DB AG skizziert. Gegenwärtig erfolgt auf ca. 700 Bahnhöfen und Haltepunkten im Streckennetz der DB AG der Bahnsteigzugang über einen höhengleichen Reisendenübergang 424. Die Anlage höhengleicher Reisendenübergänge hat im Zuge des Inkrafttretens des BGG an Bedeutung gewonnen, da diese prinzipiell eine kostengünstige Alternative zu aufwendigen Tunnel- oder Überführungslösungen in Bahnhöfen darstellt. Bisher ist die gängige Praxis beim Um- bzw. Neubau kleiner Verkehrsstationen mit Über- bzw. Unterführungen, oftmals lediglich eine Treppenlösung zu realisieren und auf vertikale Transporthilfen aus Kostengründen zu verzichten. Aus Sicht der Barrierefreiheit ist dies negativ zu beurteilen, da so die Neuerrichtung bzw. Instandsetzung von Bahnhöfen entweder nicht barrierefrei erfolgt 425 oder verhältnismäßig teuer wird, wenn Aufzüge oder lange Rampenbauwerke vorgehalten werden müssen. 422 DB AG 2005a, S DB AG 2004a, S DB PV GmbH 2005, S Die DB AG nennt als Untergrenze für Bahnhöfe, die bei Neubauten bzw. umfassenden Umbauten barrierefrei ausgebaut werden, eine Reisendenzahl von pro Tag. Bei Stationen mit geringer Reisendenfrequenz erfolgt bei Neubauten und umfassenden Umbauten der barrierefreie Ausbau grundsätzlich ebenfalls, lediglich werden dabei besonders kostenaufwendige Ausbaumaßnahmen, wie der Bau von Aufzügen oder langen Rampenbauwerken zusätzlich zu Treppenanlagen nur bei besonderem Bedarf [ ] umgesetzt. (DB PV GmbH 2005, S.16)

181 172 Aus diesem Grund sollten an kleinen Verkehrsstationen mit geringer Reisendenfrequenz höhengleiche Reisendenübergänge bevorzugt angelegt werden 426. Zu beachten ist allerdings, dass einerseits derartige ebenerdige Gleisquerungen insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen eine erhebliche Erleichterung bedeuten, diese jedoch andererseits ein beträchtliches Gefahrenpotential durch ein- und ausfahrende Züge mit sich bringen. Daher ist es unerlässlich, einheitliche Mindestanforderungen zu definieren, welche die hohen Sicherheitsbedingungen erfüllen und die Prinzipien der barrierefreien Gestaltung im Sinne des Design für Alle 427 berücksichtigen. Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen sowie der derzeitige Forschungsstand zur barrierefreien Gestaltung von höhengleichen Übergängen dokumentiert und daraus gemeinsam mit Vertretern des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Thüringen e. V. Lösungsmöglichkeiten für eine optimierte Gestaltung abgeleitet Rechtlicher Rahmen zur Gestaltung höhengleicher Reisendenübergänge In der Eisenbahnbau- und -betriebsordnung ist in 11 Abs.1 erläutert, dass höhengleiche Kreuzungen von Eisenbahnen mit Straßen, Wegen und Plätzen als Bahnübergänge gelten, jedoch Übergänge für Reisende an Bahnhöfen nicht zu dieser Gruppe gezählt werden. Somit sind höhengleiche Reisendenübergänge keine Bahnübergänge im eigentlichen Sinne und demnach gesondert zu betrachten. In 13 Abs.4 EBO wird auf die Sorgfaltspflicht zur Sicherung der Reisenden an höhengleichen Übergängen hingewiesen. Zudem sind bei Bahnstrecken, die mit einer Geschwindigkeit von mehr als 160 km/h befahren werden, höhengleiche Reisendenübergänge generell nicht zulässig. Darüber hinaus legt 63 Abs.2 EBO fest, dass geschlossene Absperrungen an Übergängen für Reisende [ ] als Verbot [gelten], die Gleise zu überschreiten, auch wenn die Absperrungen zwischen oder hinter den Gleisen angebracht sind. 428 Da die EBO demnach lediglich auf die Sicherungspflicht von höhengleichen Reisendenübergängen hinweist, aber keine konkreten Sicherungsmaßnahmen aufführt, regeln die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Bedingungen von höhengleichen Reisendenübergängen in ihren betrieblichen Vorschriften (vgl. Kapitel 5.2.4). Höhengleiche Reisendenübergänge im Streckennetz der DB AG unterliegen der Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt, die Grundlage hierfür bildet ein Antrag nach 18 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG). Die Zulassung beruht auf Einzellfallprüfungen in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten sowie den vorhandenen Sicherungseinrichtungen. Für eine Genehmigung müssen im Rahmen der Einzelfallprüfung folgende Punkte erfüllt sein (vgl. Kapitel 5.2.4): Einhaltung der Vorschriften aus Richtlinie Reisendensicherung auf höhengleichen Übergängen betrieblich planen 429 (vgl. Kapitel 5.2.4) Planungsunterlagen beinhalten die Ergebnisse aus der Berechnung des MS Excel- Macros Programm RÜ-BE (vgl. Kapitel 5.2.4) für den betrachteten Reisendenüberweg 426 vgl. BMVBW 1998, S zum Konzept des Design für Alle vgl. EDAD 2005, S EBO, 63, Abs vgl. DB AG 2004a

182 173 Übereinstimmung der RÜ-BE-Eingabeparameter mit der Örtlichkeit aus den Vorgaben der Richtlinie ergibt sich im konkreten Planungsfall kein sicherheitskritischer Interpretationsspielraum Sicherung höhengleicher Reisendenübergänge an Bahnhöfen Grundlage für die Sicherungspflicht höhengleicher Reisendenübergänge an Bahnhöfen bildet 4 AEG, welcher die allgemeinen Sicherheitspflichten von Eisenbahnen regelt. Wie bereits erwähnt, weist die EBO aber nur auf die Sorgfaltspflicht zur Sicherung der Reisenden an höhengleichen Übergängen hin, nennt jedoch keine konkreten Sicherungsmaßnahmen. Die Sicherheitsmaßregeln von höhengleichen Übergängen obliegen den Eisenbahninfrastrukturunternehmen und sind in deren betrieblichen Vorschriften geregelt. Diese können je nach Unternehmensregelwerk voneinander abweichen. Tendenziell kann für die sog. NE-Bahnen aber konstatiert werden, dass, im Gegensatz zu den im Folgenden beschriebenen einheitlichen Regelungen der DB AG, örtlich differenzierte Regelungen zur Anwendung kommen. Hierbei ist u. a. zu beachten, dass NE-Bahnen vornehmlich eine andere Organisationsstruktur aufweisen (z. B. Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen in einem Unternehmen). Ferner ist festzustellen, dass die vorwiegend im Einsatz befindlichen baulichen Maßnahmen zur Reisendensicherung in Form von Licht- und Tonsignal sowie Umlaufsperre (ULS) zu einem adäquaten Sicherheitsniveau wie bei der DB AG führen 431. Beispielsweise hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen Thüringer Eisenbahn GmbH (ThE) in seiner Sammlung betrieblicher Vorschriften die konkreten Reisendensicherungsmaßnahmen an höhengleichen Reisendenübergängen in Abhängigkeit der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten festgelegt. Die Art und Weise der personalbasierten Reisendensicherung ist an die unterschiedlichen Varianten von baulichen Sicherungsmaßnahmen angepasst 432. Die DB AG regelt die Anlage von höhengleichen Übergängen sowie die Art der Reisendensicherung in ihren Konzernrichtlinien. So ist vorgeschrieben, dass Reisendenübergänge nur bis zu einer durchschnittlichen Reisendenanzahl von pro Tag zulässig sind. Darüber hinaus sollte die Übergangsbreite mindestens 2,40 m betragen, die Gesamtbreite ist auf maximal 5 m begrenzt. Die Länge des zurückzulegenden Weges von Bahnsteigkante zu Bahnsteigkante darf 20 m nicht überschreiten, eine Querung von mehr als zwei Hauptgleisen ist unzulässig 433. Generell sollte die Bahnsteigerschließung bis zu Höhendifferenzen von maximal 5,50 m als Rampe oder Gehweg unter Beachtung der DIN gestaltet werden 434. Ist die ebenerdige Querung der Gleise zulässig, soll für die Reisenden mittels Sicherungsmaßnahmen eine gefahrlose Überquerung der Gleise zum Betreten oder Verlassen des Bahnsteiges ermöglicht werden 435. Wie bereits erwähnt, ist das für den Fahrweg zuständige 430 EBA 2004, S.2f. 431 Brückmann / Schedel / Wieczorek 2005, S Weber DB AG 2004a, S.3ff. 434 DB AG 2005b, S DB AG 2004b, S.1

183 174 Eisenbahninfrastrukturunternehmen verantwortlich für die Sicherung der Reisendenübergänge. Zur Erfüllung der Sicherungspflicht regelt zumeist das örtliche Personal der DB Netz AG den Zugang für Reisende zum Bahnsteig 436. Hierbei ist nach den Bestimmungen der örtlichen Richtlinien zu verfahren 437. So muss sichergestellt sein, dass die Reisenden vor der jeweiligen Zugeinfahrt informiert werden. Dazu ist es notwendig, dass der zuständige Mitarbeiter den Reisendenübergang einsehen kann, um gefährdete Reisende gegebenenfalls ansprechen zu können. Diese Aufgabe kann auch vom Fahrpersonal übernommen werden. Die Sicherung muss solange aufrechterhalten werden, wie mit zu- bzw. abgehenden Reisenden zu rechnen ist. Grundsätzlich dürfen höhengleiche Zugänge zu den Bahnsteigen nur dann offen gehalten werden, wenn die Sicherung gemäß den o. g. Maßnahmen gewährleistet ist bzw. wenn Absperrungen zwischen oder hinter den Gleisen vorhanden und die Absperrungen geschlossen sind [ ] oder [ ] bis zu 15 Minuten vor der Ankunft planmäßig haltender Züge für den Personenverkehr. 438 Ist in Ausnahmefällen die Reisendensicherung nicht möglich, müssen einfahrende Züge am letzten rückgelegenen Hauptsignal halten. Zusätzlich hat der Triebfahrzeugführer auf Sicht zu fahren sowie vor dem Übergang Signal zu geben 439. Neben der o. g. personalbasierten Reisendensicherung ist es allerdings im Verlauf des fortschreitenden Abzuges von örtlichem Personal oftmals unerlässlich, eine Sicherung der Querungsstellen durch bauliche Maßnahmen vorzunehmen 440. Demgemäß werden von der DB AG auf Grundlage unterschiedlicher Einflussfaktoren die Mindestanforderungen von baulichen Sicherungsmaßnahmen für die Reisenden zur Querung der Bahngleise bestimmt. Hierbei sind Lösungen anzustreben, die bei Gewährleistung der Sicherheit für die Reisenden möglichst wirtschaftlich und technisch einfach zu realisieren sind. 441 Die ausschlaggebenden Einflussfaktoren sind: Fahrgastaufkommen Anzahl, Richtung und Geschwindigkeit der Züge, die vor dem Reisendenübergang verkehren bzw. diesen überqueren Sichtweiten der Fahrgäste auf die Bahntrasse Sichtverhältnisse des Triebfahrzeugführers auf die Gleisquerung Lage und Ausführung der Gleisquerung 442 Eine Gewichtung und Klassifizierung dieser Einflussfaktoren ist Grundlage für die Auswahl der als geeignet betrachteten baulichen Sicherungsmaßnahmen. Die DB AG sieht dabei je nach Gefährdungssituation folgende Maßnahmen vor: 436 DB PV GmbH 2005, S DB AG 2004c, S DB AG 2004b, S ebenda S DB PV GmbH 2005, S Brückmann 2004, S DB AG 2004a, S.4

184 Warntafel 2. Warntafel mit Licht- und Tonsignal 3. Warntafel mit Umlaufsperre 4. Warntafel mit Schranke, Licht- und Tonsignal Sollte die Einrichtung einer Umlaufsperre vorgesehen sein, dürfen durchschnittlich nicht mehr als 50 Reisende pro haltenden Zug ein- bzw. aussteigen, ansonsten sind andere Maßnahmen anzuwenden 443. Anhang 25 zeigt Beispiele für die unterschiedlichen Sicherungsmaßnahmen an höhengleichen Reisendenübergängen. In Abbildung 48 ist die Allgemeinausführung für höhengleiche Reisendenübergänge mit Umlaufsperre nach dem Regelwerk der DB AG aufgeführt. Demnach ist für Umlaufsperren an Reisendenübergängen eine Mindestbreite von 1,30 m und eine integrierte Rotationsfläche 1,30 m x 2,70 m einzuhalten, bei baulichen Zwangspunkten kann die Mindestdurchgangsbreite allerdings auf 0,90 m bei einer Ausfahrtsbreite in Richtung Reisendenübergang 1,50 m reduziert werden (integrierte Rotationsfläche 1,90 m x 1,90 m - vgl. Anhang 26). Zu beachten ist, dass die Reisenden rechtwinklig auf direktem Weg über die Gleise geführt werden (vgl. hierzu auch Kapitel 5.2.5). Abbildung 48: Planskizze für Reisendenübergänge mit Umlaufsperre Allgemeinausführung DB AG DB AG 2004a, S skizziert nach: DB AG 2005b, Anlage 02, S.1 Legende vgl. Anhang 26

185 176 Das Lichtsignal (Einfach- oder Doppellicht) ist beidseitig in LED-Technik mit roter Farbe und einem Leuchtfelddurchmesser von 200 mm sowie in einer Anordnungshöhe von 2,65 m auszuführen. Schrankenanlagen müssen als Vollschranken mit Schrankenbaum ohne Behang unter Berücksichtigung eines Mindestabstandes zwischen Schranke und Gleis von 3,30 m gebaut werden, um auch für Rollstuhlnutzer bei Einschluss zwischen den Schranken einen ausreichend bemessenen Fluchtraum zu gewährleisten 445. Wie bereits in Kapitel erwähnt, ist als Entscheidungshilfe über die Art der Sicherungsmaßnahme an RÜ im Streckennetz der DB AG der Einsatz des MS-Excel-Macros Programm RÜ-BE (vgl. Abbildung 49) obligatorisch. Für die Klassifikation des Gefahrenpotentials ist neben der Art des höhengleichen Reisendenüberganges (vgl. Anhang 24) die Anfahrt des Zuges auf den Übergang ausschlaggebend. Dabei findet ein abgestuftes System Verwendung, welches sich nach dem Gefahrenpotential des einfahrenden Zuges gliedert (Stufe 1 geringstes bis Stufe 6 höchstes Gefahrenpotential für Reisende): 1. Zug hält vor dem Übergang und befährt diesen nie, die Entfernung beträgt > 20 m 2. Zug hält vor dem Übergang und befährt diesen nie, die Entfernung beträgt 20 m 3. Zug fährt Richtung Übergang an, Entfernung 20 m 4. Zug fährt Richtung Übergang an, Entfernung > 20 m 5. Zug fährt über den Übergang, Geschwindigkeit 40 km/h 6. Zug fährt über den Übergang, Geschwindigkeit > 40 km/h 446 Abbildung 49: Maske MS-Excel-Macro Programm RÜ-BE Hildebrand DB AG 2004a, Anhang 02, S verändert nach: Kaiser 2006, Anlage 13

186 177 Für die Gefahrenstufen 1 und 2 gilt, dass keine Zugstraßen über den höhengleichen Reisendenübergang hinweg verlaufen dürfen. Stufe 3 und 4 bedingen, dass für die Befahrung des Reisendenüberganges nur Ausfahrzugstraßen zugewiesen werden dürfen, Durchfahrten müssen signaltechnisch ausgeschlossen sein 448. Zudem sind die nichttechnischen Sicherungsmaßnahmen Warntafel und Umlaufsperre [ ] bei den Gefahrenstufen 1-4 nur dann [ ] [zulässig], wenn die Einfahrgeschwindigkeit max. 40 km/h beträgt [ ] [und] bei den Gefahrenstufen 5 und 6 nur [ ], wenn die Einfahrgeschwindigkeit max. 20 km/h beträgt. 449 Ergänzend ist an höhengleichen Reisendenübergängen die Anbringung von Bodenmarkierungen zur Kenntlichmachung des Übergangs sowie als Leiteinrichtung für blinde und sehbehinderte Reisende vorgesehen. Jedoch wird die Gestaltung nicht näher definiert, sondern basiert auf der Abstimmung mit der DB Station & Service AG sowie einer Anpassung an eventuell vorhandene Leiteinrichtungen 450 unter Berücksichtigung der bahninternen Richtlinie Bahnsteige konstruieren und bemessen 451. Grundsätzlich gilt aber, dass beim Neuund Umbau von Bahnsteigen ein taktiles Leitsystem mit Anschluss an die Hauptzugangswege unter Berücksichtigung der DIN (vgl. Kapitel 5.2.5) vorzusehen ist 452. In Bezug zur Beurteilung des Gefahrenpotentials an höhengleichen Reisendenübergängen durch das MS-Excel-Macro Programm RÜ-BE (vgl. Abbildung 49) ist festzustellen, dass Risikoabschätzungen innerhalb des Macros grundsätzlich zur sicheren Seite hin getroffen wurden, d.h. dass Fehlerwahrscheinlichkeiten verdoppelt und Abschätzungen konservativ erstellt wurden, anstatt Mittelwerte zu nutzen 453. Zur Abschätzung des Gefahrenpotentials wurde ein Modell entwickelt, welches auf folgenden Einflussbereichen basiert: 1. Gefährdungspotential aufgrund Betriebsprogramm und Reisendenaufkommen [ ] 2. Fehlentscheidungen des Reisenden [ ] 3. Unfallvermeidungsverhalten im konkreten Gefährdungsfall [ ] Unfälle können sich [nach diesem Modell] nur aus dem Zusammenwirken aller drei Einflussbereiche ergeben. 454 Da die o. g. Gefahrenabschätzung grundsätzlich einzelfallbezogen und ortsabhängig ist, demzufolge aber das Problem auftritt, bei Fahrplanänderungen das Risiko neu berechnen zu müssen, wurde das System so angelegt, dass diejenigen Elemente mit dem größten Risiko in ihrer jeweiligen Kategorie die Bemessung des Gefahrenpotentials bestimmen. Durch diese Abschätzungsmethode wird sichergestellt, dass auch bei Modifikation einzelner Elemente keine Risiko-Neuberechnung notwendig wird 455. Die spezifischen Belange von Menschen mit Behinderungen sind allerdings im Gegensatz zu Schülern und Touristen (vgl. Abbildung 49) in die Risikoberechnung nicht explizit eingeflossen, da mobilitätsbehinderte und alte Menschen [ ] von möglichen Beschränkungen ihrer Wahrnehmung [wissen und] die 448 DB AG 2004a, S.4f. 449 ebenda S vgl. DB AG 2004a, Anhang 01, S vgl. DB AG 2005a 452 ebenda S Brückmann / Schedel / Wieczorek 2005, S.455f. 454 ebenda S ebenda S.457

187 178 Risikoanalyse [ ] davon aus[geht], dass sie sich entsprechend vorsichtiger im Bahnhofsbereich verhalten 456. Unabhängig davon, ob dieser Zusammenhang überhaupt besteht, ist diese Argumentation allerdings schon alleine aus Gesetzessicht (BGG, Antidiskriminierungsgesetz) inakzeptabel, da letztlich unterstellt wird, dass mobilitätseingeschränkte Menschen die Verlangsamung ihrer Fortbewegung billigend in Kauf zu nehmen haben Empfehlungen aus der Fachliteratur zur barrierefreien Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen in Bahnhöfen Höhengleiche Reisendenübergänge fanden bisher nur vereinzelt Eingang in die Fachdiskussion zur Gestaltung von barrierefreien öffentlichen Verkehrsräumen, infolgedessen gibt es speziell zu dieser Problematik nur wenige Quellen. Dennoch können einige Ausführungen der spezifischen Fachliteratur entnommen werden: So weist z. B. das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen darauf hin, dass ebenerdige Gleisquerungen wo immer möglich zugelassen werden [sollten]. Der Weg muss [ ] in Abhängigkeit von der örtlichen und verkehrlichen Situation mit technischen Sicherungsanlagen ausgestattet werden. 457 Ferner wird auf die generelle Herstellungsmöglichkeit von höhengleichen Zugängen nach 13 Abs.4 EBO (vgl. Kapitel 5.2.4) verwiesen 458. Gestaltungsvorschläge sind allerdings nicht aufgeführt. Die Europäische Kommission Generaldirektion Verkehr stellt fest, dass bei höhengleichen Reisendenübergängen darauf zu achten ist, dass die Schienenaussparungen für die Zugräder kein Hindernis für Rollstuhlfahrer oder für Personen mit Stöcken oder Krücken bilden [(vgl. Abbildung 50)]. Wird ein niveaugleicher Übergang nicht überwacht (zum Beispiel ein Übergang für Gepäckwagen, der nicht in erster Linie für Fahrgäste bestimmt ist) müssen behinderte Fahrgäste beim Überqueren der Gleise begleitet werden. 459 Es werden aber keine konkreten Standards zur Reisendensicherung genannt, sondern auf die Beachtung der nationalen Vorschriften der Eisenbahnen verwiesen. Grundsätzlich wird allerdings die Meinung vertreten, dass das Überqueren der Gleise aus den o. g. Gründen zu vermeiden sei. Es wird aber auch festgestellt, dass ein höhengleicher Übergang in kleinen, unbesetzten Verkehrsstationen mit geringen Reisendenzahlen eventuell die einzige praktikable Lösung sein kann. Als Standard für die Schienenaussparungen wird ein Spalt von maximal 2 cm empfohlen, als Minimalstandard ist das Standardspaltmaß von 7 cm aufgeführt. Darüber hinaus dürfen Längsneigungen zur Erschließung des Reisendenüberganges 6 % nicht überschreiten 460. Anhang 27 zeigt die Maße für die Gestaltung höhengleicher Reisendenübergänge. Zu beachten ist, dass die Spurrille entlang der Schieneninnenseite im deutschen Bahnstreckennetz auch am Bahn- oder Reisendenübergang systembedingt eine Breite von mindestens 4,5 cm aufweist Brückmann / Schedel / Wieczorek 2004, S BMVBW 1998, S ebenda S Europäische Kommission Generaldirektion Verkehr 1999, S ebenda S.202f. 461 vgl. Fiedler 2005, S.185

188 179 Abbildung 50: Querungsschwierigkeiten für Rollstuhlnutzer an ebenerdigen Gleisquerungen 462 Allerdings wurden in Österreich zwei Systeme zur Spurrillenüberbrückung an Bahnübergängen auf Gummi- bzw. Kunststoffbasis entwickelt und befinden sich derzeit im praktischen Test 463 : Spurrillenüberbrückungssystem für Nachrüstung bestehender Platten (Zugüberfahrt bis maximal 40 km/h) VeloSTRAIL-System (Zugüberfahrt bis maximal 120 km/h Erprobungsphase) Die erstgenannte Lösung wird in die Spurrillen eingesetzt und überbrückt bis zu 7 cm breite und bis zu 13 cm tiefe Spalten. Das Material (Gummi) ist einerseits weich genug, um beim Überfahren einer Bahn nachzugeben und andererseits fest genug, um ein sicheres Überqueren durch Rollstuhlnutzer sicherzustellen (vgl. Abbildung 51 links). Falls sich der Einsatz in der praktischen Erprobung bewährt, soll diese Methode in Österreich Standard für alle höhengleichen Bahn- und Reisendenübergänge werden 464. Das VeloSTRAIL-System (vgl. Abbildung 51 rechts) basiert auf einer Kunststoff-Gleisplatte (Gleiseindeckungsplatte), welche in der Ausgangsstellung die Schienenaussparung schließt und bei einer Zugüberfahrt nach unten weggedrückt wird. Für das VeloSTRAIL-System wurde die Zulassung für das österreichische, schweizerische und deutsche Bahnstreckennetz beantragt 465. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) empfiehlt, für Zugangsstellen des SPNV mit Außenbahnsteigen (vgl. Kapitel 5.2.2) zumindest an einem Bahnsteigende einen stufenlosen Zugang zu ermöglichen. Dieser Zugang sei mittels einer Rampenlösung dann relativ einfach und preisgünstig zu realisieren, wenn die Gleisquerung ebenerdig erfolgt und mittels Schranke bzw. Umlaufsperre gesichert ist. Als Gestaltungsvorschlag wird auf die DIN verwiesen (vgl. Anhang 28 und Anhang 29). Einschränkend wird angemerkt, dass die ebenerdige Gleisquerung für Rollstuhlnutzer aufgrund von Unebenheiten sowie insbesondere wegen den Schienenaussparungen problematisch sein kann (vgl. Abbildung 50). 462 Quelle linkes Bild: VDV 2003, S. 299, Bild 13/2c 463 Skowronek Ladstätter Gummiwerk Kraiburg Elastik GmbH o. J.

189 180 Abbildung 51: Neuartige Spurrillenüberbrückungssysteme in Österreich (Testphase) 466 Zudem wird darauf hingewiesen, dass höhengleiche Bahnsteigzugänge [ ] im SPNV nur unter Beachtung sicherheitsrelevanter Bedingungen hergestellt werden [dürfen]. 467 Das Institut Verkehr und Raum der Fachhochschule Erfurt betont die Notwendigkeit, höhengleiche Reisendenübergänge mit einer eindeutigen Signalgebung nach dem Mehr-Sinne- Prinzip auszustatten 468. Das Deutsche Institut für Normung e. V. behandelt in der DIN Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum Bahnübergänge im Sinne des 11 Abs.1 EBO zu denen die höhengleichen Reisendenübergänge nicht gezählt werden (vgl. Kapitel 5.2.3) dennoch sind aufgrund der gleichartigen Charakteristik einige der Empfehlungen auch auf höhengleiche Reisendenübergänge übertragbar: Die DIN unterscheidet zunächst zwischen unbeschranktem und beschranktem Bahnübergang. Für den unbeschrankten Bahnübergang ist ein Aufmerksamkeitsfeld (AMF) in einem Abstand von mindestens 3 m vor der Gleisachse des vorausliegenden Gleises vorzusehen. Sollten mehrere Gleise zu überqueren sein, so ist das AMF nur vor dem ersten und dem letzten Gleis des Übergangsbereiches anzubringen. Bei einem unbeschrankten Bahnübergang, der als sogenannter Z-Übergang mit Sichtführung zum Richtungsgleis (Überlappung der Spitzen des Z von 1,50 m 469 ) durch eine Umlaufsperre gesichert ist 470, sollte im Wartebereich des Überganges ein AMF nicht kleiner als 0,90 m x 0,90 m installiert sein. Dieses darf jedoch nicht über den Wartebereich hinaus in den Gleisbereich hineinragen. Das Rillenprofil ist bei diesem AMF so auszurichten, dass es auf den jeweils gegenüberliegenden Signalmast des Bahnüberganges weist 471 (vgl. Anhang 28). Zu beachten ist allerdings, dass die Querung im Gegensatz zu den Vorschriften der DB AG (vgl. Abbildung 48 in Kapitel und Anhang 30) in einem ca. 45 %-Winkel verläuft (vgl. Abbildung 52 und Anhang 28). 466 Quelle linkes Bild: Ladstätter 2005; Quelle rechtes Bild: Gummiwerk Kraiburg Elastik GmbH, Tittmoning 467 VDV 2003, S Gather / Rebstock 2004, S vgl. Rabe 2003, S Generell sind Umlaufsperren an Bahnübergängen so anzuordnen, dass Fußgänger [ ] vor Überschreiten der Gleise dem sich nähernden Zug entgegensehen. (Fiedler 2005, S.189) 471 DIN 32984, S.7ff.

190 181 Abbildung 52: Z-Überweg auf freier Strecke 472 Handelt es sich um einen beschrankten Bahnübergang, so ist ein AMF von mindestens 0,90 m Tiefe über die volle Gehwegbreite in einem Abstand von 1 m vor der Schrankenanlage zu installieren, die Rillenstruktur ist in Gehrichtung auszurichten 473 (vgl. Anhang 29). Unabhängig von einer Beschrankung des Überganges, sind Leitstreifen im eigentlichen Gleisbereich nicht zulässig. Ergänzend zu den Aufmerksamkeitsfeldern sind akustische Signale nach DIN [474] bzw. Orientierungs- und Freigabesignale (akustisch plus taktil) nach DIN [475] mit Bedarfsanforderung und bei sogenanntem Dauergrün mit zeitlich begrenzter Signaldauer des akustischen und taktilen Freigabesignales einzusetzen. Es ist sicherzustellen, dass bei Zugannäherung das akustische und taktile Freigabesignal so rechtzeitig gesperrt wird, dass die Räumung eines unbeschrankten bzw. z-förmigen Übergangs auch mit einer Räumgeschwindigkeit von 0,8 m/s sicher möglich ist. 476 Das akustische Warnsignal muss sich gemäß DIN-Fachbericht 124 in Schallpegel und Frequenzbereich deutlich von den Umgebungsgeräuschen [ ] unterscheiden. Das Signal-Rausch-Verhältnis [ ]sollte mindestens 10 db(a) betragen. [ ] Eine automatische Anpassung an wechselnde Störschallpegel sollte angestrebt werden 477 Die Bewegungsfläche zwischen Umlaufschranken beträgt nach DIN mindestens 1,30 m 478, die Bewegungsfläche davor 1,50 x 1,50 m 479. Darüber hinaus wird für Zugänge zu öffentlichen Verkehrsmitteln [ ] [auf die o. g.] Orientierungshilfen (für Blinde und Sehbehinderte mit Bodenindikatoren nach [ ] DIN 32984) [ ] [verwiesen. Zudem müssen] Ausstattungen [ ] optisch kontrastierend wahrnehmbar und ohne Unterschneidungen ausgebildet sein. 480 Die aktuelle Version der E DIN lässt hingegen bei Umlaufschranken eine Mindestdurchgangsbreite von 0,90 m zu (vgl. Anhang 31), ähnlich wie bei Umlaufsperren mit baulichem Zwangspunkt an Reisendenübergängen im Streckennetz der DB AG (vgl. Anhang 26). 472 Stuttgarter Straßenbahnen AG o. J. 473 DIN 32984, S vgl. DIN 32974, S.7, Tabelle vgl. DIN 32981, S.3ff. 476 DIN 32984, S DIN-Fachbericht 124, S.29f. 478 DIN , S ebenda S ebenda S.9

191 182 Umlaufsperren an Bahnübergängen kommen auch im Regelwerk der DB AG zur Sicherung der Fußgänger und Radfahrer zum Einsatz. Der Abstand der Sperren zur Gleismitte beträgt dabei 3 m. Zur Ausführung dieser Umlaufsperre schreibt die Deutsche Bahn AG allerdings vor, dass, entgegengesetzt zur DIN sowie zu den Maßen für Standard-Umlaufsperren bei höhengleichen Reisendenübergängen (vgl. Abbildung 48 in Kapitel 5.2.4) mit 130 cm Mindestdurchgangsbreite, aufgrund höherer Sicherungsanforderungen schmalere Bewegungsflächen vorzusehen sind. Die Abmaße für Umlaufsperren an Bahnübergängen sind in Anhang 30 dargestellt. Zur visuellen Kennzeichnung ist vorgegeben, dass die konstruktiven Teile von Umlaufsperren auffällig (weiß/rot) hervorzuheben sind 481. Darüber hinaus trifft die DB AG in ihrem Programm zur Barrierefreiheit im Schienenpersonenverkehr grundsätzliche Aussagen zur Herstellung der Barrierefreiheit an höhengleichen Reisendenübergängen. Zunächst stellt die DB AG die Sicherungspflichten an höhengleichen Übergängen für einen reibungslosen Eisenbahnbetrieb und eine Minimierung der Gefährdung von Personen in den Vordergrund. Es wird darauf verwiesen, dass diese Aufgabe vorwiegend über das örtliche Personal abgewickelt wird. Indes wird auch festgestellt, dass z. B. bei Abzug dieses Personals, aber auch bei Neueinrichtung eines höhengleichen Übergangs als Ersatz für den Rückbau einer bestehenden Fußgängerunterführung, der höhengleiche Reisendenübergang unter Beachtung bahninterner Sicherheitsrichtlinien (vgl. Kapitel 5.2.4) eine gangbare Lösung ist. Im Rahmen von Neu- und umfassenden Umbauten sollen an Bahnübergängen Bodenindikatoren im Gehwegbereich sowie akustische Signale bei Fußund Radwegen eingebaut werden. Bei Übergängen mit Umlaufsperre verpflichtet sich die Bahn dahingehend, dass die Abmessungen der Umlaufsperre so gewählt werden, dass Rollstuhlfahrer sie problemfrei nutzen können 482. Der Unterausschuss Verkehrssicherheit an Bahnübergängen des Bund-Länder-Fachausschusses Straßenverkehrsordnung berücksichtigt im Leitfaden zur Durchführung von Bahnübergangsschauen im Rahmen einer Prüfliste u. a., ob am Bahnübergang Bodenindikatoren nach DIN eingebaut wurden und ob der Übergang auch für Ortsfremde erkennbar ist 484. Ferner ist ein Regelplan für Rad- und Fußwege mit Umlaufsperre (retroreflektierende, rot / weiße Gestaltung) enthalten, Bodenindikatoren und weitergehende barrierefreie Maßnahmen sind allerdings im Plan nicht explizit dargestellt (vgl. Anhang 32). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die o. g. Aussagen der Fachliteratur i. W. auf Bahnübergänge beziehen und speziell zur Gestaltung höhengleicher Reisendenübergänge wenig konkret sind. Dies kann u. a. darauf zurückgeführt werden, dass die Sicherung der Reisendenübergänge im Verantwortungsbereich der Eisenbahnunternehmen liegt und durch deren internen Richtlinien geregelt ist. Zudem widersprechen sich die Aussagen teilweise, so empfiehlt z. B. das BMVBW an möglichst vielen Nebenbahnhöfen höhengleiche Reisendenübergänge einzurichten, während die EU-Kommission höhenfreie Bahnsteigzugänge propagiert. Gleichwohl können aus der Fachliteratur einige wichtige Gestaltungsempfehlungen für barrierefreie höhengleiche Reisendenübergänge abgeleitet werden. 481 DB AG 2002, S.7f. 482 DB PV GmbH 2005, S DIN beinhaltet jedoch keine Norm für Bodenindikatoren, sondern verweist auf DIN 32984, vgl. DIN , S.5ff. 484 BLFA StVO 2003, Anhang 1, S.4

192 Alternative höhengleiche Erschließungsmöglichkeiten von Bahnsteigen Die Anlage höhengleicher Reisendenübergänge hat im Zuge des Inkrafttretens des BGG an Bedeutung gewonnen, da diese prinzipiell eine kostengünstige Alternative zu aufwendigen Tunnel- oder Überführungslösungen in Bahnhöfen darstellen. Allerdings ist keine grundsätzliche Festlegung für die Einrichtung höhengleicher oder höhenfreier Übergänge möglich, da beide Varianten Vor- und Nachteile haben. So haben höhengleiche Übergänge den Vorteil einer geringeren Zugangsbarriere gegenüber höhenfreien Zugängen insbesondere auch für Menschen mit Behinderungen. Nachteilig wirkt sich aber das erhöhte Gefährdungspotential höhengleicher Übergänge aus, hinzu kommt die Behinderung der Reisenden bei Verlassen bzw. Betreten des Bahnsteiges durch technische Sicherungen 485. Aus diesen Gründen ist es angebracht, neben der Prüfung einer Einrichtung von höhengleichen Reisendenübergängen, auch alternative Möglichkeiten zur barrierefreien Erschließung von Bahnsteigen aufzuzeigen. Hier erscheint insbesondere die niveaugleiche Gleisquerung außerhalb der Bahnhofsanlage über einen konventionellen Bahnübergang zweckmäßig (vgl. Kapitel a), aber auch Lösungen, die eine Gleisquerung gänzlich überflüssig machen, könnten im Einzelfall eine gangbare Lösung sein (vgl. Kapitel b). Grundsätzlich ist die Einrichtung höhengleicher Reisendenübergänge nicht an jedem Bahnhof bzw. Haltepunkt zulässig (vgl. Kapitel und 5.2.4). Ausschlusskriterien nach der EBO und dem Regelwerk der DB AG für die Einrichtung höhengleicher Reisendenübergänge sind: Streckenhöchstgeschwindigkeit > 160 km/h Anzahl zu querender Gleise > 2 durchschnittliche Reisendenanzahl > pro Tag Länge des zurückzulegenden Weges von Bahnsteigkante zu Bahnsteigkante > 20 m (Höhendifferenz zwischen Bahnsteigzugang und Bahnsteig > 5,50 m) Bevor höhenfreie Querungen eingerichtet werden, sollten generell auch die in Kapitel a und Kapitel b aufgeführten Alternativen geprüft werden. a. Höhengleiche Erschließung von Bahnsteigen über konventionelle Bahnübergänge Ist die Einrichtung höhengleicher Reisendenübergänge nicht zulässig (vgl. Kapitel 5.2.6) bzw. aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht zielführend, bietet sich an kleinen Verkehrsstationen mit geringer Reisendenfrequenz und Außenbahnsteigen (vgl. Kapitel 5.2.2) als Alternative ggf. eine höhengleiche Erschließung der Bahnsteige über konventionelle Bahnübergänge an. Diese Lösung existiert zahlreich im deutschen Bahnstreckennetz, sie ist allerdings nur zweckmäßig, wenn keine nennenswerten Umsteigebeziehungen vorhanden sind. Somit sind Bahnhöfe, die Eisenbahnstrecken verbinden, in der Regel ungeeignet. Für Bahnhöfe mit hohen Umsteigefrequenzen gilt grundsätzlich, dass diejenigen Fahrzeuge am selben Bahnsteig verknüpft werden sollten (sog. Rendezvous-Verknüpfung), zwischen denen die höchsten Umsteigeranteile zu verzeichnen sind (vgl. auch Kapitel b). 485 Brückmann / Schedel / Wieczorek 2005, S.454

193 184 Die barrierefreie Erschließung von Bahnsteigen über konventionelle Bahnübergänge bietet sich theoretisch als Alternative für höhengleiche Reisendenübergänge der Varianten 1-4 nach DB-Kategorisierung (vgl. Anhang 24) an, wobei für die Varianten 1 und 3 zusätzlich der Mittelbahnsteig verlegt und zum Außenbahnsteig umgestaltet werden müsste. Selbstverständlich sind auch die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. In Abbildung 53 ist die ebenerdige Bahnsteigerschließung über einen konventionellen Bahnübergang skizziert. Abbildung 53: Skizze ebenerdige Bahnsteigerschließung über konventionelle Bahnübergänge Als Beispiel für die höhengleiche Erschließung von Außenbahnsteigen über konventionelle Bahnübergänge dient der Bhf. Haarhausen, ein Unterwegsbahnhof an der zweigleisigen Bahnstrecke zwischen Neudietendorf und Arnstadt (KBS 570). Abbildung 54 links zeigt auf der rechten Seite den Außenbahnsteig in Richtung Arnstadt und einen Teil des Bahnhofsgebäudes. Auf der linken Bildseite ist hinter dem Bahnübergang der Außenbahnsteig in Richtung Neudietendorf zu erkennen (vgl. Pfeil in Abbildung 54 links). Der Bahnsteigzugang erfolgt niveaugleich über den Bahnübergang, eine Schrankenanlage auf dem Gehweg sowie Bodenindikatoren nach DIN (vgl. Abbildung 54 rechts) sichern den Übergang für Fußgänger 486. Abbildung 54: höhengleiche Bahnsteigerschließung über Bahnübergang am Bhf. Haarhausen 486 Einschränkend sind allerdings der fehlende Kontrast zwischen Bodenindikator und Umgebungsbelag sowie der nicht geradlinige Querungsverlauf in Bezug zur Ausrichtung der Bodenindikator-Rillenstruktur zu bemängeln.

194 185 b. Höhengleiche Erschließung von Bahnsteigen mittels Neuordnung der Gleisinfrastruktur unter Vermeidung der Gleisquerung Die höhengleiche Erschließung von Bahnsteigen durch die Neuordnung der Gleisinfrastruktur mit dem Ziel, die Gleisquerung zu vermeiden, kann eine gangbare Lösung zur Herstellung der Barrierefreiheit sein. Entscheidend ist allerdings, ob an der Verkehrsstation im Regelbetrieb Zugkreuzungen stattfinden und ob Umsteigebeziehungen zwischen Bahnstrecken existieren bzw. wie hoch die Umsteigefrequenz zwischen den Strecken ist, da durch die Neuordnung längere Fußwege zwischen den Bahnsteigen bzw. zum Bahnhofszugang entstehen können, wodurch gegebenenfalls die Attraktivität des Bahnhofes für alle Reisenden sinkt. Finden am Bahnhof regelmäßige Zugkreuzungen statt, müssen auch die Auswirkungen auf den Betriebsablauf berücksichtigt werden, da die Neuordnung neben partiell längeren Zugangswegen auch einen erhöhten Zeitaufwand bei Zugkreuzungen zur Folge hat. Finden am Bahnhof keine regelmäßigen Zugkreuzungen statt und bestehen keine nennenswerten Umsteigebeziehungen bzw. existieren diese nur auf einer Relation, ist die Neuordnung theoretisch möglich. Somit bietet sich die barrierefreie Erschließung von Bahnsteigen mittels Neuordnung der Gleisinfrastruktur unter Vermeidung der Gleisquerung prinzipiell als Alternative für höhengleiche Reisendenübergänge der Varianten 5-7 nach DB- Kategorisierung (vgl. Anhang 24) an, wobei zusätzlich eine Bahnsteigverlegung notwendig wäre. Selbstverständlich müssen auch die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Als Beispiel für die Neuordnung der Gleisinfrastruktur unter Vermeidung der Gleisquerung dient der Bhf. Gräfenroda, welcher an den Kursbuchstrecken 570 (Erfurt-Schweinfurt) und 572 (Gotha-Gräfenroda) liegt und als Bahnhof an einer (in diesem Streckenabschnitt) eingleisigen Hauptbahn (KBS 570) mit abzweigender eingleisiger Nebenbahn (KBS 572) auch als Umsteigebahnhof zwischen diesen Bahnstrecken fungiert. Im derzeitigen Fahrplan ist die Regionalbahn auf der Relation Erfurt-Meiningen in Richtung Meiningen mit der Regionalbahn in Richtung Gotha vertaktet. Nur wenige Zugkreuzungen auf der KBS 570 finden im Regelbetrieb am Bhf. Gräfenroda statt, im derzeitigen Fahrplan beschränkt sich die dortige Zugkreuzung auf fünf Fahrtenpaare pro Tag (vgl. Anhang 33). Im Jahr 2003 wurde der Bhf. Gräfenroda im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen zur Ertüchtigung der KBS 570 für Fahrzeuge mit Neigetechnik umgebaut. Hierbei wurde u. a. der höhengleiche Reisendenübergang entfernt, ein lückenloses Blindenleitsystem mit Leitstreifen und Aufmerksamkeitsfeldern installiert sowie die Bahnsteige auf 550 mm über Schienenoberkante erhöht. Insgesamt entstand so eine zukunftsträchtige Lösung für einen sicheren und barrierefreien Zugang zu Bahnsteigen 487. Abbildung 55 links zeigt den höhengleichen Reisendenübergang vor der Modernisierung. Die Reisendensicherung wurde über ein Schiebetor mit optischem und akustischem Warnsignal abgewickelt. Rechts ist der Verbrennungstriebwagen 641, der auf der KBS 572 verkehrt, am Hausbahnsteig 1 (Außenbahnsteig) zu sehen. Im Vordergrund befindet sich die ehemalige Gleisquerung. Die Züge der KBS 570 hielten an den links und in der Mitte abgebildeten Bahnsteigen 2 und 3 (Mittelbahnsteige). Abbildung 56 skizziert den Gleisplan des Bhf. Gräfenroda vor der Modernisierung. 487 vgl. Gather / Rebstock 2004, S.138

195 186 Abbildung 55: höhengleicher Reisendenübergang am Bhf. Gräfenroda vor der Modernisierung Abbildung 56: Skizze Gleisplan Bhf. Gräfenroda vor den Modernisierungsmaßnahmen 488 Durch Änderung der Anordnung der Gleisinfrastruktur im Rahmen der Modernisierungsmaßnahmen ist nun am Bahnhof Gräfenroda keine Gleisquerung mehr nötig. Gleis 1, welches für die Fahrten von und nach Gotha genutzt wird, wurde zum Kopfgleis umfunktioniert, der frühere Hausbahnsteig stillgelegt. Somit ist der Bahnsteigzugang für die Gleise 1 und 3 (ehemals Gleis 2, vgl. Abbildung 56) niveaugleich ohne Gleisquerung möglich. Auch sind die Umsteigewege zwischen diesen Bahnsteigen im Sinne einer Rendezvous-Verknüpfung relativ kurz. Des Weiteren wurde der Mittelbahnsteig zwischen den ehemaligen Gleisen 2 und 3 zum Außenbahnsteig und an das heutige Gleis 2 verlegt, welches ebenfalls ebenerdig ohne Gleisquerung erreichbar ist (vgl. Abbildung 57). Zwischen dem Außenbahnsteig an Gleis 2 und den Bahnsteigen an Gleis 1 und 3 liegt nun allerdings ein Weg von ca. 80 m. Abbildung 58 zeigt den Bhf. Gräfenroda im heutigen Zustand. Auf dem linken Bild sind die Bahnsteige an Gleis 1 und 3 sowie das zum Kopfgleis zurückgebaute Gleis 1 zu sehen. Rechts sind der ebenerdige Bahnhofszugang und der Außenbahnsteig an Gleis 2 (vgl. Pfeile) dargestellt. Deutlich zu erkennen ist der vergleichsweise weite Weg vom Bahnhofszugang zum Bahnsteig skizziert nach: NVS o. J.

196 187 Abbildung 57: Skizze Gleisplan Bhf. Gräfenroda nach den Modernisierungsmaßnahmen 489 Abbildung 58: Bhf. Gräfenroda nach der Modernisierung Abschließend ist festzustellen, dass einerseits die Neuordnung der Gleisinfrastruktur am Bhf. Gräfenroda zu einer Verkomplizierung des Betriebsablaufes führt. Durch die neue Bahnsteigeinteilung ist die Kreuzung von Zügen aus Richtung Neudietendorf und aus Richtung Oberhof betriebsdienstlich ungünstiger zu realisieren. Die Züge können nicht mehr gleichzeitig in den Bahnhof einfahren. Der Zeitaufwand erhöht sich und hat Auswirkungen auf die Fahrplangestaltung. Dieser erhöhte Zeitaufwand kann sich bei der Konzeption des Fahrplans prinzipiell bis auf den stark frequentierten Streckenabschnitt Erfurt-Neudietendorf (Abschnitt der sog. Mitte-Deutschland-Verbindung) negativ auswirken. Andererseits sind aber von der Gleisneuordnung keine gravierenden Einschränkungen des Betriebsablaufes im Regelbetrieb zu erwarten, da Zugkreuzungen auf der KBS 570 wie bereits erwähnt vorwiegend nicht am Bhf. Gräfenroda stattfinden. Ebenso ist die Verlängerung des Zugangsweges zum neuen Bahnsteig 2 akzeptabel, da lediglich fünf Züge pro Tag (ausschließlich Züge in Richtung Neudietendorf) diesen Bahnsteig überhaupt bedienen. Im Regelfall fahren die Züge auf der KBS 570 nur Bahnsteig 3 an (vgl. Anhang 33). Trotz der noch vorhandenen Verbesserungspotentiale insbesondere für blinde und sehbehinderte Menschen 490 kann der Bhf. Gräfenroda insgesamt als gutes Beispiel für eine vergleichsweise bau- und betriebskostengünstige Herstellung der Barrierefreiheit an Bahnhöfen 491 sowie als Alternative zur Anlage höhengleicher Reisendenübergänge bezeichnet werden. 489 skizziert nach: EBA z. B. Blindenleitsystemgestaltung und führung, vgl. Gather / Rebstock 2004, S Die Bausumme der Modernisierungsmaßnahme aller drei Bahnsteige des Bhf. Gräfenroda betrug rund , ein adäquater Ausbau mit höhenfreien Zugängen und Aufzügen hätte dagegen mehr als 2 Millionen gekostet (Kromke 2006b).

197 Anforderungsprofil für barrierefreie höhengleiche Reisendenübergänge Im Folgenden werden die für eine barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen notwendigen Anforderungen ausgearbeitet. Grundsätzlich gelten auch an RÜ die allgemeinen Anforderungen an barrierefreie Bahnhöfe und Haltepunkte des SPNV 492, welche bereits in der Verkehrskonzeption für die barrierefreie Modellregion veröffentlicht wurden. Diese Standards sollten generell für alle Bahnhöfe und Haltepunkte zur Anwendung kommen. Darüber hinaus gibt es für barrierefreie RÜ spezifische Anforderungen im Detail, die im Folgenden dargestellt sind 493 : Für Menschen mit Behinderungen können sich unterschiedlichste Barrieren an RÜ ergeben, falls deren Bedürfnisse bei der Planung nicht berücksichtigt werden. Grundsätzlich problematisch ist z. B., dass es für das signalisierte Kreuzen von Gleisen in Bahnkörpern [ ] noch keine generelle und verlässliche Regelung [gibt]. 494 Beim Einsatz von akustischen Freigabesignalen gemäß DIN (vgl. Kapitel 5.2.5) besteht für blinde Menschen beispielsweise die Gefahr, dass aufgrund des leisen Rollgeräusches von Bahnen, das Freigabesignal lauter als die herannahende Bahn ist, falls diese nicht hält 495. An RÜ sollte daher von einem Einsatz der Freigabesignale nach DIN abgesehen werden, auch um eine akustische Belästigung des Bahnhofumfeldes zu vermindern. Umso mehr Wert ist aber auf eine gut verständliche und eindeutige Signalisierung der Sperrphase von RÜ durch ein akustisches Warnsignal zu legen. Lichtsignallampen alleine reichen nicht aus, da für blinde Menschen ansonsten die Gefahr bestünde, bei schrankengesicherten RÜ während des Schließvorganges zwischen den Schranken eingeschlossen zu werden 496 bzw. bei Übergängen mit Umlaufsperren den herannahenden Zug nicht rechtzeitig akustisch wahrzunehmen. Das akustische Warnsignal ist in der Regel über einen ortsfesten, Überkopf angebrachten Tongeber am RÜ zu übermitteln 497. Das Lichtsignal ist jeweils in Richtung der Gleise auf der gegenüberliegenden Seite eines [ ] [Überganges] anzubringen 498 und sollte über einen Leuchtfelddurchmesser von mindestens 200 mm sowie Kontrastblenden verfügen. Optimal wäre allerdings ein Leuchtfelddurchmesser von 300 mm. Phantomlichteffekte sollten weitgehend vermieden werden. Für die Bemessung der Lichtstärke ist DIN EN zu beachten 500. Generell kann aus den o. g. potentiellen Gefahrenquellen abgeleitet werden, dass die in Kapitel aufgeführten baulichen Sicherungsmaßnahmen der DB AG an höhengleichen RÜ ohne optische und akus- 492 vgl. Gather / Rebstock 2004, S.100ff. 493 Die Inhalte des Anforderungsprofils für barrierefreie höhengleiche RÜ wurden gemeinsam mit Herrn Eberhard Tölke in seiner Funktion als Leiter des Arbeitskreises Umwelt und Verkehr des BSVT unter Berücksichtigung des wissenschaftlichen Sachstandes (vgl. Kapitel 5.2.5) am erarbeitet. 494 Rabe 2003, S ebenda S vgl. Hälker 2005 und König 1997, S Rabe 2003, S.58 Die Anforderung, dass an Bahnübergängen für Fußgänger, die entweder durch eine Umlaufsperre oder überhaupt nicht gesichert sind, [ ] ein Schienenfahrzeug bei Annäherung an den Bahnübergang ein Pfeif- oder Hupsignal abgeben [muss] (König 1997, S.54), ist nach Meinung des BSVT bei RÜ, über die Zugstraßen hinweg verlaufen, als Sicherungsmaßnahme nicht ausreichend, da ein fahrzeuggebundenes Tonsignal in der Regel nur wenige Sekunden anhält (vgl. hierzu auch Fußnote 421). Das akustische Warnsignal muss hingegen rechtzeitig vor Sperrung des RÜ einsetzen (Räumzeit) und sollte bis zur Freigabe der Querung ertönen. Dadurch wird die Gefahr vermindert, das Signal zu überhören. 498 König 1997, S vgl. DIN EN 12368, S DIN , S.2f.

198 189 tische Warnsignalisierung aus Sicht der Barrierefreiheit nur für die Gefahrenstufen 1 und 2 akzeptabel sind. Wird der Übergang überfahren, ist die Beachtung des Mehr-Sinne- Prinzips bei der Signalgebung unerlässlich, um die eigenständige Nutzbarkeit höhengleicher Reisendenübergänge durch Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten 501. Trotz der Feststellung, dass bei Bahnübergängen, die als Z-Übergang ausgeführt werden (vgl. Kapitel 5.2.5), die Spitzen des Z eine Überlappung von 1,50 m haben [sollten (vgl. Anhang 28), da der Z-Übergang nur so seine Funktion gegenüber sehbehinderten und sehenden Passanten richtig erfüllt] 502 (vgl. Abbildung 52 in Kapitel 5.2.5), wird für RÜ ein rechtwinkliger Querungsverlauf gemäß den Richtlinien der DB AG befürwortet (vgl. Abbildung 48 in Kapitel 5.2.4). Diese Variante hat den Vorteil, dass auch die Schienenaussparungen rechtwinklig gequert werden und der Weg über die Gleise kürzer ist. Ferner ist auf die notwendigen Mindestdurchgangsbreiten und Rotationsflächen (vgl. Abbildung 48 in Kapitel 5.2.4) sowie auf eine kontrastreiche Gestaltung der konstruktiven Umlaufsperrenteile (vgl. Kapitel 5.2.5) zu achten. Die Höhe von Umlaufsperren sollte mindestens 1 m 503 und der Abstand der Unterkante vom Boden höchstens 15 cm betragen. Falls keine tastbare Querstange existiert, ist die Umlaufsperre mit einem mindestens 3 cm hohen Sockel in einer Sockeltiefe und -breite entsprechend des Umlaufsperrenmaßes auszurüsten 504. Anzumerken ist allerdings, dass Umlaufsperren nicht unumstritten sind, da diese auch Gefahren bergen können, insbesondere für Kinder (Aufmerksamkeit wird auf die Sperre statt auf den Übergang gelenkt) und Fahrradfahrer (schnelle Räumung des Überweges mit einem Fahrrad wird durch die Umlaufsperre erschwert) 505. Ergänzend zu den o. g. Maßnahmen sind Z-Übergänge im Wartebereich des Überganges mit taktilen Bodenindikatoren in Anlehnung an DIN auszustatten (vgl. Anhang 28). Empfohlen wird aber, Bodenindikatoren mit Rippenprofil und einem Rippenabstand von mindestens 20 mm einzusetzen und die Rippenplatten in Gehrichtung anzuordnen sowie das Aufmerksamkeitsfeld über die gesamte Wegbreite anzulegen. Unabhängig von der Art der baulichen Sicherungsmaßnahme ist der Reisendenübergang generell an das taktile Leitsystem anzuschließen (vgl. Kapitel 5.2.4) sowie Gefahrenbereiche taktil und optisch deutlich zu kennzeichnen 506. Bodenindikatoren mit Rippenprofil sollten einen Rippenabstand von mindestens 20 mm aufweisen. Der Querungsbereich des Gleiskörpers sollte sich grundsätzlich in Material, Farbe und Oberflächenstruktur deutlich vom sicheren [ ] [Zugangsweg] unterscheiden. 507 (vgl. Anhang 25.3) Wenn die farblich kontrastreiche und taktile Gestaltung im Bereich des Reisendenüberganges gewährleistet wird, ist ein Orientierungssignal gemäß DIN zum Auffinden des Überganges (vgl. Kapitel 5.2.5) nicht erforderlich Gather / Rebstock 2004, S.120 Rabe 2003, S.57 vgl. Kremser / Ertl 2000, S.19 vgl. Gather / Rebstock 2004, S.108 Boecker o. J., S.1ff Kremser / Ertl 2000, S.17 König 1997, S.53 vgl. DIN 32981, S.9

199 190 Schrankenanlagen an RÜ müssen eine optisch kontrastreiche Gestaltung in Form einer rot / weißen, retroreflektierenden Markierung erhalten und an das Blindenleitsystem angeschlossen werden (vgl. Anhang 29). Da blinde Menschen Schranken in der Regel aufgrund fehlender Tastkanten mit dem Langstock nicht wahrnehmen können 509, ist es zwingend notwendig, dass das o. g. akustische Warnsignal bereits vor dem Schließvorgang der Schranken einsetzt und so bemessen wird, dass genügend Zeit für die Räumung des RÜ auch für Menschen mit Geh- oder Sehbehinderungen bleibt. Zusätzlich ist der Schließvorgang mit einem Lichtzeichen zu signalisieren 510. Schrankenanlagen müssen als Vollschranke über die gesamte Breite des RÜ verlaufen. Halbschrankenanlagen sind zu vermeiden, da diese von Blindenführhunden als Hindernis gedeutet und umlaufen werden 511. Darüber hinaus sind ausreichend bemessene Fluchträume (auch für Rollstuhlnutzer) zwischen Schranke und Gleis zu berücksichtigen. Ein grundsätzliches Problem höhengleicher Reisenübergänge insbesondere für Menschen, die auf Gehilfen oder einen Blindenlangstock angewiesen sind, ergibt sich durch den Spalt für den Spurkranz zwischen Schiene und Bodenbelag (vgl. Kapitel 5.2.5), daher sollte der Spalt so schmal wie technisch möglich ausfallen. Hierbei sollten auch technische Neuentwicklungen aus anderen Staaten berücksichtigt und deren Einsatz im deutschen Bahnstreckennetz erprobt werden. Eine stufenlose sowie einbau- und hindernisfreie Verbindung zwischen Zugangsweg, Reisendenübergang und Bahnsteig ist zu gewährleisten, d.h. die Längsneigung darf 6 % und die Querneigung 1 % nicht überschreiten 512. Schwellen und einzelne Stufen dürfen maximal 3 cm hoch sein 513. Ferner muss die lichte Breite der Verkehrswege mindestens 1,50 m (an Zwangspunkten 0,90 m 514 ) betragen 515. Der Reisendenübergang sollte eine Breite von mindestens 1,80 m aufweisen, um auch Begegnungen zwischen Rollstuhlnutzern zu ermöglichen 516. Abschließend ist festzustellen, dass die in 63 Abs.2 EBO getroffene Regelung, Übergänge nicht betreten zu dürfen, auch wenn sich geschlossene Absperrungen zwischen oder hinter den Gleisen befinden (vgl. Kapitel 5.2.4), in Kombination mit der Vorschrift aus der DB-Richtlinie , dass Bahnsteige offen gehalten werden dürfen, wenn Absperrungen zwischen oder hinter den Gleisen geschlossen sind (vgl. Kapitel 5.2.5), ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Menschen mit Sehbehinderungen darstellt. Daher ist diese Regelung aus Sicht der Barrierefreiheit nur bei personalbasierter Reisendensicherung ohne Anschluss des RÜ an ein Blindenleitsystem akzeptabel. Aus den Erkenntnissen der wissenschaftlichen und planerischen Fachliteratur sowie aus den Abstimmungen mit dem BSVT kann nun das Anforderungsprofil für barrierefreie höhengleiche Reisendenübergänge abgeleitet werden (vgl. Abbildung 59). 509 Hälker vgl. Kremser / Ertl 2000, S König 1997, S Europäische Kommission Generaldirektion Verkehr 1999, S.202f. 513 vgl. DIN , S.4f. 514 vgl. DIN , S.4 und Europäische Kommission Generaldirektion Verkehr 1999, S vgl. DIN , S.3 und BMVBW 2001a, S vgl. EDAD 2005, S.77

200 191 Abbildung 59: Anforderungsprofil für barrierefreie höhengleiche Reisendenübergänge Bereich Funktionale Standards / Mindeststandards Anforderungen / Umsetzung Genehmigungsrechtliche Aspekte Art der Reisendensicherung Beachtung von AEG, EBO und Eisenbahnunternehmensrichtlinien personalbasierte Reisendensicherung bauliche Reisendensicherung Warntafel mit Umlaufsperre Warntafel mit Licht- und Tonsignal Warntafel mit Schranke, Lichtund Tonsignal Streckenhöchstgeschwindigkeit 160 km/h Anzahl zu querender Gleise 2 Reisendenanzahl pro Tag Weglänge von Bahnsteigkante zu Bahnsteigkante 20 m Beachtung der örtlichen Richtlinien des EIU Information der Reisenden vor Zugein- bzw. -durchfahrten o Beachtung des Mehr-Sinne-Prinzips (optische und akustische Informationsübermittlung) o Sicherstellung der Einsehbarkeit des RÜ durch zuständiges Personal Bei unüberwachten Übergängen: Begleitung behinderter Fahrgäste bei der Gleisquerung Einsatz nur bei 50 Fahrgastwechsel pro haltendem Personenzug o Geschwindigkeit 40 km/h, wenn Zug vor RÜ hält und RÜ nie befahren wird sowie bei Zuganfahrt Richtung RÜ o Geschwindigkeit 20 km/h, wenn Zug RÜ bei Ein- bzw. Durchfahrt überfährt Bei Ausweisung von Zugstraßen über RÜ zusätzliche Warnmeldung im Mehr-Sinne-Prinzip Mindestdurchgangsbreite an Umlaufsperren o Standard-ULS 1,30 m (integrierte Rotationsfläche 1,30 m x 2,70 m) o ULS mit Zwangspunkt 0,90 m (Ausfahrtsbreite Richtung Reisendenübergang 1,50 m; integrierte Rotationsfläche 1,90 m x 1,90 m) Mindestbewegungsfläche vor Umlaufsperren 1,50 m x 1,50 m Umlaufsperren-Mindesthöhe 1 m Ausrüstung der ULS mit Tastleiste oder Sockel, wenn Unterkantenabstand vom Boden > 15 cm o Abstand Tastleistenunterkante - Boden 15 cm o Sockelhöhe 3 cm sowie Sockeltiefe und breite entsprechend der ULS-Abmessung kontrastreiche Markierung der konstruktiven Umlaufsperrenteile (z. B. rot / weiß) Sicherstellung der RÜ-Räumung mit einer Fortbewegungsgeschwindigkeit 0,8 m/s akustisches Warnsignal nach DIN (vgl. DIN 32974, S.7, Tabelle 8) o Signal-Rausch-Verhältnis 10 db(a) o automatische Anpassung an wechselnde Störschallpegel o ortsfeste, Überkopf angebrachte Tongeber Lichtsignal mit Leuchtfeld- 200 mm o Lichtfarbe rot (LED-Technik) o Bemessung der Lichtstärke nach DIN EN (vgl. auch DIN , S.2) o Einsatz von Kontrastblenden o Vermeidung von Phantomlicht bzw. Verminderung der Phantomlichtstärke o Anordnungshöhe = 2,65 m Schranken-Mindesthöhe 1 m o Sperrung über gesamte RÜ-Breite o retroreflektierende Markierung (rot / weiß) o Abstand Schranke - Gleis 3,30 m o Beginn der Licht- und Tonsignalisierung rechtzeitig vor Schrankenschließung

201 192 Bereich Funktionale Standards / Mindeststandards Anforderungen / Umsetzung Sichtverhältnisse Wegeoberflächengestaltung an die örtlichen Gegebenheiten angepasste, ausreichend helle, gleichmäßige und blendfreie Beleuchtung Gewährleistung guter Einsehbarkeit stufenlose Verbindung Zugangsweg Reisendenübergang Bahnsteig einbau- und hindernisfreie Verbindung Zugangsweg Reisendenübergang Bahnsteig Minimierung des Spaltmaßes für den Spurkranz zwischen Schiene und Bodenbelag (Schienenaussparung) optische und taktile Unterscheidung des Reisendenüberganges im Gleiskörperbereich vom Zugangsweg / Bahnsteig Vermeidung von Schattenzonen Sicherstellung uneingeschränkter und möglichst frühzeitiger Sichtbeziehungen zwischen Triebfahrzeugführer und Reisenden Längsneigung 6 % Querneigung 1 % Schwellenhöhe 3 cm Mindestbreite Zugangsweg / Bahnsteig o lichte Regelbreite 1,50 m o Breite an Zwangspunkten 0,90 m RÜ-Breite 1,80 m 5 m Freihaltung des Verkehrsweges sowie der Rampen und Bodenindikatoren von Möblierungen und sonstigen Einbauten Minimalstandard Spaltmaß 4,5 cm 7 cm empfohlenes Spaltmaß 4,5 cm (soweit technisch machbar) deutliche Differenzierung in Material, Farbe und Oberflächenstruktur Anschluss an die Hauptzugangswege optisch kontrastreiche sowie akustisch und taktil wahrnehmbare Bodenindikatoren in Anlehnung an DIN mit Leitstreifen (Orientierungs-, Auffangund Warnstreifen) und Aufmerksamkeitsfeldern (AMF) optisch kontrastreiche Begleitstreifen beidseitig entlang der Leitstreifen und AMF o optimal: weißer Bodenindikator in Kombination mit schwarzen, fugenarmen, 30 cm breiten, beidseitigen Begleitstreifen AMF - Tiefe 0,90 m über gesamte Wegbreite Abstand AMF - Gleisachse des vorausliegenden Gleises 3 m Rippenprofil mit Rippenabstand 20 mm Rippenprofil-Ausrichtung in Gehrichtung AMF - Tiefe 0,90 m über gesamte Wegbreite Abstand AMF - Schrankenanlage = 1 m Rippenprofil mit Rippenabstand 20 mm Rippenprofil-Ausrichtung in Gehrichtung Wegeleitung Leitsystem für blinde und sehbehinderte Menschen unbeschrankter Reisendenübergang beschrankter Reisendenübergang Z-Übergang AMF Anordnung im Wartebereich des Überganges AMF - Tiefe 0,90 m über gesamte Wegbreite AMF darf nicht in Gleisbereich ragen Rippenprofil mit Rippenabstand 20 mm Rippenprofil-Ausrichtung in Gehrichtung unmissverständliche optische Wegeleitung kontrastreicher Warnhinweis Zugverkehr beachten vor RÜ in mittlerer Sichthöhe zwischen 1,30 m - 1,40 m

202 Fazit - barrierefreie Gestaltung von höhengleichen Reisendenübergängen Die Anlage eines höhengleichen Reisendenüberganges kann eine zielführende Variante zur Erschließung von Bahnsteigen sein. Um aber allen Fahrgästen eine sichere Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Übergangs zu ermöglichen, sind die in Abbildung 59 aufgeführten Qualitätsstandards zu beachten. Hierbei sind unterschiedliche Varianten der Reisendensicherung realisierbar, d.h. dass z. B. eine personalbasierte Reisendensicherung, bei welcher der RÜ durch Bahnmitarbeiter (z. B. Zugführer des Gegenzuges) gesichert wird, auch aus Sicht der Barrierefreiheit eine gangbare Lösung sein kann. Der alleinige Einsatz einer Warntafel ohne andere Sicherungsmaßnahmen (personal- und/oder infrastrukturbasiert) ist jedoch nicht ausreichend. Durch die in Abbildung 59 genannten Anforderungen an die Barrierefreiheit entstehen gegebenenfalls Kosten für die bauliche Reisendensicherung. Am Beispiel des Bahnhofes Ohrdruf wurden für unterschiedliche Varianten von baulichen Reisendensicherungsmaßnahmen (vgl. Abbildung 60) folgende überschlägige Herstellungskosten (netto) kalkuliert 517 : Warntafel: Warntafel mit Umlaufsperre: Warntafel mit Licht- und Tonsignal: Warntafel mit Schranke, Licht- und Tonsignal: In dieser Kalkulation sind Kosten für Tiefbau (Rampen und Überweg), taktile Leiteinrichtungen, Beschilderung, Geländer, Beleuchtung sowie Lichtzeichen und Akustik bzw. der Schrankenanlage enthalten. Nicht berücksichtigt wurden Kosten für den Bau der Bahnsteige und sonstiger Bahnanlagen, Gebühren und Planungshonorare. Abbildung 60: unterschiedliche RÜ-Varianten am Beispiel Bhf. Ohrdruf 518 Warntafel Warntafel mit Umlaufsperre 517 Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006d, S.3ff. 518 verändert nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006d, Bild 1 + Bild 3 Bild 5

203 194 Licht- und Tonsignal Schranke, Licht- und Tonsignal Unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und der Kosten für die jeweiligen Varianten wird für den Bhf. Ohrdruf empfohlen, einen höhengleichen Reisendenübergang mit Umlaufsperre und Warntafel zu errichten (vgl. Abbildung 61). Zusätzlich sollte durch den Zugführer bei Annährung an den Übergang neben Ton- auch Lichtsignal gegeben werden 519. Abbildung 61: empfohlene Reisendenübergangsvariante für den Bhf. Ohrdruf 520 Grundsätzlich ist im Hinblick auf die o. g. Kosten für bauliche Reisendensicherungsanlagen bei der RÜ-Konzeption im Einzellfall unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften abzuwägen, ob eine personalbasierte oder eine bauliche Sicherung zielführender ist bzw. welche bauliche Sicherungsanlage das bestmögliche Kosten-Nutzen-Verhältnis hat oder ob eine Kombination von personalbasierter und baulicher Reisendensicherung anzustreben ist. 519 vgl. Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006d, S verändert nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006d, Bild 3

204 Barrierefreie Gestaltung von Bahnhofsplänen bzw. Umgebungsplänen Eine schnelle und einfache Orientierung, auch an unbekannten Orten, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine selbstbestimmte und sichere Mobilität von Menschen mit Behinderungen. Insbesondere an Bahnhöfen bzw. größeren Haltestellen bieten Umgebungspläne, welche im begrenzten Umfang die Gegebenheiten und Wegebeziehungen an den jeweiligen Stationen abbilden, eine wichtige Unterstützung und die erforderlichen Informationen zur selbstständigen Orientierung. Mit Umgebungsplänen ist es dem Reisenden möglich, eigenständig sein Ziel auf dem Bahnhof bzw. der Haltestelle oder den Anschluss zum weiterführenden Wegenetz zu erreichen. Um dabei auch die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen, ist es erforderlich, dass die Umgebungspläne entsprechend gestaltet und angebracht werden. Generell ist der Plan so auszuführen, dass er auch ohne Qualitätsverlust für alle Menschen nutzbar und ansprechend gestaltet ist 521. Insofern müssen die Umgebungspläne u. a. sowohl taktile als auch optisch gut wahrnehmbare Elemente enthalten. Im folgenden Kapitel werden die spezifischen Anforderungen an Bahnhofsumgebungspläne für blinde und sehbehinderte Reisende dargestellt Optische Anforderungen an Bahnhofs- bzw. Umgebungspläne Umgebungspläne sollen einen guten und einfachen Eindruck der Umgebung vermitteln, dabei können die optischen Informationen in der Regel durch Schrift, Farbe, Formen, Symbole und Helligkeitsunterschiede wiedergegeben werden. Für die optisch zu vermittelnden Informationen ist die Darstellung des Inhaltes an dessen Bedeutung anzupassen. Hierfür ist es möglich, eine Abstufung der Inhalte nach Prioritäten und Informationszwecken zu verwenden. Generell kann zwischen drei Stufen unterschieden werden 522 : 1. Warnen: Gefahren, Hinweise für Notfälle Diese Informationen müssen aus größerer Entfernung auch von sehbehinderten Personen erkennbar/lesbar sein. 2. Entscheiden: Hinweise auf Ein- und Ausgänge, Kennzeichnung von Standorten, Zielangaben an Verkehrsmitteln und Wegweisern Diese Informationen müssen aus größerer Entfernung auch von sehbehinderten Personen erkennbar/lesbar sein. 3. Leiten: kontinuierlich führende Farbstreifen, Wiederholungen von Informationen Herabgesetzte Auffälligkeit, aber auch diese Informationen müssen von sehbehinderten Personen gelesen werden können. Die Umgebungspläne sind hierbei in die Stufen Entscheiden sowie Leiten einzuordnen. Denn sie sollen mit Hilfe statischer Informationswiedergabe sowohl eine Entscheidungsgrundlage zur weiteren Orientierung bilden als auch Leitfunktionen übernehmen. Um die Erkennbarkeit 521 Heiserholt 2005, S VDV 2003, S.328

205 196 der Informationen auch für sehbehinderte Menschen zu gewährleisten, müssen Kontrast, Helligkeit, Farbkombination, Schrift- bzw. Symbolgröße und die Entfernung zum betrachteten Objekt beachtet werden 523. Die Größe des verwendeten Symbols bzw. die Schriftzeichenhöhe wird dabei im Wesentlichen durch den erforderlichen Mindest-Sehwinkel und die Betrachtungsentfernung bestimmt (vgl. Abbildung 62). Texte sind generell in einfacher Sprache anzufertigen oder, insbesondere bei komplizierteren Sachverhalten, durch verständliche, in einer Legende erklärte Bildsymbole (Piktogramme) zu ersetzen 524. In Tabelle 20 sind die Mindestanforderungen an optische Informationen bei einem Erkennbarkeitsabstand zwischen 25 cm und 100 cm aufgeführt. Dementsprechend ist es erforderlich, dass die Symbol- und Textgrößen eine Höhe von mindestens 0,6 cm aufweisen (zur Sicherstellung einer optimalen Erkennbarkeit sind mindestens 0,9 cm empfehlenswert) sowie ein ausreichender Kontrast gewährleistet ist. Abbildung 62: Objektgrößenbestimmung bei vorgegebenen Mindestsehwinkeln in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Auge und Objekt VDV 2003, S Heiserholt 2005, S BMG 1996, S.44

206 197 Tabelle 20: Anforderungen an optische Informationen - Erkennbarkeitsabstand zw. 25 und 100 cm 526 Werte Entscheiden Leiten Helligkeit bei künstlicher Beleuchtung 30 cd/m² bis 299 cd/m² 3 cd/m² bis 29 cd/m² Höhen für Schriftzeichen / Piktogramme 0,6 cm bis 1,8 cm 0,6 cm bis 1,4 cm Gelb auf Grün (Hell auf Dunkel) Blau auf Unbunt (Dunkel auf Hellgrau) Schwarz auf Unbunt (Dunkel auf Hellgrau) Gelb auf Grau (Hell auf Dunkel) Beispiele von Farbkombinationen für Vordergrundobjekte Weiß auf Blau (Hell auf Dunkel) Grün auf Unbunt (Hell auf Dunkelgrau) Weiß auf Grün (Hell auf Dunkel) Rot auf Unbunt (Hell auf Dunkel) Unbunt: schwarz/weiß/grau Taktile Anforderungen an Bahnhofs- bzw. Umgebungspläne Die Anforderungen an die taktilen Elemente eines Umgebungsplanes stehen in Abhängigkeit zu den differenzierten Fähigkeiten beim erkennenden Tasten. Denn je nach Ausprägung der Sehschwäche oder Erblindung und je nach Erfahrung mit bzw. Kenntnis von Brailleschrift und Tasterkennung, unterscheiden sich blinde Menschen im Umgang mit taktilen Medien. Das erkennende Tasten muss erlernt werden und verläuft in der Regel nach einem konkreten Prinzip. Dabei werden zunächst die Hände zur Abbildung bewegt, um das Objekt mit beiden Händen und mehreren Fingern in seiner Fläche zu ertasten 527. Der Zeigefinger übernimmt dabei eine führende Rolle. Mit linearen und kreisförmigen Bewegungen werden die Ausdehnung der Oberfläche und der Verlauf der Konturen ertastet, dies wird als orientierendes Tasten bezeichnet. Im Anschluss folgt das erkennende Tasten, bei dem durch gehäufte Bewegungen an markanten Punkten und Merkmalen die Inhalte aufgenommen werden 528. Die Erkennbarkeit bzw. Ertastbarkeit taktiler Karten ist abhängig von den Eigenschaften der verwendeten Elemente. Hierbei sind insbesondere die Größe, Lage, Abstand und Menge der Symbole von Bedeutung. Je größer die Dimension der Darstellung und je mehr Elemente, umso schwieriger ist die Zuordnung der Informationen und das Erkennen der Zusammengehörigkeit einzelner Elemente. Demzufolge ist eine ausgewogene Größe der Karte und Menge 526 verändert nach: VDV 2003, S Fromm 1995, S Laufenberg / Lötzsch 1995, S.14

207 198 der darstellenden Elemente erforderlich 529. Ebenso sollten einzelne Informationen möglichst mit einer Hand erfasst werden können, um eine gute Übersicht zu gewährleisten. Um den Zeitaufwand zum Ertasten der Informationen zu minimieren, ist darauf zu achten, dass die Komplexität der Darstellung den Inhalten angepasst ist. Dementsprechend sind generell die Informationen auf das Wesentliche zu beschränken. Dazu gehört auch eine möglichst einfache und eindeutige Darstellung der taktilen Elemente. Die grundlegenden Darstellungsformen einer taktilen Karte sind 530 : Schriftzeichen / Punktsymbole / Piktogramme Linien Flächen Text in taktiler lateinischer Schrift / Brailleschrift Die Textelemente können in taktiler Schrift mit lateinischen Buchstaben und Brailleschrift abgebildet sein, wobei die taktile Schrift aufgrund der besseren Verständlichkeit und der Nutzbarkeit auch durch sehende Menschen zu bevorzugen ist 531. Für eine einfachere Ertastbarkeit sind alle Darstellungselemente erhaben anstatt versenkt auf der Karte auszuführen 532. Schriftzeichen, Punktsymbole und Piktogramme Punktsymbole und Piktogramme können auf der Karte spezifische Orientierungspunkte und Erläuterungsmerkmale wiedergeben. Sie sollten möglichst einfach gestaltet sein und in den Grundformen Dreieck, Quadrat und Kreis ausgeführt werden. Ebenso ist es möglich, einzelne in der Legende erklärte Buchstaben bzw. Braillezeichen einzusetzen. Neben diesen Symbolen können eindeutig ertastbare Pfeil- und Treppensymbole als Ergänzung dienen, denn sie sind bei einer deutlichen Ausführung selbsterklärend. Die Anforderung an die Ausmaße von einzeln stehenden taktilen Schriftzeichen und Piktogrammen ist Tabelle 21 zu entnehmen. Eine Verwendung weiterer, über die Grundformen hinausgehender Piktogramme ist sorgfältig abzuwägen, denn blinde Menschen sind oft mit bildlichen Darstellungen aufgrund der zusätzlichen Deutungs- und Merkaufgaben überfordert. Insofern können Piktogramme für sehende Menschen nicht komplikationslos für taktile Darstellungen übernommen werden 533. Liniensymbole Liniensymbole dienen zur Abbildung von Sachverhalten mit Liniencharakter (z. B. Wege und Wände) und sollten auch nur für diese Gegebenheiten verwendet werden. Die Linienarten sind zu unterscheiden in fortlaufende und unterbrochene Linien. Hierbei können unterbrochene Linien in verschiedenen Ausführungen vorliegen (Strich-Strich, Strich-Punkt- und Punkt- Punkt-Linien). Da bei den unterbrochenen Linien beim Ertasten durch die Unterbrechungen und Wiederaufnahmen der Linienstruktur die Linienfortführung besser wahrnehmbar ist als bei durchgehenden Linien, sind diese bevorzugt einzusetzen. Deutlich unterscheidbare 529 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1990, S Heiserholt 2005, S ebenda 532 Gather / Rebstock 2004, S Heiserholt 2005, S.117

208 199 Tabelle 21: Anforderungen an einzelstehende taktile Schriftzeichen und Piktogramme 534 Maße Schriftzeichen Piktogramme Größe 10 mm bis 18 mm Mindestens 25 mm x 25 mm Erhabenheit 1 mm bis 3,5 mm Mindestens 1 mm Linien sind auch bei Kreuzungen von zwei Linienverläufen erforderlich, um die Weiterverfolgung der einzelnen Linien zu erleichtern. Damit lässt sich auch ein grundsätzliches Gestaltungsprinzip ableiten, indem Konturen von Gebäuden und Aufenthaltsbereiche deutlich von Erschließungswegen abzugrenzen sind. Die Breite einer Linie sollte 1,5 mm nicht unterschreiten sowie 5 mm nicht überschreiten. Eine Breite in diesem Bereich gewährleistet, dass die Linien problemlos mit der Fingerkuppe nachgefahren und beide äußeren Ränder erfasst werden können. Damit zwei Linien voneinander getrennt wahrnehmbar sind, ist ein Mindestabstand von 2 mm zwischen den Linien erforderlich 535. Flächensymbole Flächensymbole werden in der Regel mit Umrisslinien gekennzeichnet. Zusätzliche Schraffuren oder Muster sollten sie lediglich dann erhalten, wenn eine starke Abgrenzung von der Umgebung erforderlich ist. Ein komplettes Ausfüllen der Fläche ist jedoch zu vermeiden, da ansonsten eine eindeutige Unterscheidung zwischen Fläche und Hintergrund erschwert wird. Zudem ist zu bedenken, dass eine erhöhte Anzahl von Flächensymbolen von den meist wichtigeren Punkt- und Liniensymbolen ablenkt und daher einem schnellen erkennenden Tasten entgegensteht 536. Taktile Textelemente Ertastbare Texte in taktiler Schrift und Brailleschrift zur Erläuterung der Darstellung oder zur Vermittlung von Zusatzinformationen können das Verständnis der Darstellungen verbessern. Jedoch ist zu beachten, dass nicht unmittelbar erforderliche zusätzliche Informationen in Form von taktiler Schrift bzw. Brailleschrift die Komplexität der Karte erhöhen und bei unbedachtem Einsatz die Erkennbarkeit der Karte verschlechtern 537. Darüber hinaus ist die richtige Position des Textes in der Karte ebenso wichtig, wie die zu vermittelnden Inhalte. Es bietet sich z. B. an, den Text als Legende neben oder außerhalb einer Darstellung zu platzieren und die in der Karte verwendeten Symbole zu erläutern 538. Die Beschriftung muss bestimmte Anforderungen (vgl. Tabelle 22) erfüllen, so sollten taktile Buchstaben generell als Großbuchstaben ausgebildet sein und für eine gute Ertastbarkeit eine Höhe zwischen 1 cm und 2 cm aufweisen. Bei größeren Schriftzeichen müsste der ertastende Finger die Buchstabenkontur abstreichen und kann den Buchstaben nicht durch 534 DIN E 18030, S Heiserholt 2005, S.113ff. 536 ebenda S Laufenberg / Lötzsch 1995, S Heiserholt 2005, S.118

209 200 einmaliges Ertasten aufnehmen, hierfür ist ein Abgleich der Buchstabenhöhe für eine optimale visuelle und haptische Erkennbarkeit erforderlich. Bei taktiler Schrift ist ein klarer Schrifttyp zu wählen, d.h. ein Schrifttyp ohne Serifen, Kapitelle oder sonstige typografische Besonderheiten (z. B. Helvetica, Sans Serif). Die Laufweite der Buchstaben muss so gewählt werden, dass die einzelnen Buchstaben separat voneinander wahrnehmbar sind, aber dennoch ein zusammenhängendes Ertasten der Buchstabenfolge ermöglichen 539. Tabelle 22: Anforderungen an taktile Schrift 540 Höhe Strichbreite Abstand Erhabenheit Maße Anforderungen 10 mm bis 20 mm mindestens 1,2 mm 1,4 Strichbreiten 1 mm bis 2,5 mm Die Punktzeichen der Brailleschrift sind mit der 6-Punkt-Brailleschrift in ihrer Ausführung standardisiert. Beim Einsatz der Brailleschrift ist daher lediglich zu beachten, dass diese deutlich von strukturierten Hintergründen abgesetzt ist Gestaltung von Bahnhofs- bzw. Umgebungsplänen Umgebungspläne dienen zur Darstellung der Gegebenheiten und des unmittelbaren Umfeldes des jeweiligen Bahnhofs bzw. der Haltestelle. Damit diese Informationen auch von möglichst allen Kunden genutzt werden können, sind spezifische Anforderungen an den Aufbau und Inhalt von taktilen Karten zu beachten: Kartengröße und Ausführung Ein Umgebungsplan sollte einen kompletten Überblick über das Gelände des Bahnhofs bzw. der Haltestelle ermöglichen. Dementsprechend sind die Kartengröße und der Maßstab der Karte anzupassen. Steht die Größe eines Geländes einem einheitlichen Maßstab entgegen, so kann auch mit verschiedenen Maßstäben gearbeitet werden. Ein genauer Maßstab ist nicht unmittelbar von Bedeutung, vielmehr ist die Darstellung aller relevanten Orientierungspunkte wichtig. In diesem Fall können relativ bedeutungslose Teile der Umgebung kleiner dargestellt werden bzw. die wichtigen Bestandteile größer und detaillierter. Als Format bieten sich DIN A3 bis DIN A0 an 541. Die Oberkante eines Planes ist mit maximal 160 cm bemessen, die Unterkante sollte 90 cm nicht unterschreiten, woraus sich eine maximale Höhe 539 Heiserholt 2005, S.118f. 540 verändert und ergänzt nach: DIN E 18030, S Heiserholt 2005, S.110

210 201 von 90 cm ergibt 542. Für die Ausführung der Darstellungen taktiler Karten gelten generelle Grundregeln, welche bei der Anfertigung jeder Karte zu beachten sind, dazu gehören: möglichst eindeutige taktile Wahrnehmungen (d.h. klare Konturen, Beschränkung auf Wesentliches, Verzicht auf Einzelheiten, Hervorhebung typischer Merkmale) Merkmalsunterschiede deutlich hervorheben (ggf. durch differenzierte Höhendimension oder Linienstruktur bzw. durch unterschiedliche Oberflächengestaltung) Linien als Linien, Flächen als Flächen und Körper als Körper darstellen keine perspektivischen Darstellungen oder Überschneidung von Objekten Linien[-führung] nicht [durch andere Elemente] unterbrechen (wird z. B. häufig bei Braillebeschriftung praktiziert) sparsame Verwendung und eindeutige Unterscheidbarkeit von Symbolen und Signaturen (der Abstand zwischen den Symbolen und Signaturen sollte immer min. 2 mm betragen, die Höhe von Linien und Punktsymbolen nicht geringer als 0,8 mm ausfallen, Flächendarstellungen bis 3,0 mm Kantenhöhe) 543 Inhalte In Bezug zu den Inhalten und den darzustellenden Gegebenheiten sollte sich der Umgebungsplan auf die wesentlichen Merkmale der abzubildenden Station beschränken und daher lediglich die wichtigen Orientierungs- und Servicepunkte innerhalb der Station abbilden sowie den Anschluss an das öffentliche Wegenetz darstellen 544. Dementsprechend sollte der Aufbau eines Umgebungsplans auf folgende Darstellungselemente beschränkt sein: Standort der Tafel als Orientierungspunkt, Hinweise auf Notfall- und Serviceeinrichtungen (Verkaufsschalter, Fahrkartenautomaten, barrierefreie Toiletten, Notrufsäulen), Bahnsteigpositionen und -zugänge, Umsteigebeziehungen, Umsteigebeziehungen zu anderen Verkehrssystemen (z. B. benachbarter Busbahnhof), Wegebeziehungen innerhalb der Station (mit Fahrstühlen und Treppen), Anschluss an das öffentliche Wegenetz mit Richtungs- und Zielangaben, Points of Interest (POI) und weitere Besonderheiten. Positionierung der Textelemente In Bezug zur Positionierung der Textelemente sind Braille- als auch taktile Schrift so anzubringen, dass Linienführungen nicht unterbrochen werden, jedoch dennoch die Beschriftung beim Verfolgen der Linien durch den Finger wahrzunehmen ist. D. h. die Beschriftung ist in einen Abstand von 2 mm bis 3 mm ober- bzw. unterhalb der Linien zu positionieren (vgl. 542 Gather / Rebstock 2004, S Gather / Friedrich 2005, S.86f. 544 vgl. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1990, S.53ff.

211 202 Abbildung 63). Gleiches gilt für Punktsymbole oder Piktogramme, auch hier ist z. B. bei der erläuternden Legende eine Beschriftung in einen Abstand von 2 mm bis 3 mm zu verwenden. Die Beschriftung von umgrenzten Körpern bzw. Flächen ist in deren Mittelpunkt vorzunehmen 545. Abbildung 63: Anordnung taktiler Schrift zum Liniensymbol 546 Legende Die Legende soll alle in der Karte verwendeten Taststrukturen, Symbole und Abkürzungen sowie Buchstaben und Zahlen übersichtlich und kurz erläutern. Nach Möglichkeit sind die einzelnen Beschriftungen in einen Wort zusammenzufassen. Darüber hinaus ist das Thema der Karte als Umgebungsplan der jeweiligen Station und der Maßstab der Karte anzubringen (vgl. Abbildung 64). Die Erläuterungen sind sowohl in taktiler lateinischer Schrift als auch in Brailleschrift auszuführen. Ein weiteres Element einer Legende ist der Nordpfeil, der mit einer ausreichend langen Hauptlinie (min. 3 cm) versehen sein muss. Abbildung 64: Anordnungsbeispiel - taktile Legende 545 Heiserholt 2005, S Datengrundlage: DIN E 18030, S.19 und Heiserholt 2005, S.113ff.

212 203 Die Legende ist so in den Umgebungsplan zu integrieren, dass sie zum einen gut auffindbar und zum anderen deutlich von der Kartendarstellung getrennt wahrnehmbar ist. Dies könnte z. B. separiert im linken Bereich des Umgebungsplanes sein (vgl. Abbildung 65). Abbildung 65: Taktiler Plan des Eisbrunnenspielplatzes in Tambach-Dietharz Anbringung vor Ort Taktile Umgebungspläne werden als ertastbare Orientierungshilfen für blinde und sehbehinderte Menschen bereitgestellt und dienen als Informations- und Orientierungsquellen für alle Menschen. Als Voraussetzung zur Nutzung der Pläne ist eine gute, eindeutige und schnelle Auffindbarkeit sowie barrierefreie Annäherung notwendig (vgl. Abbildung 66). Demzufolge sind spezifische Anforderungen an die Anbringung von Umgebungsplänen vor Ort zu beachten 547 : Umgebungspläne müssen leicht auffindbar und barrierefrei zugänglich installiert sein Umgebungspläne müssen tastfreundlich installiert sein und nach Möglichkeit als unterfahrbares Podest mit einem Schutz vor dem Unterlaufen ausgeführt werden (Anbringung in mittlerer Sichthöhe zwischen 130 cm und 140 cm; Oberkante maximal 160 cm) statische Installation, Standort des Objektes darf nicht verändert werden uneingeschränkten Zugang gewährleisten, Bewegungsfreiheit vor den Umgebungsplänen (keine Stufen, Bänke, Papierkörbe, etc.) Anschluss an ein Blindenleitsystem mit entsprechendem Aufmerksamkeitsfeld vor dem Umgebungsplan Spiegelungen, Blendungen, Schattierungen, Verschmutzungen der Oberfläche vermeiden (Beeinträchtigung der Erkennbarkeit, regelmäßige Wartung) 547 vgl. König 1995, S.109ff.

213 204 Abbildung 66: Übersichtsplan mit ausreichend Tastraum 548 Werden an mehreren Stationen eines zusammenhängenden Verkehrsgebietes Umgebungspläne angebracht, so ist darauf zu achten, dass diese immer an identischen, vergleichbaren Standorten jeder Station positioniert sind 549. Dieses ermöglicht eine leichtere Auffindbarkeit der Pläne im jeweiligen Bahnhof bzw. an der Haltestelle Herstellungsverfahren taktiler Karten Zur Erstellung taktiler Karten können je nach Einsatzbereich verschiedene Verfahren angewandt werden. Die Wahl des Verfahrens ist abhängig von der Tasterfahrung der Zielgruppe, der angestrebten Dauerhaftigkeit der Karte sowie Art und Umfang der zu übermittelnden Informationen 550. Aufgrund der Beständigkeit und der guten Tasteigenschaften bieten sich das Gießverfahren oder die Fertigung von Modulsystemen für die Herstellung taktiler Karten zur festen/statischen Installation im Haltestellen- bzw. Bahnhofsbereich an. Diese Verfahren verursachen jedoch durch den relativ hohen Material- und Produktionsaufwand auch entsprechend hohe Anfertigungskosten. Eine Alternative hierzu ist das Tiefziehverfahren, welches in der Herstellung und Reproduktion preiswerter ist (vgl. Punkt II in Kapitel b). Diese Verfahren werden im Folgenden kurz dargestellt, des Weiteren ist auch das für den Außenbereich weniger geeignete Schwellkopierverfahren aufgeführt. Gießverfahren Wird ein Negativabdruck von einem Reliefmodell (vgl. Abbildung 67) erstellt, um dann massiv ausgegossen zu werden, kommt das Gießverfahren zur Anwendung 551. Als Materialien können z. B. Expozidharz oder Metall verwendet werden. Die so erstellten Pläne haben den Vorteil langer Haltbarkeit bei fester Installation in Außenbereichen. Die Verwendung von Metall bietet eine besondere Haltbarkeit, jedoch verschlechtern Wärme, Kälte und Nässe das Tastempfinden und reduzieren so die Informationsaufnahme. Karten aus transparentem 548 I.L.I.S. 2002, S vgl. Rebstock 2004c, S Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1990, S Heiserholt 2005, S.102

214 205 Gießharz sind im Vergleich zu Metall zwar weniger beständig, haben aber den Vorteil, dass sie mit farbigen bzw. unbunten Darstellungen unterlegt werden können 552. Abbildung 67: Beispiele für 3-D-Reliefmodelle aus Marburg und Münster 553 Modulsysteme Modulsysteme bestehen aus vorgefertigten Elementen, welche auf einem Trägermaterial geklebt oder aufgesteckt werden und somit die taktile Karte bilden 554 (vgl. Abbildung 68). Ein Vorteil gegenüber dem Tiefzieh- und dem Gießverfahren ist, dass die Elemente verschiedene Farben und Oberflächenstrukturen haben können und sich dadurch ein hoher Kontrast zwischen den Elementen erzielen lässt. Abbildung 68: Beispiel für ein taktiles Modulsystem 555 Tiefziehverfahren Beim Tiefziehverfahren werden von Reliefmodellen Abzüge aus PVC-Folien 556 angefertigt (vgl. Abbildung 69). Es können größere Höhenunterschiede, überlagerte Punkt-, Linien- und Flächensymbole 557 sowie unterschiedliche Oberflächenstrukturen dargestellt werden. Die 552 König 1997, S Quelle rechtes Bild: Norbert Rudolph, Münster 554 Heiserholt 2005, S I.L.I.S. 2002, S Heiserholt 2005, S.101 f. 557 Laufenberg,/ Lötzsch 1995, S.15

215 206 Stärke der Folien ist abhängig von den dargestellten Formen und der gewünschten Qualität. Durch die Verwendung von PVC-Folien ist die Haltbarkeit der Karten im Vergleich zu den Materialien der Gieß- bzw. Modulverfahren zwar begrenzt und leicht anfällig, jedoch können die Karten relativ preisgünstig und unkompliziert nachproduziert und ausgetauscht werden (vgl. Punkt II in Kapitel b). Abbildung 69: Beispiel für Tiefziehverfahren 558 Schwellkopierverfahren Das Schwellkopierverfahren bedient sich der Anwendung eines Spezialpapiers, welches mit Kunststoffkapseln beschichtet wird. Die mit schwarzer Farbe bedruckten Flächen dehnen sich bei Hitzeeinfluss nach oben aus 559, dabei sind unterschiedliche Höhen jedoch nur begrenzt erreichbar. Die Entwicklung der Vorlagen erfolgt rechnergestützt. Das Verfahren ist weniger aufwendig und preiswerter als die anderen aufgeführten Verfahren, jedoch ist das Schwellpapier nur begrenzt haltbar und für die feste Installation ungeeignet. Mit dem Schwellkopierverfahren erstellte Pläne können aber insbesondere als tragbare Karten zur Verfügung gestellt werden Fazit barrierefreie Bahnhofs- bzw. Umgebungspläne Ein Umgebungsplan an Bahnhöfen und Haltestellen kann ein wichtiger Bestandteil für eine selbständige Mobilität an Bahnhöfen und Haltestellen sein, dieser ermöglicht eine erste Orientierung vor Ort und gibt einen Überblick über die Gegebenheiten und die Anlaufpunkte. Bei der inhaltlichen Gestaltung von Umgebungsplänen ist es auch von wesentlicher Bedeutung, bei der Anfertigung die Vertreter von Menschen mit Behinderungen einzubeziehen sowie entsprechende Tests durchzuführen 560. Um Umgebungspläne für alle Menschen nutzbar zu gestalten, wurden in diesem Kapitel die wesentlichen Anforderungen an barrierefreie Umgebungspläne aufgenommen. Diese sollen als Informations- und Anfertigungshilfe dienen und als Grundlage für den Prozess der praktischen Umsetzung Verwendung finden. 558 ECMT 2006, S Heiserholt 2005, S ebenda S.123

216 Barrierefreie Gestaltung von Fahrscheinautomaten Auf dem Sektor des öffentlichen Verkehrs fand in den letzten Jahren ein Umbruch im Bereich des Fahrscheinverkaufs statt. Der aktuelle Trend vom Fahrkartenschalter zum Fahrkartenautomaten hält an und wird sich in Zukunft als Standard durchsetzen 561. Durch diese Verkaufsform werden neue Barrieren im Bereich der öffentlichen Personenbeförderung errichtet. Der Umgang mit Fahrscheinautomaten gestaltet sich schon für viele Menschen, die laut Gesetz nicht als behindert gelten, schwieriger als am konventionellen Fahrkartenschalter, da keine individuelle Beratung mehr existiert und nicht allen Kunden die Bedienung moderner, computerbasierter Technik geläufig ist. Für einen Teil des Personenkreises mit Behinderungen ist der Fahrkartenerwerb am Fahrscheinautomaten gar nicht möglich. Notwendig erscheint daher die Entwicklung von Fahrscheinautomaten nach dem Prinzip des Design für Alle 562. Dessen Bedeutung [ ] kann man im Verkehrsbereich gut zeigen mit ratlosen Menschen vor unfreundlichen Fahrkartenautomaten, schlecht lesbaren Fahrplänen oder komplizierten Tarifen: So wird ein Ticket-Automat für Sehbehinderte, in ihrer Feinmotorik gestörte Menschen oder für Kleinwüchsige zur Barriere. [ ] [Design für Alle] dient also allen. 563 In diesem Kapitel wird der derzeitige Sachstand zur Entwicklung von Anforderungen für barrierefreie Fahrscheinautomaten nach dem Prinzip des Design für Alle dargelegt Unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen In der Regel ist der Fahrschein für den öffentlichen Verkehr vor Fahrtantritt oder unmittelbar nach dem Einstieg im Fahrzeug zu lösen. Der Vertriebsweg von Fahrkarten über Verkaufsstellen der Verkehrsunternehmen (Fahrkartenschalter) 564 wird bundesweit lediglich an einigen Haltepunkten des SPNV bzw. innerhalb der StPNV-Netze nur an wenigen Verkaufsstellen angeboten. Zudem besteht in immer weniger straßen- und schienengebundenen Fahrzeugen die Möglichkeit, Fahrscheine persönlich beim Busfahrer oder Zugbegleiter ohne Aufschlag zu lösen. Heutzutage erfolgt der Fahrscheinverkauf überwiegend mittels Automaten, die aber für einen Teil der Menschen mit Behinderungen nicht zugänglich und nutzbar sind. Der Nachteilsausgleich der unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im Personenverkehr ermöglicht mobilitätseingeschränkten Personen dennoch die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Mobilitätsbehinderte Menschen (Inhaber von Schwerbehindertenausweisen mit den Merkzeichen G für gehbehindert, ag für außergewöhnlich Gehbehindert, BL für Blind und H für Hilflos sowie gehörlose Menschen) können im Umkreis von 50 Kilometern um ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt Nahverkehrsmittel gemäß ihres Streckenverzeichnisses unentgeltlich benutzen. Die Freifahrt gilt bundesweit auch in 561 PRO BAHN e. V. Bundesverband 2004, S zum Konzept des Design für Alle vgl. EDAD 2005, S Topp 2006, S Mobilitätseingeschränkte Personen können die Verkaufstellen als Vertriebsweg für Fahrkarten nutzen, wenn die Schalter barrierefrei zugänglich und barrierefrei ausgestattet sind.

217 208 Verkehrsverbünden und bundesweit in Bussen, Straßenbahnen und S-Bahnen der 2.Klasse. Bei der Deutschen Bahn AG gelten als Nahverkehrszüge die Zuggattungen RegionalExpress RE, RegionalBahn RB, S-Bahn sowie InterRegioExpress IRE. 565 Für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben ist jedoch die Entwicklung von barrierefreien Fahrscheinautomaten anzustreben, auch vor dem Hintergrund, dass für Fahrten im Bahn-Fernverkehr (ICE, IC, EC), bei Nacht- und Sonderzügen sowie teilweise im Nahverkehr die Freifahrt nicht gilt und nicht alle Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung das Recht auf unentgeltliche Beförderung haben. Fahrgäste, die ohne Fahrschein in einen Zug des SPNV steigen, können in der Regel eine Fahrkarte nur gegen einen Aufschlag (Bordpreis), der zwischen 2 und 10 Euro liegt 566, beim Zugpersonal lösen. Neben den an einigen Bahnhöfen vorzufindenden Verkaufsstellen besteht bei der DB AG die Möglichkeit des telefonischen Kaufs von Fahrkarten über die hauseigene Mobilitätsservice-Zentrale (0,12 /Min.). Die Fahrkarte wird entweder per Post zugeschickt oder falls am Startbahnhof vorhanden, am Verkaufsschalter hinterlegt 567. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, Fahrkarten übers Internet zu buchen und zu Hause auszudrucken oder per Post zuschicken zu lassen. Da nicht alle Menschen einen Zugang zum Internet haben bzw. das Internet nicht für alle Menschen barrierefrei zugänglich ist und die Bestellung von Fahrkarten über die Mobilitätsservice-Zentrale keine spontane Nutzung ermöglicht, ist die Entwicklung von barrierefreien Fahrscheinautomaten bei der nächsten DB-Automatengeneration voranzutreiben. Die derzeitigen alternativen Vertriebswege der DB AG alleine bieten nach dem Grundsatz des BGG keine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft. Darüber hinaus wird mittel- bis langfristig auch fraglich sein, ob die Freifahrtregelung im Nahverkehr beibehalten werden kann, wenn die öffentlichen Nahverkehrssysteme perspektivisch barrierefrei nutzbar sein werden Anforderungen an barrierefreie Fahrscheinautomaten Damit Menschen mit Behinderungen an den Zugangsstellen des öffentlichen Verkehrs auf das gängige Vertriebssystem der Verkehrsunternehmen, den Fahrscheinverkauf an Automaten 569 zugreifen können, müssen Fahrscheinautomaten entwickelt werden, die von allen Menschen genutzt werden können. Im folgenden Abschnitt werden die Anforderungen an einen barrierefreien Fahrscheinautomaten vorgestellt. Erreichbarkeit von Fahrscheinautomaten Da der Fahrscheinautomat Bestandteil der Bahnhofs- und Haltestelleninfrastruktur ist, ist ein barrierefreier Fahrscheinautomat nur sinnvoll, wenn auch die Zugangsstelle zum ÖPNV für alle Personengruppen barrierefrei zugänglich ist. Die Qualitätsziele und funktionalen Standards für barrierefreie Eisenbahnhaltepunkte und Bushaltestellen können den in der 565 VdK 2004, S PRO BAHN e. V. Bundesverband 2004, S DB Vertrieb GmbH vgl. VdK VdK 2004, S.2

218 209 InnoRegio-Verkehrskonzeption entwickelten Anforderungsprofilen entnommen werden 570. Um die zeitliche Dauer zwischen dem Erwerb des Fahrscheines und dem Einstieg in das Fahrzeug so gering wie möglich zu halten, sollte der Fahrscheinautomat durch kurze, geradlinige und möglichst höhengleiche Wege mit der Haltestelle verbunden werden. Fahrscheinautomaten sollten somit in unmittelbarer Nähe zur Haltestelle bzw. zum Einstiegsbereich platziert werden. Der Fahrscheinautomat muss stufenfrei erreichbar sein, so dass er auch für Rollstuhlnutzer zugänglich ist. Eine Bewegungsfläche von 1,50 m x 1,50 m vor dem Automaten muss vorgehalten werden 571. Ein übersichtliches und lückenloses Orientierungs- und Leitsystem muss insbesondere sehbehinderten und blinden Menschen den Weg zum Fahrscheinautomaten aufzeigen. Von einem Fahrscheinverkauf alleine über Automaten in Fahrzeugen des StPNV und SPNV sollte abgesehen werden, da diese Automaten einerseits von sehbehinderten und blinden Reisenden nur sehr schwer bzw. gar nicht aufzufinden sind und andererseits gehbehinderten Menschen nicht zugemutet werden kann, während der Fahrt einen Fahrschein zu lösen 572. Ausführung des Fahrscheinautomatengehäuses Der Fahrscheinautomat muss für Rollstuhlnutzer anfahrbar sein (vgl. Abbildung 70). Abbildung 70: höhenoptimierte Fahrscheinautomaten in Deutschland und Großbritannien vgl. Rebstock 2004a, Rebstock 2004c und Rebstock 2004d 571 DIN , S PRO BAHN e. V. Bundesverband 2004, S linkes Bild: Fahrscheinautomaten der DB AG in unterschiedlichen Höhen; Quelle rechtes Bild: ECMT 2006, S.53

219 210 Zudem muss sichergestellt werden, dass ein Unterlaufen des Automaten (z. B. mit dem Blindenlangstock) ausgeschlossen wird. Zur Sicherstellung der Anfahrbarkeit und zur Vermeidung des Unterlaufens sollten möglichst keine ausragenden Elemente am Fahrscheinautomat angeordnet werden. Falls eine Ablagefläche angebracht wird, sollte diese nach DIN eine Höhe von 85 cm haben 574. Aus der Ebene der Bedienelemente auskragende Elemente (z. B. Ablagebrett) [sollten] max. 20 cm tief und bis 70 cm ab [..] [Oberkante] Fussboden unterfahrbar [sein]. 575 Bedienelemente und Anzeigen sollten auch für eine im Rollstuhl sitzende Person erreichbar bzw. sichtbar sein (vgl. Abbildung 70). Ebenso dürfen sehbehinderte Personen nicht daran gehindert werden, so nah wie möglich mit ihrem Gesicht an die Anzeigen und Bedienelemente zu gelangen. Für eine gute Lesbarkeit sind die Tasten und insbesondere der Bildschirm vor direktem und reflektierendem Licht abzuschirmen 576. Zum einen muss aus Kopfhöhe von Fußgängern, zum anderen von Rollstuhlbenutzern ein Bild erkennbar sein. 577 Zum Schutz sollen scharfe Kanten an Automaten vermieden werden. Zur Standsicherheit für gehbehinderte Personen können Festhaltemöglichkeiten ca. 100 cm über dem Boden am Automaten integriert oder als unabhängiges Element angeboten werden. Zudem wären Abstellmöglichkeiten für Gehhilfen oder Langstöcke hilfreich 578. Ist der Fahrschein vor Fahrtantritt zu entwerten, so ist der Entwerter in unmittelbarer Nähe zum Automaten aufzustellen. Ebenfalls gelten für den Entwerter die für den Fahrscheinautomaten genannten Anforderungen. Anordnung der Bedienelemente/Anzeige Die Bedienelemente und Anzeigen sind in ihrer Höhe und ihrem Neigungswinkel so anzuordnen, dass sie problemlos von einer im Rollstuhl sitzenden und einer stehenden Person zu bedienen und zu sehen sind (Neigungswinkel ist abhängig von der Einbauhöhe 579 ). Ebenfalls muss sehbehinderten und blinden Personen die Möglichkeit gegeben werden, die Bedienelemente problemlos aufzufinden. Um dies zu gewährleisten, wäre ein in der Höhe und im Neigungswinkel individuell einzustellender Bildschirm von Vorteil (vgl. Abbildung 71). Nach DIN sind alle Bedien- und Einwurfselemente wie Tasten und Einführungsschlitze in einer Höhe von 85 cm anzubringen. Allerdings ist zur technischen Abwicklung bei Automaten mit Bargeldeinwurf zwischen Münzeinwurf und Geldausgabe eine Höhendifferenz von ca. 60 cm erforderlich. Daher sollte der Münzeinwurf in einer Höhe von 125 cm und die Geldausgabe in einer Höhe von 65 cm angeordnet werden 580 (vgl. Abbildung 72). Bedienelemente sollten an allen Fahrscheinautomaten möglichst einheitlich nach einem festen Schema angeordnet werden DIN , S BöV 2006, S Gill o. J. 577 SEI 2005, S BöV 2006, S BAV 2004, S BMVBW 2001a, S. 38; In der Schweiz wird für Bedienelemente eine Höhe zwischen 70 und 110 cm sowie für den Münzeinwurf von maximal 120 cm empfohlen. (BöV 2006, S.2). 581 DIN-Fachbericht 124, S.35

220 211 Abbildung 71: frei bewegliches Terminal 582 Abbildung 72: Geldeinwurf/-ausgabe am Fahrscheinautomat 583 Gestaltung der Bedienelemente Für sehbehinderte und blinde Menschen spielt die Gestaltung der Bedienelemente eine wichtige Rolle. Die Tasten- und Schlitzelemente müssen zur Erkenn- und Nutzbarkeit sowohl optisch kontrastreich als auch taktil wahrnehmbar gestaltet sein. Dabei ist zu beachten, dass 582 SEI 2005, S ergänzt nach: VDV 2003, S. 338

221 212 die Tasten und Kartenschlitze nicht scharfkantig und versenkt sind 584. Ein Beispiel für die Anordnung und Ausgestaltung eines Tastaturfeldes gibt Abbildung 73 aus den Guidelines for the Design of Accessible Information and Communication Technology Systems (übersetzt: Richtlinie für die Gestaltung öffentlicher Informations- und Kommunikationstechnologiesysteme), erarbeitet im Royal National Institute for the Blind in London wieder. Abbildung 73: taktile und optische Gestaltung einer numerischen Tastatur (Beispiel) 585 Überstandshöhe der Ziffer auf der Taste 4 mm (taktile Ziffer), guter Kontrast zwischen Ziffer und Taste (hier weiß auf schwarz) Optisch kontrastreiche Tasten Klare Trennung zwischen Zifferntasten und Funktionstasten Tasten taktil zueinander unterscheidbar, Tasten 2 mm versenkt oder erhaben Tastenabstand 2,5 mm Alle Drucktasten der Bedienelemente sollten ertastbar sein, zu empfehlen ist eine Erhabenheit der Tasten zwischen 0,8 und 2 mm 586. Zwischen den Funktionstasten und dem Ziffernblock ist ein deutlich größerer Abstand einzuhalten als innerhalb des Ziffernblockes 587 (vgl. Abbildung 73). Für eine optisch kontrastreiche Darstellung sind die Funktionstasten in unterschiedlichen, kontrastreichen Farben darzustellen. Für eine gute Unterscheidbarkeit einzelner Funktionstasten bieten sich ebenso unterschiedliche taktile Formen (wie z. B. Rechteck, Kreis) an, diese sollten jedoch an allen Automaten die gleiche Funktion aufweisen. Für eine taktile Rückmeldung sollte der Tastenhub spürbar sein 588, für eine akustische Rückmeldung sollte die Betätigung der Bedienelemente ein akustisches Signal (Piepton oder Klicken der Taste) auslösen. Ist die Auslösung der Funktionstaste aufgrund eines (Bedienungs)fehlers nicht möglich, sollte dies mit einem längeren akustischen Signal mitgeteilt werden. Die akustische Rückmeldung gibt jedoch nicht den Hinweis, ob auch die Taste für den richtigen Fahrschein betätigt wurde. Mit Hilfe einer Sprachausgabe könnte durch Drücken der Taste der 584 DIN , S verändert und ergänzt nach: Gill, o. J. 586 BöV 2006, S SEI 2005, S BAV 2004, S.40

222 213 Fahrschein genannt werden 589. Jedes Bedienelement sollte wenn möglich nur eine Funktion aufweisen 590. So wäre es für die barrierefreie Bedienung des Automaten günstig, wenn jeder Fahrkarte eine Taste zugeordnet wäre (vgl. Abbildung 70 rechts). Jedoch ist diese Maßnahme lediglich bei Fahrscheinautomaten möglich, bei welchen der Tarif des Verkehrsunternehmens/-verbundes nur eine geringe Anzahl unterschiedlicher Fahrscheine anbietet. Die alleinige Bedienung des Automaten nur über Sensortasten (vgl. Punkt Touchscreen) ist zu vermeiden. Für die optische Beschriftung der Tasten mit Ziffern oder Buchstaben (auf oder rechts neben der Taste auf dessen Mittelachse) sollten serifenarme Schriften gewählt werden. Auf zu enge Buchstabenfolgen oder zu dicke/dünne Schriftstärken ist zu verzichten 591. Die Schriftgröße der optischen Informationen für Fahrgastinformationen sollte für sehbehinderte Personen mindestens 10 mm 592 betragen. In einem praktischen Versuch hat sich zudem herausgestellt, dass Groß- und Kleinschreibung optisch besser wiederzuerkennen ist als nur Großschreibung 593. Zur Unterstützung der schriftlichen Informationen können allgemein verständliche Symbole (wie z. B. Geldmünzen für den Münzeinwurf, i für Informationsanforderung,? für Hilfe, X für Stopp, C für Korrektur) die Bedienung vereinfachen, insbesondere für Menschen, die nicht lesen können oder die deutsche Sprache nicht beherrschen (wie z. B. Kleinkinder, Menschen mit eingeschränkter Lernfähigkeit oder Ausländer) 594. Für einen optischen Kontrast sind die Farbkombinationen blau-weiß, blau-gelb, schwarz-gelb und weiß-schwarz zu wählen 595. Auf die Kombination von Rot und Grün sollte aufgrund der weit verbreiteten Rot-Grün-Sehschwäche verzichtet werden. Zur Wahrnehmbarkeit für blinde Personen sollte die Darstellung der Informationen wie z. B. Ziffern auf den Tasten oder wichtige Beschriftungen auf dem Fahrscheinautomaten in taktiler Pyramiden- bzw. Prismenschrift und/oder Brailleschrift (auf oder rechts neben der Taste auf dessen Mittelachse) erfolgen. Die taktile Schwarzschrift sollte neben einer serifenarmen Schriftart und keiner zur engen Schriftfolge mit einer Schriftgröße von 10 mm ausgeführt werden 596 und eine Erhabenheit von 2 mm aufweisen 597. Werden taktile Buchstaben oder Ziffern mit der optisch kontrastreichen Darstellung deckungsgleich kombiniert (vgl. Ziffern in Abbildung 73) ist eine Schriftgröße von 10 mm zu wählen. Bei der deckungsgleichen Überlappung von taktiler und optischer Schrift besteht jedoch das Problem, dass für die taktile Erkennbarkeit, anders als bei der optischen Beschriftung, ausschließlich Großbuchstaben verwendet werden sollen, um blinden Menschen das Erlernen des Ertastens der Buchstaben zu erleichtern 598. Bei einer Zahlentastatur ist die Anordnung eines erhabenen Punktes auf der Taste Nummer 5 empfehlenswert, zudem darf bei einer nur optischen Darstellung der numerischen Ziffern der taktil wahrnehmbare Punkt in der Mitte des Ziffernblockes nicht 589 vgl. SEI 2005, S BAV 2004, S Heiserholt 2005, S Tölke 2006 und SZB 2005, S SZB 2005, S Heiserholt 2005, S SZB 2005, S Tölke ebenda 598 ebenda

223 214 fehlen. Der Punkt sollte so angeordnet werden, dass die Lesbarkeit nicht beeinträchtigt wird 599. Neben der erhabenen Pyramiden-/Prismenschrift besteht die Möglichkeit, Informationen in Brailleschrift darzustellen. Es kann davon ausgegangen werden, dass nicht alle blinden Personen (z. B. geburtsblinde Menschen) lateinische Schriftzeichen ertasten können. Umgekehrt beherrscht aber auch ein Großteil der blinden Menschen die Brailleschrift nicht. Nur etwa 20 % 600 der blinden Menschen sind mit der Brailleschrift vertraut, was durch den hohen Anteil spät erblindeter Menschen, die zudem meist älter sind, bedingt ist. Die Höhe der 6-Punkte-Braille-Schrift liegt bei knapp 7 mm 601 und nimmt somit sowohl in der Höhe als auch in der Breite weniger Platz ein als die taktile Schwarzschrift. Um möglichst vielen blinden Menschen das selbständige Bedienen eines Automaten zu ermöglichen, ist sowohl eine Beschriftung in Brailleschrift als auch in taktiler Pyramiden-/Prismenschrift anzustreben. Damit ist jedoch das grundsätzliche Problem verbunden, dass der Automat nur einen begrenzten Platz anbietet. Da sowohl die taktile Schwarzschrift als auch die Brailleschrift eine Mindestgröße aufweisen, ist nur soviel Text wie nötig am Automaten anzubringen 602. Lassen sich aufgrund von Platzmangel alle bisher aufgeführten Darstellungen zur Beschriftung nicht gemeinsam am Fahrscheinautomat realisieren, sollte die Gestaltung der Bedienelemente nach der Prioritätenreihung gemäß Tabelle 23 erfolgen. Tabelle 23: Prioritätenreihung für die Gestaltung der Bedienelemente 603 Sofern das Bedienelement in seiner Definition und Funktion eindeutig ist (wie z. B. eine numerische Tastatur), sind die einheitliche Anordnung sowie die optisch kontrastreiche Gestaltung der Bedientastatur die wichtigsten Kriterien für die Gestaltung (vgl. Abbildung 74 - die Ziffern auf der Taste sind optisch kontrastreich jedoch nicht taktil ausgebildet, ausgenommen der taktil wahrnehmbare Punkt auf der Ziffernnummer 5). Ist die Funktion der Taste nicht eindeutig, ist die taktile Schwarzschrift zur Darstellung der Information anzuwenden (vgl. Abbildung 74 taktile Symbole auf den Funktionstasten z. B. i, C 604 ). Hier steht die Bedeutung der tastbaren Beschriftung über derjenigen der optischen Beschriftung, wenn diese nicht deckungsgleich ausgeführt werden können 605 (vgl. Tabelle 23). Da nur ein geringer Teil der 599 Gill o. J. 600 I.L.I.S. 2002, S Heiserholt 2005, S vgl. Heiserholt 2005, S BAV 2004, S Die Anforderung, dass die Funktionstasten mit einem deutlich größeren Abstand zum Ziffernblock abgesetzt werden sollen, ist bei diesem Beispiel nicht gegeben. 605 BAV 2004, S.63

224 215 Abbildung 74: Eingabegerät eines Fahrscheintautomaten in Hongkong 606 sehbehinderten und blinden Menschen die Brailleschrift beherrscht, kann bei Platzmangel auf die Brailleschrift verzichtet werden 607. Sowohl für die Einführung und Ausgabe von Geldmünzen als auch von Karten (z. B. Geldoder Kundenkarten) ist der Eingangskanal der Einwurfschale bzw. des Kartenschlitzes neben der optisch kontrastreichen Darstellung trichterförmig auszubilden. Bei der Ausgabe von Karten ist zu beachten, dass die Karten zur Entnahme 2 cm über den Schlitz hinausragen sollten. Für die Einführung und Entnahme von Banknoten sollte ein breiter konischer Einschubschlitz vorgehalten werden. Bei der Ausgabe sollten die Banknoten 3 cm über den Schlitz hinausragen und die Geldausgabe sollte von einem akustischen Signal begleitet werden 608. Bei der Ausgabe von Fahrscheinen über eine Ausgabeschale muss darauf geachtet werden, dass Ticket und Wechselgeld auch von Menschen mit eingeschränkten motorischen Fähigkeiten leicht gegriffen werden können. 609 Bildschirmanzeige Der Bildschirm ist so anzubringen, dass kein Tageslicht oder helles Licht aus anderen Quellen die Sichtbarkeit der Anzeige verringert. Die Anzeige sollte daher gegen reflektierendes und direktes Licht abgeschirmt werden. Analog zur optisch kontrastreichen Beschriftung am Fahrscheinautomaten sollten die Farbkombinationen blau-weiß, blau-gelb, schwarz-gelb und weiß-schwarz bei der Anzeige Verwendung finden 610. Auf die Kombination von Rot und Grün sollte verzichtet werden. Ebenfalls sollte die Vermittlung der Informationen in gemischter Groß- und Kleinschreibung mit Unterlängen in 10 mm großer Schrift erfolgen (vgl. Punkt Gestaltung der Bedienelemente). Durch Tastendruck sollte die Möglichkeit bestehen, Schriftgrößen und Kontrast individuell einstellen zu können. Bei Bildschirmen ist zu beachten, dass 606 BAV 2004, S ebenda S BöV 2006, S ebenda 610 SZB 2005, S.6-3

225 216 die Schriftgröße eine höhere Bedeutung für die Lesbarkeit hat als die Bildauflösung 611. Ebenfalls sollten Bildschirme für Menschen mit Sehbeeinträchtigung über eine manuell einzustellende Helligkeitssteuerung verfügen 612. Zudem sollten schnell automatisch wechselnde Anzeigen und Laufschriften vermieden werden, da diese für sehbehinderte Menschen kaum lesbar sind 613. Touchscreen Der Touchscreen ist ein Computerbildschirm, durch dessen Berührung der Programmablauf gesteuert wird. Zum Drücken der Sensortasten auf den Fahrscheinautomaten (vgl. Abbildung 70) werden in der Regel die Finger verwendet. Sowohl sehbehinderte und blinde Menschen als auch Menschen mit Greifbehinderungen haben Probleme bei der Bedienung eines Touchscreen-Bildschirmes. Somit sollte ein Touchscreen-Bildschirm nur dann zulässig sein, wenn am Automaten daneben Alternativlösungen (wie z. B. Sprachausgabe oder optisch kontrastreiche / taktil beschriftete Drucktasten) für den Erwerb von Fahrscheinen für Menschen mit Behinderungen vorgehalten werden, so dass eine selbständigen Nutzung des Automaten für alle Fahrgäste möglich ist. Sprachausgabe Neben der taktilen Darstellung von Informationen bietet die Sprachausgabe eine Lösung für die selbständige Nutzung von Fahrscheintautomaten für blinde und sehbehinderte Menschen (vgl. Abbildung 75). Die Sprachausgabe an einem Fahrscheinautomaten sollte über Tastendruck manuell zugeschaltet werden können. Durch einfache, kurze Sätze sollten die Bedienungsanleitung und Anweisungen des Fahrscheinautomaten zum Erwerb eines Fahrscheines führen. Die Lautstärke sollte dynamisch an die Umgebungsgeräusche angepasst werden. Zusätzlich sollte die Möglichkeit bestehen, manuell mit einer Taste die Lautstärke den individuellen Bedürfnissen anpassen zu können. Da die Sprachausgabe keine statische Information ist, sollte die Ansage durch Tastendruck am Automaten wiederholbar sein 614. Umgekehrt sollte es möglich sein, durch Tastendruck einzelne Satzsegmente z. B. zur Bedienungsanleitung überspringen zu können 615. Alle Tasten zur Bedienung der Sprachausgabe sind optisch kontrastreich und taktil auszubilden (vgl. Punkt Gestaltung der Bedienelemente). Die Anzahl der Drucktasten für die Bedienung der Sprachausgabe ist so gering wie möglich zu halten, da ansonsten die Übersichtlichkeit verloren geht. Neben der Bedienung der Sprachausgabe durch Drucktasten bestände theoretisch die Möglichkeit, sich mit Hilfe der Spracherkennung durch das Menü führen zu lassen (akustische Menüführung). Jedoch ist die Spracherkennung derzeit technisch noch nicht weit genug fortgeschritten, so dass diese momentan noch keine praktische Alternative für sehbehinderte und blinde Menschen bietet SZB 2005, S BöV 2006, S SZB 2005, S BAV 2004, S SEI 2005, S BAV 2004, S.107

226 217 Abbildung 75: Fahrscheinautomaten mit Sprachausgabe in Barcelona 617 Bedienung des Fahrscheinautomaten Generell ist festzustellen, dass komplizierte Menüführungen [vom Kunden] zumeist abgelehnt werden [und] ein (Standard-) Verkaufsvorgang [ ] nach maximal drei Bedienschritten abgeschlossen sein [sollte]. 618 Die geschriebenen und gesprochenen Sätze zur Bedienungsanweisung sollten sorgfältig gewählt werden und klar und verständlich formuliert sein. Für die Bedienung des Fahrscheinautomaten ist es hilfreich, wenn die optischen, taktilen und akustischen Anweisungen zum Erwerb eines Fahrscheines nummeriert sind (z. B. 1. Fahrziel wählen, 2. Erwachsener / Kind wählen, 3. Geld einwerfen usw.). Ebenfalls sollte der Automat im Mehr-Sinne-Prinzip über Fehleingaben informieren und auch Abschlussbestätigungen liefern. Wird von einer Taste die Eingabebestätigung gefordert, sollte diese von innen beleuchtet werden oder blinken 619. Doppel- oder Mehrfachfunktionen von Bedienelementen sind möglichst zu vermeiden 620. Um kontrollieren zu können, ob der richtige Fahrschein gelöst wurde, ist der Fahrschein optisch kontrastreich und in einer ausreichenden Schriftgröße zu gestalten (vgl. Punkt Gestaltung der Bedienelemente) Fazit barrierefreie Fahrscheinautomaten Abbildung 70 und Abbildung 75 zeigen auf, dass bereits vielversprechende Ansätze zur Gestaltung barrierefreier Fahrscheinautomaten existieren. Allerdings gibt es auch noch Defizite sowie Forschungs- und Entwicklungsbedarf in diesem Bereich, um alle Anforderungen und Maßnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit zufriedenstellend zu berücksichtigen. So kann z. B. eine im Rollstuhl sitzende Person den Fahrscheinautomaten der 617 Quelle: Francesc Aragall I Clavé, Spanien 618 Bretzger / Bockholt 2006, S Gill o. J. 620 DIN-Fachbericht 124, S.37

227 218 DB AG (vgl. Abbildung 70 links) zwar nutzen, hingegen sind sehbehinderte und blinde Menschen von der Bedienung weitgehend ausgeschlossen. Grundsätzlich müssen Bedienelemente gemäß dem Mehr-Sinne-Prinzip mit mindestens zwei Sinnen wahrgenommen und bedient werden können. Die Funktion der Bedienelemente ist also mindestens optisch und taktil sowie gegebenenfalls akustisch auszubilden. Da an Fahrscheinautomaten des SPNV und StPNV aufgrund des Einzugsbereiches eine unterschiedliche Anzahl an Fahrscheinen angeboten wird, sind barrierefreie Fahrscheinautomaten unter Beachtung des Mehr-Sinne-Prinzips differenziert zu gestalten. Fahrscheinautomaten des StPNV, an denen überwiegend eine geringe Anzahl an Fahrscheinen angeboten wird (z. B. Preisstufe 1-4, Tageskarte, vgl. Abbildung 70 rechts), sollten für sehbehinderte und blinde Menschen ein barrierefreies System mindestens über taktile und optische Bedienelemente anbieten, wobei darauf zu achten ist, dass der Kauf einer Standardfahrkarte mit maximal drei Bedienschritten getätigt werden kann 621. Hingegen könnten komplexe Fahrscheinautomaten des SPNV, an denen Fahrgäste eine hohe Anzahl an unterschiedlichen Fahrscheinen lösen können, aufgrund der Handhabbarkeit den Erwerb des Fahrscheines neben der optischen und taktilen Darstellung auch über eine Sprachausgabe anbieten. Rein technisch wäre es möglich einen Fahrscheinautomaten zu entwickeln, der neben der optischen Darstellung alle erforderlichen taktilen Bedienelemente, die Sprachausgabe und die akustische Menüführung in einem Automaten vereint. Aufgrund des komplexen Angebotes muss jedoch überprüft werden, ob die Praktikabilität unter dem vielfältigen Angebot nicht leidet. Ein mit Informationen überhäufter Fahrscheinautomat könnte zu einer Überforderung der Fahrgäste beim Erwerb des Fahrscheines führen 622. Daher sollte bei der Gestaltung barrierefreier Fahrscheinautomaten darauf geachtet werden, dass nur die für den Erwerb eines Fahrscheines absolut notwendigen Informationen und Funktionen vorgehalten werden. Zentrale Aufgabe [von Fahrscheinautomaten] ist, die wichtigsten, einfachen Tickets zu verkaufen [ ]. Weitere lukrative Tarifsorten sollten nur verkauft werden, wenn Verständlichkeit und Kauf der erstgenannten Tickets nicht beeinträchtigt werden. 623 Ebenfalls sollten die Anordnung der Bedienelemente und der Ablauf zum Erwerb des Fahrscheines an allen Automaten innerhalb eines Streckennetzes bzw. Verkehrsverbundes einheitlich sein 624. Unabhängig von der Feststellung, dass es den ungeliebten Fahrscheinautomaten bald nicht mehr geben wird 625 bzw. der Grundsatzdiskussion, ob Fahrausweisautomaten überhaupt benötigt werden 626, sollte die Entwicklung von zugänglichen und nutzbaren Ticket-Automaten nach dem Prinzip des Design für Alle vorangetrieben werden, da diese Art des Ticketverkaufs trotz der o. g. Thesen definitiv noch mehrere Jahre als Hauptvertriebsform bestehen bleiben wird. 621 vgl. Bretzger / Bockholt 2006, S BöV 2005, S Bretzger / Bockholt 2006, S vgl. Bretzger / Bockholt 2006, S Topp 2006, S Bretzger / Bockholt 2006, S.37

228 Barrierefreie Gestaltung von Straßenquerungen Im Folgenden werden die im Verlauf des Projektes BeGiN gewonnenen Erkenntnisse in Bezug zur barrierefreien Gestaltung von Straßenquerungen in Kurzform dargestellt. Diese beruhen im Wesentlichen auf den zwei Studien Barrierefreie Gestaltung von kleinen und Mini-Kreisverkehrsplätzen (vgl. Kapitel 5.1) sowie Erschließung von Bushaltestellen Innovative Lösungsansätze für barrierefreie Straßenquerungen. Musterlösungen am Beispiel Georgenthal einer Projektstudie des Planungsbüros von Mörner + Jünger im Auftrag des Instituts Verkehr und Raum. Darüber hinaus bildet die Verkehrskonzeption für die barrierefreie Modellregion 628 eine weitere Grundlage. Fußgängerquerungen stellen immer wieder ein Problem insbesondere für Menschen mit Mobilitätsbeschränkungen dar, sei es, dass z. B. die Bordsteine an Querungen nicht abgesenkt wurden und dadurch für viele Rollstuhlnutzer eine unüberwindliche Barriere existiert, oder dass die eigenständige Querung für blinde Verkehrsteilnehmer aufgrund fehlender akustischer Zusatzeinrichtungen an Lichtsignalanlagen verunmöglicht wird 629. In Bezug zur konkreten Ausgestaltung barrierefreier Straßenquerungen existieren grundsätzliche planerische Zielkonflikte insofern, als dass die Nutzer in Abhängigkeit ihrer Fähigkeiten von sehr unterschiedlichen Barrieren betroffen sein können. So vermag z. B. die o. g. hohe Bordsteinkante für Rollstuhlnutzer ein unüberwindliches Hindernis bedeuten, für blinde und sehbehinderte Menschen dient die Kante hingegen als wichtige Orientierungshilfe, da diese genutzt werden kann, um mit dem Langstock dem Straßenverlauf zu folgen bzw. bei einer Straßenüberquerung die Anzahl der zu kreuzenden Querstraßen eindeutiger wahrzunehmen 630. Daher wird in der DIN und weiteren einschlägigen Fachveröffentlichungen 631 eine Bordhöhe von 3 cm als Kompromiss genannt, um zum einen Rollstuhlnutzern das selbstständige Fortbewegen zu ermöglichen und zum anderen das Ertasten der Bordsteinkante durch blinde Menschen sicherzustellen 632. Indes wird derzeit in Deutschland verstärkt die Null -Absenkung an Querungsstellen probagiert, insbesondere aufgrund des zunehmenden Einsatzes von Rollatoren, aber auch durch ein neu entwickeltes taktiles Formsteinsystem, das sog. Kasseler Rollbord, welches laut Herstellerangabe durch eine profilierte Oberfläche trotz einer Nullabsenkung die Sicherheitsbelange von blinden und sehbehinderten Menschen wahrt 633. Dies wird allerdings gegenwärtig insbesondere von Seiten der Blindenund Sehbehindertenverbände überaus kritisch diskutiert 634. Über die ertastbare Gehwegkante an der Querungsstelle hinaus ist eine taktile Kennzeichnung notwendig, um die Querung auffinden zu können, also die Ausstattung des Überweges mit Bodenindikatoren 635. Allerdings gibt es in diesem Bereich unterschiedlichste Lösungsansätze im Detail 636, die teilweise ebenfalls nicht unumstritten sind. Daher werden im Folgenden zunächst die 627 vgl. Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a 628 vgl. Gather / Rebstock Gather / Rebstock 2004, S Leidner / Neumann / Rebstock 2006, S vgl. z. B. BMV 1997, S.87; BMVBW 2001a, S.23; FGSV 2002, S.18; VDV 2003, S BMVBW 2000, S vgl. Heise / Junge / König 2004a, S vgl. Böhringer 2006 und GFUV Bräuer 2003, S vgl. Rebstock 2005, S.6

229 220 Thematiken optisch kontrastreiche und taktile Kennzeichnung von Straßenquerungen (vgl. Kapitel 5.5.1) sowie gesicherte Nullabsenkung (vgl. Kapitel 5.5.2) getrennt behandelt. Daran anschließend sind in Kapitel weitere Mindestanforderungen an barrierefreie Straßenquerungen aufgeführt Optisch kontrastreiche und taktile Kennzeichnung von Straßenquerungen Wie bereits erwähnt, gibt es für die optisch kontrastreiche und taktile Kennzeichnung von Straßenquerungen unterschiedlichste Detaillösungen. Zwar existiert die DIN-Norm Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum, die u. a. besagt, dass Aufmerksamkeitsfelder im Wartebereich von Fußgängerfurten auf Gehwegen und Schutzinseln sowie über die gesamte Gehwegbreite auf dem parallel zur Fahrbahn verlaufenden Gehweg in Form von Rillenplatten einzusetzen sind 637. Aufmerksamkeitsfelder im Wartebereich von Fußgängerfurten auf Gehwegen und Schutzinseln müssen mit dem Längsmuster ihrer Oberflächenstruktur in Gehrichtung der Furt weisen. In der Regel sollten die Aufmerksamkeitsfelder sofern ausreichend Platz zur Verfügung steht eine Tiefe von mindestens 900 mm [...] haben [...] und über [die gesamte Gehspurbreite der Zugangsanlage reichen]. Die Entfernung des Aufmerksamkeitsfeldes zur Bordsteinkante sollte etwa 300 mm betragen. 638 (vgl. Abbildung 46 in Kapitel 5.1.5). In der Realität konnte sich die DIN als Leitfaden für die Gestaltung von Straßenquerungen allerdings nicht durchsetzen und findet in der Praxis in diesem Bereich so gut wie keine Anwendung. Derzeit herrscht in Deutschland eher ein Sammelsurium taktiler Bodenindikatoren an Straßenquerungen (vgl. Abbildung 76). Auch im europäischen Ausland herrscht eine Vielfalt an Lösungen zur taktil-optischen Kennzeichnung von Straßenquerungen, die meist einen konträren Ansatz zur deutschen DIN verfolgen. So sind z. B. in Belgien und den Niederlanden diejenigen Rillen- / Rippenplatten, die über die Gehwegbreite verlaufen, in ihrer Ausrichtung gegensätzlich zu Deutschland verlegt und an der Furt liegt ein Bodenindikator aus weichem, mit den Füßen gut wahrnehmbarem Material. Frankreich und Großbritannien setzen Noppenplatten mit relativ weiten Noppenabständen ein, Spanien wiederum engstehende Noppen. Die Schweiz 639 nutzt hingegen Streifen mit erhabener Reliefstruktur (vgl. Abbildung 77). Neben ihrem geringen Bekanntheitsgrad 640 ist die Nichtbeachtung der DIN auch auf inhaltliche Widersprüche in der Norm zurückzuführen. So bevorzugt diese einerseits die Sinusrille als taktile Oberflächenstruktur: Um eine einheitliche jederzeit für Blinde und Sehbehinderte wiedererkennbare Struktur festzulegen, sollte die Oberflächenstruktur von Bodenindikatoren insbesondere für Leitstreifen als Längsmuster ausgeführt sein, dessen Form im Querschnitt einem Wellenprofil entspricht. [ ] Der Abstand von Wellenberg zu Wellenberg 637 DIN 32984, S ebenda 639 vgl. Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen 2005, S BMVBW 2004, S.146

230 221 Abbildung 76: Beispielvarianten von Bodenindikatoren an Straßenquerungen in Deutschland 641 Berlin Bonn Bad Cannstatt Dresden Hasfurt Marburg Trier Weimar 641 Quelle Bild Dresden: Juliane Friedrich, Dresden

231 222 Abbildung 77: Beispielvarianten von Bodenindikatoren an Straßenquerungen in Europa 642 Brügge B Groningen NL Islantilla E Straßburg F Luzern CH Manchester GB beträgt 10 mm bis 20 mm. 643 Andererseits sind andere Oberflächenstrukturen nach der DIN explizit für Aufmerksamkeitsfelder vorgesehen: Für Aufmerksamkeitsfelder kann vom Längsmuster abgewichen werden. [ ] Aufmerksamkeitsfelder [ ] aus Bodenindikatoren sollten sich durch Wahl geeigneter Werkstoffe und/oder anderer Oberflächenstrukturen taktil (z. B. elastisch, schwingend) auch mit den Füßen und akustisch wahrnehmbar vom angrenzenden Bodenbelag einschließlich Leitstreifen unterscheiden. 644 Führen Leitstreifen zu einem Aufmerksamkeitsfeld, z. B. bei Verzweigungen, [sollten] [ ] diese Aufmerksamkeits- 642 Quelle Bild Manchester: Finn Aslaksen, Norwegen 643 DIN 32984, S.2f. 644 DIN 32984, S.3

232 223 felder bei Verzweigungen [ ], um Irritationen zu vermeiden, eine andere Oberflächenstruktur aufweisen. 645 Die Antwort darauf, wie dieses denn in Einklang mit den bereits genannten Anforderungen an Aufmerksamkeitsfelder an Fußgängerfurten und Fußgängerüberwegen (vgl. Abbildung 46) zu bringen ist, bleibt die DIN allerdings schuldig. Da der derzeitige Trend in Deutschland zum einen eher in Richtung des verstärkten Einsatzes von Rippenplatten mit deutlich größeren Rippenabständen 646 und zum anderen in Richtung Kombination von Rippen- und Steinnoppenplatten 647 geht, und darüber hinaus insgesamt eine verstärkte funktionale Standardisierung notwendig erscheint, um die selbständige Fortbewegung blinder und sehbehinderter Menschen zu ermöglichen (vgl. Abbildung 76), wird die in der DIN gezeigte Lösung für barrierefreie Straßenquerungen in ihrer derzeitigen Fassung als nicht zielführend erachtet. Stattdessen sollten die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen auch zur Übermittlung bestimmter Informationen genutzt werden. So gibt es z. B. in Belgien Ansätze, den Bodenindikatoroberflächenstrukturen unterschiedliche Funktionen zuzuweisen (Rille: Leit- und Führungsfunktion; Noppe: Warn- und Aufmerksamkeitsfunktion) 648. In Bezug zur optisch kontrastreichen und taktilen Kennzeichnung von Straßenquerungen und ÖPNV-Haltestellen wird in Deutschland u. a. folgender funktionaler Ansatz zur taktilen Unterscheidung von Straßenquerung und Haltestelle verfolgt 649 : Straßenquerung (vgl. Abbildung 78) ο ο Rillen-/Rippenplatte über die gesamte Furtbreite Ausrichtung der Rippenstruktur in Gehrichtung der Furt Tiefe 900 mm direkt an die Bordsteinkante anschließend Noppenplatte Anlage auf parallel zur Fahrbahn verlaufendem Gehweg über die gesamte Gehwegbreite Anlage rechtwinklig auf die Mitte des Rippenplattenstreifens ( T -förmige Anordnung, vgl. Abbildung 78) Tiefe mm ÖPNV-Haltestelle (vgl. Abbildung 79) ο Rillen-/Rippenplatte Anlage auf parallel zur Fahrbahn verlaufendem Gehweg über die gesamte Gehwegbreite zur Kennzeichnung des Haltestellenstandortes und des Einstieges an der 1. Fahrzeugtür 645 ebenda S vgl. Grossmann 2006b, S vgl. GFUV o. J. 648 vgl. Neumannconsult 2006, S vgl. GFUV o. J.

233 224 Ausrichtung der Rippenstruktur parallel zur Fahrbahn Tiefe 900 mm In Anlehnung an die o. g. Funktionszuweisung ist in Abbildung 78 die Lösung für barrierefreie Straßenquerungen skizziert, die als der derzeitige Stand der Technik sowie an Querungen insgesamt als zielführend erachtet wird. Daher wird diese im Weiteren als die barrierefreie Standardlösung für Straßenquerungen bezeichnet (vgl. auch Abbildung 47 in Kapitel 5.1.6). Abbildung 78: optisch-taktile Kennzeichnung von Straßenquerungen Barrierefreie Standardlösung 650 Abbildung 79 zeigt eine ÖPNV-Haltestelle mit Bodenindikatoren, deren Rippen parallel zur Straßenkante verlaufen und so den Haltestellenstandort und den Einstieg an der 1. Fahrzeugtür anzeigen (vgl. auch Abbildung 8 in Kapitel c). 650 verändert und ergänzt nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild 4; vgl. auch Rebstock 2005, S.9

234 225 Abbildung 79: taktile Kennzeichnung von ÖPNV-Haltestellen Test-/Versuchslösung: Gesicherte Nullabsenkung Trotz der in Abbildung 78 aufgeführten barrierefreien Standardlösung für Straßenquerungen fand im Rahmen des Projektes BeGiN eine konstruktive Auseinandersetzung bezüglich der deutschlandweiten Diskussion um die Nullabsenkung Stichwort Kasseler Rollbord statt. Ausschlaggebend war hierbei, dass im Zuge des barrierefreien Umbaus der Bushaltestelle Georgenthal Ort, einer ÖPNV-Verknüpfungshaltestelle, die beidseitig als Busbucht angelegt ist, auch die barrierefreie Querung der Fahrbahn bei Umsteigevorgängen ermöglicht werden sollte (vgl. Abbildung 80). Abbildung 80: Umbauvorschlag Haltestelle Georgenthal Ort Fußgängerüberweg mit Mittelinsel Ausschnitt: Abbildung 8 in Kapitel c 652 Ausschnitt: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild 12

235 226 Da momentan keine Querungshilfen im Umfeld vorhanden sind, wurde die Neuanlage einer barrierefreien Straßenquerung untersucht und unterschiedliche Querungsvarianten unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen von sehbehinderten, blinden und gehbehinderten Menschen entwickelt 653. Ziel war die Entwicklung und der Bau einer Test-/Versuchslösung zur Erprobung einer neuen barrierefreien Straßenquerung mit gesicherter Nullabsenkung unter Beachtung aller relevanten Einwände von Seiten der Verbände von blinden und sehbehinderten Menschen gegen die bereits umgesetzten Varianten mit Nullabsenkung in Hessen. Ein Hauptgrund hierfür war auch die besondere Eignung der Örtlichkeit durch die Existenz des InnoRegio-Verbundprojektes Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle 654. Abbildung 81 zeigt eine Querung mit Nullabsenkung unter Verwendung des Kasseler Rollbord gemäß dem Einbauvorschlag der Herstellerfirma. Der Einsatz des Kasseler Rollbord ohne zusätzliche, deutlich taktil wahrnehmbare Absicherung der Bereiche mit Nullabsenkung, wird allerdings von diversen Verbänden der blinden- und sehbehinderten Menschen aus Sicherheitsgründen abgelehnt 655. Abbildung 81: Nullabsenkung mit Kasseler Rollbord nach dem Einbauvorschlag der Herstellerfirma vgl. Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a 654 vgl. Verband Naturpark Thüringer Wald e. V vgl. Böhringer 2006, S.2ff. und GFUV verändert und ergänzt nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild 5

236 227 In Abbildung 82 ist die Test-/Versuchslösung einer gesicherten Nullabsenkung unter Beachtung der o. g. Einwände dargestellt. In dieser Variante wird eine Zweiteilung der Querungsstelle vorgenommen: Für blinde und sehbehinderte Menschen stehen Bodenindikatoren in Anlehnung an die barrierefreie Standardlösung (Noppe über die gesamte Gehwegbreite / Rippe an der Furt mit Ausrichtung in Gehrichtung der Furt; vgl. Abbildung 78) und eine relativ hohe Bordkante von 6 cm zur Verfügung. Für Rollstuhl- und Rollatornutzer gibt es einen stufenlosen Querungsbereich. Entscheidende Neuerung ist der Einsatz von Gumminoppenplatten 657 vor der Nullabsenkung sowie die Begrenzung der Nullabsenkungsbreite auf 90 cm. Abbildung 82: Test-/Versuchslösung gesicherte Nullabsenkung 658 Leider wurde die Genehmigung eines Fußgängerüberweges nach 26 StVO an der Haltestelle Georgenthal Ort (vgl. Abbildung 80) durch die Straßenverkehrsbehörde aufgrund zu niedriger Fußgängerfrequenzen abgelehnt. Hintergrund ist, dass in den Richtlinien für die 657 Allerdings ist die Verwendung von Gumminoppenplatten mittlerweile durch Tests als nicht zielführend beurteilt worden, da diese bei Frost nicht mehr von Steinnoppenplatten zu unterscheiden sind. Derzeit wird die Schuppenplatte favorisiert, die Diskussion ist aber noch nicht abgeschlossen (vgl. Fußnote 668). 658 verändert und ergänzt nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild 6.2

237 228 Anlage und Ausgestaltung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001) 659 Regelverkehrsstärken sowohl für den Kraft- als auch für den Fußgängerverkehr als Grenzwerte für den Einsatz von FGÜ festgelegt sind (vgl. hierzu Tabelle 18 in Kapitel 5.1.5). Trotz der Bereitschaft von Seiten der Landesstraßenbauverwaltung zur Finanzierung einer Mittelinsel an der Haltestelle Georgenthal Ort auch ohne FGÜ, wurde der Bau der Querungsstelle bedauerlicherweise durch den Georgenthaler Gemeinderat abgelehnt. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass aufgrund des erhöhten Aufwandes durch 2-Teilung der Querung und auch des Widerspruches zum Konzept des Design für Alle 660 diese Lösung den Praxistest erst noch bestehen muss. Nur wenn die praktische Anwendung zeigt, dass der erhöhte Aufwand auch einen nachweislich höheren Nutzen für alle Verkehrsteilnehmer hat, könnte diese Lösung für Standorte empfohlen werden, an denen besonderer Wert auf eine Nullabsenkung gelegt wird (z. B. Krankenhaus, Seniorenheim usw.). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass auch in Europa Lösungen zur Nullabsenkung erprobt werden. Beispielsweise hat die Stadt Barcelona in Spanien mit dem Bordstein 120 (vgl. Abbildung 83) eine eigene, mit den katalanischen Verbänden von Menschen mit Behinderungen abgestimmte Nullabsenkung entwickelt 661, die allerdings optisch kontrastarm und für deutsche Verhältnisse vergleichsweise steil ist ( 8 %). Abbildung 83: Bordstein 120 an einer Straßenquerung in Barcelona Weitere Anforderungen an barrierefreie Straßenquerungen Abbildung 78 in Kapitel stellt die barrierefreie Standardlösung für Straßenquerungen dar. Prinzipiell gibt es jedoch verschiedenste Möglichkeiten eine Fahrbahnquerung zu gestalten, wobei sich diese durch den Grad ihrer selbstständigen Nutzbarkeit unterscheiden 659 vgl. BMVBW 2001b 660 zum Konzept des Design für Alle vgl. EDAD 2005, S Aragall I Clavé 2006, S ebenda S.214

238 229 lassen sowie in Abhängigkeit der vorherrschenden Kraftfahrzeug- und Fußverkehrsstärken unterschiedliche objektive und subjektive Sicherheitsniveaus aufweisen können. Im Folgenden sind gangbare Varianten von Straßenquerungen aufgeführt (vgl. Abbildung 84), wobei jede Querungsvariante zusätzlich durch einen Fahrbahnteiler (Mittelinsel, vgl. Abbildung 85) ergänzbar ist, was die Nutzbarkeit und Sicherheit jeweils signifikant erhöht 663 : 1. markierte Furt im Fahrbahnniveau 2. Fußgängerfurt mit Belagwechsel im Fahrbahnniveau 3. Fußgängerfurt mit Belagwechsel im Gehwegniveau 4. Fußgängerüberweg im Fahrbahnniveau 5. Fußgängerüberweg im Gehwegniveau 6. LSA mit akustischem und taktilem Freigabesignal sowie taktiler Richtungsanzeige Abbildung 84: Varianten barrierefreier Straßenquerungen vgl. Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, S verändert und ergänzt nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild 7-9

239 230 Abbildung 85: nachträglich eingebaute Mittelinsel im Bestand 665 Zu beachten ist allerdings, dass die Varianten 1 3 von blinden und stark sehbehinderten Menschen in der Regel nur dann eigenständig nutzbar sind, wenn niedrige Fahrzeugbelastungen mit angemessen großen Zeitlücken 666 bestehen. Abschließend sind in Abbildung 86 funktionale Mindeststandards für barrierefreie Straßenquerungen aufgeführt, welche als relativ unumstritten bezeichnet werden können und an Querungsstellen generell erfüllt sein sollten (vgl. Tabelle 19 in Kapitel 5.1.6). Abbildung 86: funktionale Mindeststandards für barrierefreie Straßenquerungen 667 Bereich Funktionale Standards / Mindeststandards Anforderungen / Umsetzung an die Örtlichkeiten angepasste, ausreichend helle, gleichmäßige sowie blendfreie Beleuchtung Vermeidung von Schattenzonen Sichtverhältnisse Gewährleistung guter Einsehbarkeit von Querungsstellen Sicherstellung uneingeschränkter und möglichst frühzeitiger Sichtbeziehungen zwischen Fußgänger und Fahrzeugführer Vermeidung von Parkierungsanlagen im Querungsstellenbereich Abgrenzung Fahrbahn - Gehweg Vermeidung von Bordsteinkantenabsenkungen außerhalb der Querungsstellen optimale Bordsteinhöhe 10 cm Radwegeführung Führung des Fahrradverkehrs möglichst auf der Fahrbahn Vermeidung von gemeinsamen Fußund Radwegen 665 verändert und ergänzt nach: Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, Bild Planungsbüro von Mörner + Jünger 2006a, S verändert nach: Rebstock 2005, S.10

240 231 Bereich Funktionale Standards / Mindeststandards Anforderungen / Umsetzung Anordnung von Fußgängerquerungsstellen möglichst rechtwinklig zur Fahrbahnachse Vermeidung von Entwässerungsschächten u.ä. Hindernissen im Überquerungsbereich Fußgängerquerung Bordsteinabsenkung an der Fußgängerfurt auf dem Gehweg und der Mittelinsel optisch kontrastreiche Markierung der abgesenkten Bordsteinkante Ausstattung von Wartebereichen und Aufstellflächen mit taktil-optisch-akustischen Aufmerksamkeitsfeldern Kennzeichnung der vom Gehweg abzweigenden Querungen mittels taktil-optischakustischen Aufmerksamkeitsfeldern bzw. streifen Einsatz optisch kontrastreicher Aufmerksamkeitsfelder bzw. streifen deutlicher Kontrast zum verwendeten Gehwegbelag Fazit barrierefreie Straßenquerungen Die barrierefreie Gestaltung von Straßenquerungen ist aufgrund divergierender Forderungen von Menschen mit Behinderungen nicht unproblematisch. Je nach persönlicher Fähigkeit bzw. Einschränkung kann die Barriere des Einen die Voraussetzung für die Nutzbarkeit des Anderen darstellen. Aus diesem Grund hat sich die Absenkung der Bordsteinkante an der Querungsstelle auf 3 cm als Mittelweg herausgebildet, aber auch dieser Kompromiss wird momentan insbesondere von Menschen mit Gehbehinderungen in Frage gestellt. Da die Diskussion um die sog. Nullabsenkung jedoch noch nicht abgeschlossen ist 668, wird das derzeit in Deutschland weitgehend übliche Maß von 3 cm als Standard zu Grunde gelegt. Gleichwohl berücksichtigt Abbildung 82 die Einsprüche blinder und sehbehinderter Menschen zum Thema Nullabsenkung. Aufgrund des erhöhten Aufwandes durch 2-Teilung der Querung muss diese Lösung den Praxistest aber erst noch bestehen. Nur wenn der erhöhte Aufwand auch einen signifikant höheren Nutzen für alle Verkehrsteilnehmer hat, könnte diese Querungsvariante für ausgewählte Standorte empfohlen werden, an denen besonderer Wert auf eine Nullabsenkung gelegt wird. Unabhängig von der Bordhöhe ist die LSA mit akustischen und taktilen Zusatzeinrichtungen die optimale Lösung für Alle 669. In Kapitel 5.5.1, Abbildung 78 wurde die barrierefreie Standardlösung für Straßenquerungen vorgestellt. Diese sollte als Mindeststandard für alle Querungen mit erhöhtem Fuß- und / oder Kraftfahrzeugverkehr gelten. Hierbei bestimmt die Verkehrsbelastung an der Querungsstelle die Wahl zwischen LSA und FGÜ (vgl. Tabelle 18 in Kapitel 5.1.5). Generell muss anhand des Verkehrsaufkommens für jeden Querungsstellenstandort einzelfallbezogen abgewogen werden, welche der in Abbildung 84 aufgeführten Straßenquerungsvarianten als die Zielführendste für die jeweilige Straßenraumsituation erachtet wird. 668 Z. B. experimentiert derzeit die Herstellerfirma des Kasseler Rollbord mit einer neuen Oberfläche, der Kasseler Schuppenplatte mit einer asymetrischen Rillenstruktur (Profilbeton o. J.). 669 vgl. auch Behling 2003, S.133 und Wäldin-Kern 2004, S.1

241 Barrierefreier Ausbau der Ohratalbahn KBS 572 Gotha-Gräfenroda Da die Ohratalbahn (KBS 572 Gotha-Gräfenroda) im ÖPNV-Zielnetz (vgl. Abbildung 9 in Kapitel c) der InnoRegio-Verkehrskonzeption als Bindeglied zwischen dem Fernverkehrshalt am Hbf Gotha und dem straßengebundenen Nahverkehr innerhalb der Modellregion die wesentliche öffentliche Verkehrsverbindung zur Erschließung der nördlichen Modellregion bildet 670, wurde im Projekt BeGiN speziell zu dieser Bahnlinie die AG Ohratalbahn mit allen für die barrierefreie Modernisierung 671 und den Betrieb verantwortlichen Akteuren (vgl. Anhang 34) mit dem Ziel gebildet, konkrete Schritte in Richtung des barrierefreien Ausbaus einzuleiten. Hierzu sollte die Zeitschiene zur Modernisierung (Erhöhung der Streckengeschwindigkeit) der Ohratalbahn geklärt sowie die Baumaßnahmen sowohl schienen- als auch stationsseitig konkretisiert und festgeschrieben werden. Aktivitäten zur Modernisierung der Ohratalbahn zwischen 2001 und 2004 Die Chronologie der Entwicklung von Maßnahmen in Bezug zur Modernisierung der Ohratalbahn seit Beginn des InnoRegio-Projektes Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig im Jahr 2001 bis zum Start des BeGiN-Projektes zeigt, dass bereits zahlreiche Aktivitäten durchgeführt wurden 672 : Seit 2001 verkehrt die DB Regio AG 673 mit dem teilniederflurigen VT 641 Erstellung einer Diplomarbeit von Robert Zehrer am Fachbereich Verkehrs- und Transportwesen der FH Erfurt (2001): Streckenmanagement im SPNV am Beispiel der Strecke Gotha-Gräfenroda Erstellung einer Konzeptplanung zur Umgestaltung des Bhf. Ohrdruf vom Planungsbüro von Mörner + Jünger im Auftrag der Nahverkehrsservicegesellschaft Thüringen mbh (NVS) ( / ) Interne Prüfung der betrieblichen Aufgabenstellung (Ausbau 80 km/h) durch die DB Netz AG ( ) Erstellung einer Konzeptplanung zur Umgestaltung des Bhf. Georgenthal vom Planungsbüro von Mörner + Jünger im Auftrag der FH Erfurt 674 ( ) Barrierefreie Umgestaltung des Bhf. Gräfenroda (vgl. Kapitel b) im Jahr 2003 (Umsteigebahnhof zwischen KBS 570 und KBS 572) Prüfung einer zeitlich gestaffelten Teilrealisierung des Bahnsteigneubaus in Georgenthal durch DB Regio und Netz AG (05/2004) Als Fazit der Entwicklung ist allerdings festzuhalten, dass der im Laufe der InnoRegio-Verkehrskonzeption abgestimmte Zeitplan zur Modernisierung der KBS komplett hinfällig ist und Maßnahmen entlang der Strecke von Seiten der DB Station&Service AG teilweise zu 670 Gather / Rebstock 2004, S vgl. Gather / Rebstock 2004, S.115ff. 672 Institut Verkehr und Raum 2005g, S.1f. 673 DB Regio Südost - Verkehrsbetrieb Thüringen 674 vgl. Planungsbüro von Mörner + Jünger vgl. Gather / Rebstock 2003, S.17ff.

242 233 einer weiteren Verschlechterung innerhalb der Modellregion aus Sicht mobilitätseingeschränkter Fahrgäste geführt haben 676. Trotz des hohen Engagements der mit dem InnoRegio- Projekt verbundenen Akteure konnte kein Fortschritt in Richtung Barrierefreiheit im SPNV innerhalb der Modellregion erzielt werden. Stand der weiteren Streckenmodernisierung zu Anfang des BeGiN-Projektes In Frankenhain wurde zwar im Jahr 2005 eine Verlegung des Bahnhofs um 300 m in Richtung Ort vorgenommen und beim Neubau des Bahnsteiges barrierefreie Standards angewandt. Inzwischen existiert aber ein Bau- und Fördermittelbewilligungsstop in Bezug zur Ohratalbahn, da ein Dissens zwischen der DB Netz AG und dem Freistaat Thüringen besteht. So erwartet die DB Netz AG eine 15- bis 20-jährige Bestellgarantie von SPNV- Leistungen durch den Freistaat Thüringen, da für die Modernisierung hohe Investitionsmittel notwendig sind. Der Freistaat ist hingegen der Meinung, dass der bestehende Verkehrsvertrag, welcher die Bestellung von SPNV-Leistungen auf der Strecke bis 2011 vorsieht, ausreicht. Bis dahin muss die DB Netz AG jedoch nur die Befahrbarkeit der Strecke sichern, eine Modernisierungspflicht gibt es nicht. Grundsätzlich macht der barrierefreie Umbau der Bahnhofsvorplätze aber nur Sinn, wenn auch die Infrastruktur eine Geschwindigkeitserhöhung der Strecke auf 80 km/h ermöglicht und die Bahnstationen barrierefrei umgebaut werden 677. Die beschriebene Ausgangssituation führt aus Sicht des InnoRegio-Verbundprojektes Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle zu einem Stillstand in Bezug zur barrierefreien verkehrlichen Erschließung der Modellregion. Von der o. g. Bestellgarantie hängt nicht nur der Erhalt oder Nicht-Erhalt von SPNV-Leistungen auf der Strecke ab, sondern auch die weitere Vorgehensweise für Maßnahmen im StPNV, wie z. B. der Ausbau des Busnetzes sowie die Lage von Verknüpfungspunkten in Georgenthal und Ohrdruf insbesondere für die RVG-Linie 850 (vgl. Kapitel c und Kapitel e). Aus diesem Grund wurde vom Institut Verkehr und Raum gemeinsam mit der InnoRegio- Projektstelle in Ohrdruf am ein Termin beim Minister für Bau und Verkehr des Freistaates Thüringen Andreas Trautvetter organisiert, um dem Minister die Notwendigkeit des barrierefreien Ausbaus der Ohratalbahn aufzuzeigen. Im Rahmen dieses Treffens wurde beschlossen, eine Bereisung auf der Ohratalbahn durchzuführen, um dem Minister sowie Vertretern der DB AG den konzeptionellen Ansatz und die Vernetzung von InnoRegio vor Ort zu erläutern sowie die zentrale Stellung der Ohratalbahn als Bindeglied zwischen dem Fernverkehrshalt in Gotha und dem StPNV in der Modellregion zu verdeutlichen. Abbildung 87 visualisiert beispielhaft die Vernetzung der unterschiedlichen Aktivitäten zur Barrierefreiheit am Beispiel von Georgenthal. 676 Institut Verkehr und Raum 2005g, S ebenda S.2f.

243 234 Abbildung 87: Vernetzung der Aktivitäten zur Barrierefreiheit in Georgenthal Rebstock / Lampka 2005b, S.6

244 235 Streckenbereisung der Ohratalbahn mit dem Thüringer Minister für Bau und Verkehr Im Vorfeld der Streckenbereisung mit dem Thüringer Minister für Bau und Verkehr bereitete die BeGiN-Forschungsgruppe ein umfangreiches Arbeitspapier zur Ohratalbahn vor (vgl. Anhang 35) und stellte dieses allen Teilnehmern der Bereisung zur Verfügung. Die Bereisung fand am mit Vertretern des Instituts Verkehr und Raum, dem Thüringer Minister für Bau und Verkehr, der InnoRegio-Projektstelle Ohrdruf, der Deutschen Bahn AG mit ihren Teilgesellschaften DB Netz, DB Station&Service, DB Regio Südost - Verkehrsbetrieb Thüringen sowie Railion, der NVS sowie der RVG und vielen weiteren Akteuren aus Kommunalverwaltungen, Tourismus und örtlichem Gewerbe statt (vgl. Abbildung 88). Abbildung 88: Minister Trautvetter mit Teilnehmern der Bereisung am Bhf. Georgenthal Das Institut Verkehr und Raum moderierte die Bereisung und betonte zu Anfang, dass Barrierefreiheit im Sinne eines Design für Alle nicht nur Menschen mit Behinderungen nützt, sondern allen Menschen mehr Komfort bringt und Barrierefreiheit zudem nur unwesentlich teurer ist, wenn diese bereits in der Planungsphase berücksichtigt wird (vgl. auch Kapitel 3.5). Allerdings muss beachtet werden, dass barrierefreie Angebote entlang der gesamten touristischen Servicekette entwickelt und angeboten werden 679, da Menschen mit Behinderungen ansonsten bei ihren Urlaubsaktivitäten auf Barrieren treffen. Dies bedeutet aber auch, dass die Servicekettenglieder möglichst zeitgleich barrierefrei entwickelt werden müssen, und nicht ein Akteur auf den anderen wartet und nichts passiert. Die barrierefreie verkehrliche Anbindung der Modellregion ist hierbei auch Voraussetzung für die Nutzung der anderen Elemente der touristischen Servicekette. Der Minister betonte vor dem Hintergrund, dass die Gruppe der sog. 50+ das Hauptgästepotential im Naturpark Thüringer Wald ist und dieses Potential durch den demographischen Wandel weiter ansteigen wird, die Notwendigkeit barrierefreier Angebote, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein. Diese Maßnahmen müssen aber auch wirtschaftlich darstellbar sein 679 vgl. Neumann / Reuber 2004, S.109f.

245 236 und die Probleme müssen mit allen Partnern zusammen vor Ort gelöst werden. Hierzu konnte die Bereisung einen großen Beitrag leisten, da sämtliche Akteure, sei es die DB AG und ihre Töchter, die regionale Busgesellschaft, die Bürgermeister oder die Tourismusakteure ein eindeutiges Bekenntnis zur Ohratalbahn gaben und die Bereitschaft zur Mitarbeit in ihrem jeweiligen Feld signalisierten. Insgesamt konnten dem Minister das Potential der Strecke und die Chancen einer barrierefreien Modernisierung mit Verlagerung der Verknüpfungspunkte zwischen Bus und Bahn an die Bahnhöfe sowie einem zentralen Umsteigepunkt am Bahnhof Ohrdruf aufgezeigt werden. Innerhalb der AG Ohratalbahn wurde die Streckenbereisung im Nachgang einhellig als dienlich nicht nur für den Erhalt der Bahnstrecke beurteilt, sondern auch für die gesamte Idee der Modellregion für einen barrierefreien Tourismus für Alle. Die Region mit den Bürgermeistern und Leistungsträgern der Gemeinden hat sich mit ihrem klaren Bekenntnis zur Strecke von der besten Seite gezeigt und zur gelungenen Vorstellung beigetragen 680. Aktueller Stand der Modernisierungsaktivitäten auf der Ohratalbahn Im Dezember 2005 fand ein Treffen zwischen der DB Netz AG und dem Minister für Bau und Verkehr des Freistaates Thüringen statt. Bei diesem Gespräch wurden einzelne Bahnstrecken detailliert betrachtet und eine Zielstellung für das Thüringer Netz aufgestellt sowie die Problematik der langfristigen Bestellgarantie diskutiert 681. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Regionalisierungs- mittelkürzung war das Land aber nicht bereit, langfristige Zusagen zu geben. Dennoch gab das TMBV dem Institut Verkehr und Raum am in Form einer schriftlichen Absichtserklärung zum langfristigen Erhalt sowie zur Modernisierung der Ohratalbahn ein weiteres Signal zur Streckenmodernisierung 682. Am fand die offizielle Übergabe des Teilprojektes Bhf. Ohrdruf von der BeGiN- Projektgruppe an die Stadt Ohrdruf u. a. im Beisein des Ministers statt. Die Stadt Ohrdruf beauftragte daraufhin die Planungsleistung für den StPNV-Verknüpfungspunkt am Bahnhof Ohrdruf (Leistungsphase 1-4 nach HOAI (=Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und der Ingenieure)). In diesem Zeitraum wurde allerdings von der Bundesregierung die Kürzung der Regionalisierungsmittel zwischen 2006 und 2010 um insgesamt rund 3,3 Milliarden Euro beschlossen. Da dies bekanntermaßen erhebliche Auswirkungen auf den SPNV haben wird 683, bat die Bürgermeisterin der Stadt Ohrdruf das TMBV am in einem Brief um Stellungnahme zum Stand der Fördermittelvergabe für den Umbau des Bahnhofvorplatzes in Ohrdruf. Die Antwort des TMBV vom enthielt dann die Aussage, dass derzeit keine Landesfördermittel für die Ohratalbahn bewilligt werden. Zwar [ist] grundsätzlich [ ] festzustellen, dass der langfristige Betrieb der Eisenbahnstrecke Gotha - Ohrdruf - Gräfenroda 680 Institut Verkehr und Raum 2005h, S ebenda 682 TMBV 2006a 683 vgl. Trost 2006, S.456

246 237 sowohl für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) als auch den Schienengüterverkehr seitens des Landes erwünscht und angestrebt wird. Allerdings fordert die DB Netz AG eine langfristige Bestellzusage für die Strecke Gotha - Gräfenroda. Diese ist für die DB Netz AG eine elementare Voraussetzung, damit sie die notwendigen Investitionen zur Sanierung und zum Ausbau der Eisenbahnstrecke auslösen kann. Angesichts der umfangreichen Kürzungen der Regionalisierungsmittel in diesem und im nächsten Jahr sowie der bevorstehenden Revision des Regionalisierungsgesetzes sieht sich das Land derzeit außerstande, konkrete Festlegungen hinsichtlich Zeit und Bestellumfang zu treffen. 684 In Reaktion auf das o. g. Schreiben verfasste die RVG am einen Brief, in welchem nochmals auf die bereits weit gediehenen Planungs- und Vernetzungsvorhaben zur barrierefreien Modernisierung der Ohratalbahn hingewiesen und um eine rasche Entscheidung zur Zukunft der Ohratalbahn gebeten wurde 685. Bis zum Ende des Projektes BeGiN ist jedoch noch keine Antwort diesbezüglich bei der RVG eingegangen. Allerdings wird aktuell auf einem 6 km langen Teilstück der KBS 572 zwischen Ohrdruf und Crawinkel der Oberbau komplett saniert 686. Im Rahmen dieser Modernisierungsmaßnahmen hatte die DB AG am 01. Dezember 2006 zu einer Pressekonferenz mit anschließender Baustellenbesichtigung in Ohrdruf geladen (vgl. Abbildung 89). Abbildung 89: Pressekonferenz der DB AG zur Modernisierung der Ohratalbahn am Neben Vertretern der DB AG nahm auch der Minister für Bau und Verkehr teil. Der Konzernbevollmächtigte der DB AG für die Region Südost Gerold Brehm betonte, dass sich die DB AG mit ihrem Entschluss zur Modernisierung der Ohratalbahn vor dem Hintergrund der bisher fehlenden langfristigen Bestellzusage von SPNV-Leistungen auf der Strecke weit vorgewagt hätte. Die DB AG wolle so ein Zeichen setzen, dass die Bahn nicht vorhabe, sich aus der Fläche zurückzuziehen und auch in Bezug zum InnoRegio-Projekt zu ihren einst gemachten Zusagen stehe, auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und 684 TMBV 2006b 685 RVG 2006b 686 Thüringer Allgemeine 2006

247 238 der hieraus resultierenden Notwendigkeit an barrierefreien Verkehrssystemen. Erforderlich für einen kompletten barrierefreien Ausbau sei aber die Integration der KBS 572 in den Landesverkehrswegeplan 2007 des Freistaates Thüringen. Ziel der Beschleunigungsmaßnahmen ist die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit zum motorisierten Individualverkehr, um so die Fahrgastzahlen auf der Ohratalbahn zu steigern. Hierzu ist auch die enge Abstimmung zwischen Bus und Bahn unerlässlich, da für Parallelverkehre nicht genug Nachfrage vorhanden sei. Auch werde der Güterverkehr beachtet und ein entsprechend hoher Baustandard umgesetzt. Die DB AG leiste so ihren Beitrag zur Stärkung der Region Ohrdruf 687. Der Minister stellte zunächst klar, dass die Ohratalbahn im Landesverkehrswegeplan 2007 des Freistaates enthalten und die Entscheidung zum Umgang mit der Regionalisierungsmittelkürzung gefallen sei. Demnach wird zum Fahrplanwechsel der SPNV auf der Strecke Schleiz-Schönberg sowie auf der Kyffhäuserbahn abbestellt. Der Minister erinnert noch mal an die Streckenbereisung im Jahr 2005 und die in diesem Rahmen vorgestellte, sinnvolle Verlagerung der Verknüpfung zwischen Bus und Bahn nach Ohrdruf. Insgesamt sollten noch mehr innovative Ideen entwickelt werden, z. B. in Bezug zur Frage der Nachnutzung des Bahnhofsgebäudes in Ohrdruf. Abstimmungsbedarf bestehe zudem noch in Bezug zu Parallelverkehren 688 und einem eindeutigen Bekenntnis des Landkreises Gotha zur Ohratalbahn. Abschließend ist festzustellen, dass die ersten Schritte zur Modernisierung der Ohratalbahn derzeit getätigt werden, der definitive Startschuss zum barrierefreien Ausbau aber vom Freistaat Thüringen so schnell wie möglich gegeben werden sollte, um das InnoRegio-Projekt nicht in seiner Gesamtheit zu gefährden. 687 vgl. auch Suhler Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG 2006a 688 vgl. Hube 2006

248 239 Teil C Museumskonzeption Die Entwicklung einer Konzeption für ein barrierefreies Eisenbahnmuseum in Georgenthal wurde im Rahmen des InnoRegio-Projektes Barrierefreie Erschließung der Talsperrenregion am Rennsteig angeregt 689. Folglich war die zentrale Aufgabe dieses Arbeitspaketes die Erstellung einer Museumskonzeption für eine barrierefreie Traditionseisenbahnausstellung in Georgenthal. Hierbei übernahm das Institut Verkehr und Raum die Projektkoordination und -betreuung in Kooperation mit der Interessengemeinschaft Hirzbergbahn Georgenthal- Tambach e. V. (IGHB) als lokalem Umsetzungspartner. Zur Erarbeitung der museumspädagogischen Grundlagen für die Ausstellungskonzeption wurden zunächst u. a. umfangreiche Museumsbereisungen und Workshops mit Focusgruppen durchgeführt. Für die Visualisierung der exemplarischen Lösungsansätze stellte sich dabei ein plastisches Modell (vgl. Abbildung 90) als deutlich zielführender als die ursprünglich beantragte Variante mittels graphischer Umsetzung und Filmproduktion 690 heraus. Dieses Modell konnte zudem deutlich preisgünstiger beauftragt werden als die Variante mittels graphischer Umsetzung und Filmproduktion. Abbildung 90: Modell Aktivmuseum Bahnfahren Georgenthal Auf dieser Basis wurde das museumspädagogische Konzept Aktivmuseum Bahnfahren Georgenthal für ein barrierefreies Eisenbahnmuseum in Georgenthal von Kulturwissenschaftlern in Kooperation mit dem Norddeutschen Spielzeugmuseum und der Stiftung Spiel in Soltau erstellt. 689 vgl. Gather / Rebstock 2004, S vgl. Institut Verkehr und Raum 2004, S.10

Nahverkehr für alle. Mannheim, 5. Mai 2008

Nahverkehr für alle. Mannheim, 5. Mai 2008 Nahverkehr für alle Mannheim, 5. Mai 2008 Dr. Volker Sieger Institut für barrierefreie Gestaltung und Mobilität Mainz Finanzierung des ÖPNV Säule I - Fahrgäste: Fahrgelderlöse Erstattungsleistungen (Schüler,

Mehr

Fortschreibung des Wuppertaler Nahverkehrsplans Konstituierende Sitzung der begleitenden Expertenrunde 11. Januar Herzlich Willkommen!

Fortschreibung des Wuppertaler Nahverkehrsplans Konstituierende Sitzung der begleitenden Expertenrunde 11. Januar Herzlich Willkommen! Fortschreibung des Wuppertaler Nahverkehrsplans Konstituierende Sitzung der begleitenden Expertenrunde 11. Januar 2017 Herzlich Willkommen! Folie 2 Fortschreibung des Wuppertaler Nahverkehrsplans Einführung

Mehr

Thüringer Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr (ThürÖPNVG)

Thüringer Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr (ThürÖPNVG) Thüringer Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr (ThürÖPNVG) vom 22. Juni 2005 (GVBl 2005, 276) 1 Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen (1) Dieses Gesetz gilt für den öffentlichen Personennahverkehr

Mehr

Thüringer THÜRINGER Landtag LANDTAG - 4. Wahlperiode Drucksache 4/ Wahlperiode - Neufassung

Thüringer THÜRINGER Landtag LANDTAG - 4. Wahlperiode Drucksache 4/ Wahlperiode - Neufassung Thüringer THÜRINGER Landtag LANDTAG - 4. Wahlperiode Drucksache 4/1900 4. Wahlperiode - Neufassung - 24.04.2006 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Doht (SPD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums

Mehr

3. FORUM MOBILITÄT November 2014 in Berlin. Barrierefreier ÖPNV bis 2022: Was heißt das für die Kommunen?

3. FORUM MOBILITÄT November 2014 in Berlin. Barrierefreier ÖPNV bis 2022: Was heißt das für die Kommunen? 3. FORUM MOBILITÄT 10. 11. November 2014 in Berlin Barrierefreier ÖPNV bis 2022: Was heißt das für die Kommunen? Dirk Bräuer Stadt Chemnitz, Tiefbauamt Leiter der Abteilung Verkehrsplanung 8 Absatz 3 Personenbeförderungsgesetz

Mehr

Perspektiven der Gestaltung eines barrierefreien ÖPNV im ländlichen Raum vor dem Hintergrund der Änderung des PBefG

Perspektiven der Gestaltung eines barrierefreien ÖPNV im ländlichen Raum vor dem Hintergrund der Änderung des PBefG Perspektiven der Gestaltung eines barrierefreien ÖPNV im ländlichen Raum vor dem Hintergrund der Änderung des PBefG Die neuen Regelungen und die Rahmenbedingungen für deren Umsetzung Andreas Wille Ministerium

Mehr

Planungsziel Barrierefreiheit im ÖPNV bis 2022

Planungsziel Barrierefreiheit im ÖPNV bis 2022 Planungsziel Barrierefreiheit im ÖPNV bis 2022 21. Bundesweite Umwelt- und Verkehrs-Kongress BUVKO SA 6: ÖPNV 2022 barrierefrei: Wie strategisch planen? 11.03.2017, Wuppertal Hartmut Reinberg-Schüller

Mehr

Handreichung Barrierefreiheit im Verkehr: Was die Kommunen konkret tun können

Handreichung Barrierefreiheit im Verkehr: Was die Kommunen konkret tun können Handreichung Barrierefreiheit im Verkehr: Was die Kommunen konkret tun können Mit seiner Kampagne Weg mit den Barrieren! kämpft der Sozialverband VdK für umfassende Barrierefreiheit in Bund, Ländern und

Mehr

INHALTSÜBERSICHT 2. DAS 1. INSTRUMENT DES BGG: PROGRAMME AM BEISPIEL EISENBAHNEN DAS 2. INSTRUMENT DES BGG: NAHVERKEHRSPLÄNE...

INHALTSÜBERSICHT 2. DAS 1. INSTRUMENT DES BGG: PROGRAMME AM BEISPIEL EISENBAHNEN DAS 2. INSTRUMENT DES BGG: NAHVERKEHRSPLÄNE... ÖPNV-Fachkonferenz des Institutes für barrierefreie Gestaltung und Mobilität GmbH (IbGM) am 03. und 04.06.2002 in Nürnberg Aspekte für das InnoRegio-Projekt Barrierefreie Modellregion- INHALTSÜBERSICHT

Mehr

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 17/ Wahlperiode

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 17/ Wahlperiode SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 17/1925 17. Wahlperiode 11-11-04 Bericht der Landesregierung Barrierefreiheit im Nah- und Fernverkehr Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1883

Mehr

3. Fortschreibung des Mainzer Nahverkehrsplans. Stadt Mainz 3. Fortschreibung des Nahverkehrsplans. 1.Nahverkehrsforum

3. Fortschreibung des Mainzer Nahverkehrsplans. Stadt Mainz 3. Fortschreibung des Nahverkehrsplans. 1.Nahverkehrsforum Stadt Mainz 3. Fortschreibung des Nahverkehrsplans 1. Nahverkehrsforum am 13.12.2107 Agenda 1. Begrüßung 2. Rechtlicher Rahmen und Inhalte des Nahverkehrsplans 3. Aktueller Bearbeitungsstand und weitere

Mehr

Inhaltsverzeichnis. KVG Lippe IBV

Inhaltsverzeichnis. KVG Lippe IBV KVG Lippe Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Regionalisierung im ÉPNV 3 1.2 Aufgabenträgerschaft 3 1.3 Nahverkehrsplan 3 1.4 Inhalte des Nahverkehrsplans 4 1.5 Vorgehen 5 1.5.1 Aufstellungsverfahren

Mehr

Handreichung Barrierefreiheit im Verkehr: Was die Kommunen konkret tun können

Handreichung Barrierefreiheit im Verkehr: Was die Kommunen konkret tun können Handreichung Barrierefreiheit im Verkehr: Was die Kommunen konkret tun können Mit seiner Kampagne Weg mit den Barrieren! kämpft der Sozialverband VdK für umfassende Barrierefreiheit in Bund, Ländern und

Mehr

Wie ist die Zielsetzung einer vollständigen Barrierefreiheit im ÖPNV bis 01. Januar 2022 zu verstehen?

Wie ist die Zielsetzung einer vollständigen Barrierefreiheit im ÖPNV bis 01. Januar 2022 zu verstehen? Wie ist die Zielsetzung einer vollständigen Barrierefreiheit im ÖPNV bis 01. Januar 2022 zu verstehen? Prof. Dr. Christofer Lenz VDV/WBO-Infoveranstaltung Barrierefreiheit im ÖPNV Ungelöste Finanzierungsfragen?,

Mehr

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen (ÖPNVG)

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen (ÖPNVG) Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen (ÖPNVG) Vom 14. Dezember 1995 (SächsGVBl. 1995, 412), zuletzt geändert durch Artikel 10a des Gesetzes vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl.

Mehr

Barrierefreiheit Anspruch und Wirklichkeit im Nahverkehr Ralf Herthum Magdeburg, 01. Dezember 2015

Barrierefreiheit Anspruch und Wirklichkeit im Nahverkehr Ralf Herthum Magdeburg, 01. Dezember 2015 Barrierefreiheit Anspruch und Wirklichkeit im Nahverkehr Ralf Herthum Magdeburg, 01. Dezember 2015 1. Querschnitts-Workshop zur Neuaufstellung des ÖPNV-Plans Gliederung Rechtliche Rahmenbedingungen Situation

Mehr

Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung Schienenpersonennahverkehr

Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung Schienenpersonennahverkehr Schienenpersonennahverkehr 08. Juli 2016 SPNV Enquetekommission Ländliche Entwicklung 1 Das System des SPNV in Brandenburg Themen Rechtliche Grundlagen Finanzierungssystem Landesnahverkehrsplanung 08.

Mehr

Mobilitätsplan Stadt Offenbach

Mobilitätsplan Stadt Offenbach Fortschreibung des NVP Mobilitätsplan Stadt Offenbach Beteiligung der Öffentlichkeit - Workshop 12.09.2016 - Ostpol Offenbach Inhaltsübersicht 2 Begrüßung Vorstellung Büros Mobilitätsangebot im Bestand

Mehr

Antrag auf beschleunigte Umsetzung der Barrierefreiheit

Antrag auf beschleunigte Umsetzung der Barrierefreiheit Juso-Hochschulgruppe SPD Ortsverein Kieler Mitte Barrierefreiheit an Bushaltestellen im Umfeld der Christian-Albrecht- Universität Antrag auf beschleunigte Umsetzung der Barrierefreiheit 05.08.2015 - SPD

Mehr

Die Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs. - Überörtliche Kommunalprüfung -

Die Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs. - Überörtliche Kommunalprüfung - Die Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs - Überörtliche Kommunalprüfung - Kommunalbericht 2017 Kommunalbericht der Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs - Überörtliche

Mehr

LVS Schleswig-Holstein Landesweite Verkehrsservicegesellschaft mbh

LVS Schleswig-Holstein Landesweite Verkehrsservicegesellschaft mbh Schleswig-Holsteinischer Landtag Umdruck 16/527 LVS Schleswig-Holstein Landesweite Verkehrsservicegesellschaft mbh Raiffeisenstrasse 1, 24103 Kiel Tel.: 0431/66019-29 Fax: -19 e-mail: j.schulz@lvs-sh.de;

Mehr

Neuaufstellungsprozess ÖPNV-Plan Sachsen-Anhalt /2030 Jörg Przesang Magdeburg, 15. Oktober 2015

Neuaufstellungsprozess ÖPNV-Plan Sachsen-Anhalt /2030 Jörg Przesang Magdeburg, 15. Oktober 2015 Neuaufstellungsprozess ÖPNV-Plan Sachsen-Anhalt 2015 2020/2030 Jörg Przesang Magdeburg, 15. Oktober 2015 1. Workshop zur Neuaufstellung des ÖPNV-Plans Anlass / Ziel der Neuaufstellung ÖPNV-Plan Sachsen-Anhalt

Mehr

Bezirksregierung Köln

Bezirksregierung Köln Bezirksregierung Köln Unterkommission Schiene der Verkehrskommission des Regionalrates des Regierungsbezirkes Köln Sachgebiet: Barrierefreiheit Drucks. Nr.: UK Schiene 103/2015 4. Sitzungsperiode Köln,

Mehr

Flächendeckender barrierefreier Buseinstieg realisierbar oder illusorisch?

Flächendeckender barrierefreier Buseinstieg realisierbar oder illusorisch? Flächendeckender barrierefreier Buseinstieg realisierbar oder illusorisch? Paul Maschke SVG Südholstein Verkehrsservice GmbH Stadt Bad Segeberg Veranstaltung Mit Barrieren geht es nicht die barrierefreie

Mehr

Barrierefreiheit im Regionalverkehr

Barrierefreiheit im Regionalverkehr Barrierefreiheit im Regionalverkehr Perspektiven der Gestaltung eines barrierefreien ÖPNV im ländlichen Raum vor dem Hintergrund der Änderung des PBefG Fachtagung an der FH Erfurt - 25.11.2013 Thesen 1.

Mehr

Gute-KiTa-Checkliste. Gesetzliche Anforderungen an die Umsetzung des KiTa-Qualitätsund Teilhabeverbesserungsgesetzes in den Ländern

Gute-KiTa-Checkliste. Gesetzliche Anforderungen an die Umsetzung des KiTa-Qualitätsund Teilhabeverbesserungsgesetzes in den Ländern Gute-KiTa-Checkliste Gesetzliche Anforderungen an die Umsetzung des KiTa-Qualitätsund Teilhabeverbesserungsgesetzes in den Ländern Seit dem 1. Januar 2019 sind wesentliche Teile des KiTa-Qualitäts- und

Mehr

Barrierefreier ÖPNV im ländlichen Raum Planungsansätze im VRN

Barrierefreier ÖPNV im ländlichen Raum Planungsansätze im VRN Barrierefreier ÖPNV im ländlichen Raum Planungsansätze im VRN Fachtagung: Barrierefreiheit im regionalen Buslinienverkehr 25. November 2013 in Erfurt Gliederung I Einführung II Elemente der Barrierefreiheit

Mehr

Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (ü)briger öffentlicher Personennahverkehr

Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (ü)briger öffentlicher Personennahverkehr (ü)briger öffentlicher Personennahverkehr 08. Juli 2016 übriger ÖPNV Enquetekommission Ländliche Entwicklung 1 Rechtliche Grundlagen EU Verordnung 13 70 / 2007 regelt die Vergabe gemeinwirtschaftlicher

Mehr

Gesetz über die Aufgaben und die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Berlin (ÖPNV-Gesetz)

Gesetz über die Aufgaben und die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Berlin (ÖPNV-Gesetz) Gesetz über die Aufgaben und die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Berlin (ÖPNV-Gesetz) Vom 27. Juni 1995 (GVBl. 1995, 390), zuletzt geändert durch Artikel III des Gesetzes

Mehr

Thüringer Landtag 6. Wahlperiode

Thüringer Landtag 6. Wahlperiode Thüringer Landtag 6. Wahlperiode Drucksache 6/929 17.08.2015 Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes A. Problem und Regelungsbedürfnis Aufgrund

Mehr

Berichtspflichten für Aufgabenträger nach der VO 1370/2007

Berichtspflichten für Aufgabenträger nach der VO 1370/2007 Berichtspflichten für Aufgabenträger nach der VO 1370/2007 Dr. Mehmet H. Sarikaya, Leiter Planungsamt des Rhein-Sieg-Kreises Arbeitsgruppe des Landkreistages NRW Siegburg, 21.10.2010 Agenda Begriffsbestimmung

Mehr

Der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) und der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN)

Der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) und der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) 24. August 2017 Fachwerkstatt WeserSprinter, Brake Der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) und der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) Partner für den Nahverkehr in Stadt und

Mehr

Eigenwirtschaftlichkeit und Nahverkehrsplanung

Eigenwirtschaftlichkeit und Nahverkehrsplanung Eigenwirtschaftlichkeit und Nahverkehrsplanung Juristische Perspektive Rechtsanwalt Dr. Lorenz Wachinger Jena, 30. Oktober 2015 1 Ein neues Phänomen: eigenwirtschaftlicher Antrag für einen Großstadtverkehr,

Mehr

Hintergrund der Fortschreibung

Hintergrund der Fortschreibung Hintergrund der Fortschreibung Die aktuelle, 10-jährige Betrauung der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) mit der Erbringung von Verkehrsleistungen im Stadtverkehr endet Ende 2018. Zwar strebt die Landeshauptstadt

Mehr

Anhang 7: Prüfung der Erforderlichkeit einer Strategischen Umweltprüfung (SUP)

Anhang 7: Prüfung der Erforderlichkeit einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) Anhang 7: Prüfung der Erforderlichkeit einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) ANHÖRUNGSENTWURF Stand 31.01.13 Seite 1/5 Prüfung der Erforderlichkeit einer Strategische Umweltprüfung (SUP) für den Nahverkehrsplan

Mehr

Der Nahverkehrsplan im Kontext einer interdisziplinären Verkehrsplanung Was ist der NVP und was macht die Stadt noch?

Der Nahverkehrsplan im Kontext einer interdisziplinären Verkehrsplanung Was ist der NVP und was macht die Stadt noch? Der Nahverkehrsplan im Kontext einer interdisziplinären Verkehrsplanung Was ist der NVP und was macht die Stadt noch? Georg Dunkel Abteilungsleiter Verkehrsplanung 06.12.2018 Öffentlichkeitsveranstaltung

Mehr

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter Nahverkehrsplanung als Chance für eine zukunftsfähige Mobilität Vortrag in der Reihe Zukunftsfähige Mobilität in Wuppertal von TransZent am 15. Juni 2016 in der CityKirche in Wuppertal-Elberfeld Was Sie

Mehr

- 1 - Öffentlich KT 10. Okt Nichtöffentlich Nichtöffentlich bis zum Abschluss der Vorberatung SOA KSA JHA

- 1 - Öffentlich KT 10. Okt Nichtöffentlich Nichtöffentlich bis zum Abschluss der Vorberatung SOA KSA JHA - 1 - Landkreis Esslingen Sitzungsvorlage Nummer: 101a/2013 den 30.09.2013 Mitglieder des Kreistags des Landkreises Esslingen Öffentlich KT 10. Okt. 2013 Nichtöffentlich VFA Nichtöffentlich bis zum ATU

Mehr

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern (ÖPNVG M-V) Vom 15. November 1995

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern (ÖPNVG M-V) Vom 15. November 1995 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern (ÖPNVG M-V) Vom 15. November 1995 Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen: 1 Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen (1)

Mehr

Fortschreibung Berliner Nahverkehrsplan Perspektive des Aufgabenträgers

Fortschreibung Berliner Nahverkehrsplan Perspektive des Aufgabenträgers Fortschreibung Berliner Nahverkehrsplan 2019-2023 Perspektive des Aufgabenträgers Stephan Kubitz, Referat ÖPNV, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Forum Nahverkehr, 19.06.2017 Forum Nahverkehr,

Mehr

Enquete-Kommission 6/1 am Thema: ÖPNV

Enquete-Kommission 6/1 am Thema: ÖPNV Enquete-Kommission 6/1 am 08.07.2016 Thema: ÖPNV ÖPNV - Einführung Ausgangspunkt stellt das Regionalisierungsgesetz (RegG) dar ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge Grundversorgung des öffentlichen Verkehrs

Mehr

Fragenkatalog 2 CAF-Gütesiegel - Fragenkatalog für den CAF-Aktionsplan (Verbesserungsplan)

Fragenkatalog 2 CAF-Gütesiegel - Fragenkatalog für den CAF-Aktionsplan (Verbesserungsplan) Fragenkatalog 2 CAF-Gütesiegel - Fragenkatalog für den CAF-Aktionsplan (Verbesserungsplan) Der Fragenkatalog deckt die Schritte sieben bis neun ab, die in den Leitlinien zur Verbesserung von Organisationen

Mehr

Gesamtbericht der Stadt Paderborn für das Jahr 2013 gemäß Artikel 7 der Verordnung 1370/2007 der Europäischen Union

Gesamtbericht der Stadt Paderborn für das Jahr 2013 gemäß Artikel 7 der Verordnung 1370/2007 der Europäischen Union Gesamtbericht der Stadt Paderborn für das Jahr 2013 gemäß Artikel 7 der Verordnung 1370/2007 der Europäischen Union Die Stadt Paderborn ist als zuständiger Aufgabenträger für den öffentlichen Personennahverkehr

Mehr

Regionaler Nahverkehrsplan Mittleres Mecklenburg/Rostock

Regionaler Nahverkehrsplan Mittleres Mecklenburg/Rostock Regionaler Nahverkehrsplan Mittleres Mecklenburg/Rostock Dezember 2005 Regionaler Planungsverband Mittleres Mecklenburg / Rostock PTV Planung Transport Verkehr AG Regionaler Nahverkehrsplan MM/R Regionaler

Mehr

L-BGG als Instrument zu mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Ich brauche mehr Zeit, damit ich alles auch richtig verstehe.

L-BGG als Instrument zu mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Ich brauche mehr Zeit, damit ich alles auch richtig verstehe. Jutta Pagel-Steidl L-BGG als Instrument zu mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Begegnung mit Behörden auf Augenhöhe für mich heißt das, dass das Behördendeutsch in Leichte Sprache übersetzt wird.

Mehr

Bewertung Integriertes Handlungskonzept Grüne Infrastruktur (IHK GI)

Bewertung Integriertes Handlungskonzept Grüne Infrastruktur (IHK GI) Bewertung Integriertes Handlungskonzept Grüne Infrastruktur (IHK GI) Teil A: Bewertung der Gesamtkonzeption Teil B: Bewertung jedes Projektes mit Maßnahmen Teil C: Kriterien Definition Bewertung der Gesamtkonzeption

Mehr

Satzung über die Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderung in der Stadt Dortmund vom

Satzung über die Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderung in der Stadt Dortmund vom Satzung über die Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderung in der Stadt Dortmund vom 13.03.2006 Aufgrund der 7, 41 (1) 2 lit. f) der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen (GO NRW) in

Mehr

Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm

Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm Seite 1 von 6 Landshut 0871/14383-51 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm Zu Artikel 1 (Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes) Artikel 1 wird wie folgt geändert: 1. Im Einleitungssatz

Mehr

MITDENKEN. MITREDEN. MITGESTALTEN. Lokaler Teilhabeplan der Landeshauptstadt Potsdam

MITDENKEN. MITREDEN. MITGESTALTEN. Lokaler Teilhabeplan der Landeshauptstadt Potsdam MITDENKEN. MITREDEN. MITGESTALTEN. Lokaler Teilhabeplan der Landeshauptstadt Potsdam 15.01.2018 Lokaler Teilhabeplan der Landeshauptstadt Potsdam Büro für Chancengleichheit & Vielfalt Lokaler Teilhabeplan

Mehr

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Sachsen-Anhalt (ÖPNVG LSA)

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Sachsen-Anhalt (ÖPNVG LSA) Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Sachsen-Anhalt (ÖPNVG LSA) vom 20. Januar 2005 (GVBl. LSA 2005, 16), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2010 (GVBl. LSA S. 569, 577)

Mehr

Aktenzeichen: Bearbeitender Fachbereich/Fachgebiet/Team: 800 Bürger-/ Unternehmerservice, Wirtschaftsförderung Datum:

Aktenzeichen: Bearbeitender Fachbereich/Fachgebiet/Team: 800 Bürger-/ Unternehmerservice, Wirtschaftsförderung Datum: BESCHLUSSVORLAGE öffentlich Vorlage-Nr.: 077.2/2014 Aktenzeichen: LR Bearbeitender Fachbereich/Fachgebiet/Team: 800 Bürger-/ Unternehmerservice, Wirtschaftsförderung Datum: 16.09.2014 Beratungsfolge der

Mehr

Barrierefreiheit als kommunale Aufgabe im Zusammenwirken mit Menschen mit Behinderungen und ihren Interessenvertretung

Barrierefreiheit als kommunale Aufgabe im Zusammenwirken mit Menschen mit Behinderungen und ihren Interessenvertretung Barrierefreiheit als kommunale Aufgabe im Zusammenwirken mit Menschen mit Behinderungen und ihren Interessenvertretung Christiane Vollmer Behindertenbeauftragte der Stadt Dortmund Fachtagung Inklusion

Mehr

Transport in Hamburg

Transport in Hamburg Transport in Hamburg Länderübergreifender Personennahverkehr Metropolregion Hamburg 1. Mobilitätskonferenz Berlin-Brandenburg +49 (0)40 42841-1896 raimund.brodehl@bwvi.hamburg.de Potsdam, 11. Dezember

Mehr

Best Practice: Ausschreibung von ÖPNV- Leistungen im Landkreis Fürth. Landrat Matthias Dießl

Best Practice: Ausschreibung von ÖPNV- Leistungen im Landkreis Fürth. Landrat Matthias Dießl Best Practice: Ausschreibung von ÖPNV- Leistungen im Landkreis Fürth Landrat Matthias Dießl Übersicht 1. Vorstellung des Landkreises Fürth 2. Rahmenbedingungen für den ÖPNV im Landkreis Fürth 3. Erfahrungsbericht

Mehr

Bericht zur Überprüfung des Maßnahme-Plans zur UN-Behindertenrechts-Konvention im Bundes-Land Mecklenburg-Vorpommern

Bericht zur Überprüfung des Maßnahme-Plans zur UN-Behindertenrechts-Konvention im Bundes-Land Mecklenburg-Vorpommern Bericht zur Überprüfung des Maßnahme-Plans zur UN-Behindertenrechts-Konvention im Bundes-Land Mecklenburg-Vorpommern Zusammenfassung der Ergebnisse in Leichter Sprache Inhalt Überprüfung des Maßnahme-Plans...

Mehr

Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin Abteilung Soziales und Gesundheit Sozialamt Juli 2011

Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin Abteilung Soziales und Gesundheit Sozialamt Juli 2011 Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin Abteilung Soziales und Gesundheit Sozialamt 1 Juli 2011 Leitlinien für die Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements des Bezirksamtes Treptow-Köpenick von Berlin

Mehr

Der öffentliche Personennahverkehr in Bayern

Der öffentliche Personennahverkehr in Bayern Der öffentliche Personennahverkehr in Bayern Ministerialrat Carsten Fregin Referat Öffentlicher Verkehr auf Schiene und Straße Inhalt: ÖPNV Begriffsbestimmung Die wichtigsten Akteure des ÖPNV Der bayerische

Mehr

4. Abschnitt Zusammenarbeit mit fachlich unabhängigen wissenschaftlichen Instituten

4. Abschnitt Zusammenarbeit mit fachlich unabhängigen wissenschaftlichen Instituten Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Geschäfts- und Verfahrensordnung: Zusammenarbeit mit fachlich unabhängigen wissenschaftlichen Instituten und redaktionelle Anpassungen

Mehr

Rechenschaftsbericht zum SAGA-Modul Konformität de.bund 5.1.0

Rechenschaftsbericht zum SAGA-Modul Konformität de.bund 5.1.0 Rechenschaftsbericht zum SAGA-Modul Konformität de.bund 5.1.0 Dokumentation des Umgangs mit Kommentaren im Entstehungsprozess des SAGA- Moduls Konformität de.bund 5.1.0 3. November 2011 2 Herausgeber Die

Mehr

Forum D. Entwicklungen und Reformvorschläge Diskussionsbeitrag Nr. 9/2013

Forum D. Entwicklungen und Reformvorschläge Diskussionsbeitrag Nr. 9/2013 Forum D Entwicklungen und Reformvorschläge Diskussionsbeitrag Nr. 9/2013 20.03.2013 Beteiligungsrechte von Vertretern der Belange behinderter Menschen am Planungsprozess: Optimierungspotentiale am Beispiel

Mehr

Gesetz Nr über den Öffentlichen Personennahverkehr im Saarland (ÖPNVG)

Gesetz Nr über den Öffentlichen Personennahverkehr im Saarland (ÖPNVG) Gesetz Nr. 1361 über den Öffentlichen Personennahverkehr im Saarland (ÖPNVG) Vom 29. November 1995 (Amtsblatt 1996, 74), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28. Oktober 2008 (Amtsbl. 2009 S. 3). Erster

Mehr

3 Busverkehrsangebot Folgende Verkehrsunternehmen besaßen im Märkischen Kreis im Berichtsjahr 2016 Liniengenehmigungen für Busverkehre gemäß 42 Person

3 Busverkehrsangebot Folgende Verkehrsunternehmen besaßen im Märkischen Kreis im Berichtsjahr 2016 Liniengenehmigungen für Busverkehre gemäß 42 Person Gesamtbericht gemäß Art. 7 Abs. 1 der VO (EG) 1370/2007 des Märkischen Kreises für das Berichtsjahr 2016 Stand: 05.12.2017 1 Einleitung Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche

Mehr

1. Nahverkehrsforum Ostalbkreis

1. Nahverkehrsforum Ostalbkreis 1. Nahverkehrsforum Ostalbkreis Was kann, was will, was darf Nahverkehr und was nicht? Grundlagen zum rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Rahmen des ÖPNV im Ostalbkreis Wo ist was geregelt?

Mehr

nicht öffentlich Beratung Verwaltungsausschuss öffentlich Beratung Gemeinderat öffentlich Beschluss

nicht öffentlich Beratung Verwaltungsausschuss öffentlich Beratung Gemeinderat öffentlich Beschluss Vorlage 097/2016 Fachbereich 1 Geschäftszeichen: 14.06.2016 Ältestenrat 15.06.2016 nicht öffentlich Beratung Verwaltungsausschuss 29.06.2016 öffentlich Beratung Gemeinderat 06.07.2016 öffentlich Beschluss

Mehr

Stand der Evaluation der ÖKVO

Stand der Evaluation der ÖKVO Stand der Evaluation der ÖKVO Corinna Wolf LUBW Referat Artenschutz, Landschaftsplanung 5. Ökokonto-Tag Baden-Württemberg am 9. November 2017 Gliederung Teil 1 Anlass und Rahmen der Evaluation Projektstruktur,

Mehr

Regelungen zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer im öffentlichen Personennahverkehr und Fernverkehr mit Bussen in Deutschland

Regelungen zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer im öffentlichen Personennahverkehr und Fernverkehr mit Bussen in Deutschland Regelungen zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer im öffentlichen Personennahverkehr und Fernverkehr mit Bussen in Deutschland 2017 Deutscher Bundestag Seite 2 Regelungen zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer

Mehr

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern (ÖPNVG M-V)

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern (ÖPNVG M-V) Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern (ÖPNVG M-V) Vom 15. November 1995 (GVOBl. M-V 1995, 550), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. November 2009 (GVOBl.

Mehr

Beauftragter für die Belange der Menschen mit Behinderung. Rainer Groos

Beauftragter für die Belange der Menschen mit Behinderung. Rainer Groos Beauftragter für die Belange der Menschen mit Behinderung Rainer Groos Netzwerk der Schwerbehindertenvertretungen der Städte und Gemeinden des Kreises Siegen-Wittgenstein Eine Schwerbehindertenvertretung

Mehr

Beck-Texte im dtv 5782 ÖPNV/SPNV. Öffentlicher Personennahverkehr, Schienenpersonennahverkehr. von Dr. Ute Jasper. 1. Auflage

Beck-Texte im dtv 5782 ÖPNV/SPNV. Öffentlicher Personennahverkehr, Schienenpersonennahverkehr. von Dr. Ute Jasper. 1. Auflage Beck-Texte im dtv 5782 ÖPNV/SPNV Öffentlicher Personennahverkehr, Schienenpersonennahverkehr von Dr. Ute Jasper 1. Auflage ÖPNV/SPNV Jasper schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Mehr

Vorstellung eines FIS - Auswertebereiches

Vorstellung eines FIS - Auswertebereiches 9. Kasseler Nahverkehrstage 28./29. November 2005 Vorstellung eines FIS - Auswertebereiches Dipl.-Ing. Lars Appel Universität Kassel Kurzfassung Die Menge an potenziell verfügbarem Wissen auf dem Sektor

Mehr

Beratende Ingenieure für Verkehrs- und Straßenwesen VBI Beratung Planung Entwurf Engineering Forschung - Koordinierung. Neu Ulm

Beratende Ingenieure für Verkehrs- und Straßenwesen VBI Beratung Planung Entwurf Engineering Forschung - Koordinierung. Neu Ulm DR. BRENNER INGENIEURGESELLSCHAFT MBH Beratende Ingenieure für Verkehrs- und Straßenwesen VBI Beratung Planung Entwurf Engineering Forschung - Koordinierung ulm Neu Ulm Dipl.-Ing. Ulrich Noßwitz Prokurist,

Mehr

Im Jahr 2014 betrieb der PaderSprinter 13 Hauptlinien, 7 Nebenlinien und 8 Nachtlinien. Auf allen Buslinien kommen Niederflurbusse zum Einsatz.

Im Jahr 2014 betrieb der PaderSprinter 13 Hauptlinien, 7 Nebenlinien und 8 Nachtlinien. Auf allen Buslinien kommen Niederflurbusse zum Einsatz. Gesamtbericht der Stadt Paderborn für das Jahr 2014 gemäß Artikel 7 der Verordnung 1370/2007 der Europäischen Union (Entwurfsvorschlag PaderSprinter vom 10.12.2015) Die Stadt Paderborn ist als zuständiger

Mehr

Projektausschreibung Qualitätsentwicklung der Jugendarbeit in Niedersachsen - Kurzversion - Niedersachsen

Projektausschreibung Qualitätsentwicklung der Jugendarbeit in Niedersachsen - Kurzversion - Niedersachsen Projektausschreibung Qualitätsentwicklung der Jugendarbeit in Niedersachsen - Kurzversion - Niedersachsen Inhalt Ausgangssituation Jugendarbeit in Niedersachsen... 1 Ziel des Projektes... 1 Projektorgane...

Mehr

BARRIEREFREI in die Zukunft mit allen für ALLE

BARRIEREFREI in die Zukunft mit allen für ALLE BARRIEREFREI in die Zukunft mit allen für ALLE Die BAR - Arbeitsgruppe Barrierefreie Umweltgestaltung : gestern - heute - morgen Mitglieder der BAR-Arbeitsgruppe Rehabilitationsträger Behindertenverbände

Mehr

Versorgungszentren und Kooperationsräume aus Sicht der Landesplanung

Versorgungszentren und Kooperationsräume aus Sicht der Landesplanung Versorgungszentren und Kooperationsräume aus Sicht der Landesplanung Abschlussveranstaltung des Modellvorhabens Sicherung von Versorgung und Mobilität ein Beitrag für gleichwertige Lebensverhältnisse in

Mehr

Das Förderprogramm für mehr Barrierefreiheit im ÖSPV. ÖPNV-Plan-Workshop Finanzierung Magdeburg, 6. Dezember 2017

Das Förderprogramm für mehr Barrierefreiheit im ÖSPV. ÖPNV-Plan-Workshop Finanzierung Magdeburg, 6. Dezember 2017 Das Förderprogramm für mehr Barrierefreiheit im ÖSPV ÖPNV-Plan-Workshop Finanzierung Magdeburg, 6. Dezember 2017 Gliederung Rechtliche Rahmenbedingungen ÖSPV-Fahrzeuge ÖSPV-Haltestellen ÖSPV-Fahrgastinformation

Mehr

Mittelstandsfreundlicher ÖPNV Nahverkehrsplanung und Vergabe

Mittelstandsfreundlicher ÖPNV Nahverkehrsplanung und Vergabe Mittelstandsfreundlicher ÖPNV Nahverkehrsplanung und Vergabe Ministerialrat Carsten Fregin www.innenministerium.bayern.de I. Nahverkehrsplanung Bedeutung des Nahverkehrsplans mit der PBefG- Novelle 2012

Mehr

Abwasserbeseitigungskonzepte Wasserrahmenrichtlinie

Abwasserbeseitigungskonzepte Wasserrahmenrichtlinie Abwasserbeseitigungskonzepte Wasserrahmenrichtlinie Was haben Abwasserbeseitigungskonzepte mit der Wasserrahmenrichtlinie zu tun? Gewässerbewirtschaftung Gewässer sind nach Flussgebietseinheiten zu bewirtschaften

Mehr

Verkehrsentwicklungsplan Bremen Informationen zum Verfahren

Verkehrsentwicklungsplan Bremen Informationen zum Verfahren Verkehrsentwicklungsplan Bremen Informationen zum Verfahren Regionalausschuss Bremen West 20.02.2013 Zielsetzung für das Verfahren Entwickeln einer mittel und langfristigen Strategie zur Steuerung des

Mehr

Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller, MdB

Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller, MdB Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller, MdB 1 Umsetzung des BTHG - Umsetzung der reformierten Eingliederungshilfe Art. 25 Abs. 2 Umsetzungsbegleitung

Mehr

GVS-Befragung zur Kooperation von Suchtberatung und Jobcenter 2010

GVS-Befragung zur Kooperation von Suchtberatung und Jobcenter 2010 GVS-Befragung zur Kooperation von Suchtberatung und Jobcenter 2010 15. 03. 2010 30. 04. 2010 Datenauswertung Beteiligung der Beratungsstellen nach Bundesländern (N=172) Bundesland Rückmeldungen Baden-Württemberg

Mehr

Öffentlich Nichtöffentlich VFA Nichtöffentlich bis zum Abschluss der Vorberatung SOA KSA JHA

Öffentlich Nichtöffentlich VFA Nichtöffentlich bis zum Abschluss der Vorberatung SOA KSA JHA Landkreis Esslingen Sitzungsvorlage Nummer: 101/2015 den 09.09.2015 Mitglieder des Kreistags des Landkreises Esslingen Öffentlich KT Nichtöffentlich VFA 24.09.2015 Nichtöffentlich bis zum ATU Abschluss

Mehr

Freie Hansestadt Bremen. Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG) Vom 15. Mai 1995

Freie Hansestadt Bremen. Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG) Vom 15. Mai 1995 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG) Vom 15. Mai 1995 Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossene Gesetz: Inhaltsübersicht Erster

Mehr

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG)

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG) Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG) Vom 16. Mai 1995 (Brem. GBl. 1995, 317), zuletzt geändert durch Artikel 24 des Gesetzes vom 18. Dezember 2003 (Brem. GBl. S. 413)

Mehr

FOGS. Inklusionsplanung im Kreis Herford. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung

FOGS. Inklusionsplanung im Kreis Herford. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung Inklusionsplanung im Kreis Herford Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung Verlauf des Planungsprozesses Zeit Arbeitsschritte 1/2014 Konstituierung der Lenkungsgruppe; Einrichtung einer Internetseite

Mehr

für die Sekundarstufe I (MQ-S I) 7. bis 9./10. Jahrgangsstufe g - und deren Einsatz zur Qualitätssicherung der Montessori-Pädagogik Version 1.

für die Sekundarstufe I (MQ-S I) 7. bis 9./10. Jahrgangsstufe g - und deren Einsatz zur Qualitätssicherung der Montessori-Pädagogik Version 1. -Qualitätsstandards für die Sekundarstufe I (MQ-S I) 7. bis 9./10. Jahrgangsstufe g - und deren Einsatz zur Qualitätssicherung der -Pädagogik Version 1.0 Arbeitsergebnisse der MDD-Projektgruppe Qualitätsstandards

Mehr

Muster. Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit im Netzwerk Zukunftsnetz Mobilität NRW. Wappen Musterkommune

Muster. Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit im Netzwerk Zukunftsnetz Mobilität NRW. Wappen Musterkommune kommune Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit im Netzwerk Zukunftsnetz Mobilität NRW Koordinierungsstelle Rheinland Sitz: Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH stadt Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit

Mehr

Das zum novellierte Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)1 enthält neue Regelungen zur Barrierefreiheit.

Das zum novellierte Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)1 enthält neue Regelungen zur Barrierefreiheit. Städte- und Gemeindebund NRW Postfach 10 39 52 40030 Düsseldorf Vorbericht 110. Sitzung Ausschuss für Strukturpolitik und Verkehr am 2. September 2015 in Jüchen Postfach 10 39 52 40030 Düsseldorf Kaiserswerther

Mehr

Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz - RegG)

Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz - RegG) Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz - RegG) RegG Ausfertigungsdatum: 27.12.1993 Vollzitat: "Regionalisierungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I

Mehr

ÖPNV Linienkonzept und neuer Nahverkehrsplan für die Stadt Mönchengladbach

ÖPNV Linienkonzept und neuer Nahverkehrsplan für die Stadt Mönchengladbach Stadt Mönchengladbach ÖPNV Linienkonzept und neuer Nahverkehrsplan für die Stadt Mönchengladbach Präsentation im Planungs- und Bauausschuss, Mönchengladbach 06.09.2016 1 Planungsprozess Planungsprozess

Mehr

Wegen des drohenden Anstiegs der Beförderungskosten müssen auch die politischen Verantwortlichen Interesse an entsprechenden Festlegungen haben.

Wegen des drohenden Anstiegs der Beförderungskosten müssen auch die politischen Verantwortlichen Interesse an entsprechenden Festlegungen haben. 6.8 Anforderungen an die Schülerbeförderung Im Rahmen der Bestandsaufnahme wurde unter dem Stichwort Schülerbeförderung (vgl. Kapitel 2.2.8) bereits auf die hohe Bedeutung der Schülerverkehre für den ÖPNV

Mehr

Nahverkehrsplan Landkreis Marburg-Biedenkopf

Nahverkehrsplan Landkreis Marburg-Biedenkopf Nahverkehrsplan Landkreis Marburg-Biedenkopf 2018-2022 Verbandsversammlung Marburg, 27. September 2016 Kommunikationsplattform 10 Einrichtung einer internetgestützten Kommunikationsplattform Bereitstellung

Mehr

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ Wahlperiode

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ Wahlperiode SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/497 18. Wahlperiode 07.02.2013 Bericht der Landesregierung Anmeldungen des Landes Schleswig-Holstein für den Bundesverkehrswegeplan 2015 Federführend ist

Mehr

33. Erstattung der Fahrgeldausfälle für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personennahverkehr

33. Erstattung der Fahrgeldausfälle für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personennahverkehr 255 33. Erstattung der Fahrgeldausfälle für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personennahverkehr Für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im

Mehr

Barrierefreier Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Karlsruhe

Barrierefreier Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Karlsruhe Amt für Schulen und öffentlichen Personennahverkehr Az.: 23.31002-797.751-3438517 Sitzungsvorlage KT/16/2017 Barrierefreier Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Karlsruhe TOP Gremium

Mehr

Konzept Barrierefreier Lankreis Barnim

Konzept Barrierefreier Lankreis Barnim Diskussionsgrundlage für ein: Konzept Barrierefreier Lankreis Barnim Der Landkreis Barnim verpflichtet sich gleiche Lebensbedingungen für behinderte und ältere Menschen im Landkreis Barnim zu schaffen.

Mehr

Richtlinien zur Gleichstellung mobilitäts- und sinnesbehinderter Bürgerinnen und Bürger -"Barrierefreies Würzburg"-

Richtlinien zur Gleichstellung mobilitäts- und sinnesbehinderter Bürgerinnen und Bürger -Barrierefreies Würzburg- Richtlinien zur Gleichstellung mobilitäts- und sinnesbehinderter Bürgerinnen und Bürger -"Barrierefreies Würzburg"- vom 5. Oktober 2000 geändert am 2. Juli 2002 geändert am 29. November 2007* Inhaltsverzeichnis

Mehr

Ergebnisse für das Jahr 2006 und Perspektiven für den ÖPNV im VBN

Ergebnisse für das Jahr 2006 und Perspektiven für den ÖPNV im VBN Ergebnisse für das Jahr 2006 und Perspektiven für den ÖPNV im VBN Pressegespräch am 17. April 2007 Übersicht VBN im Überblick Entwicklung der Fahrgeldeinnahmen und der Fahrgastzahlen Ergebnisse des VBN-Kundenbarometers

Mehr

Qualitätssicherung im ÖPNV des Landkreises Würzburg. Agenda , Uhr, Umweltstation

Qualitätssicherung im ÖPNV des Landkreises Würzburg. Agenda , Uhr, Umweltstation Qualitätssicherung im ÖPNV des Landkreises Würzburg Agenda 21 09.04.2018, 18.30 Uhr, Umweltstation >> Programm 1. Unsere Aufgaben 2. ÖPNV-Maximen 3. Linienbündelungskonzept 1 4. Linienbündelungskonzept

Mehr