Dr. Klaus Müller LGH-Arbeitsausschuss Düsseldorf, Aktuelle empirische Befunde zur Identität des Handwerks
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- Björn Kolbe
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1 Dr. Klaus Müller LGH-Arbeitsausschuss Düsseldorf, Aktuelle empirische Befunde zur Identität des Handwerks
2 Inhalt 1. Definition Handwerk (Was ist Handwerk?) 2. Zusammensetzung Handwerk gesamt und Gründer 3. Höhe Meisteranteil Handwerk gesamt und Gründer 4. Konsequenzen 5. Rahmenbedingung: Demokratischer Faktor 6. Handwerk im Jahr
3 Ausgangspunkt Identität der Handwerker geprägt durch gemeinsame Sozialisation vom Berufswahl über Lehrlingsausbildung, Gesellentätigkeit, Meisterprüfung, Existenzgründung, Ausbildung von Nachwuchs Identität findet Ausdruck über Mitgliedschaft Innung, Zugehörigkeit Handwerkerfamilie, ähnlichem Lebensstil, ehrenamtliches Engagement Zusammenhalt scheint schwächer zu werden, vor allem weil Lockerung der rechtlichen Zugangsvoraussetzungen zum Handwerk Veränderung der Märkte 3
4 1) Was ist Handwerk? Legale Handwerksdefinition = Handwerk in der Abgrenzung der Anlagen A, B1 und B2 der Handwerksordnung Funktionale Handwerksdefinition (kultureller Begriff für eine bestimmte Produktionsweise) = Beschreibung des Handwerks anhand idealtypischer Merkmale = (Prinzip Handwerk nach Sennett: Wunsch und Fähigkeit, Arbeit um ihrer selbst willen gut zu machen) 4
5 Idealtypische Merkmale des Handwerks (1) Führung Betriebsgröße Produktion Absatz Klein- und Kleinstbetriebe Selbstständigkeitsstreben stark ausgeprägt, Kapital in Familienbesitz, Unmittelbare Partizipation des Inhabers am Betriebsgeschehen, kurze, informelle betriebliche Informationswege, einfache hierarchische Strukturen, Delegation nur begrenzt möglich, Einheit von kaufmännischen und technischen Managementbereich Niedriger Grad der Arbeitsteilung, hohe Humankapitalintensität, individuelle Lösungen in Einzelfertigung oder kleinen Stückzahlen, hohe Flexibilität, Nachfrageorientierung Beziehungen zu Lieferanten und Abnehmern stark persönlich geprägt, lokaler bzw. regionaler Absatzraum, enger Kontakt zu Endabnehmern, schmale Marktsegmente (Nischen), kleines Marketingbudget 5
6 Idealtypische Merkmale des Handwerks (2) Personal Umfeld Persönliches Verhältnis zu Mitarbeitern, Mitarbeit der Familie, Generalistentum, hoher Stellenwert der betrieblichen Ausbildung, technische Ausbildung maßgeblich, hoher Qualifikationsstand, eingeschränkte Aufstiegsmöglichkeiten, geringer Anteil von Akademikern Standorttreue, bürgerschaftliches Engagement (CSR), schwieriger Zugang zum Kapitalmarkt 6
7 Beziehung legales - funktionales Handwerk legales Handwerk A B1 B2 funktionales Handwerk nach funktionales Sennett Handwerk
8 2) Zusammensetzung des legalen Handwerks: Betriebsbestand ,2% 9,6% 19,2% ,8% 17,3% 19,9% 0% 20% 40% 60% 80% 100% A-Handwerke B1-Handwerke B2-Handwerke 8
9 Zusammensetzung des legalen Handwerks: Gründer ,7% 5,3% 41,0% ,6% 36,8% 23,5% 0% 20% 40% 60% 80% 100% A-Handwerke B1-Handwerke B2-Handwerke Gründer = Zugänge in die Handwerksrolle 9
10 3) Meisteranteil Gründer (A-Handwerke) 15,8% 8,6% 10,6% 65,1% Existenzgründer mit Meisterprüfung Existenzgründer mit gleichwertiger Qualifikation Existenzgründer über "Altgesellen-Regelung" Existenzgründer mit sonstiger Zugangsberechtigung 10
11 Meisteranteil Gründer (B1- und B2-Handwerke) B1-Handwerke B2-Handwerke 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% B2-Handwerke B1-Handwerke ohne Qualifikationsnachweis 93,0% 81,3% Gesellenprüfung 5,4% 12,0% vergleichb. Qualifikation 0,8% 1,2% Meisterprüfung 0,9% 5,4% Quelle: DHKT, ifh Gö,
12 Zusammensetzung der Gründer (B1- und B2-Handwerke) Die Meisterqualifikation spielt bei den Gründern in den B1- und B2-Handwerken praktisch keine Rolle mehr! These: Das Qualifikationssiegel des Meisterbriefes zählt bei den Gründern nicht so stark wie eigentlich erwartet. Für den Markterfolg ist die Reputation vielfach wichtiger. 12
13 Meisteranteil Gründer (Handwerk gesamt) 6,0% 25,5% 59,6% 4,3% 3,2% 1,4% Meisterbrief "Altgesellen-Regelung" ohne Qualifikationsnachweis Gleichwertige Prüfung Gesellenprüfung sonstige Zugangsberechtigung (z.b. Ausnahmebewilligung, EU-Bescheinigung) 13
14 Entwicklung Meisteranteil Gründer im Handwerk (nur A- und B1-Handwerke) 80% 79,6% 78,9% 79,9% 77,7% 76,2% 76,0% 70% 60% 50% 40% 40,2% 36,3% 35,5% 33,5% 30% 20% 10% 0%
15 Entwicklung Zahl der Gründer im Handwerk mit Meisterbrief (nur A- und B1-Handwerke)
16 Überlebensrate A-Handwerke ,4 87,4 81,6 75,9 71,2 69,4 B1-Handwerke ,3 85,5 80,4 73,8 69,6 66,6 B2-Handwerke ,3 66,2 51,3 43,8 38,7 36,3 Von 100 Gründern (Zugängen in die Rolle) des Jahres 2001 existierten am der folgenden Jahren noch jeweils x %. Quelle: HWK f. München u. Oberbayern 16
17 Überlebensrate Die Überlebensrate ist abhängig von der Qualifikation. (Schmidt, A.G. u. Kraus, M. (2001), KfW (2006), Moog (2004)) Zu erwarten ist, dass sich die Überlebensrate der B1-Handwerke derjenigen der B2-Handwerke angleicht. 17
18 Meisteranteil an allen Handwerksbetrieben A-Handwerke 81,4% B1-Handwerke 39,7% Handwerk gesamt 62,4% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% Quelle: HWK Trier 18
19 4) Konsequenzen (1): Der Organisationsgrad bei den Innungen sinkt. (Leider sind keine konkreten Zahlen vom ZDH erhältlich.) aber: Engagement in Verbänden geht generell zurück. Durch die HwO-Reform wird dieser Trend aber verstärkt! 19
20 Grund: Der Rückhalt bei den Mitgliedern sinkt. Meinung der Handwerker zur HWK-Pflichtmitgliedschaft ,6 51,6 0, ,1 58,4 0,5 0% 20% 40% 60% 80% 100% Beibehaltung Abschaffung keine Angabe Quelle: MIND 1999,
21 Konsequenzen (2): Die Betriebsgröße sinkt. 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 8,3 8,1 7,9 7,6 7,3 7,0 6,8 6,6 6,4 6,0 5,6 5,2 5,0 5,1 4,0 3,0 2,0 1,0 0, Quelle: DHKT 21
22 Konsequenzen (3): Die Ausbildungsbetriebsquote sinkt. 45% 40% 35% 30% 38,7% 37,6% 37,4% 37,4% 35,7% 33,3% 35,3% 35,1% 32,4% 29,1% 25% 20% 15% 10% 5% 20,4% 20,3% 18,8% 20,1% 19,0% 17,0% 16,3% 11,9% 9,4% 7,9% 0% B1-Handwerke A-Handwerke Anteil der Ausbildungsbetrieben an allen Betrieben Quelle: DHKT 23
23 Grund (u.a.): Kleine Betriebe bilden nicht aus! Gesamt 49,6% 1 0,0% ,6% u.m. 62,8% 82,9% 86,9% 84,0% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% Quelle: Umfrage Handwerk Rheinland-Pfalz und Saarland
24 Konsequenzen (4): Die Meisterprüfung verliert an Bedeutung Quelle: DHKT (bestandene Meisterprüfungen), Prognose ifh Gö 25
25 Konsequenzen (5): Vorzeigebetriebe des Handwerks (Qualifikation Betriebsinhaber Teilnehmer Programm Innovationsförderung für das Niedersächsische Handwerk ) 57,9% Uni/FH Meister 42,1% 26
26 Vertretung des Handwerks häufiger von Akademikern höchster Abschluss der Präsidenten der HWKs ,6% 4,4% ,7% 23,3% ,2% 27,8% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Meister FH/Uni Quelle: ZDH, ifh Gö 27
27 5) Rahmenbedingung demographische Faktor: Viele Betriebe finden keinen Nachfolger! Gründeralter Ruhestandsalter Quelle: Statist. Bundesamt: 11. koord. Bevölkerungsvorausschätzung, Var. 1, Gründeralter: Durchschnitt J., Ruhestandsalter: Durchschnitt J. 28
28 Demographische Faktor: Viele Betriebe finden keinen Nachfolger! Es wird ein erhebliches Nachfolgerproblem geben. Das bedeutet aber auch: Der Trend zu fallenden Betriebsgrößen dürfte sich längerfristig so nicht fortsetzen. Quelle: ZDH (durchschn. Zahl der Beschäftigten je Betrieb) 29
29 6) Handwerk 2020 Thesen: Wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts entscheidendes ändert, werden/ wird im Jahr 2020 der Anteil der Meisterbetriebe an allen Handwerksbetrieben unter 50 % liegen, nur noch 20% der Handwerksbetriebe ausbilden, die Zahl der Meisterprüfungen pro Jahr etwa betragen, sich das Nachfolgeproblem erheblich verstärken, die bisherige weitgehende Identität der Begriffe Handwerksbetrieb und Meisterbetrieb verschwunden sein. 30
30 Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Klaus Müller ifh Göttingen Fon: 0551/
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