Ministerium für Schule und Weiterbildung des landes Nordrhein~Westfalen. Die Ministerin

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1 Ministerium für Schule und Weiterbildung des landes Nordrhein~Westfalen Die Ministerin Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW, Düsseldorf Herrn Wolfgang Große Brömer MdL Vorsitzender des Ausschusses für Schule und Weiterbildung Platz des Landtages Düsseldorf 28. Juni 2013 Seite 1 von 1 Aktenzeichen: 424 bei Antwort bitte angeben Sylvia Löhrmann Stellv. Ministerpräsidentin Auskunft erteilt: Dr. Harry Liecttke Telefon Telefax harry.liedtke@msw.nrw.de Sehr geehrter Herr Vorsitzender, anliegend übersende ich Ihnen mit Blick auf die Sitzung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung am den erbetenen Bericht zum Thema "Nutzung von türkischen Schulbüchern in Nordrhein-Westfalen, die durch das türkische Konsulat in Düsseldorf zur Verfügung gestellt werden". Mit freundlichen Grüßen Sylvia Löhrmann Anschrift: Völklinger Straße Düsseldorf Telefon Telefax poststelle@msw.nrw.de

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3 Die Ministerin.für Schule undvyeitc:tb.ij4hpg des Landes Nordrheil1-WestfaJen. Schriftlicher Bericht zu TOP 9 Nutzung von türkischen Schulbüchern in Nordrhein-Westfalen, die durch das türkische Konsulat in Düsseldorf zur Verfügung gestellt werden für die 20. Sitzung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung am 3. Juli 2013

4 2 In den Medien ist zunächst sehr pauschal darüber berichtet worden, dass eine vierbändige Lehrbuchreihe mit angeblich nationalistischem und geschichtsverfälschendem Inhalt auch an Schulen in Nordrhein-Westfalen im herkunftssprachlichen Unterricht eingesetzt werde. Seit Mitte Mai liegt dem Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW eine Stellungnahme der GEW vor, d:e dazu konkrete, aus ihrer Sicht kritikwürdige Textstellen benennt. In den Medienartikeln wird teilweise auch darauf verwiesen, dass die Lehrkräfte auf den Einsatz dieser türkischen Schulbücher angewiesen seien, da es für diesen herkunftssprachlichen Unterricht nicht genügend zugelassene Lernmittel gebe. Laut Erklärung eines nicht näher benannten türkischen Generalkonsulats gegenüber mindestens einem Journalisten seien die betreffenden Bücher "ergänzend und zur Unterstützung von Lehrern und Schülern entworfen" worden. Auf Nachfrage hat das türkische Generalkonsulat Düsseldorf dem Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) die Links zu.allen Bänden der Reihe übermittelt. Bei den "Türkce ve Türk Kültürü"-Büchern handelt es sich nicht um für den Unterricht zugelassene Lernmittel. Eine Anerkennung als Schulbuch ist vom herausgebenden türkischen Ministerium für nationale Erziehung beim MSW nicht beantragt worden. Ein solcher Antrag hätte im Übrigen nur dann Erfoigsaussichten, wenn die Bücher den Richtlinien, Lehrplänen und weiteren Unterrichtsvorgaben in NRW entsprechen würden. Nordrhein-Westfalen orientiert sich bei der Zulassung von Lernmitteln für den herkunftssprachlichen Unterricht an der sog. "Hessen-Liste". Die dort aufgeführten Schulbücher werden nach einer Prüfung durch Sachverständige für die Verwendung im Unterricht zugelassen. Allein für den herkunftssprachlichen Unterricht in Türkisch führt diese "Hessen-Liste" über 400 Einzeltitel auf. Dem MSW liegen keine sonstigen Erkenntnisse darüber vor, dass das türkische Ministerium für nationale Erziehung oder eines der türkischen Generalkonsulate seit 2010 den Versuch unternommen hätte, die fraglichen Bücher den Schulbehörden des Landes bekannt zu machen oder sie inhaltlich prüfen zu lassen. Das türkische Generalkonsulat in Düsseldorf konnte bisher die Zahl der in NRW verteilten Bücher nicht benennen. Das MSW hat bei den Bezirksregierungen Nachforschungen zur Verteilung der Bücher an Lehrkräfte für den Herkunftssprachlichen Unterricht angestellt. Alle Bezirksregierungen berichten, dass im herkunftssprachlichen Unterricht Türkisch für den längerfristigen Einsatz Lernmittel aus der sog. "Hessen-Liste" eingesetzt würden. Den Schulleitungen sind keine herkunftssprachlichen Lehrkräfte bekannt, die beim türkischen Generalkonsulat einen ganzen Klassensatz bestellt hätten. Wenn es überhaupt zum Einsatz der türkischen Schulbücher komme, dann diene das von einem Teil der Lehrkräfte besorgte einzelne Lehrerexemplar dazu, einzelne Passagen als isolierte Bausteine im Unterricht einzusetzen. Bisher hat es nach Kenntnis der zuständigen Schulaufsicht keinerlei Probleme damit gegeben. Türkischsprachige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MSW als auch Fachleiterinnen und Fachleiter des Unterrichtsfachs "Türkisch" in den Bezirksregierungen sind mit einer inhaltlichen Prüfung der Unterrichtsmaterialien beauftragt worden. Sie kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die türkische Schulbuchreihe nicht gezielt für türkische Schülerinnen.. md Schüler in Deutschland konzipiert worden sei und daher auch nicht den Lehrplänen des Herkunftssprachenunterrichts Türkisch entsprechen könne., Auch entspräche die Schulbuchreihe nicht den didaktisch-methodischen Standards in Deutschland. Der patriotische Sprachstil der Bücher wirke befremdlich, eine positive

5 3 Beziehung zur Nationalfahne, zum Nationaleid und zur Nationalhymne sei aber in der Türkei wie in vielen anderen Ländern üblich. Rassistische und demokratiefeindliche Themen seien nicht enthalten; der Völkerm'ord an den Armenierinnen' und Armeniern werde allerdings nicht thematisiert. Zusätzlich hat das MSW Herrn Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan, den wissenschaftlichen Leiter des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTl) und Professor für Moderne Türkeistudien an der Universität Duisburg-Essen, damit beauftragt, eine wissenschaftliche Expertise zu der Frage, ob die als Zusatzmaterial zu nutzenden Bücher im herkunftssprachlichen Unterricht der Schulen unseres Landes eingesetzt werden können oder ob dem rechtliche, pädagogische oder moralische Gründe entgegenstehen, zu erstellen. Dieses wissenschaftliche Gutachten liegt dem MSW vor. Es kommt zu dem Ergebnis, dass "die präsentierten Inhalte nicht falsch sind und auch keine aufwiegelnde, andere Menschen, Völker, Nationen abwertende oder zu Gewalt aufrufende Tendenz, haben; weitestgehend sind sie im Geiste des Humanismus verfasst." die Textpassagen jedoch "oft eine erdrückend moralisierende, harmonieträchtige und harmoniesüchtige Darstellung [aufweisen), die naiv und kitschig wirkt, weil Moral und Tugend postuliert, aber nicht ausreichend berücksichtigt werden. Durch diesen unkritischen Umgang wirken die Beispiele unglaubwürdig und wenig lebensnah." nicht "so sehr das Gesagte und das Dargestellte [... ) primär kritikwürdig" scheinen, "sondern vielmehr das Ausgelassene, so etwa die faktische Mehrsprachigkeit dertürkei, ihre multi-ethnische Zusammensetzung.[... ] Die sehr tiefen Konflikte zwischen Sunniten und Aleviten im Lande, zwischen Türken und Kurden, aber auch die faktische Geschlechterungerechtigkeit zwischen Mann und Frau werden eindeutig zu wenig thematisiert. Zwar tragen die Lehrwerke nicht zu einer Vertiefung dieser Konflikte bei; denn explizit wird bspw. auf die zentrale Rolle des Alevitentums und seiner ungeheuren humanistischen Potentiale (Lehrbuch für die Klassenstufe 8 bis 10) eingegangen; auch werden Beispiele für frühe Formen demokratischer und geschlechtergerechter Arbeitsteilung gegeben [... ], doch diese eher illustrativen Beispiele verdecken die strukturellen und faktisch unübersehbaren Probleme in der Gegenwart." Obwohl "die Lehrbücher didaktisch nicht immer gelungen sind und vielfach auch naiv bzw. kognitiv anspruchslos wirken, [... ] die von ihnen ausgehende Botschaft, wie oberflächlich und ausbaufähig auch immer, eine humanistische sei." Prof. Dr. Uslucan zieht das Fazit, dass sich "aus den dargestellten Monita die Schlussfolgerung, sie müssten deshalb aus dem Verkehr gezogen werden, weil sie den Schulfrieden störten, nicht ziehen" ließe. Er empfiehlt stattdessen eine Erweiterung dieser Lernmaterialien für türkischstämmige Schülerinnen und Schüler durch die Lehrkraft. Ziel der Unterrichtsgestaltung muss auch im herkunftssprachlichen Unterricht sein, bei der Behandlung landeskundlicher, kultureller, religiöser oder politischer Themen den Grundsatz des Beutelsbacher Konsenses (Überwältigungsverbot, Kontroversität und Schülerorientierung) grundsätzlich zu beachten. Die Lehrkräfte werden über die Schulaufsicht noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass - falls die Absicht der Verwendung im Unterricht besteht - das Lernmaterial des türkischen Ministeriums für nationale Erziehung nur für den punktuellen unterrichtlichen Einsatz geeignet ist. Zusätzlich muss es auch dann durch weitere Lernmittel ergänzt werden, die Schülerinnen und Schüler darin unterstützen, eine thematische Multiperspektivität herzustellen.