Konzept zum Vorgehen beim Verdacht auf sexuelle Ausbeutung
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- Ilse Frei
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1 HEILPÄDAGOGISCHES INSTITUT ST. MICHAEL 8345 ADETSWIL Sonderschulheim Konzept zum Vorgehen beim Verdacht auf sexuelle Ausbeutung 2011 VERTRAUENSSTELLE Heilpädagogisches Institut St. Michael Tel.: +41 (0) / Fax: +41 (0) Erholungshausstrasse 32 Homepage: CH Adetswil info@institut-st-michael.ch
2 Inhaltsverzeichnis 1. Was ist unter sexuelle Ausbeutung zu verstehen? 3 2. Handlungsgrundsätze bei Vermutung oder Verdacht Nicht alleine handeln Opfer schützen Nicht die verdächtigte Person konfrontieren Nicht selber untersuchen 3 3. Meldepflicht 4 4. Schweigepflicht 4 5. Umgang mit dem vermutlichen Opfer: 4 6. Merkblatt für die Interventionsgruppe Handlungsschritte Situationserfassung Abklärung 6 7. Rapporte während und nach der Abklärungsphase 6 8. Zivilrechtliche Kinderschutzmassnahmen 7 9. Zivilrechtliche Erwachsenenschutzmassnahmen Umgang mit falscher Anschuldigung Nachbearbeitung Wann ist ein Fall abgeschlossen? Massnahmen, Klärungen, Dokumentation Falsche Anschuldigung Anzeige 8 Anhang: 9 Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 2 von 12
3 1. Was ist unter sexuelle Ausbeutung zu verstehen? Alles physische oder verbale Verhalten eines Erwachsenen (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Eltern, Chauffeusen und Chauffeure, Therapeutinnen und Therapeuten, etc.), das aufgrund eines eigenen Bedürfnisses eine erotisierende oder sexuelle Botschaft beabsichtigt, oder aufgrund der geltenden sozialen Regeln eine erotisierende oder sexuelle Bedeutung für jemand anders haben kann, und dadurch Schaden anrichten könnte. Der Täter oder die Täterin nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine Bedürfnisse auf Kosten des betreuten Menschen zu befriedigen. 2. Handlungsgrundsätze bei Vermutung oder Verdacht 2.1 Nicht alleine handeln Nicht im Alleingang entscheiden und handeln, sondern sofort eine Meldung machen an die Vertrauensstelle (sie setzt sich zusammen aus 2 internen Vertrauenspersonen und einer externen Vertrauensperson) oder an eine Opferberatungsstelle des Kantons. 2.2 Opfer schützen Hinweise ernst nehmen und dies auch vermitteln. Der Schutz und das Wohl der betroffenen Person stehen im Zentrum aller Überlegungen und Massnahmen. 2.3 Nicht die verdächtigte Person konfrontieren Keine Informationen / Warnungen / Konfrontationen gegenüber Beschuldigten. Keine Informationen an Kolleginnen und Kollegen, andere Beteiligte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Eltern. 2.4 Nicht selber untersuchen Eigene (Vor-) Abklärungen immer in Zusammenarbeit mit der Vertrauensstelle oder der Opferberatungsstelle. Für die Untersuchung ist allein die Strafuntersuchungsbehörde zuständig. Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 3 von 12
4 3. Meldepflicht Nur in Ausnahmefällen erfahren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Eltern oder gesetzliche Vertreter gesicherte Tatsachen, dass sexuelle Gewalt stattgefunden hat. In der Regel sind sie mit Vermutungen oder Verdachtsmomenten konfrontiert. Es gilt im Heilpädagogischen Institut St. Michael eine Meldepflicht (siehe Präventionskonzept zum Thema Gewalt ), wenn Vermutungen oder tatsächliches Wissen von sexueller Ausbeutung existieren. Bei Unsicherheiten muss ein beratendes Gespräch mit der Vertrauensstelle und nicht im Kollegium gesucht werden. 4. Schweigepflicht Im Falle eines Verdachts gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die absolute Schweigepflicht (siehe Personalreglement). Schweigepflicht heisst in diesem Falle: Es geht nur eine Meldung an die Vertrauensstelle! Sie bestimmt und koordiniert das weitere Vorgehen. 5. Umgang mit dem vermutlichen Opfer: Die Person muss ernst genommen werden Bagatellisiere das Geschehen nicht Gib der Person nie direkt oder indirekt Mitschuld am Geschehen. Sage ihr ausdrücklich, dass sie keine Schuld hat. Wenn das Opfer lange geschwiegen hat, keine Vorwürfe machen. Loben für den Mut, den sie aufgebracht hat, zu sprechen. Ruhig bleiben, Zeit nehmen Zeige dich vertrauenswürdig Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 4 von 12
5 6. Merkblatt für die Interventionsgruppe Vorgehen bei einer Meldung von Verdacht auf sexueller Ausbeutung 6.1 Handlungsschritte Erfassen der Situation durch die Dokumentation aller sachdienlichen Hinweise. Die Vertrauensstelle übernimmt die Leitung der Koordination und informiert die vorgesetzte Stelle/die Heimleitung. Ausnahme: Sollten die Vertrauenspersonen ggf. nicht zur Verfügung stehen (Krankheit, Urlaub, etc.) übernimmt die entsprechende Bereichsleitung, in deren Bereich der Vorfall gemeldet wurde, die Leitung der Interventionsgruppe. Vertrauensstelle/Bereichsleitung bilden für diesen Fall im Anschluss eine Interventionsgruppe Fallbesprechung zur: Beurteilung der Situation Planung der koordinierten Intervention (Aufgabenverteilung innerhalb der Interventionsgruppe) Beizug einer spezialisierten Fachstelle nach Möglichkeit laufende Information über das weitere Vorgehen an das Opfer oder an dessen gesetzliche Vertretung Diejenige Person, die den Fall gemeldet hat, hat nach der Meldung diesbezüglich keine Aufgaben mehr, es sei denn, es wird explizit abgemacht. Ausserdem muss sie moralisch entlastet werden, d.h. das Vorgehen zur Meldung wird gewürdigt und positiv bewertet. Sie erhält ebenfalls Informationen über das weitere Vorgehen. 6.2 Situationserfassung Konzept zum Vorgehen beim Verdacht auf sexuelle Ausbeutung 2011 Sachdienliche Hinweise mit Datum dokumentieren: wer hat wann was gesagt konkrete Ereignisse worauf stützt sich ein Verdacht auffälliges Verhalten Aussagen möglichst wortgetreu notieren Angaben zu Anlass und Kontext der Aussagen Fakten von Gefühlen und Hypothesen unterscheiden und entsprechend bezeichnen. Sind Verletzungsspuren erkennbar: Arztbesuch veranlassen (so schnell wie möglich!) Auch ohne Benachrichtigung der Eltern oder gesetzl. Vertretung möglich, da Verdacht auf Offizialdelikt besteht. Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 5 von 12
6 6.3 Abklärung Bevor nach der Notfallintervention weitere begleitende Massnahmen getroffen werden, muss deren Finanzierung gesichert sein. (Kantonale Opferhilfestellen stehen i.d.r. gratis zur Verfügung) Sind zum Schutz des betroffenen betreuten Menschen Massnahmen zu treffen? Kontaktaufnahme mit der Opferhilfestelle oder mit anderen Beratungsstellen durch Vertrauensperson Wer muss informiert werden: Eltern oder gesetzliche Vertreter Kollegium Vorstand vahs (Verband anthroposophischer Heilpädagogik und Sozialtherapie in der Schweiz) Öffentlichkeit? Falls die Öffentlichkeit informiert werden muss, geschieht dies unter Einbezug des Verantwortlichen für die Öffentlichkeitsarbeit. (Heimleitung, Vorstand, etc.) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die direkt mit der betroffenen Person zu tun haben, werden über die nötigen Regelungen, Abmachungen und Informationen von der Vertrauensperson unterrichtet. Es kann sein, dass die Person, welche die Meldung gemacht hat, Begleitung braucht. Nachfragen und für allfällige Begleitung (Coaching, Reflexion, u.a.) sorgen. 7. Rapporte während und nach der Abklärungsphase Alle Gespräche werden schriftlich mit Datum festgehalten Wichtig! Keine eigenmächtige Befragung der verdächtigten Person durchführen. Solche Aussagen sind juristisch und sollte es zu einer Anzeige führen zumeist nicht mehr verwendbar. Personalien, Daten und wichtige Aussagen von Zeugen werden dokumentiert Während der Bearbeitung werden die Dokumente bei der Vertrauensperson unter Verschluss aufbewahrt. Nach Abschluss des Falles: Vorgehen nach Datenschutzgesetz. Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 6 von 12
7 8. Zivilrechtliche Kinderschutzmassnahmen Ermahnung / Weisung / vormundschaftliche Aufsicht (Art. 307 ZGB) Erziehungsbeistandschaft (Art. 308 ZGB) Obhutsentzug (Art. 310 ZGB) Fürsorgerischer Freiheitsentzug über Unmündige (Art. 314a ZGB) Entzug der elterlichen Sorge (Art. 311, 312 ZGB) Zuständigkeit: Vormundschaftsbehörde Wohnort 9. Zivilrechtliche Erwachsenenschutzmassnahmen Beistandschaft (Art. 392, 394 ZGB) Beiratschaft (Art. 395 ZGB) Vormundschaft (Art. 369, 370, 372 ZGB) Fürsorgerischer Freiheitsentzug (Art. 397a ZGB) Zuständigkeit: Vormundschaftsbehörde Wohnort 10. Umgang mit falscher Anschuldigung Die verdächtigte Person ist als unschuldig anzusehen, bis das allfällige Gegenteil bewiesen ist. Wenn sich eine Vermutung als falsch herausstellt und nicht bewiesen werden kann, werden alle bereits darüber informierten Personen entsprechend informiert (Rehabilitation). Die Vertrauensstelle veranlasst eine unabhängige Abklärung durch eine externe Fachperson und ebenso eine externe Begleitung der falsch beschuldigten Person, sofern dies von dieser gewünscht wird. Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 7 von 12
8 11. Nachbearbeitung Sind wir fähig, die Signale und Symptome von sexueller Ausbeutung zu erkennen und einzuordnen? Lief die Meldung korrekt ab? Begleitung des zu betreuenden Menschen: Was wurde ihm angeboten und welche Auswirkung hatte es? Begleitung der Person, die die Meldung gemacht hat: Was brauchte sie? Begleitung des Teams, wo der Fall stattgefunden hat: Was brauchten sie, sind Probleme entstanden, etc.? Umgang und Begleitung des Verdächtigen: Welche Auswirkungen/ Probleme sind entstanden? Wie reagierte das Umfeld? Verantwortung und Kompetenzen der Mitarbeiter: War klar, wer was zu tun hatte und wie es gemacht werden muss? Was hat gefehlt? Ist das vorliegende Konzept Vorgehensweise bei Verdacht auf sexuelle Ausbeutung in der Praxis anwendbar, oder muss es ergänzt oder verändert werden? 12. Wann ist ein Fall abgeschlossen? Massnahmen, Klärungen, Dokumentation Ein Fall ist dann abgeschlossen, wenn die entsprechenden Massnahmen durch die Vertrauensstelle (Begleitung der betroffenen Person, etc.) eingeleitet wurden, die Klärungen vollzogen und abschliessend dokumentiert wurden (Datum/Dok) Falsche Anschuldigung Wenn ein/e Vermutung/ Verdacht sich als falsch herausgestellt hat und die nötigen Massnahmen eingeleitet wurden, siehe oben Anzeige Wenn Anzeige gegen die verdächtigte Person erhoben wurde und damit die weiteren Bearbeitungen in die Hände der Justiz gegeben wurden. Erstellt am Vertrauensstelle: Christine Braun, Reto Christ (intern) Barbara Wiesner (extern) Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 8 von 12
9 Anhang: Opferbegriff gemäss Bundesgesetz über Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG) Art.2 Aufgaben der Fachstellen Opferhilfe gem. OHG Art. 3 Abs. 4 Aufgaben der Fachstellen Opferhilfe gem. OHG Art. 3 Abs. 4 Informationen bezüglich: Rechte und Stellung im Strafverfahren Rechte und Stellung im Sozialversicherungsverfahren Rechte und Stellung im Opferhilfeverfahren Finanzieller Konsequenzen sowie Hilfe bei der Geltendmachung finanzieller Ansprüche Delikte im Sinne des OHG: Tötung (auch Verkehrsunfälle) Körperverletzung (auch Verkehrsunfälle) Raub Drohung, Nötigung Freiheitsberaubung, Geiselnahme, Menschenhandel Ausnutzung einer Notlage Sexuelle Handlungen mit Kind, mit Abhängigen Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Schändung Exhibitionismus Förderung der Prostitution Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 9 von 12
10 Adressen Opferberatungsstellen Kanton Zürich Opferberatung Zürich Fachstelle der Stiftung Opferhilfe Zürich Gartenhofstrasse Zürich Tel Das Beratungsangebot richtet sich an Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder, die durch eine Gewalttat oder im Rahmen eines Verkehrsunfalls körperlich oder psychisch beeinträchtigt worden sind, sowie an deren Angehörige. Beraten werden sodann Männer und Jungen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Castagna - Beratungsstelle für sexuell ausgebeutete Kinder, weibliche Jugendliche und in der Kindheit ausgebeutete Frauen Universitätsstrasse Zürich Tel Das Beratungsangebot richtet sich an Angehörige und Vertrauenspersonen von sexuell ausgebeuteten Mädchen und Jungen, an weibliche Jugendliche, an Frauen, die in der Kindheit sexuell ausgebeutet wurden, sowie an Bezugspersonen von Betroffenen. Fachstelle OKey für Opferhilfeberatung und Kinderschutz St. Gallerstrasse Winterthur Tel , Piketttelefon Kantonspital Winterthur (Kinderklinik) Postfach 8401 Winterthur Tel Das Beratungsangebot richtet sich an Kinder und Jugendliche und deren Angehörige oder Vertrauens- und Fachpersonen im Zusammenhang mit Kindsmisshandlung inkl. sexuelle Übergriffe. Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 10 von 12
11 Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Kinderspitals Zürich Steinwiesstrasse Zürich Tel (Sekretariat Kinderschutzgruppe) Tel (Telefonzentrale Kinderspital) Das Beratungsangebot richtet sich an Kinder und Jugendliche, sowie an Angehörige oder Bezugspersonen im Zusammenhang mit Kindsmisshandlung (inkl. sexuelle Ausbeutung). Mädchenhaus Zürich Postfach Zürich Tel Das Beratungsangebot richtet sich an gewaltbetroffene Mädchen und junge Frauen sowie an Vertrauenspersonen der Betroffenen (einschliesslich nicht ausbeutende Eltern) und an Fachleute. Schlupfhuus Schönbühlstrasse Zürich Tel Hottingerstrasse Zürich, Tel Sorgentelefon: Tel Die Beratung richtet sich an gewaltbetroffene Kinder und Jugendliche, unter Einbezug des Umfelds zusammen mit dem/der Jugendlichen, sowie an Fachpersonen. bif Beratungs- und Informationsstelle für Frauen, Gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft Postfach Zürich, Tel Das Beratungsangebot der bif richtet sich an alle Frauen, die physische und/oder psychische Gewalt in ihrer Partnerschaft erleben, sowie an ihnen nahestehende Drittpersonen und an Fachpersonen. Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 11 von 12
12 Beratungsstelle Nottelefon für Frauen gegen sexuelle Gewalt Langstrasse 14 Postfach 8026 Zürich Tel Das Beratungsangebot richtet sich an Frauen, denen sexuelle Gewalt widerfahren ist, sowie an deren Angehörige und nahe Bezugspersonen. Frauen-Nottelefon - Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen, Winterthur Technikumstrasse 38 Postfach Winterthur Tel Das Beratungsangebot richtet sich an Frauen, denen sexuelle und/oder körperliche Gewalt widerfahren ist, sowie an deren Angehörige und nahe Bezugspersonen. FIZ Makasi, Interventionsstelle für Opfer von Frauenhandel* Badenerstrasse Zürich Tel Das Beratungsangebot der FIZ Makasi richtet sich an Frauen, die Opfer von Frauenhandel im Sinne von Art. 182 StGB geworden sind. * Die FIZ Makasi Interventionsstelle für Opfer ist keine kantonal anerkannte Opferberatungsstelle. Die von ihr angebotene spezialisierte Begleitung von Frauen, die im Kanton Zürich Opfer von Frauenhandel wurden, wird aber vom Kanton Zürich im Rahmen der Hilfe durch Dritte (mit-)finanziert. Heilpädagogisches Institut St. Michael Adetswil Seite 12 von 12
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