Urheberrechtsschranken von allgemeiner Bedeutung
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- Heiko Sommer
- vor 8 Jahren
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1 Unterrichten mit neuen Medien Urheberrechtlicher Schutz von Inhalten > Einwilligungsfrei verwendbare Inhalte > Urheberrechtsschranken von allgemeiner Bedeutung Überblick Das Urhebergesetz (UrhG) erlaubt durch die so genannten Schranken des Urheberrechts viele Nutzungen geschützter Inhalte ohne Einwilligung des Rechtsinhabers, oft auch ohne dass eine Vergütung gezahlt werden muss. Dabei sollen hier zunächst nur die Schranken von allgemeiner Bedeutung näher dargestellt werden. Zwar sind diese Schranken nicht speziell auf den schulischen Bereich zugeschnitten. Gleichwohl werden sie im Folgenden näher erörtert, denn sie haben auch im Schulalltag Bedeutung, da sie beispielsweise ermöglichen, dass Zeitungsmeldungen zu tagesaktuellen Neuigkeiten oder bestimmte Abbildungen auf der Schulhomepage veröffentlicht werden können. Das Zitatrecht, die Verwendung zum eigenen Gebrauch und die besonders auf den schulischen Bereich bezogenen Schrankenregelungen - etwa der 52a, 53 Absatz 3 UrhG - werden wegen ihrer besonderen Bedeutung für den schulischen Bereich in eigenen Texten behandelt. Beispiele "Arbeitskreis Politik"-Fall Lehrer L leitet den Arbeitskreis Politik. In einem Projekt zum Thema "Gentechnik" haben seine Schülerinnen und Schüler verschiedene Inhalte zusammengetragen, die L zur Selbstdarstellung des AK Politik möglichst vollständig auf der Homepage der Schule wiedergeben möchte. Unter anderem sind dies der Text der vom Bundespräsidenten Rau im Mai 2001 in der Berliner Staatsbibliothek gehaltenen "Berliner Rede" über ethische Grundfragen der Gentechnik, den L dem Internetauftritt des Bundespräsidialamts entnommen hat, Redebeiträge aus Bundestagsdebatten, Zeitungskommentare, die sich mit Raus Rede auseinandersetzen sowie Zeitungsmeldungen (reine Tatsachenberichte) über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Gentechnik. Kann L diese Inhalte ohne Einwilligung verwenden? Kurzantwort: Die Verwendung der Inhalte auf der Schulhomepage ist eine öffentliche Wiedergabe (in Form der so genannten öffentlichen Zugänglichmachung) und 48 Absatz 1 Nr. 1 UrhG erlaubt die öffentliche Wiedergabe einer in einer öffentlichen Versammlung gehaltenen oder durch eine öffentliche Wiedergabe veröffentlichten Rede über "Tagesfragen". Dabei gilt es hier aber zu beachten: Zwar wurde die Rede des Bundespräsidenten öffentlich gehalten und zudem im Internet veröffentlicht; es fehlt jedoch an dem erforderlichen aktuellen Bezug der Rede, die sich mit nicht tagesgebundenen Fragen auseinander setzte. Schon deswegen muss L insoweit eine Einwilligung einholen. Die Reden aus Bundestagsdebatten darf L demgegenüber ohne Einwilligung und Vergütung verwenden. Er muss allerdings die Quelle angeben. Die öffentliche Wiedergabe von Zeitungskommentaren - hier zur Rede des Bundespräsidenten - ist zwar in der Regel ohne Einwilligung zulässig, da sie "politische Tagesfragen betreffen", nämlich einen aktuellen Vorgang kommentieren. Diese Regelung erlaubt es aber nicht, die Kommentare auch zu vervielfältigen, außer in einer Zeitung oder einem anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblatt (das sind zum Beispiel auch unternehmensinterne Pressespiegel). Da ein Text notwendigerweise vervielfältigt wird, wenn er als Datei auf dem WWW-Server abgespeichert wird, und die Projekthomepage keine Zeitung oder ein Informationsblatt ist, benötigt L hierfür doch eine Einwilligung. 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
2 Die Zeitungsmeldungen dürfen dagegen als Tagesneuigkeiten rein tatsächlichen Inhalts ohne Einwilligung und ohne Vergütung wiedergegeben werden, auch eine Quellenangabe ist hier entbehrlich. Foto-Fall Kunstlehrer K hat in der Schulaula eine öffentliche Ausstellung von Gemälden seiner Schülerinnen und Schüler organisiert und die Ausstellung mit Fotos der Gemälde dokumentiert. Am Ende des Schuljahres möchte K auf der Schulhomepage unter Verwendung dieser Fotos über die Ausstellung berichten. Sich selbst will er auf dieser Seite mit einem Portraitfoto vorstellen, das er in einem Fotogeschäft hat anfertigen lassen. Kurzantwort: Um die Gemälde der Schülerinnen und Schüler öffentlich ausstellen zu können, benötigt K die Einwilligung seiner Schülerinnen und Schüler beziehungsweise ihrer Eltern, da das Ausstellungsrecht des Urhebers betroffen ist. Das Abfotografieren der Bilder ist eine Vervielfältigung, das Einstellen ins Internet eine öffentliche Wiedergabe (in Form der öffentlichen Zugänglichmachung). Beides erfordert ebenfalls in der Regel die Einwilligung des Urhebers. Hieran ändert auch die Vorschrift des 58 Absatz 1 UrhG nichts, denn diese erlaubt eine einwilligungsfreie Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung nur, wenn dies zum Zwecke der Werbung und zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist. An dieser engen Zweckbestimmung scheitert das Vorhaben des K. Auch die so genannte Katalogbildfreiheit nach 58 Absatz 2 UrhG (Erstellung eines nicht kommerziellen Ausstellungskatalogs) hilft K hier nicht weiter. Denn die Katalogfreiheit erlaubt nur eine körperliche Verwertung (beispielsweise Druck, Fotokopie), also nicht das Einstellen ins Internet. K bedarf daher in jedem Fall einer gesonderten Einwilligung seiner Schülerinnen und Schüler beziehungsweise deren Eltern. Auch sein Portraitfoto kann K nicht ohne weiteres verwenden, da hieran Rechte des Fotografen bestehen. Zwar dürfte K das von ihm bestellte Foto ohne Einwilligung unentgeltlich verbreiten. Mit "Verbreiten" ist aber nur eine körperliche Weitergabe von Kopien gemeint; die öffentliche Zugänglichmachung des Fotos im Internet ist dagegen als unkörperliche Verwertungshandlung ebenfalls nur mit Einwilligung zulässig. Vertiefung Schutz der Informationsfreiheit und der Abbildungsfreiheit Das Urheberrechtsgesetz kennt eine ganze Reihe von Vorschriften, die bestimmte Handlungen - zum Beispiel Vervielfältigungen - in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Werke ohne Einwilligung des Rechteinhabers gestatten (so genannte Schranken des Urheberrechts, 44a ff. UrhG). Ein Teil dieser Vorschriften dient dabei der Informationsfreiheit (zum Beispiel 48, 49 UrhG). Durch die Einwilligungsfreiheit bestimmter Nutzungshandlungen soll die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge von allgemeinem Interesse erleichtert werden. Ein anderer Teil dieser Bestimmungen wiederum lässt die Abbildung fremder Werke ohne Einwilligung und Vergütung zu, weil der Eingriff in das Urheberrecht als geringfügig erscheint oder die Abbildung für einen bestimmten legitimen Zweck unvermeidlich ist und daher dem Urheber zugemutet wird (zum Beispiel 57 UrhG). Schließlich gibt es Schrankenregelungen etwa speziell für den schulischen Bereich. Letztere werden wegen ihrer besonderen Bedeutung für den schulischen Bereich in eigenen Texten behandelt. Öffentliche Reden Reden über Tagesfragen Zur erleichterten Kenntnisname durch die Öffentlichkeit erlaubt zunächst 48 Absatz 1 Nr. 1 UrhG in gewissem Umfang die einwilligungsfreie und vergütungsfreie Nutzung öffentlicher 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
3 Reden. Für Homepages ist diese Urheberrechtsschranke im Ergebnis jedoch ohne praktische Bedeutung (siehe dazu weiter unten). Die Vorschrift gestattet zunächst die einwilligungsfreie Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe einer Rede über Tagesfragen, die bei einer öffentlichen Versammlung gehalten oder durch eine öffentliche Wiedergabe durch Rundfunk oder im Internet veröffentlich worden ist. Definition: "Rede" Mit "Rede" ist jedoch nur eine tatsächlich gehaltene Rede gemeint (gleich ob als Bild- /Tonaufzeichnung oder als Mitschrift), nicht das unter Umständen davon abweichende Redemanuskript. Definition: "Tagesfragen" Mit der Einschränkung auf "Tagesfragen" ist gemeint, dass die Rede aktuelle Vorgänge zum Inhalt haben muss, also ein tagesgebundenes Thema behandelt, gleich ob dies ein politisches oder zum Beispiel kulturelles Thema ist. Ein aktuelles Ereignis als Anlass für einen Vortrag mit wissenschaftlichem oder künstlerischem Inhalt genügt also nicht, etwa die Laudatio auf einen Preisträger oder die satirische Nummer eines Kabarettisten zu einem aktuellen Vorgang. Im "Arbeitskreis Politik"-Fall fiel die Rede des Bundespräsidenten nicht in diesen engen Kreis, da sie sich mit einem "zeitlosen" Themen beschäftigte. Definition: "Öffentlich" Öffentlich bedeutet in diesem Zusammenhang im Übrigen nicht, dass die Versammlung unbegrenzt zugänglich sein muss. Auch wenn ein Eintrittsgeld verlangt wird oder das Publikum durch die Größe des Versammlungsraums begrenzt ist, ist die Versammlung öffentlich, wenn sie sich an einen breiten Personenkreis richtet. Darunter fallen politische Kundgebungen, nicht aber Versammlungen eines abgegrenzten Personenkreises wie zum Beispiel eine Versammlung von Vereinsmitgliedern oder eine Aktionärsversammlung. Auch Fernseh- und Rundfunkansprachen sind öffentlich, da sie durch eine öffentliche Wiedergabe im Rundfunk an die Öffentlichkeit gelangen. Keine Privilegierung der Homepage Während die Vervielfältigung und Verbreitung (das heißt die körperliche Weitergabe von Vervielfältigungen) nach der genannten Vorschrift nur in Druckschriften oder sonstigen Datenträgern zulässig ist, die im Wesentlichen den Tagesinteressen Rechnung tragen (vor allem Zeitungen und Zeitschriften), gilt für die öffentliche Wiedergabe interessanterweise keine solche Einschränkung: Die Übertragung einer öffentlichen Reden über Tagesfragen im Rundfunk ist daher erlaubt. Ein Sendeunternehmen darf also auch eine Kopie herstellen, um die Rede zeitversetzt auszustrahlen. Für die öffentliche Wiedergabe im Internet (öffentliche Zugänglichmachung) besteht dagegen keine entsprechende Befugnis. Daher wäre nur eine Live-Übertragung im Internet (so genanntes Streaming) ohne Einwilligung möglich. Wird dagegen eine Kopie hergestellt, um sie auf einer Internetseite öffentlich zugänglich zu machen, liegt darin eine Vervielfältigung, die nur mit Einwilligung des Urhebers zulässig ist. Im Ergebnis privilegiert diese Schranke also nur Printmedien und Rundfunksender, aber nicht den Betreiber einer Homepage. Reden bei bestimmten öffentlichen Verhandlungen In deutlich weiterem Umfang ist nach 48 Absatz 1 Nr. 2 UrhG die Nutzung von Reden zulässig, die bei öffentlichen Verhandlungen vor staatlichen, kommunalen oder kirchlichen Organen gehalten worden sind. Es muss sich dabei nicht um eine Rede über Tagesfragen handeln, und jede Form der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe ist erlaubt. Darunter fallen vor allem Reden in der öffentlichen Sitzung eines Parlaments oder Gemeinderats wie die im "Arbeitskreis Politik"-Fall erwähnten Bundestagsreden. Da die Vervielfältigung hier auch nicht in einem im Wesentlichen Tagesinteressen dienenden Medium erfolgen muss, ist es ohne weiteres möglich, eine Kopie herzustellen und im Internet zugänglich zu machen. 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
4 Quellenangabe und Änderungen In beiden genannten Fällen des 48 UrhG ist die Quelle anzugeben. Das ist zum einen der Name des Urhebers, zum anderen die Zeitung, das Sendeunternehmen oder ähnliches, die das Werk veröffentlicht haben. Bei der Verwendung ganzer Sprachwerke (zu denen Reden zählen) müssen auch eventuelle Kürzungen und Änderungen deutlich gemacht werden. Solche Änderungen müssen zudem durch den Benutzungszweck gerechtfertigt sein. Bei Sprachwerken sind insbesondere Kürzungen, die Übertragung in indirekte Rede oder Übersetzungen zulässig. Kürzungen dürfen jedoch nicht sinnentstellend sein. Tipp Sollen auf einer Projekthomepage öffentliche Reden verwendet werden, um das Meinungsspektrum zu einem Thema darzustellen, sollten Reden aus öffentlichen Parlamentssitzungen verwendet werden. Die amtlichen Plenarprotokolle zum Beispiel des Bundestages sind online zugänglich, und die Reden dürfen ohne Einwilligung auch online wiedergegeben werden. Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare Auch für bestimmte Inhalte, die im Rundfunk oder gedruckten Medien veröffentlich worden sind, lässt das Gesetz in 49 UrhG zur Unterrichtung der Öffentlichkeit in gewissem Umfang eine Verwertung ohne Einwilligung zu, wobei zwei Fallgruppen zu unterscheiden sind. Achtung: Auch wenn hier eine Verwertung ohne Einwilligung zulässig ist, besteht zum Teil eine Vergütungspflicht (siehe unten)! Vervielfältigung und Verbreitung von Zeitungsartikeln und Rundfunkkommentaren Einzelne Rundfunkkommentare und Artikel aus Zeitungen (dazu zählen auch Nachrichtenmagazine und wöchentliche Illustrierte, nicht aber Fachzeitschriften) und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern (aktuelle Informationsdienste, Verbandsmitteilungen und ähnliches) dürfen nach 49 Absatz 1 UrhG von anderen derartigen Zeitungen und Informationsblättern vervielfältigt und verbreitet werden, wenn sie nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen sind. Ein solcher Vorbehalt muss dabei dem einzelnen Artikel beigefügt sein, ein allgemeiner Vorbehalt etwa im Impressum der Zeitung wäre unwirksam. Bedingung: Auseinandersetzung mit Tagesfragen Die Kommentare und Artikel müssen allerdings politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen betreffen, das heißt sich mit aktuellen Vorgängen aus diesen Bereichen auseinander setzen. Nach überwiegender Auffassung unter den Juristen bedeutet das, dass der Vorgang sowohl zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Artikels als auch zum Zeitpunkt des Nachdrucks noch aktuell sein muss. (Andere Juristen halten dagegen nur den Zeitpunkt der Erstveröffentlichung oder den Zeitpunkt des Nachdrucks für maßgeblich.) Wissenschaftliche, kulturelle oder unterhaltende Inhalte sind dagegen nicht privilegiert, auch wenn sie einen aktuellen Bezug haben, wie zum Beispiel eine Theaterkritik. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein, wenn sich privilegierte und nichtprivilegierte Themen überschneiden. Überwiegend wird es jedoch für ausreichend gehalten, dass auch politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen behandelt werden (nach einer engeren Auffassung muss auch der Schwerpunkt auf einem solchem Thema liegen). Elektronische Pressespiegel Wiederum ist jedoch zu beachten, dass die Regelung des 49 UrhG primär auf Zeitungen, lediglich Tagesinteressen dienende Informationsblätter und Rundfunksender zugeschnitten ist. Eine aus dem Gesetzeswortlaut nicht erkennbare Ausnahme hat die Rechtsprechung jedoch inzwischen für elektronische Pressespiegel gemacht. Schon bisher waren nach herrschender Meinung und gängiger Praxis für den betriebs- oder behördeninternen Gebrauch hergestellte gedruckte Pressespiegel (Zusammenstellungen von kopierten Zeitungsartikeln) zulässig. Man verstand den Begriff des "lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblätter" nämlich in weiter Auslegung so, dass auch Informationsblätter privilegiert werden, die keine eigenen Artikel bringen, sondern ausschließlich aus anderen Veröffentlichungen stammende Artikel abdrucken. Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
5 und diesen gedruckten Pressespiegeln elektronische Pressespiegel gleichgestellt, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Der Pressespiegel darf nur innerhalb eines Unternehmens oder einer Behörde zugänglich sein, er muss unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, und die Artikel dürfen nur als eingescannte Grafikdateien, aber nicht als Volltexte zur Verfügung stehen. (Ob auch Texte aus dem Internet verwendet dürfen, hat der BGH nicht entschieden.) Begründung des BGH: Werden die genannten Vorgaben beachtet, bestehe ebenso wenig wie bei einem gedruckten Pressespiegel die Gefahr, dass die Bezieher ihn dazu missbrauchen, ein Archiv von Artikeln anzulegen (dies wäre von 49 Abs. 1 UrhG nicht mehr gedeckt, der ja nur die erleichterte Unterrichtung über bestimmte aktuelle Inhalte ermöglichen soll). Einen Artikel für längere Zeit verfügbar zu halten, ist daher unzulässig, da dann die erforderliche Aktualität entfällt. Näheres zum Urteil des BGH unter Quellenangabe und Vergütungspflicht Das oben für die Nutzung öffentlicher Reden zu Änderungen und zur Quellenangabe Ausgeführte gilt hier ebenfalls. Zusätzlich ist hier noch zu beachten, dass eine Vergütungspflicht besteht. Aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit sieht das Gesetz dabei vor, dass nicht der Urheber selbst die Vergütung verlangen kann; zur Geltendmachung im Namen der Urheber berechtigt ist stattdessen die zuständige Verwertungsgesellschaft, die die Höhe der Vergütung nach Art und Umfang der Nutzung vertraglich mit dem Herausgeber des Pressespiegels vereinbart. Die für Sprachwerke (das heißt Texte) zuständige Verwertungsgesellschaft ist die VG Wort. Keine Vergütungspflicht besteht allerdings, wenn nur kurze Auszüge aus mehreren Kommentaren oder Artikeln in Form einer Übersicht (Presseschau) zusammengestellt werden. Sonderfall Tagesneuigkeiten Unbeschränkt zulässig ist es nach 49 Absatz 2 UrhG, "vermischte Nachrichten tatsächlichen Inhalts" und "Tagesneuigkeiten" zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben, die durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind. Mit den beiden synonymen Begriffen sind aktuelle Meldungen ohne Beschränkungen hinsichtlich des Themas und ohne Beschränkung auf Zeitungen gemeint, die jedoch einen rein tatsächlichen Inhalt haben müssen. Keine Nachricht in diesem Sinn liegt daher vor, wenn der Vorgang, über den berichtet wird, zusätzlich kommentiert, erläutert oder ergänzt wird. Texte mit rein tatsächlichem Inhalt werden zwar selten die nötige Schöpfungshöhe erreichen, ab der ein Urheberrechtschutz eingreift. Falls ausnahmsweise ein Urheberrechtsschutz besteht, erlaubt die Vorschrift nach herrschender Meinung dennoch die Verwertung. Die unbeschränkte Zulässigkeit der genannten Verwertungshandlungen bedeutet, dass weder eine Vergütung noch eine Quellenangabe erforderlich ist; auch ein eventueller Vorbehalt der Rechte wäre unwirksam. Die Verwendung des Inhalts ist auch zeitlich unbegrenzt zulässig, da das Gesetz für die Zweitveröffentlichung keine Aktualität verlangt. Somit konnten im "Arbeitskreis Politik"-Fall die Zeitungsmeldungen über Tagesneuigkeiten betreffend die Gentechnik nach 49 Absatz 2 UrhG ohne Einwilligung und ohne Vergütung im Internet wiedergegeben werden, auch eine Quellenangabe war entbehrlich. Tipp Soll auf einer Projekthomepage ein politisches oder kulturelles Thema dokumentiert werden, ist man auf der sicheren Seite, wenn man sich auf reine Tatsachenmitteilungen beschränkt. Hier können keine urheberrechtlichen Probleme auftauchen, da solche Inhalte frei verwendbar sind. Unwesentliches Beiwerk Nach 57 UrhG dürfen Werke ohne Quellenangabe vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (also auch im Internet öffentlich zugänglich gemacht) werden, wenn sie unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Verwertung sind (siehe dazu auch Personenfotos - Allgemeines, Wenn ein Werk mehr oder weniger zufällig in ein anderes Werk hineingerät, keinen inhaltli- 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
6 chen Bezug dazu hat und deshalb von ganz untergeordneter Bedeutung ist, wäre es unverhältnismäßig, wenn der Urheber ermittelt und seine Einwilligung eingeholt werden müsste. Beiwerk ist nach dem Zweck der Vorschrift also, was von einem flüchtigen Betrachter kaum wahrgenommen wird und ohne weiteres ausgetauscht oder weggelassen werden könnte, ohne die Wirkung zu beeinträchtigen. Im Einzelfall müssen alle Umstände in die Beurteilung einbezogen werden, so dass die Abgrenzung schwierig sein kann. Sobald ein Werk im Hintergrund einer Fotografie oder einer Filmszene inhaltlichen Bezug zum dargestellten Gegenstand hat, ist es jedenfalls kein bloßes Beiwerk "neben" dem eigentlichen Gegenstand mehr. An der Wand einer Wohnung hängende Bilder, die das Milieu charakterisieren sollen, in dem die Handlung spielt, oder Bilder, die in einem Möbelkatalog in einem Einrichtungsbeispiel abgebildet werden, sind ebenfalls kein bloßes Beiwerk. Zufällige Hintergrundgeräusche in einer Filmszene, die ein geschütztes Werk der Musik sind, können dagegen Beiwerk sein, wenn sie keine inhaltliche Bedeutung für das Geschen haben. Im Zweifel ist daher Vorsicht geboten, da ein erheblicher Beurteilungsspielraum besteht und oft nicht abgeschätzt werden kann, wie ein Gericht den konkreten Fall beurteilen würde. Werke an öffentlichen Plätzen Abbildung von Werken an öffentlichen Plätzen Werke, die sich dauerhaft (das Gesetz verwendet den Begriff "bleibend") an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, also ohnehin von jedermann wahrgenommen werden können und sich an Stellen befinden, die der Allgemeinheit gewidmet sind, sind in gewissem Sinne Allgemeingut, so dass der Urheber ihre Abbildung nicht verbieten darf. Sie dürfen gemäß 59 UrhG mit den Mitteln der Malerei, Grafik, Fotografie und des Films vervielfältigt, verbreitet und (auch im Internet) öffentlich wiedergegeben werden, außer an einem Bauwerk (die Nachbildung einer Wandmalerei an einer anderen Hauswand ist daher unzulässig). Für Gebäude (die als Werke der Baukunst urheberrechtlich geschützt sein können), gilt dies nur für ihre Außenansicht. Generell nicht zulässig ist eine dreidimensionale Nachbildung, also die Herstellung eines Modells. Von der Abbildungsfreiheit erfasst sind nur Werke, die ohne besondere Hilfsmittel von allgemein zugänglichen Wegen aus sichtbar sind, auch wenn sie auf Privatgrund stehen. Der Eigentümer kann jedoch die Einsehbarkeit seines Grundstücks erschweren und darauf befindliche Werke der Abbildungsfreiheit entziehen. Auch wenn das Urheberrecht an einem nur bei Betreten des Grundstücks sichtbaren Werks erloschen ist, billigt die Rechtsprechung dem Eigentümer das Recht zu, Abbildungen des Werks gewerblich zu nutzen, zum Beispiel Postkarten von einem nur vom Schlosspark aus einsehbaren Schloss herzustellen und zu vertreiben. Andere Personen müssten in diesem Fall ein entsprechendes Nutzungsrecht erwerben. Ebenfalls nicht abbildungsfrei sind Werke in Innenräumen, auch wenn diese frei zugänglich sind. Dauerhaft ist ein Werk, wenn es sich ohne zeitliche Begrenzung an seinem Platz befinden soll. In einem Schaufenster oder Schaukasten ausgestellte Werke sind daher nicht dauerhaft aufgestellt. Auch die von vorneherein zeitlich begrenzt angebrachte Verhüllung des Reichstags durch das Künstlerehepaar Christo war kein dauerhaftes Werk, so dass Postkarten mit diesem Motiv nicht von der Abbildungsfreiheit gedeckt waren. Änderungen an Werkabbildungen Zu beachten ist, dass am abgebildeten Werk - sofern es nicht gemeinfrei ist, weil etwa die Schutzfrist abgelaufen ist - nur Änderungen zulässig sind, die die Übertragung in eine andere Größe darstellen oder durch das angewendete Verfahren bedingt sind. Daher darf ein Werk verkleinert, ein dreidimensionales Werk zweidimensional oder ein farbiges Werk schwarzweiß dargestellt, jedoch nicht bewusst verzerrt oder in anderen Farben dargestellt werden. Solche verfremdende Darstellungen sind Bearbeitungen, die gemäß 23 UrhG der Einwilligung des Urhebers bedürfen, falls sein Urheberrecht nicht bereits erloschen ist - dann sind auch Bearbeitungen in jeder Form zulässig. Auch eine Quellenangabe nach 63 UrhG ist erforderlich. 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
7 Werke in Ausstellungen Verwertung zu Werbezwecken Nach der Vorschrift des 58 Absatz 1 UrhG ist es dem Veranstalter einer öffentlichen Ausstellung oder eines öffentlichen Verkaufs von Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken (also künstlerischen Fotografien) gestattet, die öffentlich ausgestellten - oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werke - zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen, das heißt insbesondere auch Abbildungen der Werke ins Internet zu stellen. Die Verwertung muss jedoch nach der Neufassung des Gesetzes durch die Urheberrechtsnovelle vom September 2003 dem Zweck der Werbung für die Veranstaltung dienen und ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie für die Förderung der Veranstaltung erforderlich ist. Die Berichterstattung über eine Veranstaltung wie im Foto- Fall ist dagegen nicht erfasst. Katalogbildfreiheit Der ebenfalls durch die Urheberrechtsnovelle vom September 2003 neu geschaffene 58 Absatz 2 UrhG enthält in geänderter Form die bisherige so genannte Katalogbildfreiheit. Er erlaubt die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken in Verzeichnissen, die von öffentlichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen in inhaltlichem und zeitlichen Zusammenhang mit einer Ausstellung herausgegeben werden oder den Bestand dokumentieren, wenn damit kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird. Die Verwendung von Werken in Katalogen ist daher anders als früher nur noch den genannten öffentlichen Einrichtungen erlaubt. Der Kunstlehrer im Foto-Fall hätte daher ein "Verzeichnis", also einen Ausstellungskatalog, herausgeben dürfen, worunter nach der amtlichen Begründung inzwischen auch digitale Offline-Medien gehören, zum Beispiel eine CD-ROM. Die Veröffentlichung im Internet wird in 58 Absatz 2 UrhG dagegen nicht genannt und ist daher ohne Einwilligung des Urhebers unzulässig. Bildnisse Ein Bildnis, das heißt eine Personendarstellung (beispielsweise Gemälde, Zeichnung, Portraitfoto und ähnliches, aber auch eine Büste), ist urheberrechtlich geschützt. 60 UrhG räumt dem Besteller und dem Abgebildeten wegen ihrer besonderen persönlichen Beziehung zum Bildnis jedoch per Gesetz ein Nutzungsrecht ein. Der Besteller des Bildnisses beziehungsweise sein Rechtsnachfolger (in der Regel der Erbe) oder ein von ihm Beauftragter darf das Bildnis vervielfältigen sowie unentgeltlich und nicht zu gewerblichen Zwecken verbreiten. Das gleiche Recht hat auch der Abgebildete beziehungsweise haben nach seinem Tod seine Angehörigen. Werke der bildenden Kunst dürfen allerdings nur abfotografiert und in dieser Form verbreitet werden, dagegen darf ein Personenfoto zum Beispiel auch durch Abmalen verwertet werden. Nur die unentgeltliche Verwertung ist zulässig, das heißt es darf für die Vervielfältigungsstücke auch nicht mittelbar eine Gegenleistung gezahlt werden; daher ist die Abbildung in einer Zeitung unzulässig, da für diese ein Kaufpreis verlangt wird. Durch die Einfügung der weiteren Einschränkung "und nicht zu gewerblichen Zwecken" im Rahmen der Urheberrechtsnovelle vom September 2003 ist es heute im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage nicht mehr zulässig, etwa Werbezettel mit dem eigenen Foto ohne Einwilligung und Vergütung des Fotografen zu verteilen. Die wichtigste Einschränkung des 60 UrhG ist aber, dass nur körperliche Verwertungshandlungen erfasst sind, nämlich die Vervielfältigung und Verbreitung, das heißt die Weitergabe von Vervielfältigungsstücken. Die öffentliche Wiedergabe ist dagegen nicht genannt. Wie im Foto-Fall ist daher die Einwilligung des Künstlers beziehungsweise Fotografen erforderlich, wenn das Bild im Internet veröffentlicht werden soll. Tipp Da das Schutzrecht für Lichtbilder (= "normale" Portraitfotos) gemäß 72 UrhG dem Hersteller des Bildes zusteht, ist nicht nur bei eigenen Aufnahmen, sondern auch bei einem in ei- 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
8 nem Automatenfoto hergestellten Bild der Abgebildete selbst Inhaber des Schutzrechts. Er selbst kann das Bildnis daher beliebig verwerten und somit auch online nutzen. Konsequenzen Für alle Urheberrechtsschranken lässt sich allgemein festhalten, dass die Voraussetzungen eng umrissen sind: Man sollte daher nicht vorschnell davon ausgehen, dass eine beabsichtigte Nutzung erlaubt ist, sondern die Voraussetzungen im Einzelnen genau prüfen. Scheitert eine bestimmte Nutzung daran, dass eine mögliche Schranke nicht eingreift, sollte man sich überlegen, ob ein Ausweichen auf eine andere Vorschrift möglich ist, die weniger strenge Anforderungen stellt. Sollen Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare verwendet werden, entfällt zwar die Einwilligung, es muss aber eine Vergütung an die VG Wort gezahlt werden. Bei den meisten der hier behandelten allgemeinen Schranken darf die Quellenangabe nicht fehlen, und Änderungen am Werk sind nur in engen Grenzen zulässig. Im Zweifel empfiehlt es sich stets, mit dem Berechtigten Kontakt aufzunehmen und seine Einwilligung einzuholen. 2003, Schulen ans Netz e.v. Stand:
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