1. wie viele landwirtschaftliche Betriebe mit Anbindehaltung von Rindern es ihrer Kenntnis nach aktuell noch in Baden-Württemberg gibt;

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1 Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / Antrag der Abg. Dr. Friedrich Bullinger u. a. FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Anbindehaltung von Rindern Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie viele landwirtschaftliche Betriebe mit Anbindehaltung von Rindern es ihrer Kenntnis nach aktuell noch in Baden-Württemberg gibt; 2. welche Daten sie über den Rückgang dieser Haltungsform in baden-württembergischen Betrieben in den vergangenen 20 Jahren hat; 3. wie sie die unterschiedlichen Formen der Anbindehaltung tierschutzrechtlich bewertet; 4. wie sie die Bundesratsinitiative des Landes Hessen für ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung im Detail bewertet und wie sie ihr Abstimmungsverhalten diesbezüglich begründet hat; 5. in welcher Weise sie insbesondere kleine und mittlere Betriebe, welche die Anbindehaltung aktuell noch nutzen, über Instrumente der Beratung und der Agrarinvestitionsförderung darin unterstützt, entweder die Rahmenbedingungen der Anbindehaltung zu verbessern oder diese Haltungsform durch moderne Tierhaltungssysteme gänzlich zu überwinden Dr. Bullinger, Hoher, Dr. Rülke, Haußmann, Keck, Dr. Schweickert, Weinmann FDP/DVP Eingegangen: / Ausgegeben: Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1

2 Begründung Wünschenswerte Verbesserungen der Tierhaltung sind stets auch eine Frage der Refinanzierbarkeit betrieblicher Investitionen. Statt Verboten sollte daher aus Sicht der FDP/DVP-Landtagsfraktion gezielte Agrarinvestitionsförderung und Beratung forciert werden. Stellungnahme Mit Schreiben vom 3. April 2018 Nr. Z(26) /257F nimmt das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie viele landwirtschaftliche Betriebe mit Anbindehaltung von Rindern es ihrer Kenntnis nach aktuell noch in Baden-Württemberg gibt; Zu 1.: Das Merkmal Anbindehaltung wird nur alle zehn Jahre in der Landwirtschaftszählung erhoben. Die letzten aktuellen Zahlen sind daher von 2010, die nächste Erhebung wird für das Jahr 2020 vorbereitet. Im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2010 wurden in Baden-Württemberg insgesamt landwirtschaftliche Betriebe mit insgesamt Haltungsplätzen für Rinder ermittelt (es werden Plätze gezählt, da die Zahl der Tiere schwankt). Von diesen insgesamt Haltungsplätzen für Rinder sind rund 70 % ( Plätze) in ca Betrieben in einem Laufstall und rund 30 % ( Plätze) in Betrieben mit Anbindehaltung zu finden. Betriebe werden doppelt gezählt, wenn beide Haltungsformen darin vorkommen. Gemäß der Landwirtschaftszählung 2010 hat die Anbindehaltung in Baden-Württemberg insbesondere im Bereich der Milchviehhaltung eine gewisse Bedeutung. Rund 66 Prozent der Betriebe hatten im Jahr 2010 Anbindehaltung, wobei in diesen nur rund 37 Prozent Milchkuhplätze waren. Anbindehaltung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Tiere ihren natürlichen Bewegungsdrang gar nicht ausleben können. So ist in einem Drittel der badenwürttembergischen Betriebe mit Anbindehaltung für Milchkühe zugleich auch der Weidegang für Milchkühe in den Betriebsablauf integriert. Es zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Betriebsgröße (eigentlich Herdengröße) und der bevorzugten Haltungsform: Je größer der Betrieb, desto dominierender ist die Laufstallhaltung. In dieser Abhängigkeit kommen nicht nur die Vorteile der Laufstallhaltung im Hinblick auf die Tiergerechtheit, sondern auch die arbeitswirtschaftlichen Vorteile zum Tragen. 2. welche Daten sie über den Rückgang dieser Haltungsform in baden-württembergischen Betrieben in den vergangenen 20 Jahren hat; Zu 2.: Eine Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren kann nicht aufgezeigt werden, da die Haltungsform erstmalig bei der Landwirtschaftszählung 2010 erhoben wurde und noch keine zweite Erhebung zur Verfügung steht. Diese soll im Jahr 2020 durchgeführt werden. 2

3 3. wie sie die unterschiedlichen Formen der Anbindehaltung tierschutzrechtlich bewertet; Zu 3.: Aus tierschutzfachlicher Sicht ist festzustellen, dass die Anbindehaltung wesentliche Grundbedürfnisse der Tiere (Bewegung, Liegeverhalten, Sozialkontakte, Körperpflege) einschränkt. Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der ganzjährigen Anbindung und einer Anbindung mit saisonalem Weidegang, die traditionell vor allem in Grünlandgebieten verbreitet ist. Das Tierschutzrecht (national und EU) enthält keine speziellen, rechtsverbindlichen Regelungen zur Haltung von Rindern im Alter von über 6 Monaten. Für Kälber ist die Anbindehaltung verboten. 2 des Tierschutzgesetzes fordert u. a. eine verhaltensgerechte Unterbringung und gibt vor, dass der Tierhalter die Bewegungsmöglichkeit eines Tieres nicht so einschränken darf, dass diesem dadurch Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Die letztgenannte Vorschrift setzt die Nr. 7 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG (Tierschutz Nutztiere) um, dort ist geregelt: Bewegungsfreiheit 7. Die der praktischen Erfahrung und wissenschaftlichen Erkenntnissen nach artgerechte Bewegungsfreiheit eines Tieres darf nicht so eingeschränkt sein, dass dem Tier unnötige Leiden oder Schäden zugefügt werden. Ist ein Tier ständig oder regelmäßig angebunden oder angekettet, oder befindet es sich ständig oder regelmäßig in Haltungssystemen, so muss es über einen Platz verfügen, der der praktischen Erfahrung und wissenschaftlichen Erkenntnissen nach seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist. Gemäß Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes sind bei der Beurteilung von Tierhaltungen auf Übereinstimmung mit den Anforderungen des 2 auch die anzuwendenden einschlägigen Empfehlungen zu beachten, die der Ständige Ausschuss nach Artikel 9 des Europäischen Übereinkommens vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (BGBl II S. 113) angenommen hat. Die vom Europarat im Rahmen des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen herausgegebenen Empfehlungen für das Halten von Rindern enthalten im Allgemeinen Teil unter anderem in Artikel 6 Nr. 3 folgende Ausführungen zu Gebäuden und Einrichtungen: Unabhängig davon, ob die Tiere angebunden oder in Boxen gehalten werden, sollten die in den Anhängen genannten Unterkünfte für Rinder so geplant sein, dass sie den Tieren jederzeit genügend Bewegungsfreiheit lassen, sodass sie sich mühelos scheuern und lecken können und genügend Raum haben, um abzuliegen, zu ruhen, Schlafhaltungen einzunehmen oder sich zu strecken und aufzustehen. Werden Anbindevorrichtungen oder Seile benutzt, so dürfen diese den Tieren insbesondere beim Abliegen, Aufstehen, Trinken und Fressen keine Verletzungen oder Leiden verursachen. Die in den Anhängen genannten Tiere sollten die Möglichkeit haben, andere Rinder zu sehen und zu berühren. Wo immer sich die Gelegenheit bietet, sollten sie in der Lage sein, ihrem sozialen Erkundungsdrang nachzugehen und das mit der Aufrechterhaltung einer sozialen Struktur verbundene Verhalten auszuüben. Unter Artikel 6 Nr. 7 wird empfohlen, dass für eine Zuchtherde Abkalbeboxen zur Verfügung stehen sollten. 3

4 Im Speziellen Teil sind besondere Bestimmungen für die Haltung von Zuchtbullen, Mastbullen sowie Kühen und Färsen aufgeführt. 4. wie sie die Bundesratsinitiative des Landes Hessen für ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung im Detail bewertet und wie sie ihr Abstimmungsverhalten diesbezüglich begründet hat; Zu 4.: Der Antrag des Landes Hessen zur Entschließung des Bundesrates zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern vom 13. November 2015 beinhaltete folgenden Gegenstand: Der Bundesrat stellt fest, dass die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern kein tiergerechtes Haltungssystem im Sinne des 2 Tierschutzgesetz darstellt. Er hält ein gesetzliches Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern für erforderlich, wobei eine angemessene Übergangsfrist von 12 Jahren berücksichtigt werden soll. Demgegenüber verfolgt das Land Baden-Württemberg das Ziel, die meist kleinstrukturierten landwirtschaftlichen Familienbetriebe mit den in der Stellungnahme zu Ziffer 5 beschriebenen Maßnahmen zu begleiten. Ein Strukturumbruch soll damit vermieden werden, stattdessen strebt die Landesregierung eine Steuerung des Strukturwandels durch die Maßnahmen an. Vor diesem Hintergrund hat sich das Land Baden-Württemberg im Bundesrat am 22. April 2016 zur Fassung der Entschließung enthalten. Bayern hatte bereits im Fachausschuss gegen den Antrag des Landes Hessen gestimmt. 5. in welcher Weise sie insbesondere kleine und mittlere Betriebe, welche die Anbindehaltung aktuell noch nutzen, über Instrumente der Beratung und der Agrarinvestitionsförderung darin unterstützt, entweder die Rahmenbedingungen der Anbindehaltung zu verbessern oder diese Haltungsform durch moderne Tierhaltungssysteme gänzlich zu überwinden. Zu 5.: Den Unternehmen mit Anbindehaltung steht mit dem Programm Beratung.Zukunft.Land ein umfangreiches Beratungsangebot zur Verfügung. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Module Betriebscheck, Grundmodul Betriebswirtschaftliche Begleitung, Spezialmodul Stallbau, Einstiegsmodul Rind oder Spezialmodul Umstellung auf höhere Tierschutzstandards. Des Weiteren bieten die unteren Landwirtschaftsbehörden und das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW) spezielle Veranstaltungen bzw. Informationen für Anbindehalter an. Im Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) können Investitionen in Rinderställe eine Förderung von 20 % bzw. bei Einhaltung der Premiumanforderungen von 30 % der zuwendungsfähigen Kosten erhalten. Sofern die Bedingungen für die Junglandwirteförderung erfüllt sind, kann ein Zuschlag von 10 % bis zu max Euro gewährt werden. Die Förderbedingungen im AFP sind maßgeblich durch die bundeseinheitlichen Regelungen des Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) bestimmt. Da kleine landwirtschaftliche Betriebe die Anforderungen an die Investitionsförderung im AFP teils nicht erfüllen können (Wirtschaftlichkeit der Investition, Nachweis der erfolgreichen Betriebsführung über die Buchführung), werden Investitionen in kleinen Betrieben in Baden-Württemberg aufgrund deren agrarstruktureller Bedeutung über die Landschaftspflegerichtlinie (LPR-D1) des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft mit den gleichen Fördersätzen wie im AFP gefördert (max. zuwendungsfähiges Investitionsvolumen Euro). 4

5 In LPR-D1 ist nicht die Wirtschaftlichkeit der Investition, sondern deren Tragbarkeit und Finanzierbarkeit maßgeblich. Dieses Programm spielt insbesondere im Schwarzwald eine Rolle, u. a. beim Umbau von kleineren Anbindeställen. In Vertretung Gurr-Hirsch Staatssekretärin 5