Große Freiheit. Seite/Page: 35

Transkript

1 Große Freiheit Das Bogenoffset-Druckverfahren besteht aufgrund seiner Vielseitigkeit auch gegen zunehmende Konkurrenz. Verschwenderische Farbigkeit, fantasievolle Formate und ungewöhnliche Papierqualitäten - der Kreativität der Gestalter von Drucksachen wird beim Bogenoffsetdruck fast keine Grenze gesetzt. Diese Vielfalt ist möglich, weil die Verfahren ständig weiterentwickelt und immer besser standardisiert werden. Erich Frank*, Stuttgart. *Kontakt: Dr. Erich Frank, Flint Group Germany GmbH, Sieglestrasse 25, Stuttgart, Tel: , erich.frank@eu.flintgrp.com Der Bogenoffsetdruck ist das klassische Druckverfahren mit der weitesten Verbreitung. Allein in Europa gibt es schätzungsweise Bogenoffset-Druckbetriebe mit etwa Mitarbeitern. 90% dieser Betriebe sind mittelständisch und haben weniger als 20 Mitarbeiter. In Europa werden im Bogenoffsetverfahren mit ca t Druckfarbe etwa 4 Mio. t graphische Papiere bedruckt. Obwohl das nur etwa 10% des Verbrauchs an graphischen Papieren darstellt, ist der Bogenoffsetdruck der wichtigste Absatzmarkt für den Druckmaschinenbau: etwa 50% des Umsatzes für neue Offset-, Tief- und Flexodruckmaschinen werden für Bogenoffsetdruckmaschinen aufgewandt. (Die Zahlenangaben sind Schätzungen auf der Basis von statistischen Werten.) Diese weite Verbreitung des Bogenoffsetdrucks hat zwei wesentliche Ursachen: die Vielfalt und Flexibilität dieses Druckverfahrens und den vergleichsweise einfachen Mechanismus der Farbtrocknung. Druckmaschinen für vielfältige Formate und Materialien Die Vielgestaltigkeit des Bogenoffsetdruckes zeigt sich in unterschiedlicher Weise. Einerseits besteht eine enorme Vielfalt an möglichen Druckmaschinenkonfigurationen. Im Einsatz sind Druckformate zwischen DIN A 3 und 150 x 200 cm, Druckmaschinen mit 1-14 Druckwerken, für Geradeausdruck und für Wendedruck (Schön- und Widerdruck), die zusätzlich mit einem oder mehreren Lackierwerken - die letztlich Flexodruckwerke sind - an beliebigen Positionen der Druckmaschine ergänzt werden können. Zum anderen bestehen fast keine Einschränkungen für die Bedruckstoffe. Verarbeitet werden bogenförmige Materialien aller Formate, Grammaturen und Papierqualitäten. Ein weiteres Argument für die Vielseitigkeit des Bogenoffsets ist, dass in beliebiger Weise Schmuckoder Effektfarben eingesetzt und vielfältige Veredelungsschritte einbezogen werden können. Die Farbe trocknet einfach an der Luft Aufgrund der Wirkungsweise der Bogen-offsetfarben brauchen die Druckmaschinen normalerweise kein Trockenaggregat. Druckfarben für Bogenoffset trocknen "quasi von selbst". Die Trocknung verläuft dabei in zwei Stufen. Der erste Schritt ist das Wegschlagen der dünnflüssigen Mineralöle oder der Pflanzenöl-Fettsäurealkylester in die Poren der Papieroberfläche. Dieser Vorgang beginnt im ersten Moment des Kontaktes zwischen Farbe und Papier und ist nach wenigen Minuten abgeschlossen. Durch das Wegschlagen erfährt der Druckfarbenfilm eine erste Verfestigung, so dass er stabil genug ist, um den Bogen auf der Rückseite zu bedrucken oder andere Weiterverarbeitungsschritte durchzuführen. Der zweite Schritt der Trocknung im Bogenoffset ist die oxidative Vernetzung von pflanzlichen Ölen (siehe Abb. 1). Dazu reagieren die ungesättigten Bereiche der Fettsäurereste in Pflanzenölen wie Leinöl oder Sojaöl unter der katalytischen Wirkung von Trockenstoffen oder Sikkativen mit dem Sauerstoff der Luft. Dabei tritt eine Vernetzung der Moleküle ein und aus den flüssigen Pflanzenölen wird ein vernetztes Polymer, das dem Druckfarbenfilm Glanz und Härte verleiht. Dieser Vorgang verläuft langsamer und benötigt bis zur vollständigen Durchreaktion einige Stunden bis wenige Tage. Konkurrenz von "oben" und "unten" Es gehört seit langem zur Situation des Bogenoffsetdruckes, dass der Marktanteil gegen andere Druckverfahren verteidigt werden muss. Im Laufe der Zeit wurden Rollenoffset-Heatset-Maschinen mit immer kürzeren Rüstzeiten entwickelt, was bedeutet, dass diese Verfahren für immer niedrigere Auflagen geeignet wurden - die dem Bogenoffsetverfahren streitig gemacht werden. Von der anderen Seite ist auch der Bereich sehr kleiner Auflagen bedroht: Digitaldruckverfahren sind für Auflagen von einigen hundert bis zu wenigen Tausend Exemplaren zunehmend besser geeignet. Neue Druckmaschinen ermöglichen auch Kleinauflagen Bisher war es aber möglich, durch neue Druckmaschinenkonzepte den Marktanteil des Bogenoffsets zu verteidigen. Für Kleinauflagen kamen kleinformatige Druckmaschinen mit computer-to-press-technologie, kurzen Farbwerken mit Aniloxwalzen oder in wasserlos-technologie auf den Markt. Zur kostengünstigen Herstellung größerer Auflagen ( ) wurden in den neunziger Jahren Schön-und-Widerdruck-Maschinen mit 8-12 Farbwerken in großer Zahl installiert. Aktuell besteht die Tendenz, großformatige Bogenoffset-Maschinen im Geradeaus-Betrieb verstärkt hierfür einzusetzen. Ein weiterer Trend der letzten Jahre war es, die Offsetdruckmaschinen mit zusätzlichen Lackwerken, die vor oder nach den Offsetdruckwerken positioniert sein können, für vielfältige Veredlungsprozesse vorzubereiten. Durch diese Weiterentwicklungen des Druckmaschinenangebots konnte der Bogenoffsetdruck seine Position behaupten. Nach wie vor werden somit Bücher, Geschäftspapiere, Prospekte, Handzettel, Zeitschriften in niedrigen Auflagen, Poster, Kalender, Etiketten und - wie in Abb. 2 dargestellt - Verpackungen als klassische Bogenoffset-Druckobjekte hergestellt. Vielfalt der Materialien verlangt handwerkliches Know-how Die aktuelle Situation des Bogenoffsetdrucks ist von der Vielfalt der Materialien geprägt. Auf Druckmaschinen unterschiedlichster Bauart werden Hunderte Papier-sorten mit Tausenden Druckfarbenrezepturen kombiniert und danach in unterschiedlichster Weise veredelt und weiterverarbeitet. Das zufällige Zusammenbringen beliebiger Materialien bringt es mit sich, dass mit manchen Kombinationen nicht das gewünschte Druckergebnis erreicht werden kann. Da aufgrund der schier unendlichen Variationsmöglichkeiten systematische Vorversuche nicht möglich sind, entspricht es der Tradition des Druckhandwerks, diese täglich wechselnde Situation durch handwerkliches Geschick und gezieltes Beeinflussen des Druckprozesses zu meistern.

2 Definierte Standards für reproduzierbare Ergebnisse Der seit Jahren wachsende Preis- und Termindruck führt dazu, dass auch im Bogenoffsetdruck standardisierte, berechenbare Abläufe und somit industrielle Arbeitsweisen Verbreitung finden. Ein erster Schritt in dieser Richtung ist die wachsende Akzeptanz des standardisierten Drucks gemäß ISO Damit wird die Farbigkeit des Vierfarbdrucks festgelegt und von Zufälligkeiten oder Interpretationsunterschieden befreit. In der Summe wird dadurch eine wesentliche Vereinfachung der Kommunikation zwischen Auftraggeber und Druckerei erreicht. Weitere Schritte zur Standardisierung drucktechnischer Prozesse sind jedoch erforderlich. Verschiedene Charakteristika des Papiers greifen in das drucktechnische Verhalten oder in Eigenschaften des Druckes ein, ohne dass die Druckerei im Vorfeld Informationen über dieses Verhalten erhalten kann. Um hier einen Fortschritt zu erzielen, werden gemeinsam mit der Papierindustrie Konzepte erarbeitet, in welcher Weise drucktechnisch relevante Eigenschaften der Papiere den Druckereien zur Verfügung gestellt werden könnten. Überwiegend Vierfarbdruck mit definierten Farbtönen Wenn auch im Bogenoffsetdruck beliebig aufwändige Druckobjekte hergestellt werden können, erfolgt die große Mehrzahl der Aufträge im klassischen Vierfarbdruck. 80% des Bogenoffset-Farbverbrauchs sind somit Skalenfarben. Um Farbwechsel zu vermeiden, werden in der Großzahl der Druckereien universell einsetzbare Allround-Farbserien verwendet, in denen früher unvereinbare Gegensätze wie schnelles Wegschlagen bei gutem Glanz oder niedrige Zügigkeit bei guter Druckschärfe zusammengeführt werden konnten. Die überwiegende Mehrheit der am Markt befindlichen Farbskalen entspricht in ihren Farbtönen den Vorgaben von ISO , wodurch ein standardisiertes Arbeiten gemäß ISO ermöglicht wird. Weiterhin setzt die Mehrzahl der Druckereien "kastenfrische" Farben ein, die über Nacht nicht im Farbkasten der Druckmaschine antrocknen. Diese Eigenschaft muss mit etwas verlangsamter Trocknung der Farbe auf dem Papier erkauft werden. Maßgeschneiderte Dosierung der Farbe Das klassische Gebinde für Bogenoffsetdruckfarben sind 1 und 2,5 kg Vakuumdosen (Abb. 3), aus welchen die Druckfarbe manuell in den Farbkasten der Druckmaschinen gespachtelt wird. Druckereien mit höherem Farbbedarf bevorzugen Großgebinde - z.b. 200 kg Fässer -, aus denen die Druckfarbe über stationäre Leitungssysteme auf die Druckmaschinen gepumpt wird (Abb. 4). Der Anteil der Farben, die in Großgebinden verkauft werden, steigt stetig an und liegt nun bei ca. 25%. Automatische Farbdosierung aus Kleingebinden ist durch die Kartuschen-Technologie möglich (Abb. 5). Hierbei wird die Druckfarbe aus 2 kg-kunststoffkartuschen automatisch in den Farbkasten dosiert. Der Marktanteil der in Kartuschen verpackten Bogenoffsetfarben liegt aktuell bei etwa 7 %. Intensivere Farben für besonders bunte Bilder Bei ausgewählten Druckobjekten besteht manchmal der Wunsch, "buntere, intensivere" Bilder als im standardisierten Offsetdruck zu erreichen. Für diese Erweiterung des Farbraums steht eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung. Der erste Schritt in dieser Richtung ist durch die Verwendung besonders farbstarker, intensiver Farbserien möglich. Damit wird dann mit höheren Farbdichten gedruckt als im standardisierten Offsetdruck üblich. Da diese "hochpigmentierten Farbserien" - wie sie auch genannt werden - in niedriger Schichtdicke normgerechtes Arbeiten zulassen, ist eine Anpassung der Druckvorstufe nicht erforderlich. Zusätzliche Farben erhöhen den technischen Aufwand Eine weitere Vergrößerung des abbildbaren Farbraums ist bei Verwendung von Vierfarbsätzen auf Basis anderer Pigmente möglich. Ein Beispiel hierfür ist die "Nova-space"-Technologie, die besonders im Rot/Violett-Bereich eine deutliche Vergrößerung des Farbraums ermöglicht. Dafür ist die Verwendung einer angepassten Druckvorstufe unabdingbar. Eine zusätzliche Erweiterung des Farbraums ist beim Einsatz von mehr als 4 Farben möglich. Systeme hierfür sind unter den Bezeichnungen Pantone Hexachrome, Eder MCS, Siebenfarbendruck und anderen seit langem bekannt (Abb. 6). Die bessere Bildwirkung dieser Technologien muss durch spezielle Vorstufenprogramme und erhöhten Aufwand für den Druck erkauft werden. Schmuckfarben - standardisierte Individualität Bei der Gestaltung von Verpackungen oder Geschäftspapieren kommen häufig Schmuckfarben zum Einsatz. Ihr Anteil am Markt für Bogenoffsetfarben beträgt etwa 20 %. Für individuell definierte Farbtöne können letztlich alle für Offsetfarben geeigneten Pigmente in Schmuckfarben eingesetzt werden. Dies und die Fähigkeit des menschlichen Sehsinns, eine Million Farbtöne unterscheiden zu können, führt dazu, dass Druckfarbenhersteller im Laufe der Zeit mehrere tausend Farbformulierungen ausarbeiten müssen. Zur Vereinfachung der Kommunikation zwischen Auftraggeber, Designer, Druckerei und Farblieferant bestehen seit Jahrzehnten Schmuckfarbensysteme wie Pantone und HKS, die eine genaue Definition der Farbtöne ermöglichen (Abb. 7). Dennoch ist ein vollständiger Informationsaustausch bei der Planung von Druckobjekten mit Schmuckfarben Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten: zur Festlegung der Farbrezeptur muss der gewählte Bedruckstoff und die erforderlichen Beständigkeiten des Druckes bekannt sein. Vielseitigkeit erfordert ständige Weiterentwicklungen Druckfarben und Druckhilfsmittel für den Bogenoffsetdruck werden kontinuierlich an die sich wandelnden und erweiternden Anforderungen der Praxis angepasst. Dabei werden die Notwendigkeiten der Druckmaschinen, der Bedruckstoffe, des Arbeitsablaufs in den Druckereien und der Nutzung der Druckobjekte besonders berücksichtigt. Natürlich müssen die Druckfarben-Rohstoffe so ausgewählt werden, dass sowohl drucktechnische Aspekte, Verfügbarkeit und Preis als auch Umwelt- und Arbeitsschutz den Anforderungen entsprechen. Unkomplizierte Standards und Spezialitäten ad libitum Die heute gefestigte Position des Bogen-offsets beruht darauf, dass sowohl Standarddruckobjekte rasch, rationell und wirtschaftlich hergestellt werden können und dass Spezialitäten in fast beliebiger Komplexität für eine unüberschaubare Fülle von Anwendungen gefertigt werden können. Durch die Anpassung der Druckfarben und Druckhilfsmittel an sich wandelnde Erfordernisse trägt somit der Druckfarbenhersteller dazu bei, die Position des Bogenoffsetdrucks zu stärken und das Verfahren weiterzuentwickeln. Ergebnisse auf einen Blick - Wegen seiner Flexibilität, seiner Vielseitigkeit und der einfachen Farbtrocknung ist der Bogenoffsetdruck weit verbreitet. - Die Vielfalt an Farben und bedruckbaren Materialien

3 erfordert definierte, standardisierte Verfahren für reproduzierbare Ergebnisse. - Ständige technische Weiterentwicklungen sind zur schnellen Anpassung an sich verändernde Bedürfnisse unabdingbar. Dr. Erich Frank, Flint Group Germany GmbH, geboren 1952, promovierte in organischer Chemie an der Universität Ulm. Seit 1981 ist er bei der Flint Group (frühere XSYS, frühere BASF Drucksysteme) tätig, in unterschiedlichen Positionen in Entwicklung und Anwendungstechnik für alle Arten von Offsetdruckfarben und Druckhilfsmittel. Gegenwärtig ist er Leiter der Einheiten "Technology Management" und "Technical Service Center Stuttgart". Dr. Frank ist Vorsitzender der technischen Kommission des Verbandes der Druckfarbenindustrie und des technischen Beirats Druckfarbe' der FOGRA sowie Mitglied der 'European Technical Commission' und der internationalen Arbeitsgruppe 'Deinking' der EUPIA (europäischer Druckfarbenverband).