Lernen Digitalisierung in der beruflichen Bildung

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1 Lernen Digitalisierung in der beruflichen Bildung Vortrag für KWF-Fachtagung Forstliche Berufsbildung 2030 Folie 1

2 1. Berufsbildung im Kontext von Industrie Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Berufsbildung 3. Digitalisierung von Ausbildungsprozessen (Gegenstand und Methode) 4. Thesen Folie 2

3 1. Berufsbildung im Kontext von Industrie 4.0 Vocatio interna (spiritualis) Vocatio externa Vocatio dei berufliches Handeln ist "Gottesdienst" (Luther) Stände und Zünfte sichern soziale Verantwortung in der Arbeitsteilung und reproduzieren über Berufsausbildung die ständische Gesellschaftsordnung (Ausbildung "im ganzen Haus"). Erst ab dem 19. Jhd. werden fachliche Qualifikationen und Erwerbsorientierung mehr und mehr als Inhalt von "Beruf" gesehen (u.a. Max Weber) Folie 3

4 1. Berufsbildung im Kontext von Industrie 4.0 Job Beruf kurzfristig übergangsweise Task approach extrinsisch motiviert langfristig Lebensphase definierend komplexes Tätigkeitsbündel sinnstiftend, intrinsisch motiviert Berufe können als institutionell verankerte Schemata verstanden werden, die technische, ökonomische oder auch gesundheitlich-pflegerische Problemlösungen mit den Bedürfnissen, Interessen und biografischen Orientierungen der Arbeitenden vermitteln. Die Gestaltung von Berufen (Tätigkeiten, Inhalte, Kompetenzen) folgt nicht allein technologischen Notwendigkeiten, sondern ist Ergebnis einer sozialen Konstruktion. Folie 4

5 1. Berufsbildung im Kontext von Industrie 4.0 Folie 5

6 1. Berufsbildung im Kontext von Industrie Nefiodow, L. / Nefiodow, S. (2014): Der sechste Kondratieff, 7.Aufl. Folie 6

7 2. Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Berufsbildung aktuell Informatisierte, computerisierte Produktion (CNC, CAD/CAM, CIM?) Neues Verständnis von Qualitätskonzepten (TQM) und Lean Production (Womack/Jones 1991 MIT, Kern/Schumann 1984) Internet of Things / Second machine age (Brynjolfsson/McAffe 2013) - Industrie 4.0 (CPS, Big Data, Cloud Computing, RFID, Robotik; KI, Digitalisierung uvm.) Neuordnung der M+E Berufe in den 1980er Jahren (Handlungsorientierung) Letztlich: Einführung von Lernfeldern zur Prozessorientierung in BS (ab 1996) Neuordnung der M+E Berufe, Prüfungswesen Facharbeit hat weiterhin Bedeutung (keine menschenleere Fabrik!) - Auswirkungen auf Berufsbildung zz. noch nicht klar Periodisierung in Anlehnung an: Spöttl/Windelband 2017,12 Folie 7

8 2. Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Berufsbildung Wie stark sind Berufe heute potenziell ersetzbar? Das Substituierbarkeitspotential ensteht auf Ebene der Tätigkeiten (30-70 Regel). Heute ca. 15% der SV-Beschäftigung (IAB). Folie 8

9 2. Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Berufsbildung Dengler/Mathes 2015, 13 Folie 9

10 2. Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Berufsbildung Polarisationsthese Dequalifizierung auf dem shopfloor ü Werkzeugszenario / Assistenzszenario - Entwicklung von Expertensystemen mit Werkzeugcharakter für die Facharbeit ü Automatisierungsszenario - Einschränkung des Gestaltungsspielraum für Fachkräfte und Entwertung von Qualifikationen ü Hybridszenario - neue Interaktions- und Kooperationsformen bei Steuerungs- und Kontrollaufgaben führen zu neuen Anforderungen für die Fachkräfte (bayme 2016) Steigende Bedeutung von Kompetenzen im Umgang mit Software. Folie 10

11 3. Digitalisierung von Ausbildungsprozessen ü Die Bezeichnung Industrie 4.0 ist zz. eher ein wirtschaftspolitischer Begriff, der in Wissenschaft, Publizistik und in den Unternehmen unterschiedliche Bedeutung hat. ü ü Engere (technische) Bedeutung (Spoettl/Windelband 2016): Integration cyber-physischer Systeme in der Produktion (CPS) Weitergehende Bedeutung: Digitalisierung von Prozessen in verschiedensten Branchen der Wirtschaft Anspruch der Berufsbildung, dass auch auf Ebene der Facharbeit Prozesse gestaltet werden können. è Beschäftigte erleben einen schnellen digitalen und vielseitigen technischen Wandel. Die für Qualifizierung Verantwortlichen dagegen sind deutlich weniger davon betroffen (Pfeiffer u.a. 2016, 126ff). Folie 11

12 3.1 Digitalisierung als Gegenstand von Lernprozessen Folie 12

13 3.1 Digitalisierung als Gegenstand von Lernprozessen Einzelaspekte der realen Arbeitswelt Lernsituation aus d. realen Arbeitsprozess Simulation realer Arbeitsprozesse Lernstation & Ziel der Lernaufgabe Retrofit-Ständerbohrmaschine Planung und Umsetzung von Möglichkeiten des Retrofittings durch Auszubildende, um gesteuerte Werkzeugmaschinen aufzurüsten und zu vernetzen. Diagnoseaufgaben zur Vernetzung am Beispiel eines Späneförderungssystems Instandhaltungsmaßnahmen aufgrund einer Gerätediagnose vor Ort planen, visualisieren und umsetzen. Condition Monitoring CP Lab Bohren und Wenden Simulation von realen Prozessaufgaben mit Hilfe von CP Labs und die Übertragung auf reale Arbeitsprozesse. Ausrichtung Einzellösung/-projekt zur Vernetzung und Digitalisierung; Einzelaspekte aus der realen Arbeitswelt. Lern- und Arbeitsaufgaben werden direkt aus dem realen Arbeitsprozesse gewonnen. Simulationen über CP Labs à reale Prozesse werden simuliert, um die Anforderungen der Arbeitsprozesse abzubilden. Art & Weise der LOK gemeinsame curriculare Zusammenarbeit. Gemeinsamer Workshop von Schule und Ausbildungsbetrieb. gemeinsame curriculare Zusammenarbeit Zusammenführung beider Lernorte: Gemeinsames Konzept & Workshop Cloud-basierte Zusammenarbeit Virtuelle Cloud à Zusammenführung gemeinsamer Daten; Schulung & Blended-Learning Konzept Zeitplan Testlauf bis Mitte/Ende Juli; Workshop im Anschluss Inhaltl. Abstimmung ab Ende Mai Durchführungsphase ab Oktober. CP Lab bereits aufgerüstet; weitere Umrüstungen folgen (Einbezug von Technikerarbeiten). Umbau d. Anlage im Betrieb ab Mai Lernmedien Tablets, Lern-/ Erklärvideos, CP-Lab zur Vorbereitung Tablet, Diagnosetool mit virtueller Folie 13 Aufbereitung, Film Tablets, E-Learning-Content Format, CP Lab

14 3.2 Digitalisierung als methodisch-didaktisches Konzept Folie 14

15 3.2 Digitalisierung als methodisch-didaktisches Konzept Folie 15

16 4. Thesen Die Prinzipien der Digitalisierung erschweren zugleich ihren Einsatz im Kontext der Berufsbildung (always on, everywhere, die fast, Verhaltenssteuerung im Netz (nudging) è Digitales Lernen kann behavioristische Züge annehmen Der Einsatz digitaler Medien bzw. digital unterstützter didaktischer Konzepte ist z.t. breit vorhanden. Berufsschullehrende sehen eher technische Ausstattung aber auch fehlende personale Ressourcen als Hindernis (Einstellungs- und Nutzungsakzeptanz) Die Bandbreite der Bildungstechnolgien wird in der beruflichen Bildung nicht ausgenutzt und verbleibt häufig im Modus der Rezeption, nicht der Gestaltung. Die Forschungslage dazu ist aber noch vergleichweise defizitär (vgl. Eder 2018) Digitales Lernen ist auch außerhalb der IT- und anderen techn. Berufen verbreitet, mobile Assistenzsysteme für den Kompetenz- und Wissensaufbau gewinnen an Bedeutung In der Entwicklung didaktischer Innvationen kommt Netzwerken unter Beteiligung der Berufsschulen eine große Bedeutung zu. Die Nutzung digitaler Plattformen kann unter bestimmten Bedingungen die Lernortkooperation deutlich verbessern, z.b. über Online-Berichtshefte (BloK) Folie 16

17 Literatur Ahrens, D. & Spöttl, G: (2015): Industrie 4.0 und Herausforderungen für die Qualifizierung von Fachkräften in: Hartmut Hirsch-Kreinsen, Peter Ittermann, Jonathan Niehaus (Hrsg.) Digitalisierung industrieller Arbeit. Nomos-Verlag Bayme Spöttl, G. et al (2016): Industrie 4.0 Auswirkungen auf Aus- und Weiterbildung in der M+E Industrie. Studie herausgegeben von bayme vbm: Die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber. München Brynjolfson, E. & McAfee, A. (2014), The Second Machine Age: Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies. New York IAB Dengler, K. & Matthes, B. (2015): Folgen der Digitalisierung der Arbeitswelt Substituierbarkeitspotentiale von Berufen in Deutschland. Forschungsbericht 11/2015 Eder, A. (2018): Akzeptanz von Bildungstechnologien in der gewerblich-technischen Berufsbildung vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 In: Journal of technical education : JOTED 3 (2015) 2, S Frey, C. B. & Osborne, M. A. (2013): The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation? Working Paper, Oxford. Kern, H. & Schumann, M. (1984): Das Ende der Arbeitsteilung? Rationalisierung in der industriellen Produktion. C.H.Beck Kraus, K. (2006): Vom Beruf zur Employability? Zur Theorie einer Pädagogik des Erwerbs, Wiesbaden Kutscha, G. (1992): Entberuflichung und Neue Beruflichkeit Thesen und Aspekte zur Modernisierung der Berufsbildung und ihrer Theorie, in: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 88, 7, Meyer, R. (2000): Qualifizierung für moderne Beruflichkeit Soziale Organisation der Arbeit von Facharbeiterberufen bis zu Managertätigkeiten, Münster und New York Pfeiffer, S. & Suphan, A. (2015): Der Mensch kann Indurstrie 4.0. Kurzfassung (working paper). Universität Hohenheim Schulze-Achatz, S. et al (2012): Zusammenfassung des Abschlussberichts zur wissenschaftlichen Begleituntersuchung im Projekt BLok Online-Berichtsheft zur Stärkung der Lernortkooperation o.o ( ) Spöttl, G. & Windelband, L. (Hg.)(2017): Industrie 4.0. Risiken und Chancen für die Berufsbildung. Bielefeld (W.Bertelsmann) Windelband, L. / Faßhauer U. (2016): Lernfabriken an beruflichen Schulen ein Beitrag zur Ausbildung 4.0 in Baden-Württemberg? In: Die Berufsbildende Schule, 68. Jg., Heft 9, S Folie 17