RÜCKENSCHMERZEN Konflikte zwischen individueller und Public Health Perspektive EPIDEMIOLOGIE DER SCHMERZEN
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1 Abteilung für Allgemeinmedizin Institut für Community Medicine Jean-François Chenot RÜCKENSCHMERZEN Konflikte zwischen individueller und Public Health Perspektive EPIDEMIOLOGIE DER SCHMERZEN Kohlmann T: Muskuloskelettale Schmerzen in der Bevölkerung Schmerz 2003; 17:
2 EINE IDEALVORSTELLUNG Konsultation Anamnese Körperliche Untersuchung Bildgebung spezifische Diagnose spezifische Therapie Schmerz gebessert Wer geht mit Rückenschmerzen zum Arzt? Konsultation 2
3 Keine Rückenschmerzen n = 1438 Rückenschmerzen Kein Unterschied Schmerzstärke Schmerzdauer Schmerzausstrahlung Bildung Unterschied Alter chronische Begleiterkrankungen Keine Arztkonsultation Chenot JF, Kochen MM, Schmidt CO. Das Einhalten von Leitlinien und die Qualität der ambulanten Versorgung von Rückenschmerzpatienten. In: Gesundheitsmonitor 2009, Bertelsmann-Stiftung Arztkonsultation VOM SYMPTOM ZUR DIAGNOSE Anamnese Körperliche Untersuchung Bildgebung spezifische Diagnose 3
4 RÜCKENSCHMERZEN SIND KEINE DIAGNOSE SONDERN EIN SYMPTOM! Spezifische Diagnose gezielte Therapie bessere Behandlungsergebnisse Wie gut können wir Rückenschmerzen differenzieren? Anamnese Körperliche Untersuchung Bildgebung 86% der Patienten mit Rückenschmerzen geben an körperlich untersucht worden zu sein Chenot JF, Kochen MM, Schmidt CO. Das Einhalten von Leitlinien und die Qualität der ambulanten Versorgung von Rückenschmerzpatienten. In: Gesundheitsmonitor 2009, Bertelsmann-Stiftung 4
5 RED-FLAG-KONZEPT Pathologie bedeutender Bandscheibenvorfall Spinalkanalstenose Cauda equina Syndrom Klinischer Hinweis Schmerzausstrahlung in die Beine Fußheberschwäche Reflexabschwächung im Seitenvergleich (Sensitivität 50%, Spezifität 60%) Positiver Lasègue-Test (Sensitivität 80%, Spezifität 40%) Alter > 70 Jahre Schmerzausstrahlung in beide Beine Symptombesserung beim Vorbeugen Reithosenanästhesie Mastdarmschwäche Blasenschwäche Neoplasie Krebs in der Anamnese unerklärlicher Gewichtsverlust Alter> 50 oder < 17 Jahre Nacht- oder Ruheschmerzen Infektion persistierendes Fieber intravenöse Drogen Fraktur systemische Steroidmedikation Trauma V.a. Osteoporose Alter > 70 Jahre Rheumatisch entzündliche Wirbelsäulenerkrankung Morgensteifigkeit Schmerzen > 3 Monate Extravertebrale Begleiterkrankungen (z.b. Uveitis, Psoriasis) Henschke N et al. A systematic review identifies five "red flags to screen for vertebral fracture in patients with low back pain. J Clin Epidemiol. 2008; 61: PRÄVALENZ SCHWERER PATHOLOGIEN Henschke N et al. Prevalence of and Screening for Serious Spinal Pathology in Patients Presenting to Primary Care Settings With Acute Low Back Pain Arthritis & Rheumatism 2009; 60:
6 ANAMNESE Henschke N et al. A systematic review identifies five "red flags to screen for vertebral fracture in patients with low back pain. J Clin Epidemiol. 2008; 61: Donner Banzhof N, et al. Evaluating a simple heuristic to identify serious causes of low back pain. Fam Pract 2006; 23: Henschke et al. Screening for malignancy in low back pain patients: a systematic review. Eur Spine J 2007; 16: LASÈGUE-TEST Nervendehnungstest Positiv: im Dermatom ausstrahlende oder sich verstärkende Schmerzen Interpretation: Hinweis auf Nervenwurzelreizung Sensitivität: 92% (87-95%) Spezifität: 28% (22-35%) gut zur Ausschlussdiagnostik van der Windt DA, et al. Physical examination for lumbar radiculopathy due to disc herniation in patients with low-back pain. Cochrane Database Syst Rev
7 WAS ANAMNESE UND KÖRPERLICHE UNTERSUCHUNG LEISTEN KÖNNEN Trotz geringer Sensitivität und Spezifität einzelner Tests können in der Kombination akute Notfälle ausreichend sicher ausgeschlossen werden Strukturelle Veränderungen wie Osteochondrose Facettengelenksaffektionen Spondylolisthesis können so nicht erkannt werden Chenot JF, et al. Praxis der körperlichen Untersuchung. Seite In: Hildebrandt J, Pfingsten M (Hrsg.): Rückenschmerz und Lendenwirbelsäule.. 2. Auflage 2011, Elsevier Urban und Fischer Verlag, MANUALTHERPEUTISCHE UNTERSUCHUNG Kibler Falte Bindegewebsreaktion auf lokale Irritation im Segment Geringe Validität und Reliabilität Vorlaufphänomen Hinweis auf segmentale Bewegungseinschränkung Chenot JF, et al. Praxis der körperlichen Untersuchung. Seite In: Hildebrandt J, Pfingsten M (Hrsg.): Rückenschmerz und Lendenwirbelsäule.. 2. Auflage 2011, Elsevier Urban und Fischer Verlag, 7
8 Was kann die Bildgebung zur ätiologischen Klärung bei Rückenschmerzen beitragen Anamnese Körperliche Untersuchung Bildgebung? BILDGEBUNG Nur geringer Nutzen Chou et al. Imaging strategies for low-back pain: systematic review and meta-analysis. Lancet 2009; 373: Boden et al. Abnormal magnetic resonance scans of the lumbar spine in asymptomatic subjects. J Bone Joint Surg 1990; 7:
9 WUNSCH NACH BILDGEBUNG WAS PATIENTEN WÜNSCHEN Patientenwünsche: Was ist ihren beim Arztbesuch wichtig? Becker A. et al. Kreuzschmerzpatienten in der hausärztlichen Praxis: Beschwerden, Behandlungserwartungen und Versorgungsdaten. Z Allgemeinmed 2003; 79:
10 BILDGEBUNG IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Studie Schroth et al. 1992, USA Suarez-Almozar et al. 1997, USA Scheers et al. 2000, NL González-Urzelai et al. 2003, E Anteil Röntgen 21% 13 % 2 % (6%) 31 % Kriterien red flags Alter> 50 red flags Alter> 70 n.a. red flags Alter? Beurteilung 26% Überversorgung 71% Unterversorgung 238% Unterversorgung Alter und Beschwerdedauer wichtigste Prädiktoren 12% Überversorgung 80% Unterversorgung Chenot et al. 2008, D 46% red flags ohne Alter > 4 Wochen Schmerzen 64% Überversorgung Wichtigster Prädiktor Orthopäde 10
11 INDIKATION ZUR BILDGEBUNG Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen KRITIK MMW Fortschr Med. 2010; 152: Diagnose nicht-spezifische ist unbefriedigend! Aber bisher kein praktikable Alternative!!! 11
12 Gibt es eine spezifische Therapie für verschiedene Ursachen Rückenschmerzen?? spezifische Therapie 12
13 13
14 WUNSCHBEHANDLUG 444 Patienten mit akuten Rückenschmerzen Gewöhnliche Behandlung 144 Patienten Wunschbehandlung Chirotherapie Akupunktur Massage 296 Patienten Kein Unterschied Eisenberg et al. Addition of choice of complementary therapies to usual care for acute low back pain: a randomized controlled trial. Spine 2007;32:
15 KEINE LEITLINIEN FÜR SPEZIFISCHE RÜCKENSCHMERZEN Spezielles Rehabilitationskonzept Wirbelsäulendeformitäten BVO/DGOOC (S1) 2005 Upgrade geplant Rehabilitation nach Frakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule BVO/DGOOC (S1) 2005 / 2010 Morbus Scheuermann BVO/DGOOC (S1) 2003 Upgrade geplant Lumbale Radikulopathie DGN (S1) 2008 (2. Auflage) Bandscheibenvorfall DGPMR (S1) 1997 abgelaufen Spinale Entzündung DGNC (S1) 1999 abgelaufen Lumbale Spinalkanalstenose DGNC (S1) 1999 Lumbale Spinalkanalstenose BVO/DGOOC (S1) 2002 Spondylolisthesis BVO/DGOOC (S1) Facettengelenke, muskuläre Dysbalance, Blockaden????? S3-Leitlnien Spondylarthropathie wird gerade erstellt... UT FIAT ALIQUID... das irgendwas geschehe Leidensdruck Schmerzen Appell Auftrag zu helfen Wunsch zu helfen Druck etwas zu tun 15
16 Wie ist die Prognose von Rückenschmerzen? Konsultation Anamnese Körperliche Untersuchung Bildgebung spezifische Diagnose spezifische Therapie Schmerz gebessert THERAPIENASPRECHEN IN STUDIEN IN DER PRIMÄRVERSORGUNG Standardtherapie Aktiver Behandlungsarm Kontrollarme ohne Therapie 118 Studien Beeinträchtigung Artus M et al. Low back pain symptoms show a similar pattern of improvement following a wide range of primary care treatments: a systematic review of randomized clinical trials. Rheumatology ; 49: Wochen 32 16
17 WENN DER SCHMERZ NICHT NACHLÄSST schwer organisch krank ~1% Zunehmendes Chronifizierungsrisiko Gute Prognose ~80% Reversible Chronifizierung ~15% Irreversible Chronifizierung? ~5% Pengel L et al. : Acute low back pain: systematic review of its prognosis BMJ 2003; 327: 323 WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DIE PROGNOSE Effekt Klinische Faktoren Lebensstil Umfeld Arbeitsplatz Psychosozial Gering OR 1.5 Übergewicht Weiblich Rauchen Inaktivität Mäßig OR 2 Schlechte subjektive Gesundheit Mittel OR 2.5 Frühere Stark OR >5 Schmerzen niedrige(s) Schicht/ Bildung Einkommen extreme körperl. Belastung Stress Unzufriedenheit Katastrophisierung Fear-Avoidance Somatisierung Depressivität Distress Schmidt CO, Kohlmann T. Was wissen wir über das Symptom Rückenschmerz? Epidemiologische Ergebnisse zu Prävalenz, Inzidenz, Verlauf, Risikofaktoren. Z OrthoGrenzgeb 2005; 143:
18 WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DIE PROGNOSE Schmidt CO, Fahland RA, Kohlmann T. Epidemiologie und gesundheitsökonomische Aspekte des chronischen Schmerzes In: Schmerzpsychotherapie: Grundlagen, Diagnostik, Krankheitsbilder, Behandlung. Berlin Heidelberg New York: Springer; p FAZIT Viele Menschen mit Rückenbeschwerden werden keine Pa enten (Volksleiden Volkskrankheit) Nutzen der Diagnostik und Effektivität der Behandlungsoptionen begrenzt aber meist gute Prognose Bisher keine Alternative zum nicht spezifischen Kreuzschmerz Aktivierung, Bewegung, einfache Schmerzmittel, Entmedikalisierung Patienten sollten über Nutzen und Schaden von Diagnostik und Therapie fair aufgeklärt werden Rationaler Einsatz der Ressourcen bei Volkskrankheiten notwendig 18
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