Fahrerassistenzsysteme: Was brauchen und was wünschen Autofahrer
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- Mareke Winkler
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1 VDI-Berichte Nr. 1960, Fahrerassistenzsysteme: Was brauchen und was wünschen Autofahrer Dipl. Volkswirt Björn Dosch, Dr.-Ing. Andrea David, ADAC e.v., München 1. Ziele und Aufgaben von Fahrerassistenzsystemen aus der Sicht der Autofahrer Die Verkehrssicherheitsbilanz der letzen Jahrzehnte ist eine Erfolgsgeschichte. Statt über lag die Zahl der Verkehrstoten im letzten Jahr unter Ein Grund zur Freude, aber nicht zur entspannten Untätigkeit. Zusammen mit anderen wichtigen Institutionen in Europa hat der ADAC 2004 in diesem Sinne die Verkehrssicherheits-Charta der EU unterschrieben und sich zu weiteren Anstrengungen verpflichtet. Ziel ist, die Zahl der Verkehrstoten in der EU bis 2010 gegenüber dem Basisjahr 2001 auf zu halbieren. Aus der Sicht des ADAC haben dabei neben der Verkehrserziehung und Schaffung einer sicheren Infrastruktur die fahrzeugtechnischen Elektroniksysteme das größte Potential, die Anzahl der Unfälle weiter zu reduzieren oder die Unfallfolgen zu mindern. Die Aufgabe der Fahrerassistenzsysteme soll nach Ansicht des ADAC darin bestehen, Autofahrer bei ihrer Fahraufgabe sinnvoll zu unterstützen und primär zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie sekundär zur Verbesserung des Fahrkomforts beizutragen. Indirekt kann so der Verkehrsfluss verbessert werden. Fahrerassistenzsysteme können vor oder während der Fahrt vom Fahrzeuglenker manuell aktiviert werden oder sich auch ohne sein Zutun anhand von Sensordaten automatisch zuschalten. Fahrerassistenzsysteme können selbsttätig in das Fahrgeschehen aktiv eingreifen oder erst dann unterstützend wirken, wenn der Fahrer eine Aktion ausgelöst hat. Fahrerassistenzsysteme können vor Gefahren warnen oder auf kritische Situationen hinweisen, den Weg in unbekannter Umgebung oder um den Stau herum weisen sowie helfen, die
2 2 VDI-Berichte Nr. 1960, 2006 immer größere Informationsflut bis auf die wirklich notwendigen oder sicherheitsrelevanten Nachrichten zu filtern. Automatische Steuerungen und Regler können helfen, das Fahren komfortabler, entspannter, weniger ablenkend und somit sicherer zu gestalten. 2. Akzeptanz und Risken der Fahrerassistenzsysteme im Fahrzeug Der ADAC begrüßt grundsätzlich die Unterstützung der Autofahrer durch sinnvolle neue Technologien in Form von FAS, die ohne neue Reglementierungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und des Fahrkomforts beitragen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die richtige Ausgestaltung der Schnittstelle zwischen der Technik und dem Menschen, um den Fahrer in seiner Fahraufgabe tatsächlich zu entlasten und nicht etwa zusätzlich zu belasten oder gar abzulenken. Eine mögliche Reizüberflutung muss durch Kompensation an anderer Stelle, geeignete Filterverfahren und einfache Bedienung verhindert werden. Wie bei allen Fahrerassistenzsystemen besteht die Gefahr der Risikokompensation durch blindes Vertrauen in die Technik. Bei der Bewertung der Wirkungen von FAS sollten nicht nur die kurzfristigen Vorteile, sondern auch eine mögliche langfristige Verhaltenskompensation, die zu mehr Risikobereitschaft oder Monotonie und damit erhöhtem Unfallrisiko führen kann, berücksichtigt werden. An dieser Stelle setzt der ADAC mit Aufklärung und seinen Sicherheitstrainings an. Schon heute werden ADAC-Trainer in enger Kooperation mit der Industrie verstärkt zu Fahrerassistenzsystemen im Auto geschult, um den Teilnehmern die Wirkungsweise der Elektronik optimal zu erklären und zu vermitteln. Durch den Einsatz der FAS dürfen die Autofahrer aber nicht aus ihrer Verantwortung entlassen oder bevormundet werden, ihr Handlungsspielraum darf nicht eingeschränkt werden. Systeme, die direkt in die Verantwortung und den Entscheidungsspielraum des Fahrzeuglenkers - ohne seine explizite Zustimmung - eingreifen, lehnt der ADAC ab: Wer sich blind auf die scheinbar sichere Elektronik verlässt, verliert die nötige Aufmerksamkeit und das Bewusstsein für die Fahraufgabe.
3 VDI-Berichte Nr. 1960, ESP und Pre-Save-Bremse: Eine Gradwanderung zwischen Bevormundung und Unterstützung? Autonomes Eingreifen in das Fahrgeschehen mit automatischem Auslösen von Aktionen wie Bremsen oder Lenkeingriff kann dann akzeptiert werden, wenn der Fahrer bereits die Kontrolle verloren hat oder das System übersteuerbar ist - zum Beispiel wie beim ESP oder der Pre-Save-Bremse. Einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit hat in den letzten Jahren bereits ESP das Elektronische Stabilitäts-Programm geleistet, das im letzten Jahr sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert hat. Ein Siegeszug ohnegleichen, denn kaum eine Technik hat die aktive Sicherheit mehr vorangetrieben. Das Potential von ESP wurde in der Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen: Laut GDV liegt die Zahl von Schleuderunfällen bei ansonsten identischen Fahrzeugtypen mit ESP um rund zwei Drittel niedriger als bei Fahrzeugen ohne ESP. Würde es gelingen, alle Fahrzeuge mit ESP auszurüsten, würden nach ADAC-Berechungen jährlich mindestens 525 Menschen weniger auf deutschen Straßen sterben. ESP greift zwar automatisch in die Fahrdynamik durch das Abbremsen einzelner Räder mit oder ohne Lenkeingriff ein, aber erst dann, wenn die Sensoren einen Schleudervorgang melden und der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verliert. Daher kann von einer Bevormundung keine Rede sein. Durch die autonome Einleitung eines Bremsvorgangs der "Pre-Save-Bremse" bei drohendem Auffahrunfall werden Autofahrer auf die Gefahr und die Notwendigkeit einer Reaktion aufmerksam gemacht und gleichzeitig vor schlimmeren Unfallfolgen geschont, da die Aufprallenergie reduziert wird. Dieses System nimmt den Autofahrern also nicht die Verantwortung für das rechtzeitige Bremsen, sondern unterstützt sie in den Situationen, wenn eine erforderliche Reaktion ausbleibt. Gasgeben oder Lenken deaktiviert das System automatisch - der Autofahrer hat ja in dem Moment "das Ruder" übernommen. Somit ist auch sichergestellt, dass der Handlungsspielraum für die Autofahrer nicht eingeschränkt wird. Diese Aussagen gelten natürlich nur dann, wenn die Zuverlässigkeit des Systems - vor allem im Bezug auf die Fehlauslösungen - bei möglichst 100% liegt. Der ADAC wird daher die heu-
4 4 VDI-Berichte Nr. 1960, 2006 te absehbaren, kritischen Situationen untersuchen. Ungewiss bleibt, ob alle Autofahrer in diesen ja oft kritischen Situationen und unter Stress richtig reagieren und sich das System deshalb auch in der Praxis bewährt. Daher ist es besonders wichtig, die Einsatzgrenzen des Systems den Autofahrern aufzuzeigen und das richtige Verhalten zu kommunizieren bzw. im geschützten Raum zu üben. 4. Last but not least der Datenschutz Die oft kritischen Fragen im Bezug auf den Datenschutz müssen vor der Einführung der neuen FAS geklärt werden: Jeder Autofahrer muss wissen, welche elektronischen Spuren er durch der Einsatz der FAS hinterlässt und ob dies rechtliche Konsequenzen für ihn haben kann. Gleiches gilt für mögliche Haftungs-, Beweis- und Schuldfragen - besonders dann, wenn die Elektronik ihren Dienst verweigert oder gar fasch eingesetzt hat. Die Verkehrsgesetze und Vorschriften sollen im Bezug auf die neuen Technologien regelmäßig überprüft und ggf. zeitgemäß aktualisiert bzw. ergänzt werden. 5. Was wünschen die Autofahrer und wie werden sie durch den ADAC vertreten? Der ADAC deckt alle wichtigen Aspekte der Verkehrssicherheit ab, wie zum Beispiel mit dem bereits erwähnten Sicherheitstraining, mit Verkehrserziehungsprogrammen, Crash- und Kindersitz-Tests und nicht zuletzt auch mit Praxistests von Fahrerassistenzsystemen. Die Rolle des Clubs ist es dabei, die Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Fahrerassistenz und Elektronik im Auto kritisch positiv zu hinterfragen und zu testen. Als Verbraucherschützer klärt der Club die Autofahrer über den Nutzen von modernen Fahrerassistenzsystemen auf, gibt konkrete Kaufberatung und vertritt die Interessen der Verbraucher gegenüber den Herstellern und dem Gesetzgeber. In Sachen Elektronik im Auto richtet der ADAC stellvertretend für alle Autofahrer klare Forderungen an die Automobilindustrie und Politik:
5 VDI-Berichte Nr. 1960, Jedes Fahrzeug egal, ob groß oder klein, Transporter, Bus oder schweres Nutzfahrzeug muss künftig serienmäßig mit ESP ausgestattet werden. Die Elektroniksysteme müssen ohne weitere Verbote oder technische Zwangsmassnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen. Information und Freiwilligkeit sind der Schlüssel zur Akzeptanz beim Nutzer. Die Schnittstelle zwischen der Technik und dem Menschen muss so gestaltet sein, dass die Autofahrer entlastet und nicht zusätzlich belastet oder gar ablenkt werden. Durch den Einsatz der Fahrerassistenzsysteme dürfen die Autofahrer nicht aus ihrer Verantwortung entlassen oder bevormundet werden, ihr Handlungsspielraum darf nicht eingeschränkt werden. Die kritischen Fragen rund um den Datenschutz müssen vor der Einführung der Systeme geklärt werden: Jeder Autofahrer muss wissen, welche elektronischen Spuren er durch der Einsatz der Elektronik hinterlässt und ob dies rechtliche Konsequenzen für ihn haben kann.
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