Klausur Nr. 887 für NDS - Strafrecht -
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- Petra Seidel
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1 1 Klausur Nr. 887 für NDS - Strafrecht - (Bearbeitungszeit: 5 Stunden) Auszug aus den Akten der StA Hamburg im Verfahren Az. 8 Js 1423/02 gegen Don. Amtsgericht Hamburg-Mitte Hamburg, den 16. September 2010 An die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg Betrifft: Anzeige wegen falscher Versicherung an Eides Statt Hiermit ersuche ich Sie, Ermittlungen gegen einen Herrn Don, wohnhaft in Hamburg, Reginenstraße 13, deutscher Staatsangehöriger, zu übernehmen. Meines Erachtens ist der dringende Tatverdacht der Falschen Versicherung an Eides Statt gegeben. Diesem wurde am 12. Mai 2010 ein Strafbefehl des Amtsgerichts Hamburg-Mitte Az. 13 Js 967/02 wegen Trunkenheit im Verkehr zugestellt. Nach versäumter Einspruchsfrist stellte er am 30. Mai 2010 per Telefax beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In einer ebenfalls per Telefax an das Amtsgericht Hamburg gerichteten eidesstattlichen Versicherung zur Begründung der Wiedereinsetzung legte Don dar, dass er vom 7. Mai 2010 bis 30. Mai 2010 zur Ausübung seines Berufes als selbständiger Management-Trainer in Nürnberg verweilte. In der Hauptverhandlung, die unter meinem Vorsitz stattfand, sagte sein Zwillingsbruder Franz aus, dass er die fragliche Trunkenheitsfahrt begangen habe. Wenig später kam es offensichtlich zu einem Zerwürfnis der beiden Brüder. Franz erzählte mir nämlich, dass der angebliche berufliche Aufenthalt in Nürnberg frei erfunden sei und benannte mir noch weitere Zeugen für die Richtigkeit der von ihm behaupteten Tatsache, dass Don die ganze Zeit in Hamburg verweilte. Peter Klaro (Richter am Amtsgericht) Anlagen: Akten des Verfahrens (Az.: 13 Js 967/02) CSSK 1
2 2 PR 14 Hamburg Hamburg, den 20.September 2010 gegen Don Az.: 8 Js 1423/02 über die Vernehmung des Zeugen Franz. Der Zeuge erklärt (nach Belehrung gemäß 163a, 136, 52, 55 StPO): Bestrafen Sie meinen Bruder. Er hat sich lang genug mit seinen dubiosen Tricks durchgemogelt. Der angebliche Aufenthalt in Nürnberg im Mai war frei erfunden. Ich war mehrmals mit ihm in der fraglichen Zeit in Hamburg abends mit ihm unterwegs. Das kann ich beschwören. Außerdem waren teilweise auch gemeinsame Bekannte mit uns unterwegs, die diese Angaben bestätigen können. Greif (POM) PR 14 Hamburg Hamburg, den 23. September 2010 gegen Don Az.: 8 Js 1423/02 über die Vernehmung des Beschuldigten Don Der Beschuldigte erklärt (nach Belehrung gem. 136, 163a IV StPO): Ich gebe ja zu, dass ich hier einen ziemlichen Blödsinn gemacht habe. Ich hatte völlig zu Unrecht vom Amtsgericht Hamburg einen Strafbefehl wegen Trunkenheit im Verkehr erhalten. Tatsächlich hatte man jedoch nicht mich, sondern meinen Zwillingsbruder Franz mit 0,9 Promille erwischt, dem ich an dem betreffenden Abend meinen Z 3 geliehen hatte. Leider habe ich die 2-Wochenfrist, die man für einen Widerspruch hat, irgendwie verpennt. Mir war noch geläufig, dass man eine Wiedereinsetzung beantragen kann, wenn die Versäumung der Frist unverschuldet war. Infolgedessen überlegte ich mir, daß ich ggf. eidesstattlich versichern könnte, ich wäre auf einer kurzfristig erforderlichen mehrwöchigen Geschäftsreise in Nürnberg gewesen; als selbständiger Management-Trainer könne mir doch sowieso keiner das Gegenteil beweisen. Ich setzte einen entsprechenden Antragsschriftsatz auf, ebenso eine eidesstattliche Versicherung bzgl. der Geschäftsreise und schickte alles am 30. Mai 2010 per Te- CSSK 2
3 3 lefax an das Amtsgericht Hamburg. Das Original der eidesstattlichen Versicherung habe ich behalten. Es kam daraufhin tatsächlich zu einer Hauptverhandlung und ich wurde freigesprochen. Allerdings war mein Zwillingsbruder, nachdem er nun die Staatsanwaltschaft an den Fersen kleben hatte, irgendwie sauer auf mich. Er hat mich angeschwärzt und dem Richter erzählt, dass ich gar nicht in Nürnberg gewesen sei. Greif (POM) Staatsanwaltschaft 26. September 2010 bei dem Landgericht Hamburg Az.: 12 Js 1456/02 und 8 Js 1423/02 Verfügung 1. Die Verfahren 8 Js 1423/02 und 12 Js 1456/02 werden verbunden; das Verfahren 12 Js 1456/02 führt. 2. Auszug aus dem Bundeszentralregister für Don einholen. PR 16 Hamburg Hamburg, den 6. Juli 2010 gegen Don Az.: 12 Js 1456/02 Ermittlungsbericht Am 2. Juli 2010 wurden wir um 3.10 Uhr zu einem Unfall auf der Autobahn A1 kurz vor der Ausfahrt Hamburg-Billstedt gerufen. Bei diesem Unfall kam eine 30-jährige Frau ums Leben. Sie war Beifahrerin in einem unfallbeteiligten Fahrzeug, einem BMW Z3, amtliches Kennzeichen HH-DS Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhielt es sich so, dass der Führer eines etwa auf gleicher Höhe mit annähernd gleicher Geschwindigkeit auf der rechten Fahrspur fahrenden Fahrzeugs Porsche 924, amtliches Kennzeichen HH-WE-777, einen abrupten Fahrspurwechsel auf die mittlere Fahrspur vornahm, woraufhin der Fahrer des BMW Z 3 nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, so dass es zu eine Berührung der beiden Fahrzeuge kam. Daraufhin schleuderte der BMW Z 3 an die Autobahnmittelleitplanke und von da aus auf die mittlere Fahrspur, wo der Pkw schräg zum Stehen kam. Ein nachfolgender Pkw, Audi A 4, amtliches Kennzeichen K-TP-33, prallte im Bereich der Beifahrertür in den stehenden BMW Z 3, wodurch die Beifahrerin, die im Krankenhaus verstarb, letztlich getötet wurde. Da der Fahrer des BMW, einen alkoholisierten Eindruck machte, verbrachten wir ihn aufgrund eines Richterbeschlusses ins Krankenhaus und ließen eine Blutentnahme durchführen. Bei dieser stellte man eine BAK von 1,39 Promille fest. Daraufhin stellten wir den Führerschein dieses Fahrers sicher. Allerdings ergab sich im Nachhinein, dass die Blutentnahme nicht von einem Arzt, sondern von einem Stefan Sados, der Medizinstudent im praktischen Jahr ist, durchgeführt wurde. CSSK 3
4 4 Kralle (POM) PR 16 Hamburg Hamburg, den 18. Juli 2010 gegen Don Az.: 12 Js 1456/02 über die Vernehmung des Beschuldigten Don. Der Beschuldigte erklärt (nach Belehrung gem. 136, 163a IV StPO): Ich war mit meiner Freundin Maria auf der Autobahn von Lübeck in Richtung Hamburg unterwegs. Ich bin gefahren, Maria war Beifahrerin. Es geschah etwa auf Höhe der Autobahnabfahrt Hamburg- Billstedt. Ich fuhr mit normaler Geschwindigkeit in einer Schlange auf der mittleren Spur. Da scherte der Fahrer des neben mir fahrenden Porsche nach links aus und stieß mir in die rechte Flanke, so dass ich plötzlich die Kontrolle über mein Fahrzeug verlor. Ich schleuderte nach links in die Leitplanke, von dort aus zurück auf die mittlere Spur, wo mein mintgrüner Z 3 zum Stehen kam. Ein nachfolgender PKW raste im Bereich der Beifahrertür in mein Fahrzeug und tötete dadurch meine Freundin. Ich blieb wie durch ein Wunder nahezu unverletzt. Es kann doch nicht angehen, dass ich nun hierfür zur Rechenschaft gezogen werde. Ich bin wie alle anderen Fahrzeuge auf der mittleren Fahrbahnspur ordentlich mit angemessenen 160 km/h gefahren. Zwar ist es schon richtig, dass ich, einfach so aus Vorfreude auf meinen Urlaub ein paar Gläschen, na ja, vielleicht auch ein paar Gläschen mehr, getrunken hatte. Bei der anschließenden Blutentnahme stellte man dann doch immerhin 1,39 Promille fest. Mir war schon klar, dass ich aufgrund meiner Alkoholzufuhr an diesem Abend eigentlich nicht mehr hätte fahren sollen. Es konnte angesichts der Verkehrssituation aber doch niemand von mir verlangen, langsamer zu fahren. Kralle (POM) 28.Juli 2010 Gutachten des Sachverständigen Unfallzeitpunkt: 2. Juli 2010, 3.00 Uhr Unfallort: Bundesautobahn A1, Autobahnausfahrt Hamburg-Billstedt, Fahrtrichtung Hamburg Unfallhergang: Der Pkw BMW Z 3, amtliches Kennzeichen HH-DS-1998 fuhr auf der BAB 1 von Lübeck in Richtung Hamburg. Der Wagen war mit 2 Personen, Fahrer und Beifahrerin, besetzt. CSSK 4
5 5 Der Fahrer hatte zu diesem Zeitpunkt laut BAK-Gutachten der Landesuntersuchungsanstalt Hamburg vom 5. Juli 2010 einen Blutalkoholgehalt von 1,39 Promille. Im Bereich der Ausfahrt Hamburg-Billstedt hielt der Fahrer bei völliger Dunkelheit unter regem Verkehr mit eingeschaltetem Abblendlicht auf der mittleren Spur eine Geschwindigkeit von ca. 160 km/h ein, wobei er sich dem Verkehrsfluss angepasst hatte. Der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug betrug ca. 100 m. In Höhe der Ausfahrt Hamburg-Billstedt nahm der Führer eines etwa auf gleicher Höhe mit annähernd gleicher Geschwindigkeit auf der rechten Fahrspur fahrenden Fahrzeugs Porsche 924, amtliches Kennzeichen HH-WE-777, einen abrupten Fahrspurwechsel auf die mittlere Fahrspur vor, die zu einer punktartigen Berührung der beiden Fahrzeuge und dann zu einer nicht mehr kontrollierbaren Driftbewegung des Fahrzeugs BMW Z 3 nach links führte. Folge der Kollision war, dass der BMW Z 3 mit einer Geschwindigkeit von 107 bis 120 km/h an die Autobahnmittelleitplanke schleuderte und von da aus auf die mittlere Fahrspur, wo der Pkw schräg zum Stehen kam. Ein nachfolgender Pkw, Audi A 4, amtliches Kennzeichen K-TP-33, prallte im Bereich der Beifahrertür in den stehenden BMW Z 3, wodurch die Beifahrerin, die nach dem pathologischen Gutachten bereits bei der Kollision mit der Leitplanke lebensgefährliche Hirnverletzungen erlitten hatte, letztlich getötet wurde. Untersuchungsergebnis: Bei Eintritt der kritischen Verkehrslage hätte der Fahrer des BMW Z 3 diesen Unfall mit seinen tödlichen Folgen auch dann nicht vermeiden können, wenn er nüchtern gewesen wäre. Hätte er bei Eintritt der kritischen Verkehrssituation angepasst an seine Alkoholisierung eine Geschwindigkeit von höchstens 130 km/h statt ca. 160 km/h eingehalten, wäre es - bei gleichem Geschehensablauf im übrigen - zwar noch zu einem Unfall, nicht jedoch zur Tötung der Beifahrerin gekommen. Dann hätte die Geschwindigkeit, mit der der Pkw auf die Leitplanke geprallt wäre, nur ca. 20 km/h betragen, so dass es weder zu nennenswerten Verletzungen der Insassen gekommen noch der Pkw auf die mittlere Fahrspur gelangt wäre. Der Einfluss einer BAK von 1,39 Promille führt zu einer Einschränkung der Konzentration, der Aufmerksamkeit, der qualitativen und quantitativen Reaktion, der Dämmerungssehschärfe, der Hell-Dunkeladaption, der Tiefensehschärfe und des Gesichtsfeldes und damit zu einer herabgesetzten Reaktionsfähigkeit. Dr. Carlo Crasher Vermerk für den Bearbeiter: 1. Es ist ein Gutachten hinsichtlich des hinreichenden Tatverdachtes gegen Don zu erstatten. Es ist auf Dezember 2010 abzustellen. Es ist davon auszugehen, dass der Richterbeschluss bzgl. der Blutentnahme ordnungsgemäß gewesen ist. 2. Sodann ist eine Entschließung der StA zu entwerfen. Schlägt der Bearbeiter die Erhebung der öffentlichen Klage vor, so braucht die Anklageschrift das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen nicht zu enthalten. Von einer Einstellung aus Opportunitätsgründen ( 153 ff StPO) ist abzusehen. 3. Bei Bearbeitern aus Nds. ist keine Abschlussverfügung zu fertigen und die Anklageschrift endet mit den angewendeten Vorschriften. 4. Sollte der Bearbeiter weitere Ermittlungen für erforderlich halten, so hat er die Gründe hierfür zu erörtern und sodann zu unterstellen, dass die Ermittlungen durchgeführt worden sind, aber keine weiterführenden Ergebnisse gebracht haben. 5. Straftatbestände außerhalb des StGB und Ordnungswidrigkeiten sind nicht zu prüfen. CSSK 5
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