Chancen und Stolpersteine in der Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und psychiatrischen Einrichtungen
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- Bärbel Rosenberg
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1 Chancen und Stolpersteine in der Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und psychiatrischen Einrichtungen Prof. Jörg M. Fegert Fachtag Kinder psychisch kranker Eltern , Stadthaus Ulm
2 Psychische Erkrankung der Eltern als Entwicklungsrisiko
3 Allgemeine Entwicklungsrisiken von Kindern häufige Wechsel des Betreuungssettings sozioökonomische Belastung (Armut, Arbeitslosigkeit) Belastung durch Trennungsfolgen Belastung durch vorausgegangene Traumata Belastung durch Behinderung oder schwere Erkrankung eines Kindes psychische Erkrankung der Bindungsperson (Sucht und Drogen, Depression, Schizophrenie, emotional instabile Persönlichkeitsstörungen etc.) Risiken treten häufig in Kumulation oder Wechselwirkung auf
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5 Entwicklungsrisiken von Kindern psychisch kranker Eltern Bindungserfahrungen andere Sozialisationsbedingungen d. psych. kranken Elternteil Genetische Disposition Kinder, mit einem psychisch kranken Elternteil sind in vielfältiger Weise durch die elterliche Erkrankung betroffen = Hochrisikogruppe für die Entwicklung psychischer Störungen (Downey & Coyne, 1990; Glorisa, 1990; Feldmann et al.,1987, Wang 1996) Kinder zeigen eine sehr breite Palette von verschiedensten - nicht direkt mit der Störung der Eltern assoziierten - Symptomen (Remschmidt & Mattejat 1994). kindliches Störungsrisiko um Faktor 2-3 höher (Downey und Coyne 1990). Bei Abhängigkeitserkrankungen der Eltern: Risiko selbst eine Abhängigkeitserkrankung/psychische Störungen zu entwickeln 8-10-fach erhöht (Überblick bei Lachner & Wittchen 1997). Risiko für chronische und schwer behandelbare Störungen erhöht (Chichetti & Toth 1998).
6 Stichprobe 104 Patient/ Innen (davon 69% weiblich und 31% männlich). 83 (80%) Patient/ Innen mit Kindern unter 18 Jahren 54 Frauen/ 29 Männer konnten die Fragebogen ausreichend ausfüllen, 21 (20%) Dropouts. Dropouts gesamt 21 (20%) Sprachprobl. 5 (5%) Verweigerer 11 (10%) Abbrecher 5 (5%)
7 Klinische Hauptdiagnosen der Eltern N = 83 Belastungs- und somatoforme Störungen (F4) Persönlichkeitsstörungen (F6) Schizophrener Formenkreis (F2) Affektive Störungen (F3) Substanzabhängigkeit (alle Alkohol) (F1) Häufigkeit (n) Männer Frauen Gesamt
8 Anzahl der Kinder 38; 46% 18; 22% Einzelkind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder 5 Kinder 1; 1% 25; 30% 1; 1%
9 Wo leben die Kinder? 37; 46% 3; 4% 20; 24% In der Ursprungsfamilie Neue eigene Familie Alleinerziehend Neue Familie des Ex- Partners Verwandten Pflegefamilien 2; 2% 2; 2% 1; 1% 17; 21% Stationäre Jugendhilfe
10 Psychische Belastung der Kinder im Vergleich und Diagnosen der Eltern N = Substanzabhängigkeit (alle Alkohol) (F1) Affektive Störungen (F3) Schizophrener Formenkreis (F2) Persönlichkeitsstörungen (F6) Belastungs- und somatoforme Störungen (F4) SDQ-Rohwert Rohwertpunkte
11 Welche Angebote wären wünschenswert? N = 83 sehr eher etwas kaum gar nicht Unterstützung durch KJPP Elterntraining Bessere Betreuungsangebote Kinderbetreuung in Kliniknähe Eltern-Kind-Station
12 Kontakt zum Jugendamt vermieden, weil 25 27,7% 20 19,3% 18,1% 18,1% ,7% aus Angst vor Bevormundung Angst vor Sorgerechtsentzug Angst vor Vorurteilen soziales Umfeld Bekannte mit schlechten Erfahrungen keine Hilfe nötig
13 Fazit: Kinder psychisch kranker Eltern (Kölch et al ) Ingrid und Frank Stiftung 1. Belastung der Kinder: 80% der psychisch kranken Eltern sehen ihre Kinder als belastet durch die eigene Behandlung an 2. Integrierte Versorgung: Eltern empfinden, dass Kinder nicht ausreichend bei Behandlung berücksichtigt werden, 35% werden nicht von Kindern besucht (vs. 7% ohne Kontakt außerhalb der Klinik) 3. Auswirkungen auf Behandlung der Eltern: 50% der Eltern hat bereits Klinikaufenthalte/Behandlung wegen der Kinder nicht wahrgenommen 4. Versorgungssituation: Im ländlichen Bereich werden die Kinder während der Behandlung zu 90% durch Partner oder Familie betreut aber 40 % sind mit der Betreuungssituation unzufrieden; 5. Hilfen durch öffentliche Jugendhilfe: Ängste vor Jugendämtern: soziales Stigma, Ängste vor familienrechtlichen Folgen, Kontrolle (50,6% lehnen Kontakt komplett ab).
14 Belastungen von Kinder psychisch kranker Eltern Soziale und finanzielle Belastungen: Armut Arbeitslosigkeit fehlendes soziales Netzwerk Wechselnde (oder) fehlende stabile Partnerschaften ggf. genetische Belastungen: Erkrankungswahrscheinlichkeit Kinder psychisch kranker Eltern ca. 15-fach erhöht (Brunnhuber & Lieb, 2000)
15 Belastungen von Kinder psychisch kranker Eltern Emotionale Belastungen: Ängste Scham Schuldgefühle Orientierungslosigkeit Trennung von Bezugspersonen Rollenumkehr (Parentifizierung) Schwierigkeiten in der Ablösung vom Elternhaus Isolation, soziale Vereinsamung Loyalitätskonflikte Stigmatisierung, Tabuisierung (Wagenblass, 2001, Lenz, 2005 & 2006, Franz, 2006)
16 Belastungen von Kinder psychisch kranker Eltern Eingeschränkte elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen Qualität: mangelnde Feinfühligkeit - emotional wenig beteiligt - feindselig/zurückweisend - harsch/disziplinierend Dauer und Ausmaß: chronisch/ langandauernd vs. kurz (z.b. Persönlichkeitsstörung vs. begrenzte psychotische Episode; Minde & Minde, 1997) Kontext: häufig keine positiven kompensierenden Beziehungen Förderung der elterlichen Erziehungs- und Beziehungskompetenzen als Ansatzpunkt für Prävention
17 Entwicklungsbeeinträchtigungen von Kindern psychisch kranker Eltern 2-3-fach erhöhtes Risiko im Verlauf des Lebens, selbst an einer Angststörung Depression Schizophrenie zu erkranken sowie andere Verhaltensaufälligkeiten oder sozialemotionale Probleme zu entwickeln in Abhängigkeit: (weniger von Diagnose der Eltern) sondern von Schweregrad, Art und Chronizität, Komorbidität, Beginn im Entwicklungsverlauf (z.b. frühe Kindheit vs. Pubertät) und von kompensierenden Faktoren
18 Welche Hilfe benötigen Kinder psychisch kranker Eltern und ihre Eltern? Abklären: viele vs. wenig Entwicklungsrisiken Aufklären ggf. Behandeln Unterstützen Belastete Kinder Förderung von Elternkompetenzen Gesundes Unterstützen Elternteil Psychisch Krankes Elternteil Aufklären Behandeln Unterstützen
19 Unterstützung und Versorgung von Kindern und ihren psychisch kranken Eltern die Kompetenzen und Leistungsangebote einer Profession oder eines Systems für sich alleine genommen (Jugendhilfe bzw. Erwachsenenpsychiatrie) genügen nicht Familien mit psychisch kranken Eltern benötigen je nach Hilfebedarf: psychologisch- psychotherapeutische Psychiatrisch medizinische sozialpädagogische bzw. sozialarbeiterische Maßnahmen systematische interdisziplinäre Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe, Erwachsenpsychiatrie und Kinder- /Jugendpsychiatrie notwendig
20 Herausforderungen an die interdisziplinäre Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und psychiatrischen Einrichtungen
21 Psychiatrische Einrichtungen Erwachsene Klinik für Erwachsenpsychiatrie/psychotherapie Niedergelassene PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen Kinder und Jugendliche Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/psychotherapie Niedergelassene Kinder- und JugendpsychiaterInnen. PsychotherapeutInnen
22 Aufgabe der erwachsenpsychiatrischen Einrichtungen Diagnostik und Therapie von Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen Angehörigenarbeit gehört mit zu den Aufgaben, konzentriert sich aber auf die Erwachsenen => führt zu einer niedrigeren Rezidivquote und zu einem besseren Behandlungsergebnis Jedoch bislang wenig implementierte Angebote für Kinder und Jugendliche, Kinder und Jugendliche als Angehörige jedoch am stärksten belastet wenig entwicklungspsychologisches Wissen
23 Aufgaben der kinderpsychiatrischen Einrichtungen Diagnostik und Therapie der erkrankten Kinder- und Jugendlichen Intensivere Arbeit mit der Familie gehört nicht zu den primären Aufgaben der Versorgung, wird jedoch in Form von regelmäßigen Elterngesprächen durchgeführt Jedoch: Systematischer Einsatz von Screeningverfahren zur Erfassung der elterlichen psychischen Gesundheit fehlt bislang
24 Psychiatrische Einrichtungen Was häufig vergessen wird. Erwachsenpsychiatrie: Erwachsene mit psychischen Erkrankungen Haben häufig Belastete Kinder Kinder- und Jugendpsychiatrie: Kinder mit psychischen Erkrankungen Haben häufig Psychisch Kranke Eltern
25 Die Kinder- und Jugendhilfe und ihre Aufgaben Jugendamt als öffentlicher Träger Freie Träger der Jugendhilfe Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege Einrichtungen der Familienbildung Beratungsstellen Anbieter von ambulanten/stationären Hilfen zur Erziehung Aufgaben: Allgemeine Förderung von Familien Individuelle Hilfe und Unterstützungsangebote Schutz von Kindern bei Kindeswohlgefährdung
26 Kinder- und Jugendhilfe: Was häufig schwer einzuschätzen ist.? Kinder- und Jugendhilfe Familie mit Belastungen Sind die Eltern psychisch krank
27 Schnittstelle zwischen den Systemen der Erwachsenenpsychiatrie und Kinder- und Jugendhilfe Ein psychisch erkrankter Patient/Klient hat (und versorgt) Kinder und die Lebenssituation als Elternteil stellt für den Patienten eine zusätzliche Belastung da eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung und Versorgung ist möglicherweise nicht sichergestellt die Belastungen beim Kind führen oder haben zu Verhaltensauffälligkeiten /Störung geführt eine Gefährdung des Kindeswohls liegt vor (Lenz, 2010)
28 Reibungsverluste in der interdisziplinären Zusammenarbeit Strukturelle Gegebenheiten: Leistungen und Angebote der Jugendhilfe (SGB VIII), des Gesundheitswesens (SGB V), der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) finanziert von der kommunalen Jugendhilfe, von den Krankenkassen, den örtlichen Trägern (Landkreisen) und den Sozialhilfeträgern vorgehalten von öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe, von medizinischen Institutionen, niedergelassenen Praxen und Trägern des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Frühförderung
29 Reibungsverluste in der interdisziplinären Zusammenarbeit Strukturelle Gegebenheiten: Leistungen und Angebote Hilfen/Versorgungsleistungen entweder nur von dem einen oder dem anderen System bzw. nicht koordiniert (Überschneidungen/ Doppelfinanzierungen/parallele Vergabe von Hilfen) ergänzende und unterstützende Angebote des jeweils anderen Systems werden nicht einbezogen Vielfalt der Angebote/Qualität innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe abhängig von der individuellen Angebotspalette einzelner freier Träger in der Kommune/wenig gesteuert
30 Reibungsverluste in der interdisziplinären Zusammenarbeit Unterschiedliche theoretische Grundlagen und Denkmodelle: Jugendhilfe pädagogisch orientiert familienzentriert ressourcenorientiert Gesundheitswesen medizinisch orientiert individuumszentriert orientiert sich am identifizierten Patienten (störungs- und krankheitsrelevante Diagnose)
31 Reibungsverluste in der interdisziplinären Zusammenarbeit Unterschiedliche Schwerpunkte im Auftrag : Jugendhilfe Auftrag: Wahrung der Interessen und Bedürfnisse der Erwachsenenpsychiatrie Auftrag: Wahrung der Interessen und Bedürfnisse der Belasteten Kinder Erkrankten Eltern Aufträge nicht immer vereinbar
32 Häufige Sichtweisen der Systeme auf das jeweils andere System Sichtweise der Kinder und Jugendhilfe Erwachsenpsychiatrie instrumentalisiert die Kinder für den Genesungsprozess ihrer Eltern und vernachlässigt die Bedürfnisse und das Befinden der Kinder (Wagenblass und Schone, 2001) Sichtweise der psychiatrischen Einrichtungen Jugendamt wird als letzte Alternative gesehen und nur in seiner Kontrollfunktion wahrgenommen Zusammenarbeit wird als eigenes Versagen gewertet
33 Stolpersteine: Was erschwert Vernetzung? Riesenerwartung an die anderen Professionen Schwierigkeiten beim Beschreiben der eigenen Kernkompetenzen Datenschutz- oder Pseudodatenschutzargumente Angst vor Beeinflussung und Dominierung in der Zusammenarbeit (Streit um Federführung unterschiedlicher Berufsgruppen)
34 Stolpersteine: Was erschwert Vernetzung? Emotionalisierung der Debatte um Kinderschutzfälle Fehlende gemeinsame Standards/Risikoinstrumente Vernetzung als Plädierformel bei gleichzeitiger Verweigerung der Finanzierung der Kosten für Zusammenarbeit Vernetzung als Verschleierung von Verantwortlichkeiten Vernetzung mit der Delegation von Verantwortung an Spezialeinheiten, Modellprojekte etc.
35 Reibungsverluste in der interdisziplinären Zusammenarbeit Es fehlt an: - interdisziplinärer Verständigung auf standardisierte und wissenschaftlich geprüfte Verfahren und Vorgehensweisen - leicht einsetzbaren, aber aussagekräftige Verfahren zur Risikoerkennung und dokumentation - gemeinsamen Standards und Leitlinien - Beschreibungen der eigenen Kernkompetenzen - Kenntnis über die Aufgabenbereiche und das Vorgehen der anderen Disziplin
36 Modellprojekt Guter Start in Kinderleben Forschungsbegleitung und Evaluation
37 Ziel Prävention von Kindeswohlgefährdung Entwicklung des Kindes und Feinfühligkeit der Eltern fördern Projektübersicht Umsetzung Evaluation Entwicklung eines niedrigschwelligen und interdisziplinär angelegte Versorgungskonzepts (auf der Basis bestehender Rechtsgrundlagen und vorhandener Zuständigkeiten) Teenage - Mütter u.a. Risikogruppen Vernetzung in Modellregionen gemäß der länderspezifischen Strukturen interdisziplinäre Weiterbildung für Fachkräfte aus unterschiedlichen vernetzungsrelevanten Berufen: Entwicklungspsychologische Beratung Workshop Kinderschutz - Erforschung von Erwartungen, Vorurteils- Strukturen - Recherche vor Ort, Vernetzungsstruktur - quantitative, fallbezogene Evaluation standortübergreifende Ergebnisse - Schaffung gemeinsamer Sprache und Wissensgrundlage - Gefährdungen frühzeitig erkennen (Risikoinventar, Anhaltsbogen) - Wissen um ressortübergreifende Verfahrensweisen (Werkbuch Vernetzung)
38 professionell Beteiligte im Frühbereich Jugendamt KiTas freie Träger Jugendhilfe Jugendhilfe Schwangerschaftsberatungsstellen Erziehungsberatungsstellen Familienbildungsstätten Mutter-Kind- Einrichtungen Frühförderung Gesundheitswesen Geburtskliniken Psychiatrie (Eltern/Kind) Hebammen KinderärztInnen GynäkologInnen Gesundheitsamt Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) Justiz/Inneres Familiengericht Rechtsanwälte Staatsanwaltschaft Polizei Sonstige Suchtberatungsstellen Agentur für Arbeit Verbände Sozialamt Schulen etc.
39 Interviews mit ExpertInnen zum Thema interdisziplinäre Kooperation im Kinderschutz Datenbasis: 27 Experteninterviews: 14 Interviewpartner aus der Gesundheitshilfe 13 Interviewpartner aus der Jugendhilfe (Lesestoff insgesamt: ca DIN A4 Seiten) Gefragt wurde nach: einem gelungenen Fall einem nicht gelungenen Fall Qualitative Auswertung: Kriterien für gelingende und weniger gelingende Kooperation
40 Wer kooperiert mit wem wie oft? Anzahl der Nennungen von Kontakten Jugendamt Freie Träger Jugendhilfe Ärzte/ Jugendamt Total Freie Träger Jugendhilfe Gesundheitsamt Psychotherap. nichtakademisch e Berufe des Gesundheitswesens Gesundheitsamt Ärzte/Psychotherapeuten Nichtakademische Berufe des Gesundheitswesens Total
41 Wie wird die Qualität der Zusammenarbeit bewertet? (am Beispiel Jugendämter vs. Gesundheitswesen) Bewertung der Jugendämter aus der Sicht ihrer Kooperationspartner - fallbezogene Aufgaben (z.b. Absprachen, Aufgabenteilung): werden ausgewogen als gelingend sowie nicht-gelingend bewertet ( + / - ) - fallübergreifende Aufgaben (z.b. Schaffung einer gemeinsamen Arbeitsbasis in der Kooperation, gemeinsame Standards): überwiegend nichtgelingend ( - ) - Haltung gegenüber den Kooperationspartnern (z.b. Begegnung auf Augenhöhe, Wertschätzung): tendenziell positiv bewertet (+)
42 Wie wird die Qualität der Zusammenarbeit bewertet? (am Beispiel Jugendämter vs. Gesundheitswesen) Bewertung der Ärzte/Psychotherapeuten, sowohl an Kliniken als auch niedergelassene aus der Sicht ihrer Kooperationspartner - fallbezogene Aufgaben: werden überwiegend gelingend bewertet ( + ) - fallübergreifende Aufgaben: überwiegend nichtgelingend (Schwierigkeit Ärzte in Fallübergreifende Strukturen wie z.b. Runde Tische oder Arbeitsgruppen einzubinden) ( - ) - Haltung gegenüber den Kooperationspartnern: deutlich nicht-gelingend bewertet (Kooperationspartner fühlen sich durch die Ärzte dominiert) ( - )
43 Jugendamt als letzte Alternative Zusammenarbeit als eigenes Versagen Ja es war schon, also als wir die überhaupt nicht erreicht haben, fühlt man sich schon relativ hilflos. Also wirklich hilflos. Ich meine man steht da und erreicht die nicht. Und, ja, dann weiß man, dass das dann übers Jugendamt laufen muss
44 Teufelskreis: Negativ-Image des Jugendamtes Wahrnehmung des Jugendamts als Kinder-Wegnehm-Amt Herausnahme des Kindes aus der Familie Vermeidung der Inanspruchnahme von präventiven Hilfen Späte Einschaltung des Jugendamts Zuspitzung der familiären Krisensituation
45 Hemmfaktor: fehlendes Verantwortungsgefühl Was es meiner Meinung nach am meisten hemmt ist, dass nicht jeder sich dafür zuständig fühlt ( ) Es gibt dieses Zuständigkeitsgefühl dafür nicht. Nicht bei vielen Ärzten und aber auch nicht bei vielen Mitmenschen.
46 Hemmfaktor: Angst vor Anschuldigung Ein heikles Thema, ich will den Eltern nicht unrecht tun, ich will niemanden anschuldigen, ja, auch einfach Unwissen was kommt als nächstes?. Das sind alles Aspekte, die zu einer Vermeidung führen, damit das Thema erst gar nicht ins Bewusstsein gelangt. Ausgeblendet sozusagen
47 Hemmfaktor: Kinderschutz nicht als eigentliche Aufgabe Jeder hat seine Aufgaben und wenig Zeit und ich denke nicht, dass es wirklich absichtlich ein Symptom ist, dass man sich davon fern hält von diesen Themen. Aber in der Pädiatrie wird es einem eher leicht gemacht, sich mehr auf den somatischen Bereich, auf die medizinischen Aspekte zu konzentrieren, damit ist man hinreichend ausgelastet, um diese psychosozialen Fragen eher gar nicht zu betrachten.
48 Hemmfaktor: Haltung und Kommunikation auf Augenhöhe Dann finde ich es hinderlich, dass ich es sehr oft erlebe, dass irgendwie sich diese Situation, dass Mediziner so gerne alles bestimmen und sagen möchten, wie es zu laufen hat, dass sich das nichts bewegt, nichts.
49 Vernetzung im Kinderschutz: Was hilft? - Kommunikation und Haltung Fähigkeit zur Kommunikation auf Augenhöhe von allen Seiten Kenntnis der Rahmenbedingungen und der Rechtslage gegenseitige Wertschätzung (subjektive Vorurteilsstrukturen) Transparenz und Partizipation Perspektive des Kindes hinreichend gut statt perfekt Fehlerkultur
50 DISSEMINATION
51 Nachhaltige Etablierung interdisziplinärer Kooperationsund Vernetzungsstrukturen kommunale Herausforderung systematische verbindliche Regelung der interdisziplinären Zusammenarbeit Etablierung von Strukturen One-Face-to-the-Customer (Fachstelle/Clearingstelle, Information, anonymisierte Beratung, Vermittlung, etc.) geregelte Zuständigkeitsklärung, standardisierte und empirisch abgesicherte Risikodiagnostik, gemeinsame Sprache aktive Beteiligung der professionellen Akteure vor Ort (z. B. Runde Tische, themenbezogene interdisziplinäre AGs) administrative Verankerung und Steuerung durch die fachlichen und politischen Entscheidungsträger Aushandeln und Abstimmen in ruhigen Zeiten, damit Kooperation im Einzelfall funktioniert Finanzierung von Vernetzungsarbeit/Dokumentation in Stellenbeschreibungen als zentrale Aufgabe
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53 Aktionsprogramm Familienbesucher Förderung: Stiftung Kinderland Baden-Württemberg Konzeptionelle und inhaltliche Ausgestaltung des Curriculums, Implementierung und Evaluation: Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm Ziel des Projekts ist die Schaffung eines universell-präventiven Angebots zur Unterstützung junger Eltern: alle Familien erhalten zu Geburt ihres Kindes einen Willkommensbesuch zur Information über kommunale und staatliche Angebote und Hilfen für junge Familien Ziel: Brückenbau zwischen jungen Familien und Angebote der Kommune
54 Nachhaltige Etablierung interdisziplinärer Kooperationsund Vernetzungsstrukturen kommunale Herausforderung Projekt Zukunft für Kinder in Düsseldorf Clearingstelle - interdisziplinär abgestimmte Hilfen ab der Geburt und in gemeinsamer Steuerungsverantwortung von Jugendamt und Gesundheitsamt Pionierprojekt in Deutschland Münchner Modell der Früherkennung und Frühen Hilfen für psychosozial hoch belastete Familien - verbindliche Kooperation Sozialreferat und Referat für Gesundheit und Umwelt (administrative Verankerung und Steuerung/Monitoring, Schaffung neuer Stellen, Koordination und Vernetzung) Frühe Hilfen im Ortenaukreis - Fachstellen/Clearingstellen - Fachstellen Frühe Hilfen an den Psychologischen Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche in fünf Raumschaften - Regelversorgung, Vernetzung Jugendhilfe/Gesundheitswesen
55 Nachhaltige Etablierung interdisziplinärer Kooperations- und Vernetzungsstrukturen - landespolitische Steuerung Systematische Verbreitung in die Fläche Beispiele Weiterentwicklungen aus dem Bundesmodellprojekt Guter Start ins Kinderleben
56 SPATZ in ULM Spezifische Abschätzung von Entwicklungsrisiken und Hilfebedarf Teilhabe von Eltern mit und ohne Migrationshintergrund an Regelangeboten und eventuell an bedarfsgerechten Hilfen Zusammenarbeit der Professionen aus Jugendhilfe und Gesundheitshilfe in Ulm
57 Projekt SPATZ Auftaktveranstaltung ( ) 4 runde Tische Vernetzungsanalyse Arbeitsgruppen: AK SPATZ-Migration AK peripartale psychische Erkrankungen Interdisziplinäre anonymisierte Fallberatung gemeinsame Standards und Vorgehensweisen Koordinierungsstelle (Anschubfinanzierung/Spende Lions-Club)
58 Nachhaltige Etablierung interdisziplinärer Kooperations- und Vernetzungsstrukturen - Bundeskinderschutzgesetz gesetzlich-strukturelle Sicherung des Systems Frühe Hilfen Etablierung von lokalen Netzwerken Früher Hilfen ( 3 KKG-E ) aber: nicht disziplin- und ressortübergreifend normiert keine entsprechende Regelung im SGB V z.b. Familienhebammen als wichtiger Baustein im Netzwerk ( 3 Abs. 4 KKG-E) fehlende Einbindung des Gesundheitsbereichs Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes für den angekündigt
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60 Interdisziplinär abgestimmte Gewährung unterschiedlicher Hilfen - kommunale Herausforderung Passgenaue, lückenlose und interdisziplinäre Ausgestaltung Früher Hilfen vor dem Hintergrund entwicklungspsycho(patho)logischen Wissens um kindliche Bedürfnisse / Risiken und Ressourcen der familiären Lebenslagen aufbauend auf bestehenden Versorgungsstrukturen bzw. Einbindung in bestehende Regelstrukturen (Modellprojekt Guter Start ins Kinderleben ) auf der Basis / mit Wissen um sozialrechtliche Grundlagen, Leistungsansprüche und vorhandener Angebote vor Ort Optimierung und ggf. Ergänzung der vorhandenen Angebotsstruktur
61 Interdisziplinär abgestimmte Gewährung unterschiedlicher Hilfen - spezifische Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen hoch belastete Familien mit Säuglingen und Kleinkindern + aufsuchende Interventionsprogramme (reduzieren Misshandlung/Vernachlässigung; Guterman, 1997) -Pro Kind (Nurse Family Partnership, Olds et al., 1999) - Opstapje (Sann et al., 2004) - Keiner fällt durchs Netz (Cierpka et al) + gezielte Förderung elterlicher Feinfühligkeit und aufsuchend (Bakermans-Kranenburg et al.,2003; Juffer et al., 2008) - STEEP ( Wiege ; Ludwig-Körner, Suess; Erickson & Egeland, 2006) - Entwicklungspsychologische Beratung ( Guter Start ins Kinderleben ; Ziegenhain et al., 2004)
62 Interdisziplinär abgestimmte Gewährung unterschiedlicher Hilfen Interdisziplinär ausgerichtetes Angebotsrepertoire passgenaue und interdisziplinäre Ausgestaltung Früher Hilfen Regelung koordinierter Leistungserbringung im SGB V, im SGB IX und im SGB VIII / gezielte Steuerungspolitik z.b. Mischfinanzierung bzw. Finanzierung von Komplexleistungen systematisches und verbindliches Zusammenwirken von Fachkräften, die für unterschiedliche und interdisziplinäre Behandlungs-, Betreuungs- und Hilfsansätze stehen) aber: Beispiel Frühförderung mit Regelung der Finanzierung im SGB IX: Komplexleistungen werden nicht oder eher nur in Ausnahmefällen vereinbart / nach wie vor große Probleme im Zusammenwirken zwischen Gesundheitsbereich und Jugendhilfe gesetzliche Regelungen
63 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
64 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm Steinhövelstraße Ulm Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert
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