»Machtgefälle abbauen«
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- Mona Bauer
- vor 8 Jahren
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1 »Machtgefälle abbauen«zur Notwendigkeit von trialogischen Beschwerdeinstanzen als Instrument der Qualitätssicherung Die rechtliche Betreuung wird von psychisch erkrankten Menschen nicht immer als Hilfe, sondern auch als Bevormundung und Fremdbestimmung erlebt. Beschwerdestellen wissen zu berichten, dass eine große Anzahl der eingehenden Klagen sich auf als ungerechtfertigt empfundene Maßnahmen und Entscheidungen von Betreuern bezieht. Um die Qualität von Betreuung zu sichern, ist der Ausbau und die Förderung von trialogischen Beschwerdeinstanzen notwendig. VON KONRAD STOLZ Menschen, die als Betroffene mit der Psychiatrie in Berührung kommen, sind bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen gegenüber Ärzten, Pflegepersonal, gesetzlichen Betreuern, sozialen Diensten, Beratungsstellen und sonstigen Institutionen häufig erheblich eingeschränkt. Tendenziell sind sie eher der Gefahr der Bevormundung durch ihre»helfer«ausgesetzt als somalisch Kranke, weil ihnen oft ohne nähere Prüfung die Fähigkeit abgesprochen wird, ihr Leben selbst und eigenverantwortlich zu bestimmen. Vor allem in stationären Einrichtungen besteht ein erhebliches»machtgefälle«zwischen der Institution und ihren Patienten, zumal wenn Zwang in Form von geschlossener Unterbringung, Fixierungen oder erzwungener Medikation angewandt wird. Aber auch im ambulanten Bereich geschieht es nicht selten, dass ärztliche und nichtärztliche Helfer ihre Patienten bzw. Klienten - meist in bester Absicht - erziehen wollen, unter Druck setzen, bevormunden oder ganz einfach nicht ernst nehmen. Betreuung zwischen Hilfe und Fremdbestimmung Auch rechtliche Betreuung wird von psychisch kranken Menschen nicht (nur) als Hilfe, sondern oft als Bevormundung und Fremdbestimmung erlebt. Betreuer sind zwar dem»wohl«der Betreuten verpflichtet, und nach 1901 Abs. 2 BGB gehört»zum Wohl des Betreuten... auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten«. Auch hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit sie dessen Wohl nicht zuwiderlaufen (Abs. 3 Satz 1). Andererseits hat der Betreuer nach Absatz 4 dieser Vorschrift»dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern«. Und schließlich unterstellt 1906 BGB, dass das Wohl des Betreuten auch eine Zwangsunterbringung notwendig machen kann. Im Betreuungsrecht sind widersprüchliche Ziele enthalten: Einerseits soll das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten und ihr Recht auf Partizipation beachtet werden, andererseits hat der Betreuer eine gewisse Fürsorgepflicht, unter Umständen bis hin zu einer Aufsichts- und Überwachungspflicht. Dazwischen liegt ein großer Ermessensspielraum für den Betreuer, der auch die Gefahr der Bevormundung birgt. Der zunehmende Kostendruck auch im Betreuungswesen, der u.a. zur Einführung von Pauschalvergütungen führen wird, dürfte mit weiteren Gefahren für die Qualität der Betreuerarbeit verbunden sein. Aus der Beschwerdepraxis Hier einige typische Beschwerden aus der Praxis einer Beschwerdestelle: - Fixierung zum Zweck einer»disziplinierung«-fixierung aus»therapeutischen Gründen«für ca. 12 Stunden; Patientin musste unter sich lassen - Ärzte reden am Krankenbett»über den Kopf der Patientin hinweg«-unterbringungsrichter hört bei der Anhörung des Patienten nicht wirklich zu, spricht nur mit dem Arzt -»Heimliche«Behandlung mit einem Medikament, das die Patientin abgelehnt hat - Patientin muss wegen Überbelegung der geschlossenen Station zwei Wochen auf dem Flur liegen -Telefonapparate auf dem Klinikflur erlauben keine vertraulichen Gespräche, Telefongebühren sind zu hoch -Angehörigen werden Gesprächstermine mit dem Behandler verweigert -Betroffener, zurzeit in stationärer Behandlung, beschwert sich, dass sein Betreuer zugleich Pfleger der Station ist - Patient (in stationärer Behandlung) wird bedrängt, Leponex einzunehmen, obwohl er Haldol und Risperdal nehmen möchte -Pflegepersonal droht bei Widerspruch mit Ausgangssperre, Zimmerarrest und Fixierung - Patientin wird von Therapeutin bei einer Gruppensitzung zum Zwecke eines»härtetests«bloßgestellt - Vormundschaftsgericht reagiert nicht auf Eingaben des Betreuten - Betreuer erzwingt persönlichen Kontakt durch Verweigerung von Geldzahlungen an den Betroffenen - Betroffener wünscht Betreuerwechsel, weil kein Vertrauensverhältnis besteht, Betreuungsverein Soziale Psychiatrie 4/2003
2 lehnt Wechsel der Mitarbeiter ab - Betroffener wünscht vom Betreuer Geldauszahlung auf sein Sparbuch und nicht an die Einrichtung, in der er lebt - Betroffener beschwert sich über Betreuer, der gegenüber der Klinik für eine geschlossene Heimunterbringung plädiere, ihm gegenüber dies bestreite - Betreuer verweigert die Herausgabe von Belegen nach Beendigung der Betreuung - Betroffener wird von Betreuer und Sozialpsychiatrischem Dienst bedrängt, seine Eigentumswohnung zu verkaufen und in betreutes Wohnen umzuziehen Wenig effektiv: der etablierte (juristische) Beschwerdeweg Nun stellt unsere Rechtsordnung ein Vielzahl von Möglichkeiten für einen betroffenen Bürger zur Verfügung, sich gegen rechtswidrige Behandlung, Unterbringung Fixierung, falsche medizinische Beurteilung, ungerechtfertigte Einweisung auf unterschiedliche Weise zur Wehr: setzen. So könnte ein Betroffener z. Strafanzeige wegen Körperverletzung : Falle einer Behandlung ohne rechtswirksame Einwilligung, wegen Freiheitsberaubung bei unbegründeter Freiheitsentziehung oder wegen Beleidigung im Falle von Beschimpfung durch Pflegepersonal erstatten und/oder eine Zivilklage auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld anstrengen oder das Petitionsrecht aus den Landesverfassungen oder aus Artikel 17 des Grundgesetzes wahrnehmen. Betroffene sind jedoch oft nicht in der Lage, solche formellen Schritte einzuleiten, entweder weil ihnen ihre Rechte und die Möglichkeiten, sie durchzusetzen, nicht bekannt sind, oder weil sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, ihre Interessen wahrzunehmen und verfahrensförmig zu verfolgen. Oft versprechen sie sich (manchmal zu Recht) keinen Erfolg von justizförmigen Konfliktlösungswegen, ganz zu schweigen von der Zeitdauer und den möglichen Kosten, die derartige Verfahren in der Regel beanspruchen. Manchmal scheitert eine Klage schon daran, dass sich kein Rechtsanwalt bereit findet, einen»verrückten«zu vertreten, und sei sein Anliegen auch noch so berechtigt. So könnte beispielsweise ein gerichtlich untergebrachter Betroffener über eine aus seiner Sicht falsche ärztliche Behandlung eine richterliche Entscheidung gemäß 70 l FGG (Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) beantragen, wenn er durch eine Maßnahme im Vollzug der Unterbringung»in seine Rechten verletzt«worden wäre. (Er müsste allerdings über die Existenz dieses Rechtsbehelfs aufgeklärt sein und es sich zutrauen, sich an das Gericht zu wenden!) Das Gericht würde sich jedoch im Zweifel auf die sachverständigen Ausführungen des behandelnden Arztes verlassen (müssen), der dem Gericht gegenüber die von ihm vorgenommene Medikation zu rechtfertigen versuchen würde. Am Ende stünde der Betroffene wahrscheinlich als»verlierer«des Verfahrens da, der Arzt wäre als»sieger«versucht, sich auf keine weiteren Diskussionen mit seinem Patienten über die richtige Medikation einzulassen. Das Gegenteil des angestrebten Ziels träte ein. Ein Betreuter könnte gemäß 1837 Abs. 2 BGB das Vormundschaftsgericht z.b. wegen Missachtung von 1901 Abs. 2 und 3 oder von 1901 Abs. 3 Satz 3 BGB (Besprechung wichtiger Angelegenheiten) anrufen. Für einen Betreuer wäre es nicht schwierig, gegenüber dem Vormundschaftsgericht eine Stellungnahme abzugeben, die sein Verhalten als vertretbar erscheinen lässt. Insgesamt ist der justizförmige Rechtsschutz für von Psychiatrie betroffene Menschen lückenhaft und teilweise wenig effektiv. Informelle Konfliktregelung In den letzten Jahren sind deshalb verstärkt nicht justizförmige Modelle der Patientenvertretung und der externen Nutzerkontrolle diskutiert und teilweise auch erprobt worden. Im Vergleich zu der verfah-rensförmigen Durchsetzung von Rechten von Betroffenen bieten diese Modelle einen niedrigschwelligen Zugang und vielfältige informelle Möglichkeiten der Konfliktbereinigung und Streitschlichtung, die aus Betroffenensicht oft schneller zum Erfolg führen und effizienter sind als das förmliche Beschreiten des Rechtsweges. In Baden-Württemberg existieren zwei verschiedene Modelle der Interessenvertretung von Psychiatriebetroffenen: Auf Landkreisebene werden vom jeweiligen Kreistag so genannte Patientenfürsprecher bestellt, die für einen Zeitraum von vier Jahren auf ehrenamtlicher Basis als Interessenvertretung für Psychiatriebetroffene in dem jeweiligen Zuständigkeitsbereich füngieren. Die Patientenfürsprecher sind beratende Mitglieder in den Aufsichtsräten der Zentren für Psychiatrie, den früheren Landeskrankenhäusern. Nach der zugrunde liegenden Konzeption des Landesarbeitskreises Psychiatrie des Sozialministeriums vom sollen sozial erfahrene Persönlichkeiten mit Rechts- und Psychiatriekenntnissen bestellt werden. Um ihre Unabhängigkeit und Neutralität zu gewährleisten, sind Mitarbeiter der Einrichtungen und Dienste des»psychiatrischen Kernbereichs«von der Übernahme des Amtes ausgeschlossen. Alternativ zu dem Modell des Patientenfürsprechers haben sich in einigen größeren Städten des Landes und auch
3 im Landkreis Esslingen sogenannte Beschwerdestellen oder Beschwerdekommissionen gebildet, wobei es sich um unabhängige Gremien ehrenamtlich tätiger Personen mit Bezug zur Psychiatrie handelt. Den Anstoß zur Bildung solcher Beschwerdestellen kam oft»von unten«, d.h. von Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen von Psychiatriebetroffenen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Beispiel: Stuttgarter Beschwerdestelle Die Stuttgarter Beschwerdestelle wurde Anfang 1994 gegründet. Sie besteht aus zwölf gleichberechtigten Personen mit unterschiedlichem Bezug zur Psychiatrie - drei Psychiatrieerfahrene, zwei Bürgerhelferinnen, drei Angehörige -und vier Sozialarbeiterinnen aus den beiden Stuttgarter psychiatrischen Kliniken - sowie aus zwei Sozialpsychiatrischen Diensten der Stadt. Die Stuttgarter Beschwerdestelle hat sich als Untergruppe der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Stuttgart gebildet. Sie berichtet jährlich dem Gesundheitsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart, der sie finanziell (Auslagenersatz) fördert. Auftrag und Arbeitsweise der Beschwerdestelle Die Beschwerdestelle versteht sich als Interessenvertretung von Menschen, die in irgendeiner Weise von Psychiatrie betroffen sind. Ihre Aufgabe ist es, Betroffene im Sinne eines Clearingprozesses gegenüber Behandlern, Betreuern, Pflegekräften und sonstigen Beteiligten sowie gegenüber Institutionen zu beraten und bei der Geltendmachung ihrer Interessen zu unterstützen. Nach Möglichkeit soll eine zukunftsorientierte, einvernehmliche Lösung bestehender Probleme entwickelt werden. Eine weitere Aufgabe der Beschwerdestelle ist es, strukturelle Missstände aufzuzeigen und gegenüber Beteiligten und Institutionen Verbesserungsvorschläge zu machen und auf deren Umsetzung zu drängen. Insgesamt versteht die Beschwerdestelle ihr«! Arbeit als Instrument der Qualitätsverbesserung in der psychiatrischen Versorgung. Im Jahresdurchschnitt gehen etwa 15 förmliche Beschwerden und ca. 20 bis 30 informelle Anfragen ein. Beschwerden und informelle Anfragen werden in den monatlichen Plenumssitzungen besprochen. Das weitere Vorgehen muss einstimmig von den anwesenden Mitgliedern festgelegt werden, lediglich Enthaltungen sind möglich. Danach werden zwei Mitglieder mit der weiteren Bearbeitung in dem beschlossenen Sinne beauftragt. Die Beschwerdestelle hat keinen»sprecher«/keine»sprecherin«. Vielmehr erfolgt ihre Vertretung nach außen je nach Bedarf von Fall zu Fall durch vom Plenum beauftragte Mitglieder. Ergebnisse der Arbeit der Beschwerdestelle Die Mehrzahl der»fälle«kann von der Beschwerdestelle nach klärenden und vermittelnden Gesprächen mit beteiligten Ärzten, Pflegepersonen, Therapeuten, Betreuern usw. zur Zufriedenheit der»beschwerdeführererledigt«werden.»böser Wille«seitens der Professionellen ist kaum im Spiel, häufig dagegen eine»professionelle Blindheit«und Unsensibilität beim Umgang mit Betroffenen sowie eine Tendenz, im oft anstrengenden Alltag Patienten nicht ernst zu nehmen, sie zu erziehen oder zu bevormunden. Manchmal wird auch schlichte Unkenntnis von Patientenrechten offenbar. Für viele Betroffene ist es im Kontakt mit der Beschwerdestelle äußerst wichtig, zu erfahren, dass sie angehört, ernst genommen werden und ihre Sicht der Dinge den Professionellen gegenüber deutlich machen können. In vermittelnden Gesprächen können dem Arzt die subjektive Situation des Patienten, seine Wünsche und Krankheitserfahrungen verdeutlicht werden, dem Patienten die Situation des Arztes und seine medizinischen Argumente. Es kommt dann nicht darauf an,»recht«zu behalten, sondern alle subjektiven und objektiven Umstände zu berücksichtigen und einen Aushandlungsprozess bezüglich der weiteren Behandlung oder Vorgehensweise in Gang zu setzen. Der zum Zwecke einer»disziplinierung«fixierte Patient hätte bei der Polizei Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung erstatten oder bei Gericht eine Schmerzensgeldklage wegen einer»unerlaubten Handlung«erheben können. Er hätte allerdings in der Lage sein müssen, diese Schritte selbst zu veranlassen oder einen Anwalt zu finden, der zu einer Vertretung bereit wäre. Seitens der Einrichtung hätte man vermutlich versucht, die beanstandete Maßnahme der Polizei oder dem Gericht gegenüber mit einer»latenten Eigen- oder Fremdgefährdung«des Patienten zu rechtfertigen. Ob der Patient auf diesem Wege in absehbarer Zeit zu seinem Recht gekommen wäre, erscheint zweifelhaft. Eine informelle Konfliktlösung hingegen bot den Professionellen die Möglichkeit, sich über die Rechtslage bezüglich Fixierungen klar zu werden, ihre Vorgehensweise zu überprüfen und dem Betroffenen gegenüber eine fehlerhafte Überreaktion einzugestehen. Der Betroffene seinerseits konnte mit einer möglichen Überlastungssituation des Personals vertraut gemacht und
4 veranlasst werden, seine Verhaltensweisen zu überdenken und zu korrigieren. Vielleicht handeln die Beteiligten unter Mithilfe der Interessenvertretung der Patienten Lösungsmöglichkeiten für zukünftige Konfliktfälle aus. Viele Beanstandungen und Beschwerden über Verhaltensweisen von Professionellen sind gar nicht justiziabel, weil Betroffene keine einklagbaren Rechtsansprüche auf fachlich korrektes und»menschliches«verhalten haben. Man kann Ärzte nicht auf dem Rechtsweg zwingen, sich am Krankenbett nicht über den Kopf der Patientin hinweg über sie zu unterhalten. In einem Gespräch mit den Beteiligten könnte aber bewusst gemacht werden, dass das Verhalten der Professionellen von der Patientin als Missachtung ihrer Persönlichkeit empfunden worden ist. Darüber hinaus würde die Bedeutung von Partizipation der Patienten am Hilfeprozess und von Transparenz fachlicher Entscheidungen für eine erfolgreiche Therapie in Erinnerung gerufen werden. Nicht zuletzt könnte an Professionelle auf informellem Weg appelliert werden, sich gegenüber ihren Patienten»menschlich«zu verhalten. Auch die Klientin, die von ihrer Therapeutin zum Zwecke eines»härtetestes«- wie die Therapeutin meinte - vor der Gruppe bloßgestellt wurde, hätte kaum erfolgreich auf Schmerzensgeld oder Unterlassen klagen können. In einem vermittelnden Gespräch der Beschwerdestelle mit der beteiligten Therapeutin konnte die Klientin darlegen, wie entwürdigend sie dieses Verhalten empfunden hat. Die Therapeutin konnte erklären, was sie mit ihrer Äußerung bezwecken wollte. Für die Betroffene hatte es große Bedeutung, aus dem Munde ihrer Therapeutin ein Wort des Bedauerns zu hören. Dem Betreuer, der den persönlichen Kontakt mit seinem Betreuten durch Verweigerung von Unterhaltszahlungen per Überweisung erzwingen wollte, konnte in einem vermittelnden Gespräch klar gemacht werden, dass in diesem Punkt das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten schwerer wiegt als die Verpflichtung des Betreuers zur persönlichen Betreuung. Er hat sein Verhalten entsprechend geändert. Nicht verschwiegen werden soll, dass in einigen Fällen auch kein Ergebnis erzielt werden kann, sei es, weil es schlicht keine Lösung für das Problem gibt oder weil die Beteiligten auf ihren gegensätzlichen Standpunkten beharren. In manchen Fällen wurden Beschwerdeführer auch auf den Rechtsweg verwiesen und ihnen Rechtsanwälte vermittelt. Wo anhand von Beschwerden strukturelle Mängel in der psychiatrischen Versorgung sichtbar werden, kann die Beschwerdestelle durch Information der zuständigen Leitungsorgane oder Gremien sowie durch Öffentlichkeitsarbeit einen Beitrag zur Verbesserung beanstandeter Verhältnisse und Zustände leisten. Darüber hinaus könnten konkrete Vorschläge in Richtung Verbesserung und Sicherung der Qualität der Versorgung gemacht werden, z.b. durch die Empfehlung, Behandlungsvereinbarungen oder Betreuungspläne einzuführen. Schwierigkeiten im Arbeitsalltag Der Bekanntheitsgrad der Beschwerdeinstanzen bei ihren potenziellen Nutzern ist relativ gering, die erforderliche Öffentlichkeitsarbeit ist aufwändig und hat mit Widerständen zu kämpfen. In einer Klinik haben sich die Verantwortlichen zunächst geweigert, die Info-Plakate der Beschwerdestelle auf den geschlossenen Stationen aufzuhängen, da die dortigen Patienten»nichts damit anfangen«könnten. Bei den Nutzern der Beschwerdeinstanzen gibt es Vorbehalte und Zweifel, was die Erfolgsaussichten einer Beschwerde betrifft. Oft überwiegt Mutlosigkeit und Resignation oder die Furcht, durch eine Beschwerde zusätzliche Nachteile zu erleiden. Die Erreichbarkeit der Beschwerdeinstanzen und ihrer Präsenz an den verschiedenen Orten der psychiatrischen Versorgung ist wegen der nur ehrenamtlichen Tätigkeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stark eingeschränkt. Trotz der genannten Schwierigkeiten bleibt festzustellen, dass Beschwerdestellen, Patientenfürsprecher und sonstige Beschwerdeinstanzen für den Bereich der Psychiatrie inzwischen an vielen Orten etabliert und grundsätzlich als Instrumente der Qualitätssicherung anerkannt sind. Patienten werden - im Sinne einer Verbraucherbewegung in der Psychiatrie - als Nutzer einer Dienstleistung gesehen. Die Qualitätssicherung erfolgt u.a. durch Parti-zipation der Betroffenen an den Entscheidungen: Verhandeln statt behandeln und bevormunden ist angesagt. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Kontrolle der Qualität der gesetzlichen Betreuung. Informelle Beschwerdeinstanzen ermöglichen, strukturelle Probleme oder Missstände in der (sozial-)psychiatrischen Versorgung aufzuzeigen, erforderlichenfalls öffentlich zu machen und einer externen demokratischen Kontrolle zu unterwerfen.
5 Zum Schluss eine bescheidene, aber positive Rückmeldung einer Psychiatriepatientin:»Seit ich mit der Beschwerdestelle Kontakt habe, sind sie viel freundlicher zu mir.«prof. jur. Konrad Stolz, ehemaliger Vormundschaftsrichter, lehrt an der Fachhochschule Esslingen, Hochschule für Sozialwesen. Bei dem Artikel handelt es sich um die bearbeitete Fassung seines Vortrags auf der Tagung von DGSP und Vormundschaftsgerichtstag vom 30. Juni 2003 in Düsseldorf. Literatur: R. Lochmann/K. Stolz: Zum Wandel psychiatrischer Einrichtungen - Überlegungen zu einer Beschwerdestelle für Psychiatriepatienten. In: Recht & Psychiatrie 1/1995, S. 6 ff. C. Widmaier-Berthold/ R. Lochmann/K. Stolz: Beschwerdekommission für Psychiatriepatienten. Überlegungen zum Aufbau und Erfahrungen mit der Partizipation mit Betroffenen. In: Sozialpsychiatrische Informationen 2/1998, S. 28 ff.
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