WIDERSCHEIN DER BUCHKULTUR
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- Falko Sommer
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1 WIDERSCHEIN DER BUCHKULTUR
2 INHALT Widerschein der Buchkultur 1 Herausragende Handschriften 3 Bibliothek der Bibliotheken 6 Bibliotheca Albertina Danksagung und Impressum 13
3 Ulrich Johannes Schneider: WIDERSCHEIN DER BUCHKULTUR Zur neuen Dauerausstellung in der Universitätsbibliothek Leipzig Im Frühjahr 1945 wurde die Bibliotheca Albertina, das Hauptgebäude der Universitätsbibliothek Leipzig, weitgehend zerstört. Damit verschwand auch reiches Bildmaterial von den Wänden die Bücher selbst waren rechtzeitig ausgelagert worden. In dem 1891 von Arwed Rossbach errichteten Prachtbau waren die Wände in der Eingangshalle mit Fresken und Ornamenten gestaltet und erzeugten eine fast museale Atmosphäre. Man betrat eine Schatzkammer der Buchkultur. Einzelne Werke wurden auch im Original ausgestellt. Leider ist von jenen Ausschmückungen nichts erhalten. Und leider haben die damaligen Ausstellungen in einigen Büchern vor allem Lichtschäden hinterlassen. Heute verbietet konservatorische Rücksicht die Dauerausstellung seltener Stücke. Und eine Wiederherstellung der Freskenmalerei, die an gasbeleuchteten Wänden Wirkung zeigte, ist keine zeitgemäße Option mehr. Das moderne elektrische Licht dagegen entfaltet mit der LED-Technik neue Potenziale, und so schmücken nun 16 große Glastafeln das Foyer und bringen die Buchkultur zum Leuchten. Stark vergrößerte Digitalfotos künden in drei Bereichen von herausragenden Handschriften, von den Sammlungen und von der Geschichte des Gebäudes. Ein erster Foyerbereich versammelt fünf ausgewählte Spitzenstücke der Handschriftenkultur und zeigt davon jeweils eine Seite mit dem Anspruch, Schriftkunstwerke in ihrer je eigenen Schönheit schätzen lernen zu können. Gezeigt werden die hieratische Schrift des Papyrus Ebers aus dem antiken Ägypten, die griechische Unziale des Codex Sinaiticus aus dem 4. Jahrhundert, die karolingische Minuskel der Heliand-Dichtung aus dem 9. Jahrhundert sowie kalligraphisch höchst anspruchsvolle hebräische und islamische Handschriften aus dem frühen 14. Jahrhundert. Manuskripte leuchten von den Wänden der Bibliotheca Albertina, in deren Tresor sie zum eigenen Schutz verwahrt werden. Die hinterleuchteten Tafeln zollen der Schönheit Tribut und erlauben zugleich eine unkomplizierte Annäherung an seltene und kostbare Dokumente des Weltschrifterbes. Ein zweiter Bereich im Foyer zeigt fünf Tafeln, welche wiederum am Beispiel wertvoller Werke die Universitätsbibliothek Leipzig als eine Bibliothek von Bibliotheken verdeutlichen. Erhellt werden hier alte Bestände aus Klosterbibliotheken, aus der Leipziger Ratsbibliothek, aus universitären wie privaten Sammlungen und aus Nachlässen. Wie übergroße Fenster in die Vergangenheit des Büchersammelns erlauben diese Tafeln Blicke zurück auf die verschlungenen Wege der Bücher in die Universitätsbibliothek. Ein dritter Foyerbereich dokumentiert mit sechs Schwarzweißfotografien die alte Pracht und Funktionalität der Bibliotheca Albertina seit ihrer Erbauung 1891 und ihrer Zerstörung Letzte Spuren waren noch 1991 sichtbar. In drei der Fotos werden 1
4 die wesentlichen Akteure der Bibliothek ins Licht gerückt: Magaziner, Leserinnen und Leser sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekare. Bibliotheken sind nicht nur Häuser der Bücher, sondern auch derer, die ihnen Leben geben. Alle 16 Präsentationselemente sind mit einer kurzen Beschreibung auf Deutsch und Englisch versehen. Zusätzliche Bilder und Texte mit Hintergrundinformationen (ebenfalls auf Deutsch und Englisch) stehen in einem eigenen Netz (Foyer-Albertina) zur Verfügung, das vor Ort als spezielles WLAN und überall sonst als Webseite aufrufbar ist. Die LED-Präsentationselemente im Foyer machen Kunstwerke der Buchkultur im öffentlichen Raum unübersehbar. Sie bringen die Schätze der Bibliothek und auch das Gebäude selbst exemplarisch zur Erscheinung. Mit fotografisch genauen und zugleich übergroßen Bildflächen werden sie zu Ruhepolen im Foyer. Durch Größe und Leuchtkraft bannen sie die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher, wecken deren Sensibilität für die vielfältigen Aspekte der Buchkultur. Als fotografische Reproduktionen vermitteln sie wirkungskräftige Einblicke, setzen Anreize für das genauere Betrachten und laden zum Studieren ein. Nicht zuletzt verweisen diese Wandbilder darauf, dass die Universitätsbibliothek Leipzig ein besonderer Ort des Weltschrifterbes ist, an dem wertvolle Bestände über Jahrhunderte hinweg durch wissenschaftliches Interesse, kenntnisreiche Sammelleidenschaft und geduldige Bibliotheksarbeit zusammengeführt wurden. Auch deshalb werden sie hier, in diesem Gebäude, ins Licht gesetzt. 2
5 HERAUSRAGENDE HANDSCHRIFTEN CODEX SINAITICUS Die älteste griechische Bibelhandschrift mit dem vollständigen Neuen Testament entstand im 4. Jahrhundert. Der Leipziger Theologe Konstantin Tischendorf schenkte die ersten von ihm gefundenen 43 Pergamentblätter 1844 der Universitätsbibliothek. [Cod. gr. I; Bl. 42v: Ende des Buches Jeremia] 3
6 PAPYRUS EBERS Größte vollständig überlieferte medizinische Buchrolle Altägyptens aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. Der Leipziger Ägyptologe Georg Ebers schenkte die 18,63 m lange Papyrusrolle 1873 der Universitätsbibliothek und ließ 1875 ein Faksimile drucken. [Papyrus Ebers; Kolumne 37: Magen- und Darmbeschwerden] HELIAND-FRAGMENT Bedeutendstes Zeugnis der altsächsischen Literatur aus dem 9. Jahrhundert. Das Pergamentblatt wurde im 17. Jahrhundert als Bucheinband benutzt und 2006 im Bestand der Leipziger Thomaskirchenbibliothek entdeckt, der seit 1930 in der Universitätsbibliothek aufbewahrt wird. [Ms Thomas 4073; Verso: über das leere Grab Jesu] 4
7 ÖLDSCHEITÜS KORAN AUS BAGDAD Das reich mit Goldschrift ausgestattete Werk entstand 1307 in Bagdad im Auftrag des mongolischen Sultans Öldscheitü vom Verleger Johann Friedrich Gleditsch der Leipziger Ratsbibliothek geschenkt, wird es seit 1962 in der Universitätsbibliothek aufbewahrt. [B.or.1; Bl. 5r: zwei illuminierte Koranverse] LEIPZIGER MACHSOR Die zweibändige Prachthandschrift mit Gebeten und Lesungen für die jüdischen Feiertage gilt als die schönste ihrer Art. Um 1310 in Südwestdeutschland entstanden, wurde sie 1746 unter Christian Gottlieb Jöcher für die Universitätsbibliothek erworben. [Ms Vollers 1102/2; Bl. 184v: Gebet zum ersten Tag des Laubhüttenfests] 5
8 BIBLIOTHEK DER BIBLIOTHEKEN NACHLÄSSE Der Leipziger Maler Werner Tübke ( ) skizzierte 1963 das vom Leipziger Drehmaschinenwerk bestellte Gemälde Sozialistische Jugendbrigade wurden 24 Skizzen- und Tagebücher Tübkes von seiner Witwe der Universitätsbibliothek vermacht. Der Nachlass ist einer von über 300 wissenschaftlichen und künstlerischen Hinterlassenschaften in der Universitätsbibliothek. [NL 300, II, 7; Bl. 11r] 6
9 KLOSTERBIBLIOTHEKEN Die ostfranzösische Handschrift aus dem 12. Jahrhundert bietet eine Darstellung wissenschaftlicher Fächer. Das Werk gehörte dem Kloster Altzelle und ist im Gefolge der Reformation an die Universität übergegangen. Die Universitätsbibliothek besitzt über mittelalterliche Handschriften. [Ms 1253; Bl. 3r: Boethius: Vom Trost der Philosophie] UNIVERSITÄRE SAMMLUNGEN Die Erstausgabe des seltenen Werks von Nikolaus Kopernikus über die Planetenbahnen (1543) ist zusätzlich wertvoll durch handschriftliche Anmerkungen des Astronomen Johannes Kepler. Die Universitätsbibliothek hält heute mit Werken einen herausragenden Bestand für das 16. Jahrhundert. [Lip. sep. 577r; Bl. 142r] 7
10 PRIVATE SAMMLUNGEN Die zehn Bände der Flora Graeca (Oxford ) gehören zu den wertvollsten Stücken einer Sammlung von Pflanzenbüchern, die Rudolf Benno von Römer ( ) testamentarisch der Universitätsbibliothek vermachte. Diese hat im Laufe ihrer Geschichte zahlreiche wissenschaftliche Bibliotheken übernommen. [Gr. Fol. 1121; Bd. VI, S. 508: Stephanskraut, eine Pflanze des Mittelmeerraums] RATSBIBLIOTHEK LEIPZIG Dieser frühe Druck einer deutschen Bibel (in Nürnberg bei Anton Koberger 1483) gelangte als Schenkung des Ratsherrn Georg Wolf um 1700 in die Leipziger Ratsbibliothek, die 1677 errichtet und 1832 in Stadtbibliothek umbenannt wurde. Sie brannte 1943 ab. Ihre geretteten Schätze befinden sich seit 1962 in der Universitätsbibliothek. [Inc. Civ. Lips. 281; Bl. XLVIIr: Gott beauftragt den Handwerker Bezalel (2. Mose, Kap. 31)] 8
11 BIBLIOTHECA ALBERTINA NEUBAU 1891 Der Neubau der Universitätsbibliothek in der Beethovenstraße (Architekt: Arwed Rossbach) steht auf dem Gelände des ehemaligen botanischen Gartens der Universität. Im Stil der Neorenaissance errichtet und innen prachtvoll verziert, wurde das Gebäude nach dem regierenden sächsischen König Albert Bibliotheca Albertina benannt. [Ms 2784, Nr. 16a] 9
12 BÜCHER BEWEGEN Im Inneren erweist sich die Bibliothek als Logistikzentrum: Bücher werden angeliefert und zur Weiterbearbeitung transportiert (Foto von 1930). Um 1900 zählte die Universitätsbibliothek nach Bestand und Etat zu den größten wissenschaftlichen Bibliotheken der Welt. [Ms 2784, Nr. 41a] HISTORISCHER LESESAAL Der historische Lesesaal hatte 130 Arbeitsplätze; eine Galerie für Nachschlagewerke wurde 1925 eingebaut (Foto von 1930). Zusätzliche Arbeitsplätze gab es in einem gesonderten Zeitschriftenlesesaal. [Ms 2784, Nr. 62a] 10
13 BÜCHERRETTUNG 1944 Leipzig wurde im Zweiten Weltkrieg mehrfach bombardiert. Nach dem ersten großen Angriff 1943 wurde die Universitätsbibliothek geräumt (Foto von 1944). Die meisten Bücher haben in den Sockelkatakomben des Völkerschlachtdenkmals überlebt, wertvolle Werke auch in Auslagerungsorten rund um Leipzig. [Ms 2784, Nr. 26a] ZERSTÖRUNG 1945 Durch Bomben wurde im April 1945 der Mittelteil der Universitätsbibliothek völlig und der östliche Gebäudeteil weitgehend zerstört (Foto von 1946). Die Reste des Gebäudes wurden hergerichtet und ein eingeschränkter Nutzungsbetrieb ermöglicht. [Ms 2784, Nr. 66a] 11
14 TREPPE IM FREIEN 1991 Der Wiederaufbau der Bibliotheca Albertina ( ) wurde seit 1957 gefordert, konnte aber erst nach 1990 finanziert werden. Der Umbau brachte auch eine funktionale Ertüchtigung des Gebäudes. Nun führt die zentrale Treppe wieder in die Lesebereiche, die ebenso wie die Magazine erheblich vergrößert wurden. [Fotoslg. 22] TREPPE IN BENUTZUNG
15 DANKSAGUNG UND IMPRESSUM Möglich wurde die Ausstattung des Foyers der Bibliotheca Albertina mit Bildmaterial durch eine Projektfinanzierung der Wüstenrot Stiftung und durch Gunnar Volkmann vom Leipziger Architekturbüro Weis & Volkmann, der die Gestaltung entwarf. Zu danken ist ferner einer Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität Leipzig und der Universitätsbibliothek, die sich um die Erläuterungen zu den Objekten verdient gemacht haben. Zunächst den Verfassern (in alphabetischer Reihenfolge): Thomas Thibault Döring, Thomas Fuchs, Boris Liebrenz und Christoph Mackert. Sodann denen, die bei der Redaktion geholfen haben: Caroline Bergter, Lucia Hacker, Dagmar Heinicke, Petra Löffler, Lisa Perchermeier und Julia Reimer, denen wiederum andere geholfen haben. Die Digitalisierung lag in den Händen von Susanne Dietel. Die englische Übersetzung der Webseitentexte verdanken wir Carl Roberts. Die bauliche Durchführung wäre ohne die umsichtige Planung von Christian Hager nicht möglich gewesen. Impressum: UB Leipzig 2015 Text: Ulrich Johannes Schneider Gestaltung: Caroline Bergter Druck: Merkur Druck, Leipzig Gedruckt auf Kosten des Fördervereins Bibliotheca Albertina e. V., der die Universitätsbibliothek Leipzig bei ihren Veröffentlichungen, Ausstellungen, Forschungs- und Erschließungsprojekten unterstützt. Mitglieder sind herzlich willkommen: Tel.: Mail: Zu jeder Präsentationstafel gibt es zusätzliche Bilder und Hintergrundinformationen, die vor Ort unter Foyer-Albertina abgerufen werden können (für Smartphones und Tablets) sowie im Internet unter erreichbar sind. Die Berliner Firma shoutr labs konnte für die Realisierung eines virtuellen Ausstellungsführers gewonnen werden; wir danken besonders Sebastian Winkler. 13
16 Der Förderverein Bibliotheca Albertina e. V. begrüßt gerne neue Mitglieder:
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