Evolutionäre Grundlagen des Sozialverhaltens ZÜR-01
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- Frieder Lang
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1 Evolutionäre Grundlagen des Sozialverhaltens ZÜR-01
2 Programm Mo Die Theorie vom egoistischen Gen Kooperation I: Modelle Di Kooperation II: Signalevolution Kooperation III: Kollektives Handeln und Gemeingüter Mi Dominanz und Gewalt Life History Evolution Do Intelligenz, Bewusstsein, Selbstbewusstsein
3 Literatur Buss, David M.: Evolutionäre Psychologie. 2. Aufl. München (Pearson) 2004 Dunbar, Robin & Barrett, Louise (eds.): The Oxford Handbook of Evolutionary Psychology. Oxford (Oxford University Press) 2007 Voland, Eckart: Soziobiologie - Die Evolution von Kooperation und Konkurrenz. 4. Aufl. Heidelberg (Springer - Spektrum Akademischer Verlag) 2013 Voland, Eckart: Die Natur des Menschen. München (C. H. Beck) 2007
4 Leistungsnachweis Eine Seminararbeit zu einem selbst gewählten Aspekt aus der Vorlesung. Umfang: 8-10 Seiten, 1 ½-zeilig Gliederung, Zusammenfassung, references Deutsch oder Englisch Termin: 31. Januar 2016, 12:00 h Eckart.voland@phil.uni-giessen.de /
5 Evolutionäre Grundlagen des Sozialverhaltens Die Theorie vom egoistischen Gen
6 Wichtige Begriffe egoistisches Gen konditionale Strategie ultimat / proximat Anpassung / Angepasstheit / Nebenprodukt Verwandtenselektion (kin selection) Hamilton-Ungleichung Gesamtfitness Essentialismus vs. Populationsdenken Teleologie vs. Teleonomie
7 Das kulturistische Standardmodell menschlichen Verhaltens Kulturelle Phänomene [...] sind in keiner Hinsicht erblich, sondern [...] ausnahmslos erworben (George P. Murdock) Kultur ist eine Sache sui generis, das nur aus sich selbst heraus erklärbar ist [...] Omnis cultura ex cultura (Robert L. Lowie) Unsere Ideen, Werte, Handlungen, selbst unsere Emotionen sind, wie selbst unser Nervensystem, kulturelle Erzeugnisse (Clifford Geertz)
8 Das kulturistische Standardmodell menschlichen Verhaltens Die biologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens beschränken sich auf ein paar Reflexe und Primärbedürfnisse Weil alle Menschen gleichermaßen über diese angeborene Ausstattung verfügen, muss die Natur des Menschen als Konstante aufgefasst werden Eine Konstante, nämlich die angeborene Natur des Menschen, kann niemals Variabilität, d.h. kulturelle oder persönliche Verhaltensunterschiede erklären
9 Das kulturistische Standardmodell menschlichen Verhaltens Kinder kommen sozial inkompetent zur Welt. Ihr inhaltsleeres Gehirn (tabula rasa) wird erst während der Sozialisation sinnvoll strukturiert Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war John Locke ( )
10 Schlussfolgerung: Stammesgeschichtlich endet die Bedeutung der Biologie für das menschliche Verhalten mit der Entstehung eines unspezialisierten Gehirns, mit dem sich die Evolution selbst ausgehebelt hat Instinktreduktion Mängelwesen tabula rasa
11 Stattdessen...
12 Die Darwinische Evolutionstheorie Nichts in der Biologie hat Sinn außer im Lichte der Evolution Theodosius Dobzhansky
13 Die Darwinische Evolutionstheorie Historische Aspekte Als biologische Evolution bezeichnet man die stammesgeschichtliche (phylogenetische) Entwicklung, die Lebewesen fortwährend verändert. Kausale Aspekte
14 Drei Kränkungen der narzistischen Eigenliebe der Menschen
15 Die vierte Kränkung: Die Theorie vom egoistischen Gen Evolution handelt von der Replikation genetischer Programme. Entsprechend sind wir Menschen wie alle anderen Organismen auch letztlich nur Vehikel, die die Gene sich schaffen, um ihre eigene Replikation best möglich zu bewerkstelligen. Der einzige Zweck dieser Programme ist ihr eigener Erhalt. Richard Dawkins
16 Die Theorie vom egoistischen Gen
17 Die Theorie vom egoistischen Gen
18 Missverständnis: Die Theorie vom egoistischen Gen besagt nicht, dass Entwicklung und Verhalten unabhängig von Umwelteinflüssen seien. Der Phänotyp ist die Manifestation eines Genotyps in einem ganz speziellen Entwicklungskontext ( adaptive Modifikabilität, phänotypische Plastizität, epigenetische Vererbung )
19 Genes allow the environment to influence the development of phenotypes Tooby & Cosmides 1997: 17
20 Missverständnis: Die Theorie vom egoistischen Gen besagt nicht, dass Menschen sich aus genetischen Gründen immer im psychologischen Sinn egoistisch verhalten. Menschen sind zu Altruismus in der Lage. Die Theorie vom egoistischen Gen sagt voraus, unter welchen Umständen das der Fall sein wird
21 Missverständnis: Die Theorie vom egoistischen Gen besagt nicht, dass Verhalten, weil genetisch determiniert, nicht veränderbar wäre Verhalten ist durch die Wirkweise konditionaler Strategien veränderbar
22 Missverständnis: Die Theorie vom egoistischen Gen fordert nicht, dass Menschen (und alle anderen Organismen) eine Motivation zur Fitnessmaximierung hätten Ultimate Zweckursachen / proximate Wirkursachen
23 Benennen Sie die Ursachen (proximat / ultimat) für folgende Phänomene: Warum sind Schneehasen weiß? Warum quaken die Frösche im Frühjahr? Warum essen Menschen? Warum ist man/frau gelegentlich eifersüchtig? Warum studieren Sie?
24 * Ressourcenknappheit * Verschiedenartigkeit * Vererbung Biologische Evolution Anpassung Angepasstheit N Die Darwinischen Selektionsprozesse bringen hervor, was Biologen adaptive Phänotypen nennen, also Produkte reproduktiv überdurchschnittlich erfolgreicher Gen/Umwelt-Interaktionen t
25 Biologisch angepasst ist ein Merkmal, dessen Entstehung auf der Wirkweise der biologischen Evolution beruht ergebnisblind Biologisch angepasst ist ein Merkmal, wenn es unter den gegebenen Bedingungen den höchst möglichen Gesamtfitnessertrag einfährt. mechanismenblind
26 Die Darwinische Evolutionstheorie Biologische Merkmale können eine Funktionserweiterung oder einen Funktionswandel erfahren haben, so dass ihre heutige Funktion nicht auf die Gründe ihrer Entstehung schließen lässt. Adaptation executor vs. Fitness maximizer Maladaptiv fehlangepasst Environment of Evolutionary Adaptedness
27 Die intellektuelle Herausforderung der Theorie vom egoistischen Gen besteht darin, zu begreifen, dass obwohl Organismen die Träger biologischer Angepasstheiten sind, sie jedoch nicht die Nutznießer dieser Angepasstheiten sind.
28 Wie kann in einer Darwinischen Welt genetischer Nutzenmaximierer altruistisches Verhalten entstehen?
29 William D. Hamilton ( ) K < r N Hamilton-Ungleichung K = Kosten N = Nutzen r = Verwandtschaftskoeffizient Theorie der Verwandtenselektion (kin selection)
30 Direkte Fitness + Indirekte Fitness = Gesamtfitness (inclusive fitness)
31 Ich will... bei einer besonderen Schwierigkeit stehen bleiben, welche mir anfangs unübersteiglich und meiner ganzen Theorie wirklich verderblich zu sein schien. Ich will von den... unfruchtbaren Weibchen der Insectencolonien sprechen; denn diese Geschlechtslosen weichen sowohl von den Männchen als den fruchtbaren Weibchen in Bau und Instinct oft sehr weit ab und können doch, weil sie steril sind, ihre eigenthümliche Beschaffenheit nicht selbst durch Fortpflanzung weiter übertragen... Man darf daher wohl fragen, wie es möglich sei, diesen Fall mit der Theorie natürlicher Zuchtwahl in Einklang zu bringen?
32 Eltern < > Kind 0.5 Vollgeschwister 0.5 Halbgeschwister 0.25 Großeltern < > Enkel 0.25 Onkel/Tante < > Nichte/Neffe Haplodiploidie Mutter < > Kind 0.5 Vater > Tochter 1.0 Tochter > Vater 0.5 Sohn > Mutter 1.0 Brüder 0.5 Schwestern 0.75 Bruder > Schwester 0.5 Schwester > Bruder 0.25
33 Möge Gott dem Mann Cousins schenken gegen seine Feinde, Brüder gegen seine Cousins, und Söhne gegen seine Brüder. Sprichwort der Paschtunen
34 Darwinisches Postulat Reproduktive Gesamtfitnessmaximierung ist das Lebensprinzip, auf das alle Organismen von Natur aus eingestellt sind
35 Wenn es aber in der Evolution nicht um Arterhaltung geht, wie lassen sich dann Warnrufe erklären?
36 Warnrufe Verwirrungseffekt Ehrliche Kommunikation Reziprozität Elterninvestment Nepotismus Paarungsaufwand
37 Die Darwinische Evolutionstheorie Zwei massive philosophische Widerstände gegen Darwins Theorie der natürlichen Selektion: * Das typologische Denken des Essentialismus * Die teleologische oder finale Weltanschauung
38 Typologisches Denken versus Populationsdenken
39 Die teleologische oder finale Weltanschauung Entwicklungen verlaufen zielgerichtet Entwicklungen verlaufen zweckorientiert Teleonomie nennt man die programmgesteuerte Zweckmäßigkeit der Organismen. Sie ist das Ergebnis Darwinischer Evolution. In der Chemie und Physik gibt es keine Teleonomie. Teleonomie Teleologie
40 Fortschritt in der Evolution? Orthogenese: bei gleichartiger Selektion in geologisch langen Zeiträumen erfolgt die Stammesgeschichte mit gleichbleibendem Trend scheinbar zielgerichtet Anagenese: Zunahme von Komplexität und Diversifikation aber kein teleologischer (= zielgeleiteter) Fortschritt!
41 Fortschritt in der Evolution? Die Evolution geht ziemlich langsam nirgendwo hin Michael Ruse
42 Wichtige Begriffe egoistisches Gen konditionale Strategie ultimat / proximat Anpassung / Angepasstheit / Nebenprodukt Verwandtenselektion (kin selection) Hamilton-Ungleichung Gesamtfitness Essentialismus vs. Populationsdenken Teleologie vs. Teleonomie
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