Neue wohnungspolitische Akzente in Russland. Diana Huster Juli Diskussionspapier Projektgruppe Osteuropa Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
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- Katarina Braun
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1 Diskussionspapier Projektgruppe Osteuropa Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Diana Huster Juli 2007 Neue wohnungspolitische Akzente in Russland Diskussionspapiere sind Arbeiten der Projektgruppe, die als interne Vorstudien für weitere Arbeiten und Veröffentlichungen genutzt werden können. Anmerkungen und Kommentare sind willkommen. 1
2 In Russland setzt man derzeit in der Wohnungspolitik auf neue Instrumente, um die für einen Großteil der Bevölkerung desaströse Wohnsituation zu verbessern. Da die bisherigen Ergebnisse im Nationalen Projekt Wohnen nicht annähernd zufrieden stellen, bringen vor allem die Jedinorossy die Abgeordneten der Putin-Partei, im Vorfeld der Duma-Wahlen im Dezember 2007 wie auch der Präsidentschaftswahlen im März 2008 neue Gesetzesinitiativen für den kleingeschossigen Wohnungsbau sowie zur Bildung eines Fonds für weitere Reformen in der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft ein und erwägen mögliche Gesetzesnovellierungen und ergänzender Vorschriften in der Wohnungsverwaltung. Kleingeschossiger Wohnungsbau Die Ausweitung des Bauvolumens auf 80 Mio. qm jährlich bis 2010, wie im Nationalen Projekt vorgesehen, ist mit den heutigen Kennzahlen (durchschnittlich ca. 0,3 qm neu gebauter Wohnraum je Einwohner p.a.) und der bisher einseitigen Ausrichtung auf den mehrgeschossigen Bau nicht darstellbar. Gleichzeitig wird man mit der Förderung des kleingeschossigen Wohnungsbaus der Kritik gerecht, dass die bisherige einseitige Ausrichtung auf den mehrgeschossigen Wohnungsbau die Bedürfnisse der Landbevölkerung außen vor lässt. Umfragen zufolge können sich mehr als die Hälfte der Russen die Lösung der Wohnungsfrage durch ein eigenes Haus vorstellen. Entscheidend ist für die Gunst der Wähler auch der tatsächliche Zugangskoeffizent 1 zu neuem Wohnraum, der mit dem kleingeschossigen Bau entschieden verbessert werden soll. Für eine Wohnung mit einer Größe von 54 m² betrug dieser nach offiziellen statistischen Angaben in 2006 je nach Region für eine dreiköpfige Familie ca. 2-6 Jahre. Debatten über die Zersiedlung der Landschaft, wie sie derzeit in Deutschland geführt werden, sind momentan in Russland nicht Gegenstand des fachlichen Diskurses. Das Image des Erschwinglichen Wohnraums konnotiert mit den deutschen Begriffen erschwinglich und zugängig zugleich soll aufgewertet werden, indem der Bau von Wohnraum künftig zu geringeren Selbstkosten möglich wird. Dieser Ansatz impliziert in erster Linie jedoch nur die Baukosten, die im Vergleich zum mehrgeschossigen Bau höheren Erschließungskosten werden nur am Rande erwähnt und der lageabhängige Bodenwert ganz außen vor gelassen. Die Bevölkerung soll angesichts weiter bestehender Wohnungsknappheit so schnell wie möglich mit preiswerten Wohnungen versorgt werden. Die Preise für Neubau in Ballungsgebieten liegen bei je qm, in Moskau durchschnittlich in Zugangskoeffizent: Faktisches Verhältnis zwischen Durchschnittspreis und Durchschnittseinkommen ohne Nutzung von Zinssubventionen und anderen Vergünstigungen aus dem Nationalen Projekt 2
3 4200 je qm, für unsanierte Plattenbauwohnungen werden immer noch bis zu je qm fällig. Das neue Gesetzespaket der Regierung regelt u.a. die rechtliche Organisation (z.b. in Form gemeinnütziger Bürgervereinigungen) zur Durchführung der Bauvorhaben und anschließender Verwaltung. Zudem sollen nach den bitteren Erfahrungen mit den Wohnungsbaufonds (долевое строительство) in den vergangenen Jahren die Verbraucherinteressen gestärkt und im kleingeschossigen Wohnungsbau das Gemeinschaftseigentum an Grund und Boden sowie die Verwaltung von vornherein rechtlich abgesichert werden. Problematisch sind weiterhin fehlende Baugrundstücke als Folge bisher nicht durchgeführter Landvermessungen, fehlender Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie mangelnder Erschließungskapazitäten. Die absehbare Folge ist eine chaotische Zersiedelung ohne Verkehrswegeplanung und Schaffung notwendiger kommunal- und versorgungswirtschaftlicher Kapazitäten. Die Baufirmen werden zwar faktisch den Endverbrauchern durch Reduzierung der Selbstkosten im Vergleich zum mehrgeschossigen Bau günstigeren Wohnraum anbieten können, gleichzeitig aber ihren Gewinn durch neue Zuschüsse, die über die neu geschaffene Nationale Agentur für den kleingeschossigen Wohnungsbau (NAMIKS) maximieren. Kapremont Fonds zur Reformierung der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft In mehr als der Hälfte des gesamten Wohnungsbestandes (ca. 3 Mrd.qm) hat sich in Russland in den vergangenen Jahren ein Sanierungs- und Modernisierungsbedarf angestaut. Über 100 Mio. qm Wohnraum sind baufällig oder sogar abrissreif. Nachdem im Wohnungsgesetzbuch die Pflicht zur Sanierung und Modernisierung in den größtenteils privatisierten Mehrfamilienhausbeständen auf die Bewohner als neue Eigentümer übertragen wurde, hat man weitere zwei Jahre den rechtlichen Regelungsbedarf nach einer staatlichen Förderung in diesem Bereich verkannt. Mitte Juli wurde nunmehr von der Duma ein Gesetz verabschiedet, das durch die Bereitstellung von 150 Mrd. Rubel seitens der Föderation Abhilfe schaffen soll, aber gleichzeitig neue monopolartige Strukturen in der Wohnungswirtschaft etabliert den Fonds zur Reformierung der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft. Dieses Gesetz, ins Parlament ebenfalls von der Putin Partei Einiges Russland eingebracht, hat in der russischen Wohnungspolitik eine ähnliche Dimension wie seinerzeit die Monetarisierung der Vergünstigungen und die Verabschiedung des 3
4 Wohnungsgesetzbuches. Es ist getragen von den Interessen, die staatliche Monopole in private Monopole überführen, sich der staatlichen Direktion entziehen, aber gleichzeitig staatliche Mittel bewirtschaften wollen. Von den Kommunen als Kofinanzierung ab 2008 abrufbare Zahlungen bleiben bei diesem Vorgehen für die wohnungswirtschaftlichen Akteure vor Ort intransparent und unkontrolliert. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass man sich beim Aufstellen der Förderkriterien für Sanierungsmaßnahmen nicht am tatsächlichen Zustand der Wohngebäude orientiert, sondern auf vorzeigbare Erfolge im kommunal- und wohnungswirtschaftlichen Privatisierungswettlauf der Regionen und Kommunen rekurriert. Förderfähig werden ausschließlich Sanierungs- und Modernisierungsleistungen sein, die von Firmen erbracht werden, die eine entsprechende Legitimation durch die örtlichen Behörden genießen. Von selbst erübrigt sich der Hinweis darauf, dass es sich dabei mehrheitlich um die neuen Aktiengesellschaften der vormals staatlich Bediensteten der Wohnungswirtschaft handeln wird. Eigentümergesellschaften können eine entsprechende Förderung unter der Voraussetzung beanspruchen, dass ihr Antrag von der Kommunalverwaltung bewilligt wird und sie die Sanierungsmaßnahmen mit den behördlich vorgeschlagenen Firmen durchführen. Von den Bewohnern in Form einer direkten Verwaltung (neposredstvennoe upravlenie) selbst verwaltete Gebäude bleiben bei der Förderung außen vor. Besonders benachteiligt scheinen damit einige sibirische Regionen wie Novosibirsk und Kemerovo, aber auch Astrachan in Südrussland, wo im Januar gegründete Eigentümergesellschaften 540 Selbstverwaltungen durch die Bewohner gegenüberstanden. Städte wie St. Petersburg, Kasan, Belgorod und Rostov am Don, die in der Vergangenheit die Gründung von Eigentümergesellschaften gefördert haben, werden von dieser rechtlichen Regelung profitieren und im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im März 2008 bereits die ersten für die Wähler sichtbaren Sanierungserfolge aufzeigen können. Normative Korrekturen und Ergänzungen im Bereich der Wohnungsverwaltung Die Implementierung der seit 2005 in Russland geltenden Bestimmungen des Wohnungsgesetzbuches setzt neben strukturellen Reformen bei den kommunalen Verund Entsorgern eine Neuorganisation der bisher staatlichen Wohnungsverwaltungen als privatwirtschaftlich organisierter Dienstleister oder nichtkommerziell tätige Verwaltungen in Form einer Eigentümergesellschaft oder Wohnungsgenossenschaft voraus. Das Gesetzbuch weist an dieser Stelle jedoch Inkohärenzen zu anderen normativen Regelungen oder auch Gesetzeslücken auf, die die Reformerfolge und die 4
5 Effizienz der Wohnungsverwaltung entscheidend hemmen. Abhilfe kann durch Neuregelungen auf föderaler Ebene, aber auch durch Ausführungsbestimmungen in den Regionen und Kommunen geschaffen werden. Der Regelungsbedarf, der sich noch nicht in Gesetzesinitiativen konkretisiert hat, sei an einigen Problemen geschildert: Artikel 36 WGB der Russischen Föderation gewährt denjenigen, die im Zuge der kostenlosen Privatisierung Eigentum an Wohnräumen (собственники помещений) in Mehrfamilienhäusern erhalten haben, anteilmäßig das Recht am Gemeinschaftseigentum. Hierzu zählen die Treppenhäuser, Treppen, Fahrstühle, zum Haus gehörige Gemeinschaftsflächen u.a. Das Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation engt hingegen den Personenkreis mit Ansprüchen auf anteilmäßiges Gemeinschaftseigentum dahingehend ein, dass es von Wohnungseigentümern (собственники квартир) spricht. Außen vor bleiben bei der gesetzlich vorgesehenen Zuordnung des Gemeinschaftseigentums zum bereits privatisierten Wohneigentum somit all diejenigen, die in Kommunalkas wohnen sich gemeinsam mit weiteren Haushalten Küche und sanitäre Anlagen einer Wohnung teilen und somit allenfalls ihren Wohnraum im wortwörtlichen Sinne privatisieren konnten. Dies ist vorrangig im städtischen Altbaubestand, z.b. in St. Petersburg der Fall. In der Folge können in diesen Objekten keine Eigentümergesellschaften, die eine Zuordnung des Gemeinschaftseigentums zum Wohneigentum bedingen, gegründet werden. Damit ist auch der Zugriff auf o.g. Fondsmittel für Sanierungsmaßnahmen unmöglich. Die Zuordnung des Grund und Bodens zum privatisierten Eigentum in Mehrfamilienhäusern lässt weiterhin Fragen hinsichtlich der Voraussetzungen und des Verfahrens offen. Initiativen der Stadt Moskau zielen darauf ab, die Grundstücksgrenzen bei der Zuordnung auf Antrag der Wohneigentümergesellschaft auf die Gebäudegrundfläche zuzüglich 1 m, in St. Petersburg zuzüglich 2 m festzulegen. Dies hat zwei Gründe: Zum einen sind in vielen Fällen die Flächen nicht vermessen und grundbuchmäßig erfasst. Andererseits soll die um sich greifende Einzäunung und damit einhergehende Vereinnahmung von öffentlichen Flächen, Spielplätzen, Zufahrten etc. unterbunden werden. Mit Blick auf diese jüngsten wohnungspolitischen Aktivitäten ist festzuhalten, dass die Förderung privatwirtschaftlicher Initiative und bürgerschaftlichen Engagements für Regierung und Parlament in Russland weiterhin eine Alibi-Veranstaltung bleibt. Bewusst und souverän wird mit demokratischen Mechanismen nach außen gespielt, um Innenverhältnis gezielt gleichschalten und kontrollieren zu können. Auch im Politikfeld Wohnen zeigt sich deutlich, 5
6 dass sich in Russland ein Governance-Verständnis verfestigt, das nach sowjetischer Manier per Gesetz von oben initiierte Bürgerinitiative in gesellschaftspolitische Prozesse einbindet, ohne dass sich daraus ein greifbarer individueller oder kollektiver Nutzen ableiten ließe. 6
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