Kapital-Europa und Euro-Krise
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- Klaudia Fuchs
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1 ACCADEMIA ED ISTITUTO PER LA RICERCA SOCIALE VERONA PALAZZO ISTITUTO NAZIONALE DELLE ASSICURAZIONI STUDIO GERMA CORSO PORTA NUOVA 11 I VERONA Euro-Krise: Niederkonkurrieren des Euro-Südens und Währungs-Achse China-Deutschland gegen den US-Dollar Kurzfassung des Referates Kapital-Europa und Euro-Krise Soziales Forum des VdK NRW 25. Oktober 2012 Prof. (Gast) Albrecht Goeschel Staatliche Universität Rostov Pers. Beauftragter des Botschafters der Republik Angola a. D. Accademia ed Istituto per la Ricerca Sociale Verona
2 2 1. Die Euro-Diskussion in Deutschland verfälscht oder unterschlägt: 1.1. Staatsschulden Gesamtwirtschaftlich gibt es keine Staatsschulden. Ausgaben des Staates sind entweder Investitionen in Infrastruktur. Dann steht den öffentlichen Schulden auch öffentliches Vermögen gegenüber. Oder Ausgaben des Staates erfolgen für Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheit, Alter etc. Dann steht den öffentlichen Schulden gesamtwirtschaftliches Leistungspotential gegenüber. Staatsausgaben werden, von Kriegskosten und Aufrüstungskosten abgesehen, zum Problem, wenn wie in Deutschland die Löhne jahreund jahrzehntelang zu niedrig waren und sind und mit steuerfinanzierten Daseinsvorsorgeleistungen Lohnausgleich erfolgen muss. Wenn dann gleichzeitig die durch Lohnzurückhaltung erzielten privaten Gewinne und großen Vermögen nicht ausreichend besteuert werden, bleibt tatsächlich nur die Verschuldung. Die Privatgewinne und Großvermögen steigen dann noch einmal, weil sie für ihre Kredite an den Staat Zinsen einnehmen. Banken und sonstige Kapitalsammelstellen sind sozusagen das organisierte Kapital mit Forderung gegen den Staat, d.h. gegenüber den Lohnempfängern, Rentenempfängern, Lohn- und Mehrwertsteuerzahlern Schuldenländer Gesamtwirtschaftlich sind die sogenannten Schuldenländer des Euroraumes das Spiegelbild der Geberländer des Euroraumes. Insbesondere die deutsche Exportwirtschaft und die deutschen Großbanken konnten dank einheitlicher Eurowährung ihre Real- und Kapitalexporte vor allem in den südlichen Teil des Euroraumes exzessiv steigern. Die Einheitswährung hat das Risiko beseitigt, dass die Lohnzurückhaltung und das damit mögliche Preisdumping im Exportwettbewerb durch Aufwertung, wie vormals zu Zeiten der D-Mark, neutralisiert wird.
3 3 Die Exportgewinne der zurückliegenden Jahre wurden gesamtwirtschaftlich dabei auch wegen der durch Lohnzurückhaltung zu niedrigen Inlandsnachfrage nicht in Deutschland produktiv investiert, sondern als Kapitalexport bevorzugt in spekulativen Finanzgeschäften wie spanischen Immobilien oder US-Finanzprodukten angelegt. Auch dank des vergleichsweise höheren Lohnniveaus in den südlichen Euroländern und der dadurch niedrigeren Daseinsvorsorgeausgaben sowie durch die niedrigen Real- und Kapitalexporte waren die südlichen Euroländer von der ersten Welle der Finanzkrise weit weniger betroffen als die deutschen Banken und später die deutsche Realwirtschaft. Die auch von den südlichen Euroländern geforderten und aufgelegten Konjunkturprogramme, die im übrigen auch eine Erklärung des erneuten Exportwunders der deutschen Wirtschaft sind, haben dann die zunächst nicht dramatische Staatsverschuldung, den Kreditbedarf und die Zinsen für Staatsanleihen in den südlichen Euroländern in die Höhe getrieben. Über die hohen Bestände an Staatsanleihen der eigenen Länderstaaten bei den Banken der südlichen Euroländer hat sich dort dann eine sekundäre Bankenkrise entwickelt. Von den unter dem Schlagwort von der Eurokrise zur Stabilisierung der Eurowährung nötig gewordenen Finanzierungsprogramme profitieren erneut die deutschen Banken. Billigstes Geld der EZB kann gegen die bekannt hohen Zinsen an die Schuldenländern verliehen werden. Die massive Kapitalflucht aus dem europäischen Süden insbesondere nach Deutschland zerstört über den damit verbundenen Kreditmangel im europäischen Süden einschließlich Frankreich die durchaus konkurrenzfähige mittelständische Realwirtschaft bzw. durch Zusammenbrechen des Klein- und Mittelklassewagenmarktes auch die italienische und französische Automobilindustrie. Zuletzt nimmt die wachsende Abwanderung junger Qualifizierter, die Humankapitalflucht aus dem europäischen Süden den dortigen Konkurrenzländern auch langfristig die Möglichkeit als eigenständige Wettbewerber aufzutreten Sparen und Wachsen Die vom politisch-medialen System in Deutschland seit dem Ende der ersten Finanz- und Realkrise gegenüber den übrigen Ländern des Euroraumes verfolgte Politik des Verzögerns und Vorbehaltens und
4 4 insbesondere die Verknüpfung von Finanzhilfen zur Stabilisierung der Staatshaushalte und zum Moderieren der Staatsanleihezinsen mit Sparprogrammen und Wettbewerbssteigerung sind ein Instrumentenund Parolenmix, mit dem die deutschen Exportgewinne aus dem ersten Jahrzehnt der Eurowährung nun durch die deutsche Sonderkonjunktur der zurückliegenden Jahre noch einmal gesteigert werden konnten. Einerseits wurden die auch für die Sicherung der Exporte erforderlichen Transferleistungen in die südlichen Europeripherien in ein profitables Bankenbusiness privatisiert, andererseits die benachbarten Konkurrenzwirtschaften durch Austerity-Politik und Strukturreformen so heruntergebremst, dass sie eigentlich nur noch als Hinterland der durch massivsten Kapitalzustrom noch stärker gewordenen deutschen Exportökonomie fungieren können. Dabei bedeutet Sparen in Staaten mit weniger ausgebauten Sozialsystemen direkte Lohnsenkungen und Renten-, d.h. Alterslohnsenkungen, in Staaten mit besser ausgebauten Sozialsystemen indirekte Lohnsenkungen durch Reformen nach deutschem Vorbild. Die stets apostrophierte erhöhte Wettbewerbsfähigkeit meint damit nicht eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der anderen europäischen Ökonomien gegenüber der deutschen Volkswirtschaft. Diese wird ja durch Austerity-Politik und Strukturreformen gerade zerstört. Gemeint ist die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit eines integrierten Euroraumes mit einem hochproduktiven Zentrum und einer hochprofitablen weil kostengünstigen Peripherie. Dass diese Politik der Bildung eines zentralisierten Kapital -Europa erfolgreich durchgesetzt worden ist, zeigt die Geografie der Zahlungsbilanzen in der Europäischen Union * Gewinnerländer sind zuallererst Dänemark, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und Schweden. * Zahlungsbilanz: Gliedert sich in Leistungsbilanz, Bilanz der Vermögensübertragungen, Kapitalbilanz und Veränderung der Währungsreserven der Deutschen Bundesbank.
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6 6 2. Währungskrieg 1 mit den Vereinigten Staaten von Amerika 2.1. Grundmuster des atlantisch-pazifischen Kapitalismus Das Grundmuster der hegemonialen globalisierten Ökonomie und ihrer Politik besteht in einem seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stetigen Wachstum des Welthandels bei gleichzeitigem Abflachen der Gesamtwirtschaftsleistung in den Traditionsräumen Vereinigte Staaten, Japan und Europa. Die systemtypischen inländischen Überproduktionskrisen wurden durch forcierten Zugewinn neuer ausländischer, auch wechselseitiger Absatzmöglichkeiten exportiert. Dabei wurde dann jeweils auch das Währungssystem unter Nutzung politischer, militärischer und finanzieller Druckmittel angepasst. Am Beginn dieser Phase stand die ökonomisch-politische Machtergreifung der Vereinigten Staaten auch im bisherigen atlantischen und pazifischen Wirtschaftsraum der besiegten Gegner Deutschland und Japan. Die Anerkennung des US-Dollar als Ersatz für die vormalige Golddeckung von Währungen bei festen Wechselkursen, das System von Bretton- Woods bildete hierfür den Auftakt. Die Wachstumswirkung der Wirtschaftsraumerweiterung bestand in erster Linie darin, dass das für die kapitalistische Wirtschaftsweise kennzeichnende weite Zurückbleiben der Lohneinkommen hinter der Wertschöpfung nicht wegen fehlender Inlandskaufkraft zu Überproduktionskrisen führte bzw. diese abdämpfte: es wurden immer neue Räume mit kostengünstigen Arbeitskräften bzw. Absatzmärkten für den Export überschüssiger Waren und überschüssigen Kapitals erschlossen: Das Vorhandensein schwächer entwickelter Regionen, Landesteile, Nachbarländer oder Weltgegenden, das gleichzeitge Nebeneinander von wirtschaftsräumlichen Unterschieden, d.h. die Raumdimension, ist eine Grundkomponente in der Konkurrenz um Höchstgewinne. Allerdings wird diese Ausnutzung von regionalen und internationalen Disparitäten für die Krisenvermeidung oder Krisendämpfung durch Waren- und Kapitalexport von den konkurrierenden Volkswirtschaften und ihren Staaten typisch in der Sphäre der Währungspolitik abgewehrt: Exportangriffen andere Volkswirtschaften wird durch Abwertung der eigenen Währung begegnet. Dadurch wird der Import der angreifenden Waren und des angreifenden Kapitals verteuert und der eigene Export verbilligt. Realwirtschaftliche Ungleichgewichte führen, wenn sie exportiert werden, typisch zu Währungsauseinandersetzungen. 2 1 Hoffmann, Catherine: Der Währungskrieg tobt. In: Süddeutsche Zeitung, und Braun, S.; Freiberger, H.: Der Weltwährungskrieg erreicht Berlin. In: Süddeutsche Zeitung, 6./ Altvater, Elmar: Die Währungskrise, Frankfurt am Main 1969, S. 10 ff.
7 7 Krisendämpfung durch Wirtschaftsraumerweiterung und Währungsanpassung
8 Dollarschwäche und Exportstärke Bis zur Finanz- und Realkrise 2008/2009 bestand die Funktion der EU und vor allem des Euro darin, dass sich die in Konkurrenz liegenden zunächst westeuropäischen Volkswirtschaften gleichwohl gemeinsam gegenüber dem ökonomischen und politischen Imperialismus der Vereinigten Staaten von Amerika und gegenüber dem ökonomischtechnologischen Konkurrenten Japan behaupten konnten. Durch einen gemeinsame Außenwert sollten und wurden die internen Wachstumspotentiale gegen die vom US-Dollar immer wieder, etwa bei den beiden Ölkrisen ausgelösten Währungsschocks geschützt und positive Auswirkungen und negative Auswirkungen des stark schwankenden Euro-Dollar-Wechselkurses im größeren Wirtschaftsraum ausgeglichen. Das für den deutschen Export schädliche Zurückfallen des US-Dollarkurses konnte durch die eurointerne Exportsteigerung aufgefangen werden Weltgeld Euro Nun geht es um andere Dimensionen: Wenn es gelingt, den Euro nicht nur zu retten sondern auch die europäischen Volkswirtschaften und Sozialstaaten im Zuge des stillen Staatstreiches der EZB und der ausdrücklichen Haushaltsdiktate des Fiskalpaktes zu formieren, dann wird der US-Dollar seine komfortable und zugleich selbstruinöse Rolle als Weltgeld ausgespielt haben. Die Kapitalströme der Welt werden sich dann stärker auf Europa richten Währungs-Achse Das Gleichgewicht des Schreckens 3 im Währungskonflikt zwischen China und den USA mit dem wechselseitigen Dauervorwurf währungspolitischer Unterbewertung des Renminbi bzw. Yuan durch China bzw. der geldpolitischen Abwertung des US-Dollar durch Überflutung des Geldmarktes mit Dollarmilliarden führt bei dem industriewirtschaftlichen Komplementärverhältnis von Ausrüstungsanlagen aus Deutschland und (noch) Verbrauchsgütern aus China zu einer auch währungspolitischen Achsenbildung von Renminbi und Euro. 3 Koch, Moritz: Gleichgewicht des Schreckens. In: Süddeutsche Zeitung,
9 9 Weniger des letzten Großbesuchs des deutschen Kabinetts in Peking als die Garantiezusage der Bundesregierung für Griechenland spricht dafür, dass die politische Entscheidung für ein Euro-Europa und eine Währungs-Achse Europa-China gefallen ist Marktwirtschaft und Kommandowirtschaft Das immense Industriewachstum Chinas steht an einem Wendepunkt: Nunmehr sind Innovation, Ökologie und insbesondere Soziale Demokratie gefordert. Die Sympathie in weiten Teilen der deutschen Wirtschaftselite für die Kombination kommunistischer Kommandowirtschaft mit einem liberalen Markt für Arbeitszeit ist bekannt. Nicht nur ein integriertes Euro-Europa, sondern auch eine Währungs-Achse Europa-China erfordern daher eine groß angelegte Kampagne für das bisher fehlende Sozial -Europa.
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