Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis, 3. August
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- Edmund Bachmeier
- vor 7 Jahren
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1 Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis, 3. August Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Am 1. August 1914 erklärte Deutschland Russland den Krieg. In den folgenden 4 Jahren starben 10 Millionen Soldaten im ersten industriell geführten Krieg, in dem Massenvernichtungswaffen eingesetzt wurden. Millionen von Opfern durch Seuchen, Krankheiten und Mangelernährung in der Heimat kamen hinzu. Die Folgen des ersten Weltkrieges waren verheerend. Und führten 1939 in die Katastrophe des 2. Weltkrieges mit noch mehr Toten und Verletzten. Die Nachwirkungen spüren wir bis heute. Auch wenn in unserem Lande Frieden herrscht, sind die Veränderungen, die durch die beiden Weltkriege hervorgerufen wurden auch heute noch bestimmend für das Zusammenleben von Völkern, Staaten in Europa und darüber hinaus. Gott mit uns, stand auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten, die 1914 in den Krieg zogen. Gott mit uns, stand aber ebenfalls auf den Abzeichen der französischen und der englischen Soldaten, die sich gegenseitig in den Schützengräben im Westen niedermetzelten. Wenn ich meinen Konfirmanden versuche zu sagen, was das Gebot beutet: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes
2 nicht missbrauchen, dann kann ich es immer nur wieder mit diesem Beispiel verdeutlichen. Hier wurde der Name Gottes missbraucht. Immer wieder. Auch wenn sich die Menschen damals sich dessen nicht bewusst waren. Die verhängnisvolle Allianz von Thron und Altar hatte zur Verblendung geführt. Dass der Könige, Fürsten und Kaiser in Deutschland auch der oberste Herren der Kirche waren, hatte hier zu schlimmen Verirrungen geführt. Und so war es nicht verwunderlich, dass auch die Kirchen 1914 in die allgemeine weitverbreitete Kriegsbegeisterung einstimmten. So predigte Predigt am 2. August 1914 der Hofprediger Doehring am Bismarckdenkmal vor dem Reichstagsgebäude zu Berlin: Das große Ringen beginnt, der erste Mobilmachungstag ist angebrochen. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. Wir empfinden die gewaltige Bedeutung dieser Stunde. Wir hören des lebendigen Gottes Stimme: Fürchte dich vor der keinem, das du leiden wirst. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben! Wir legen unsere Hand entschlossen in die seine, und schwörend geloben wir: Unserem Gott, unserm König und unserem Vaterland weihen wir uns auf Tod und Leben furchtlos und treu! Dies war keine Einzelstimme, auch wenn heutige neuere Forschungen belegen, dass von einer allgemeinen Kriegsbegeisterung keine Rede sein kann. Die meisten
3 nahmen es schicksalsgleich und ergeben hin. Konnten es sich nicht vorstellen, dass es auch andere politische Wege gegeben hätte. Als ich Ende der 80iger Jahre in einem kleinen Dörfchen im Marburger Land meinen Dienst als Pfarrer begann, gab es dort neben Weihnachten, Ostern und Pfingsten noch zwei Sonntage an dem Abendmahl gefeiert wurde: der Sonntag nach dem Michaelisfest und der erste Sonntag im August. Mir selber war damals nicht bewusst, warum man am ersten Sonntag im August Abendmahl feiern sollte und gerne hätte ich an diesem Sonntag einen Familien Gottesdienst gefeiert, wurde allerdings von den Kirchenältesten zurück gepfiffen: Wissen sie denn nicht, Herr Pfarrer, dass dies das Weltkriegsabendmahl ist? Noch 70 Jahre später also hielt man an dieser Tradition fest. So war der Sonntag nach der Mobilmachung 1914, an dem die jungen Männer des Dorfes noch einmal das Abendmahl in der Kirche gefeiert hatten bevor sie in den Krieg zogen. Oft habe ich mich gefragt, in welchem Bewusstsein sie dieses wohl gefeiert haben: begeistert, weil sie der Propaganda glaubten Weihnachten als Sieger wieder zu Hause zu sein oder sich dessen bewusst, dass nur ein Teil der jungen Männer überhaupt wieder zurück kehren würden aus diesem Krieg. Nein, es war nicht nur Begeisterung, die um sich griff. Begeisterung für die historische Stunde, die zur Wandlung der verkrusteten Verhältnisse führen sollte in Europa. Es waren Ängste, Kummer und Verzweiflung da.
4 Zum Bespiel in der Familie Kollwitz. Die bekannte Künstlerin der damaligen Zeit Käthe Kollwitz hält am 10. August 1914 unmittelbar nach Kriegsausbruch in ihrem Tagebuch fest, wie sie versucht ihren gerade einmal 18 Jahre alten Sohn Peter zu überzeugen sucht, sich nicht freiwillig zu melden, sondern darauf zu warten bis er einberufen wird. Sie schreibt: Verzweifeltes Aufwachen am Morgen. Gefühl der Unmöglichkeit der Hingabe Peters. Mit Peter nach dem Frühstück gesprochen. Gesagt, dass ich nichts zurücknähme vom gestrigen Abend. Er müsse über sich selbst bestimmen. Aber ob er nicht doch noch warten wolle, bis er gerufen werde. Sie verliert diesen Kampf mit ihrem Sohn Peter. Drei Monate später ist der junge Peter tot. Gefallen in Flandern bei einem der ersten Gefechte. Der Schmerz über seinen Verlust, die Selbstzweifel der Mutter, eine sich langsam wandelnde Einstellung gegenüber dem Krieg, diesem Krieg, jedem Krieg, durchzieht die Tagebucheintragungen der folgenden Jahre. Als Künstlerin arbeitet sie an einem Erinnerungsdenkmal für Peter und alle jung Gefallenen. Zuerst wird es das Bild eines liegenden Soldaten: ein gefallener Held. Später verwirft sie das Motiv. Am Ende, 1932 erst fertig gestellt, zeigt das Denkmal zwei Skulpturen, trauernde Eltern, vom Schmerz gezeichnet. Aus dem Heldenmal ist ein Mahnmal geworden. Noch heute
5 ist dieses Denkmal zu sehen, auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Vladslo in Belgien, dem selben Friedhof, auf dem der gefallene Peter Kollwitz begraben liegt. Aus dem Heldenmal ist ein Mahnmal geworden. Und auch darum erinnern wir uns heute 100 Jahre nach Kriegsbeginn an diese verhängnisvollen Tage vor 100 Jahren. Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. So hat es die Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen 1948 in Amsterdam formuliert. Und doch gibt es immer wieder Krieg und schweigen auch heute während wir hier Gottesdienst feiern nicht die Waffen. Gekämpft und gemordet wird in der Ukraine, In Palästina und Israel, im Irak und Afghanistan noch immer, in vielen Ländern Schwarzafrikas. Manchmal nehmen wir es nur am Rande wahr. Verstrickt darin sind wir jedoch noch immer. Denn oft sind es deutsche Waffen mit denen geschossen und gemordet wird. Wir verdienen mit an Rüstungsexporten, sind abhängig vom Verkauf von Waffen, obwohl sie nie in Krisengebiete gelangen sollten. Was wir brauchen ist ein langfristiger Ausstieg aus dieser Abhängigkeit. Sicherlich nicht von heute auf morgen. Aber das Bewusstsein, dass sich mit militärischen Mitteln kein Frieden erzwingen lässt, wie wir es jetzt in Palästina wieder erleben. Gewalt erzeugt immer wieder Gegengewalt. Erste Schritte gibt es. Gespräche. Verhandlungen. Bewusstseinswandel.
6 Schwerter zu Pflugscharen machen. Schon beim Propheten Micha wird dieser Traum in Worte gefasst. 41 a In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, 2 und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und a des HERRN Wort von Jerusalem. 3 Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 4 Ein a jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat's geredet. 5 Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich! Wir haben dies erlebt. Auch in unserer deutschen Geschichte. Die Schwerter zu Pflugscharen wurden. Mauern gefallen sind nur durch überzeugende Worte, beharrlich verfolgte Träume und Visionen, angezündete Kerzen. Mögen wir dafür beten und arbeiten. Dass die Welt sich ändert. Denn Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein.
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