Anatomie, Biologie und Physiologie
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- Sophie Stein
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1 Anatomie, Biologie und Physiologie Ergotherapie Prüfungswissen von Jürgen Zervos-Kopp 1. Auflage Thieme 2009 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
2 10 NERVEN UNDNERVENSYSTEM 10 Nerven und Nervensystem Nerven bilden Nervengewebe, übertragen schnell und gezielt Informationen Nervensystem steuert auf physischer und psychischer Ebene den Körper und Geist Die Nerven bestehen aus Nervengewebe (Entwicklung, Aufbau, Erregung und Erregungsleitung siehe Kap. 2.5, Gewebe), aus dem sich das gesamte Nervensystem zusammensetzt. Sie dienen der schnellen, gezielten, aber kurzfristigen Übertragung von Informationen. Das Nervensystem ist das komplexe Regulationssystem des Körpers. Es nimmt Reize auf, leitet sie weiter oder hemmt sie, verarbeitet sie zu einem Gesamteindruck und löst Reaktionen aus, sowohl auf physischer (Steuerung, Reaktion, Reflexe, Bewegung) als auch auf psychischer Ebene (Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen). Es bearbeitet und analysiert komplexe Zusammenhänge, ist lernund urteilsfähig, sammelt und speichert Erfahrungen und beeinflusst die Persönlichkeit. Mit selbst produzierten Überträgerstoffen (Hormonen und Neurotransmittern) integriert es den Organismus mit dem Ziel, den Menschen zwischen Umwelt und Innenwelt überlebensfähig zu halten. Zu diesem Zweck bildet es mit seinen Nerven komplizierte Strukturen, von denen das Gehirn (als Teil des Zentralnervensystems) die oberste Steuerungsinstanz bildet. Diagramm 10.1: Überblick über das Nervensystem Aufbau Drei Anteile zentrales, peripheres und vegetatives Nervensystem, efferent und afferent miteinander verbunden. Das Nervensystem besteht aus dem J zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark), J peripheren Nervensystem (Spinal- und Hirnnerven) sowie dem J vegetativen Nervensystem (intramural, Sympathikus und Parasympathikus). Das zentrale Nervensystem ist durch efferente (motorische und vegetative) und afferente (somatische [sensible] und viszerale) Nerven mit Skelettmuskulatur, Sinnesorganen und inneren Organen verbunden (Abb. 10.1). 286
3 NERVEN UND NERVENSYSTEM Abb Schema der Verbindungen zwischen zentralem (ZNS = Gehirn und Rückenmark)und peripherem (PNS)Nervensystem. Entwicklung Nach Befruchtung und vollständiger Einnistung des Keims entsteht bis zur 3. Schwangerschaftswoche die dreiblättrige Keimscheibe (Abb.10.2a+b), bestehend aus: J inneres Keimblatt (Entoderm) J mittleres Keimblatt (Mesoderm) J äußeres Keimblatt (Ektoderm) Entwicklung aus äußerem Keimblatt (Ektoderm) Abb. 10.2a+b Schematische Darstellung einer 16 Tage alten menschlichen Keimscheibe. a Aufsicht auf die Keimscheibe b Transversalschnitt durch die Keimscheibe 287
4 10 NERVEN UNDNERVENSYSTEM Abb. 10.3a c Schematischer Querschnitt durch den oberen Teil einer etwa 20 Tage alten Keimscheibe. a Neuralektoderm geht seitlich im Bereich der Neuralwülste in das Hautektoderm über. b Bildung der Neuralrinne und Abgliederung der Neuralleisten. c Schluss der Neuralrinne zum Neuralrohr. Aus den Neuralleisten entstehen u. a. die peripheren Nerven und Spinalganglien. J erste Anlagen ab Tag als Neuralplatte J später Neuralrinne und anschließend Neuralrohr (am 26. Tag geschlossen) J Wand bildet Gehirn und Rückenmark J Lumen die Ventrikel J Neuralleisten die peripheren Nerven und am hinteren Ende Rückenmark und Spinalganglien Das Nervengewebe, die Sinnesorgane und die Haut bilden sich aus dem äußeren Keimblatt (Ektoderm). Um den 16. Tag erscheint auf dem Ektoderm der Primitivstreifen, der die Längsachse des Embryos festlegt. Erste Anlagen des Nervensystems bilden sich ca. zwei Tage später in Form von Verdickungen des Ektoderms als Neuralplatte (Neuralektoderm), deren Ränder die Neuralwülste bilden und die Platte zur Neuralrinne werden lassen. Die Wülste verschmelzen an ihrer Oberkante. Dadurch entsteht das Neuralrohr, das am 26. Tag nach der Befruchtung geschlossen ist (Nichtverschluss: sog. Spina bifida). Anteile der Neuralwülste, die an der Verschmelzung nicht beteiligt sind, werden zu Neuralleisten. DieWanddesNeuralrohrsbildetGehirnundRückenmark, aus dem Lumen entstehen die Ventrikel und aus den Neuralleisten werden die peripheren Nerven und die Spinalganglien (s. Abb. 10.3a c). AmverdicktenvorderenEndehabensichnachca.4Wochen(und bei 3 mm Embryogröße) die drei primären Hirnbläschen als Vorderhirn, Mittelhirn und Rautenhirn gebildet, aus denen sich eine Woche später die einzelnen Gehirnteile und Ventrikel differenzie- 288
5 ZENTRALES NERVENSYSTEM ren. Das hintere, dünnere Ende entwickelt sich zum Rückenmark. Ab ca. der 6. Woche entstehen bereits die Großhirnhemisphären mit Großhirnrinde, der Thalamus, die Basalganglien, das limbische System und die Hirnnerven. Die Entwicklung besteht aus drei Phasen: Zunahme, Auslese und Abnahme. Bis zur 18. Woche findet eine enorme Zunahme an Nervenzellen statt, diese werden dann durch eine große Zahl wahllos hergestellter Synapsen verbunden. Diese Überproduktion (bis ca. zum 2. Lj.) wird durch Auslese reguliert. Dabei spielen die empfangenen Reize die ausschlaggebende Rolle (s. Kap ). Verknüpfungen, die nicht genutzt werden sterben ab. Welche Synapsen bestehen bleiben hängt von den Reizeindrücken und Anforderungen ab, mit denen das Kind konfrontiert wird. Auch nach der Entwicklung reagiert das Gehirn auf neue Reize mit Synapsenbildung (sog. Neuroplastizität). J nach ca. 4 Wochen drei primäre Hirnbläschen als Vorderhirn, Mittelhirn und Rautenhirn J bereits ab 6. Woche differenzierte Hirnstrukturen 10.1 Zentrales Nervensystem Das zentrale Nervensystem (ZNS, zentral deshalb, weil es selbstständig steuert) besteht aus zwei zusammenhängenden, durch Knochen geschützten Organteilen: J Gehirn (vom Hirnschädel umgeben) J Rückenmark (von den Wirbeln umgeben) Anteile des ZNS Gehirn und Rückenmark Gehirn Das Gehirn (Encephalon, Abb. 10.4) besteht aus ca. 100 Mrd. Zellen, wiegt im Schnitt ca g und wird in folgende Anteile gegliedert: J Großhirn (Telencephalon) J Zwischenhirn (Diencephalon) Gehirn differenziertester Teil des ZNS, besteht aus: J Großhirn J Zwischenhirn J Mittelhirn J Kleinhirn Diagramm 10.2: Überblick über das Gehirn 289
6 10 NERVEN UNDNERVENSYSTEM Abb Medianschnitt durch den Kopf eines erwachsenen Mannes (Ansicht von medial auf die linke Hälfte). Mittelhirn, Brücke und verlängertes Mark (Medulla oblongata) bilden den Hirnstamm. J Mittelhirn (Mesencephalon), bildet mit Brücke (Pons) und verlängertem Rückenmark (Medulla oblongata) den Hirnstamm J Kleinhirn (Cerebellum) Es ist außen von den Hirnhäuten (Meningen) umgeben und im Inneren mit Hohlräumen (System mit vier Ventrikeln; lat. ventriculus = kleiner Bauch) durchzogen. Großhirn J zwei Hemisphären J Basalganglien J zwei Seitenventrikel J limbisches System Großhirn Das Großhirn ist der differenzierteste Anteil des Gehirns. Es liegt direkt unter der knöchernen Schädelkalotte und stülpt sich über Mittel- und Zwischenhirn. 290
7 ZENTRALES NERVENSYSTEM Diagramm 10.3: Anteile des Großhirn Es besteht aus J den beiden Hemisphären (Hirnhälften) mit Großhirnrinde (Kortex) auf der Oberfläche, J den Basalganglien (Nervenzellkörper in der Tiefe), J den beiden Seitenventrikeln (s. Abschnitt ) sowie J dem limbischen System. Seine Oberfläche ist durch zahlreiche Windungen (Gyri) undfur- chen (Sulci) stark vergrößert (~ 2,2 m²). Die tiefste, längs verlaufende Furche (Fissura longitudinalis) teilt das Großhirn in eine rechte und linke Hälfte (Hemisphären). Beide Hälften sind in der TiefedurchdenBalken(Corpus callosum) miteinander verbunden. Trotz der Verbindung sind die Hirnleistungen beider Hemisphären ungleichmäßig verteilt. Zum Großteil (80 90%) überwiegt, in Bezug auf abstraktes logisches Denken (lesen, schreiben, rechnen, sprechen), die linke Hälfte und auf der rechten Hälfte sind eher Fähigkeiten wie Einsicht, Kreativität undräumliches Denken lokalisiert. Größere Furchen wie J die Zentralfurche (Sulcus centralis) oder J die Seitenfurche (Sulcus lateralis) teilen die HemisphäreninjevierGehirnlappen(Abb.10.5), die nach den sie bedeckenden Knochen benannt und denen unterschiedliche Funktionen zugeordnet werden: J Lobus frontalis (Stirnlappen [Stirnbein]): analytisches und abstraktes Denken aggressives und sexuelles Verhalten Sprachfertigkeit J Lobus parietalis (Scheitellappen [Scheitelbein]): Geschmacksdifferenzierung Symbolerkennung (z. B. Buchstaben, Verkehrsschilder) J Oberfläche durch Gyri und Sulci stark vergrößert J beide Hemisphären durch Balken verbunden J Hirnleistungen ungleichmäßig verteilt Hemisphären Einteilung in: J Lobus frontalis J Lobus parientalis J Lobus temporalis J Lobus occipitalis 291
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