Alleinlebende Menschen mit Demenz. Bedürfnisse der Betroffenen Samuel Vögeli, RN, MScN Geschäftsleiter Alzheimervereinigung Aargau
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- Jan Fleischer
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1 Alleinlebende Menschen mit Demenz Bedürfnisse der Betroffenen Samuel Vögeli, RN, MScN Geschäftsleiter Alzheimervereinigung Aargau 1
2 Wenn ich einen Menschen mit Demenz kenne, kenne ich EINEN Menschen mit Demenz. 2
3 Bedürfnisse von Menschen mit Demenz nach Tom Kitwood 3
4 Stigma ist auch Gleichmacherei Menschen Menschen mit Demenz 4
5 Gleichmacherei ist auch Stigmatisierung Menschen mit Demenz Stadium I Stadium II Stadium III 5
6 Menschen (Mit Demenz? Mit Briefmarkensammlung? Mit ADHS? Mit KV- Abschluss? Mit Krebs? Mit Migrationshintergrund? Mit Diabetes? Mit.) 6
7 Nur mit leeren Händen können wir begreifen! Nur eine leere Hand können wir einem Gegenüber darbieten! 7
8 Was hindert uns, die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz (an) zu erkennen bzw. ihnen gerecht zu werden? (Fremd-)Scham Mitleid «das gehört sich nicht» Vorstellung von Würde Angst vor Haftbarkeit Verantwortungsgefühl Ekel Angst(-abwehr): Alter, Verlust der Autonomie, Tod 8
9 Angst(-abwehr) Tom Kitwood: Betreuende von Menschen mit Demenz sind mit ihren eigenen Ängsten vor Alter, Verlust von Autonomie, Attraktivität und Würde, vor Hilfsbedürftigkeit und Tod konfrontiert. Wenn diese Ängste nicht bewusst (gemacht) werden, werden sie meist auf das Gegenüber projiziert. Dadurch können die Bedürfnisse Und Kompetenzen der Person mit Demenz nicht adäquat wahrgenommen werden. 9
10 Bedürfnisse erkennen Wie lernen wir die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz kennen? Assessment-Instrument? Beispiel: BIG-65 (=Bedürnisinventar bei Gedächtnisstörungen (Schmid et al. 2012) Entwicklung: Universität Zürich + Memory-Klinik Waid Zürich Wissenschaftlich getestet: reliables und valides Instrument zur Erfassung krankheitskorrelierter Patientenbedürfnisse bei Menschen mit Hirnleistungsstörungen und Demenz 10
11 Bedürfnisse erkennen BIG-65 Mittlere Durchführungszeit: 16,3 (SD±10,8) (Schmid et al. 2012) 11
12 Bedürfnisse erkennen Aber: Oft ist ein systematisches Assessment nicht ratsam oder gar durchführbar! (Anna Gogl, 2014) 12
13 Zentral ist auch die Wahrnehmung «stummer» bzw. «unbewusster» Bedürfnisse der Menschen mit Demenz. Aufgrund verbalem Sprachverlust => Bedürfnisse werden immer mehr nonverbal ausgedrückt Aufgrund Verlust der Fähigkeit, Risiken wahrzunehmen und Folgeschäden vorauszusehen (z.b. sich durch einen Sturz Verletzungen und Schmerzen zuzuziehen) 13
14 Forschungslage zu Bedürfnissen von alleine lebenden Menschen mit Demenz => dürftig Veröffentlichte Studien: Untersuchungsgruppen nicht repräsentativ Schwierige Rekrutierung der Teilnehmenden Problem der informierten Einwilligung Häufig Ablehnung der Studienteilnahme (Angst vor Autonomie- und Kontrollverlust) (Soniat, 2004) 14
15 Forschungslage zu Bedürfnissen von alleine lebenden Menschen mit Demenz Übervertretung von Personen mit überdurchschnittlicher Krankheitseinsicht (aufgrund Bereitschaft zur Studienteilnahme) Personen mit fortgeschrittener Selbstvernachlässigung (aufgrund Rekrutierung über Hausärzte, Spitex u.a.) (Soniat, 2004) 15
16 Forschungslage zu Bedürfnissen von alleine lebenden Menschen mit Demenz Wir können für eine grosse Zahl von alleinlebenden Menschen mit Demenz weder auf Forschungsresultate noch auf unsere direkte praktische Erfahrung zurückgreifen. 16
17 Was dann? Schlussfolgerungen aufgrund der Ergebnisse von Studien über Menschen mit Demenz, welche (nicht) alleine leben Rückschlüsse auf die Vorgeschichte Anhand manifester Krisen oder Zusammenbrüchen, welche zu einem Kontakt mit «Profis» führten (retrospektiv) 17
18 Studie von Flurina Manz 2014 Diplomarbeit DAS «Demenz und Lebensgestaltung» Berner Fachhochschule Institut Alter Interviews mit 5 alleine lebenden Frauen mit Demenz Auswertung: qualitative Inhaltsanalyse 18
19 Studie von Flurina Manz 2014 Warum alleine leben mit Demenz? Partner/in verstorben oder geschieden biographisch gewachsen schon immer alleine gelebt aus Überzeugung 19
20 Studie von Flurina Manz 2014 Gelingendes und Ressourcen Biographisch gewachsene Ressourcen, die hier ihre Wirkung zeigen (z. B. Haushelferin, Managerin) Willensbildung, es alleine zu schaffen. In bedrohter Autonomie wird Bedürfnis nach Autonomie stärker Gewohnte Tagesabläufe, Ordnung Ruhe und Vorsicht Grosse Aufgabe, dauerndes Lernen, Anpassung an sich dauernd verändernde Einschränkungen. Viele Angebote an Hilfe aber welche hilft wirklich und wann? 20
21 Studie von Flurina Manz 2014 Schwierigkeiten und Grenzen Verlust von Hobbies durch Einschränkungen Weniger Kontakte und die Auswirkung auf die Erkrankung Angst Administration und Planung 21
22 Studie von Flurina Manz 2014 Wünsche und Bedürfnisse Stelbstbestimmung über allem Wollen in diesem Wunsch ernst genommen werden Dienstleistungen, die es erlauben, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, die helfen, Fähigkeiten zu behalten Teilnahme an der Gesellschaft Sicherheit 22
23 Studie von Flurina Manz 2014 Wünsche und Bedürfnisse Stelbstbestimmung über allem Wollen in diesem Wunsch ernst genommen werden Dienstleistungen, die es erlauben, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, die helfen, Fähigkeiten zu behalten Teilnahme an der Gesellschaft Sicherheit 23
24 Zugehende Beratung für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen Ein Pilot-Projekt der Alzheimervereinigung Aargau 24
25 Entstehung der Projektidee Erfahrung in der Beratung: Betroffene und Angehörige brauchen mehr, als wir anbieten können Beispiele: Kanton Thurgau, Stadt Zürich Wissenschaftliche Evidenz => 2011: Beschluss Vorstand ALZ AG: Pilot-Projekt Zugehende Beratung Januar 2012 Dezember
26 Beratungsteam (280%): 2 Pflegefachpersonen 2 pflegende Angehörige mit fachlicher Aus- bzw. Weiterbildung (Pflege, Beratung) 1 Sozialarbeiterin 26
27 Finanzielle Unterstützung Age Stiftung Schweizerische Alzheimervereinigung Departement für Gesundheit und Soziales, Kanton Aargau Hatt-Bucher-Stiftung Alzheimer Forum Schweiz 27
28 Kooperationen: Memory Clinic Windisch und Aarau Entlastungsdienst Aargau Institut für Gerontologie, Universität Heidelberg Enge Zusammenarbeit mit: Pro Senectute Spitex Pflegeheime, Tagesstätten, Tag-Nacht-Zentren usw. Div. Betreuungs- und Entlastungsanbieter 28
29 Aus der Praxiserfahrung der Zugehenden Beratung: Menschen mit Demenz brauchen wenige, zuverlässige, konstante Personen denen sie vertrauen welche sich wirklich für sie interessieren welche sie wahrnehmen und verstehen und die sie so wie sie sind wertschätzen und Zeit 29
30 Interesse Zeit Zeit Wahrnehmen Verstehen Vertrauen Zuverlässigkeit Konstanz Zeit Zeit Wertschätzung 30
31 Instrumente für die Zugehende Beratung 31
32 Familienzentrierte Pflege Wright, M. W., & Leahey, M. (2009). Familienzentrierte Pflege - Assessment und familienbezogene Interventionen. Bern: Huber.
33 Genogramm der Familie X. 92 im Pflegeheim gestorben 2008 Elisabeth 82 im Wallis in Amerika Kontakt abgebrochen Matthias % erwerbstätig wohnt ca.100 km entfernt
34 Ökogramm Frau X. FreundInnen VereinskollegInnen NachbarInnen Erweiterte Familie?? Elisabeth 82? Mittagessen im Altersheim Einkaufen im Dorfladen Mahlzeitendienst Bekannte als Betreuerin Haushaltshilfe
35 Die Säulen meiner Lebensqualität (Martin & Kliegel, 2010) 35
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40 Pilot-Projekt Stand Herbst 2014: Familien in der Zugehenden Beratung: Oktober 2012: Juni 2013: Oktober 2014: 57 Familien 139 Familien ca. 200 Familien 40
41 Fazit: Dauernd steigende Nachfrage Grosse Zufriedenheit Massgeschneiderte Lösungen Stabilisierung der häuslichen Pflegearrangements 41
42 Menschen mit Demenz und ihre Nahestehenden brauchen eine demenzerfahrene Hauptbezugsperson, welche sie auf der Reise durch die Krankheit begleitet und unterstützt. 42
43 43
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