Was ist neu am Erbrecht?
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- Silvia Kohler
- vor 7 Jahren
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1 Was ist neu am Erbrecht? Mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 hat der Gesetzgeber das Erbrecht in Österreich mit Wirkung vom gänzlich neu gestaltet. Dieses Gesetz stellt die größte Reform im Kernbereich des Zivilrechtes seit der Einführung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches dar. Aus den zahlreichen Änderungen, die sich durch diese Reform für das Erbrecht ergeben, seien stellvertretend folgende erwähnt: Besserstellung des überlebenden Ehegatten bei der gesetzlichen Erbfolge: Die Position des überlebenden Ehegatten im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge wird aufgewertet. Dies dann, wenn der Verstorbene keine Kinder und entweder keine Eltern oder zumindest nur mehr einen Elternteil hinterlassen hat. In einem solchen Fall tritt der überlebende Ehegatte nur noch mit den Eltern des Verstorbenen, nicht aber mehr mit dessen Geschwistern in Konkurrenz. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte zu seiner fixen Erbquote (2/3 Anteile) jene Erbquote(n) dazu erhält, welche nach der gesetzlichen Erbfolge ansonsten auf die Geschwister des Verstorbenen entfallen wären (siehe beiliegendes Beispiel). Einschränkung des Kreises der Pflichtteilsberechtigten: Die Erbrechtsreform beseitigt den bislang bestehenden Pflichtteilsanspruch der Eltern eines Verstorbenen. Für Sterbefälle, die nach dem eintreten, gilt deshalb der Grundsatz, dass ausschließlich nur mehr dem überlebenden Ehegatten sowie den Kindern (ersatzweise die [Ur-]Enkelkinder) eines Verstorbenen Pflichtteilsansprüche zukommen. Keiner anderen Person (somit insbesondere auch nicht Geschwistern, Neffen oder Nichten des Verstorbenen) kommen dann mehr Pflichtteilsansprüche zu. Gerade diese Änderung stärkt die erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten eines kinderlosen Ehepaares. Aufgrund des Entfalles des Pflichtteilsanspruches der Eltern ist es künftig nämlich möglich, dass sich ein kinderloses Ehepaar mittels eines Testamentes wechselseitig zu Universalerben einsetzt und der überlebende Ehegatte dann nicht mehr mit Pflichtteilansprüchen der Eltern des Verstorbenen konfrontiert ist. Damit die überlebenden Eltern aber tatsächlich nichts erhalten, ist jedoch ein aktives Tun sprich die Erstellung eines Testamentes (zu Gunsten des anderen Ehegatten) nach wie vor erforderlich. Stellung des Lebensgefährten im Erb- und Pflichtteilsrecht: Auch künftig kommt dem überlebenden Lebensgefährten weder ein Pflichtteilsanspruch noch ein (ordentliches) gesetzliches Erbrecht zu. Lediglich in Randbereichen hat das Erbrechts-
2 2 Änderungsgesetz 2015 dem überlebenden Lebensgefährten Rechtspositionen eingeräumt. Erwähnenswert sind insbesondere zwei solcher Rechtspositionen: das gesetzliche Vorausvermächtnis : Unter gewissen Voraussetzungen erhält der überlebende Lebensgefährte das Recht für die Dauer eines Jahres (gerechnet vom Todestag) in der im Eigentum des Verstorbenen stehenden Wohnung (Haus) weiter zu wohnen und innerhalb dieses Zeitraumes den sich in dieser Wohnung (Haus) befindlichen Hausrat zu nutzen; das außerordentliche Erbrecht: sollte kein einziger zur gesetzlichen Erbfolge Berufener das Erbe annehmen, kommt dem überlebenden Lebensgefährten ein außerordentliches Erbrecht zu. Das bedeutet, dass der Lebensgefährte dann zum Zug kommt, wenn ansonsten die Republik Österreich erben würde. In der Praxis wird diesem außerordentlichen Erbrecht aber wohl kaum eine Bedeutung zukommen. Da diese gesetzlichen Positionen zu Gunsten eines Lebensgefährten schwach ausgestaltet sind, ist zu betonen, dass will man dem überlebenden Lebensgefährten etwas Vernünftiges zukommen lassen auch nach dem die Erstellung einer letztwilligen Verfügung/Testamentes (zu Gunsten des Lebensgefährten) erforderlich sein wird. Testamentsrecht: Der Gesetzgeber hat den Vorarlberger Testamentsskandal zum Anlass genommen, mittels der Erbrechtsreform die Formvorschriften für ein fremdhändiges Testament deutlich zu verschärfen. Damit ein nach dem errichtetes fremdhändiges Testament formgültig ist, muss das Testament in gleichzeitiger Anwesenheit von drei fähigen Zeugen errichtet werden. Der Testamentserrichter muss sein Testament in Anwesenheit dieser Zeugen eigenhändig unterfertigen und zudem handschriftlich einen Zusatz anbringen, mittels welchem er bestätigt, dass dieses Testament seinen letzten Willen enthält. Eine mögliche Formulierung wäre zum Beispiel Diese Urkunde enthält meinen letzten Willen. Aus dem Testament selbst muss auch die Identität der drei Testamentszeugen hervorgehen. So sind jedenfalls die Vor- und Familiennamen sowie die Geburtsdaten und nach Möglichkeit auch die Wohnadressen der Testamentszeugen im Testament selbst anzuführen. Zudem müssen die drei Testamentszeugen am Schluss des Testamentes eigenhändig unterschreiben und dabei jeweils eigenhändig einen Zeugenzusatz (wie beispielsweise als Testamentszeuge ) anbringen. Nach wie vor ist es aber nicht erforderlich, dass die Zeugen den Inhalt des Testamentes kennen. Erweitert wurde auch der Kreis der unfähigen Testamentszeugen. Künftig ist insbesondere auch der Lebensgefährte eines eingesetzten Erben oder Vermächtnisnehmers ein unfähiger Testamentszeuge.
3 3 Zu beachten ist, dass Testamente, die vor dem errichtet worden sind, auch ohne Einhaltung dieser Neuerungen gültig bleiben (insoweit die ansonsten zum Testamentserrichtungszeitpunkt erforderlichen Formvorschriften eingehalten worden sind). Pflegevermächtnis: Eine interessante Neuschöpfung bringt die Erbrechtsreform mit dem sogenannten Pflegevermächtnis. Ziel dieses Rechtsinstitutes ist es, Angehörige des Verstorbenen, welche diesen in den letzten Jahren betreut und gepflegt haben und dafür keine oder keine entsprechende Gegenleistung erhalten haben, entsprechend abzugelten (insoweit sie auf solche Ansprüche nicht verzichtet haben). Nahestehende Personen das sind insbesondere die gesetzlichen Erben sowie deren Ehegatten bzw. Lebensgefährten und auch der Lebensgefährte des Verstorbene und dessen Kinder erhalten ab dem eine gesetzlich verankerte, bevorzugte finanzielle Abgeltung aus dem Nachlassvermögen bzw. von den Erben. Dies dann, wenn sie den Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor dem Tod für einen Zeitraum von zumindest sechs Monaten in einem Mindestausmaß gepflegt haben. Die Anspruchshöhe richtet sich nach Art, Dauer und Umfang der Leistung. Der Notar als Gerichtskommissär hat im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens sich darum zu bemühen, eine Einigung über solche geltend gemachten Ansprüche zu erwirken. Erweiterung der Enterbungsgründe: Schon bisher war es möglich, durch die Anordnung einer Enterbung einem Pflichtteilsberechtigten bei Vorliegen gewisser Gründe den Pflichtteil gänzlich zu entziehen. Der Gesetzgeber hat mit der Erbrechtsreform die Möglichkeiten zur Enterbung deutlich erweitert. Künftig ist es möglich, einen Pflichtteilsberechtigten auch dann zu enterben, wenn er dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt und/oder er die familienrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt hat. Von der Zufügung eines schweren seelischen Leides kann insbesondere dann gesprochen werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Verstorbenen in einer Notsituation im Stich gelassen hat. Aber auch wiederholte Beschimpfungen oder eine lang andauernde, gezielte Ausübung subtilen psychischen Drucks können den Tatbestand der Zufügung schweren seelischen Leidens erfüllen. Wesentlich ist jedoch, dass eine gewisse Intensität der psychischen Beeinträchtigung vorliegt. Pflichtteilsminderung: Während mit einer Enterbung die komplette Beseitigung eines Pflichtteiles erzielt wird, kann mit dem Rechtsinstrument der Pflichtteilsminderung der Pflichtteil zwar nicht gänzlich beseitigt, jedoch auf die Hälfte reduziert werden. Dafür müssen jedoch keine Enterbungsgründe vorliegen. Bisher war eine solche Reduktion nur möglich, wenn zwischen
4 4 dem Verstorbenen und dem Pflichtteilsberechtigten zu keiner Zeit ein Naheverhältnis bestanden hat, wie es in der Familie zwischen solchen Verwandten gewöhnlich besteht. Die Möglichkeit einer solchen Pflichtteilsminderung (Halbierung) wird durch die Erbrechtsreform nunmehr deutlich erweitert. Künftig ist es möglich, eine solche Pflichtteilsminderung bereits dann rechtswirksam anzuordnen, wenn über einen längeren Zeitraum (die Gesetzesmaterialien sprechen hier von einem Zeitraum von zumindest zwanzig Jahren) vor dem Tod des Verstorbenen kein solches Naheverhältnis bestanden hat. Stundung des Pflichtteiles: Die Erbrechtsreform bringt nunmehr auch die Möglichkeit zur Stundung der Pflichtteilsauszahlung. Eine solche Stundung kann in erster Linie durch den Verstorbenen selbst (in seiner letztwilligen Verfügung) angeordnet werden. Hat der Verstorbene selbst keine solche Anordnung getätigt, so kann jedoch auch - über Antrag eines Erben - das Verlassenschaftsgericht eine Stundung (unter gewissen Voraussetzungen) anordnen. Die Stundung kann im Regelfall bis zu fünf Jahren angeordnet werden. Eine Verlängerung um weitere fünf Jahre (insgesamt somit zehn Jahre) ist unter gewissen Voraussetzung möglich. Zu beachten ist jedoch, dass die Erben den gestundeten Betrag verzinsen (4 % Zinsen) müssen. Berücksichtigung lebzeitiger Schenkungen auf das Erb- und Pflichtteilsrecht: Nach der bisherigen Rechtslage muss sich ein Geschenknehmer eine selbst erhaltene Schenkung auf sein gesetzliches Erb- bzw. Pflichtteilsrecht nach dem Geschenkgeber nicht in allen Fällen anrechnen lassen. Eine solche Anrechnung hat nach derzeitiger Rechtslage insbesondere nur dann zu erfolgen, wenn anlässlich der Schenkung eine solche Anrechnung vereinbart worden ist. Das Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 führt zu einer deutlichen Änderung dieser Rechtslage. Für Sterbefälle, die nach dem eintreten, wird gesetzlich vermutet, dass sich ein Geschenknehmer eine vom Verstorbenen erhaltene Schenkung auf sein gesetzliches Erb- bzw. Pflichtteilsrecht anrechnen lassen muss; dies auch ohne Anrechnungsvereinbarung. Die Anrechnung erfolgt künftig in der Art und Weise, dass die Schenkung im Schenkungszeitpunkt zu bewerten und dieser Betrag sodann auf den Todestag nach dem Verbraucherpreisindex zu valorisieren ist. Dr. Peter Forster, Notar aus Feldkirch, steht PVÖ-Mitglieder für eine kostenfreie Erstberatung, genauso wie Dr. Kurt Zimmermann, Notar aus Bregenz, zur Verfügung. Anmeldungen zu den Sprechstunden beim PVÖ Vorarlberg unter 05574/45995.
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