Religionsfreiheit im Integrationsland : Vom schwierigen Umgang mit Kopftuch, Schächten, Burkini etc. Tarik Tabbara

Transkript

1 Religionsfreiheit im Integrationsland : Vom schwierigen Umgang mit Kopftuch, Schächten, Burkini etc. Tarik Tabbara ein Beitrag zur Tagung: Steht das europäische Migrationsrecht unter Druck? Hohenheimer Tage zum Januar 2014 in Stuttgart-Hohenheim

2 Religionsfreiheit im Integrationsland : Vom schwierigen Umgang mit Kopftuch, Schächten, Burkini etc. Von uneingelösten Freiheitsversprechen (Präsentation gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfasser wider)

3 Schächten Kopftuch Bur- kini

4 Schächten und Glaubensfreiheit

5 Schächten und Glaubensfreiheit Das Versprechen der Anerkennung: Gleichberechtigung in der Verschiedenheit BVerfG Urt. v BvR 1783/99: Von [Muslimen, die Fleisch geschächter Tiere nachfragen] zu verlangen, im Wesentlichen dem Verzehr von Fleisch zu entsagen, trüge den Essgewohnheiten in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend Rechnung. Danach ist Fleisch ein weit verbreitetes Nahrungsmittel, auf das unfreiwillig zu verzichten schwerlich als zumutbar angesehen werden kann.

6 Widerstand durch Gesetzgebung und Verwaltung Art. 20a GG: Aufnahme des Tierschutzes ins GG als Reaktion des Gesetzgebers Rückgang der Ausnahmegenehmigungen zum Schächten nach dem Urteil, viele Rechtsstreitigkeiten nach dem BVerfG-Urteil Verwaltungswiderstand: Hygienevorschriften, Sachkunde der Metzger, Kapazitäten des Schlachtbetriebes, Baurecht, Kundenlisten etc.

7 Kopftuch

8 Kopftuch Zwei Wege zur Neutralität: 1. Gelebte Vielfalt: Alle rein Es ließen sich gute Gründe dafür anführen, die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten. 2. Strikte Trennung von Kirche und Staat: alle raus Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene Wandel kann Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein. 3. Praxis der Gesetzgebung: Aschenputtelprinzip: Die guten ins Töpfchen Abhilfe durch Rechtsprechung?

9 Die französische Baskenmütze als Symbol des Islam VG Köln Urteil vom K 2630/07: Zwar hat die Klägerin mit der Baskenmütze eine Kopfbedeckung gewählt, die nicht dem typischen Aussehen eines islamischen Kopftuchs entspricht. Sie trägt die Baskenmütze, die ebenso wie ein islamisches Kopftuch ihr gesamtes Haupthaar verhüllt, indes, um damit religiösen Bekleidungsvorschriften des Islam nachzukommen. Die Kopfbedeckung der Klägerin ist eine religiöse äußere Bekundung.Die Klägerin gibt damit in eindeutiger Weise zu verstehen, dass sie sich zur Religion des Islam bekennt

10 Das Grace-Kelly-Tuch als Symbol des Islam und die gute Bekleidungspolizey Die Klägerin trägt zwar kein traditionell islamisch gebundenes Kopftuch, das von ihr getragene Kopftuch in der von ihr als Grace- Kelly-Variante bezeichneten Form erweckt aber bei objektiven Dritten ohne weiteres den Eindruck, dass die Klägerin sich zum Islam bekennt. die von der Klägerin getragene Kopfbedeckung die Haare, den Haaransatz, einen großen Teil der Stirn sowie die Ohren bis auf den unteren Teil der Ohrläppchen vollständig umschließt. (VG Düsseldorf Urt. v K 1752/07) Das Gericht hat festgestellt, dass auch die alternative Kopfbedeckung Haare und Ohren vollständig umschließt. Hierzu trug die Klägerin einen Schal und einen ihren Hals teilweise bedeckenden Pullover. (VG Düsseldorf Urt. v K 6225/06)

11 Randkorrekturen durch die Rechtsprechung Keine generelle Ausnahme für christliche und jüdische Symbole Aber: Rechtfertigung von Sonderkonstellationen (Nonnenhabit) Und: Keine Gleichheit im Unrecht Ausnahme für Referendarinnen Keine Ausweitung auf Verwaltungsbeamtinnen

12 Abhilfe durch Gesetzgebung oder das Bundesverfassungsgericht? Warten aufs BVerfG Eher positive Rollenvorbilder in der Praxis: Staatssekretärin mit Kopftuch?

13 Burkini

14 Burkini Bundesverwaltungsgericht Urteil vom C 25/12 Keine Möglichkeit mehr der Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht aus Gründen der Glaubensfreiheit Anders noch BVerwG Urt. v C 6.12 bei Gewissensnöten Spannungsverhältnis zu Kopftuchentscheidungen: Schutz vor unerwünschtem Anblick vs. Pflicht zu unerwünschtem Anblick

15 Die Integrationsfunktion der Schule Integration durch Einheitsbildung: [Die Schule soll] unter den von ihr vorgefundenen Bedingungen einer pluralistisch und individualistisch geprägten Gesellschaft, dazu beitragen, die Einzelnen zu dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewussten Bürgern heranzubilden und hierüber eine für das Gemeinwesen unerlässliche Integrationsfunktion erfüllen.

16 Scheich al Leipzig? BVerwG: Burkini als annehmbare Ausweichmöglichkeit BVerwG problematisiert überhaupt nicht, dass die Klägerin den Burkini für sich nicht als glaubenskonform ansieht Letztlich ersetzt das Gericht mit einer alltagsplausiblen Annahme eine glaubensbedingte Selbstbestimmung = Staatliche Religionsinterpretation wie im 19 Jh.

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