H. Schunkert. J. Weil. Rationelle Diagnostik und Therapie bei Herzinsuffizienz
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3 H. Schunkert J. Weil Rationelle Diagnostik und Therapie bei Herzinsuffizienz
4 H. Schunkert J. Weil Rationelle Diagnostik und Therapie bei Herzinsuffizienz Mit 120 Abbildungen und 113 Tabellen 123
5 Professor Dr.med. Heribert Schunkert Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee Lübeck Priv.-Doz. Dr.med. Joachim Weil Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee Lübeck ISBN Springer Medizin Verlag Heidelberg ISBN Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungs anlagen, bleiben, auch bei nur auszugs weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechts gesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts gesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Marken schutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Hinrich Küster, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Zech, Heidelberg Copyediting: Christine Bier, Nußloch Design: deblik, Berlin Titelbild: deblik, Berlin SPIN Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Druck: Strauss, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem Papier
6 V Vorwort In Deutschland leben etwa 1,2 Mio Menschen mit einer Herzmuskelschwäche. Für die Lebensqualität und Prognose der vielen Betroffenen sind die Implikationen erheblich. So liegt die mittlere Überlebenszeit eines herzinsuffizienten Patienten bei unter 5 Jahren. Für unsere Gesellschaft ist darüber hinaus die finanzielle Bürde der stationären und ambulanten Behandlungskosten sowie der indirekten Kosten durch Arbeitsausfall kaum zu überblicken. Aktuelle Fortschritte verheißen jedoch betroffenen Patienten eine Linderung der Symptome bis hin zur Vermeidung von Krankenhausaufenthalten und eine deutliche Verbesserung der Prognose. Allerdings ist für das Erreichen dieser Behandlungserfolge die individuelle Umsetzung einer recht komplexen Therapie erforderlich. Für den klinisch und vielleicht mehr noch für den hausärztlich tätigen Arzt treffen diese Entwicklungen auf ein Spannungsfeld zwischen medizinischen Erfordernissen und budgetbedingten Limitationen. Dieses Buch soll daher praxisnah die aktuellen Neuerungen in Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz aufzeigen. Die Grundlagen bilden bedeutende klinische Studien sowie die aktuellen Richtlinien der nationalen und internationalen Fachgesellschaften zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Konzeptionell wichtige basiswissenschaftliche Erkenntnisse werden diskutiert, soweit deren Wissen für die Behandlung herzinsuffizienter Patienten praktische Relevanz besitzen kann. So wünschen wir, dass dieses Buch sowohl von Ärzten in ihrer Ausbildung als auch von Ärzten, die herzinsuffiziente Patienten in ihrer Praxis betreuen, als kleiner Leitfaden aufgenommen wird. Unser Dank gilt dem Springer Verlag für die professionelle Verwirklichung dieses Projektes. Insbesondere sei Herrn Küster für seine langmütige Unterstützung sowie Herrn Prof. Dr. U. Wiegand und Herrn PD Dr. F. Hartmann für die Kapitel Herzrhythmusstörungen und Herztransplantation bei Herzinsuffizienz gedankt. Besonderer Dank gilt Frau R. Domeier für die kritische Durchsicht des Manuskriptes. Schließlich wurde die Verwirklichung des Buches durch Unterstützung des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wesentlich befördert. H. Schunkert und J. Weil Lübeck, im Frühjahr 2005
7 VII Inhaltsverzeichnis 1 Definition und Epidemiologie Definitionen Herzinsuffizienz Diastolische Herzinsuffizienz Asymptomatische linksventrikuläre Dysfunktion Epidemiologie Linksventrikuläre Dysfunktion Manifeste Herzinsuffizienz Ätiologie Präzipitierende Faktoren Prävention Prognose Weiterführende Literatur Kardiale Funktionsstörungen bei Herzinsuffizienz Systolische Dysfunktion Ejektionsfraktion Verkürzungsfraktion Regionale vs. globale Störung der systolischen Funktion Diastolische Dysfunktion Phasen der Diastole Vorwärts- vs. Rückwärtsversagen des Herzens Rechtsseitiges vs. linksseitiges Herzversagen Low-output- vs. High-output- Herzversagen Elektrische Instabilität Ursachen für die elektrische Instabilität Supraventrikuläre Rhythmusstörungen Ventrikuläre Rhythmusstörungen Weiterführende Literatur Kardiale Adaptationsmechanismen bei Herzinsuffizienz Funktionelle Adaptation des Herzens Frank-Starling-Mechanismus Treppe-Phänomen bei Herzinsuffizienz Tachykardie Adaptation neurohormonaler Systeme im Herzen Funktionelle Auswirkungen einer Ischämie Strukturelle Adaptation des Herzens Makroskopische Veränderungen des Herzmuskels Mikroskopische Veränderungen Zelluläre und molekulare Adaptation bei Herzinsuffizienz Das Sarkomer Ionenkanäle und kalziumbindende Proteine Energiestoffwechsel Weiterführende Literatur Periphere Adaptationsmechanismen bei Herzinsuffizienz Adaptation des neurohormonalen Netzwerkes Autonomes Nervensystem Renin-Angiotensin-Aldosteron- System Vasopressin-System Endothelin-System Natriuretisches Peptid-System Bradykinin Adrenomedullin NEP- und Vasopeptidase-Inhibition Niere Effekte einer Herzinsuffizienz auf die Niere Renales Renin-Angiotensin-System Sympathikuswirkung an der Niere Renales Vasopressinsystem Hyponatriämie Gefäßsystem Endothel Gefäßstruktur
8 VIII Inhaltsverzeichnis Transplantatvaskulopathie Lunge Lungenkreislauf bei Herzinsuffizienz Lungenödem Pulmonale Hypertonie Lungenfunktion bei Herzinsuffizienz Zentrales Nervensystem Zentrale Schlafapnoe bei Herzinsuffizienz Gastrointestinaltrakt Cirrhose cardiaque Zirrhotische Kardiomyopathie Kachexie Zytokine, Entzündung und freie Sauerstoffradikale Zytokine Stickstoffmonoxid, freie Radikale und Antioxidanzien Gerinnungssystem Skelettmuskulatur Weiterführende Literatur Diagnose der chronischen Herzinsuffizienz Anamnese und klinische Symptome Körperliche Untersuchung Klinisch-chemische Diagnostik Apparative Untersuchungen Elektrokardiogramm Thoraxröntgen Echokardiographie Kontrastechokardiographie und 3-D-Echokardiographie Belastungsuntersuchungen Ergometrie Spiroergometrie min-Gehtest Stressechokardiographie Nuklearmedizinische Verfahren Diagnostik der Ventrikelfunktion Diagnostik der Myokardperfusion Andere bildgebende Verfahren Computertomographie Magnetresonanztomographie Invasive Verfahren Linksherzkatheter Rechtsherzkatheter Myokardbiopsie Komplikationen invasiver Maßnahmen Rationelle Stufendiagnostik Weiterführende Literatur Differenzielle Ätiologie der Herzinsuffizienz Kardiale Erkrankungen Dilatative Kardiomyopathie Idiopathische DCM Richtungsweisende diagnostische Testverfahren bei dilatativer Kardiomyopathie Hypertrophe Kardiomyopathie Restriktive Kardiomyopathie Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie Richtungsweisende diagnostische Testverfahren bei arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie Therapeutische Besonderheiten bei arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie Koronare Herzkrankheit Richtungsweisende diagnostische Testverfahren bei koronarer Herzkrankheit Therapeutische Besonderheiten bei koronarer Herzkrankheit Extrakardiale Ursachen der Herzinsuffizienz Arterielle Hypertonie/linksventrikuläre Hypertrophie Adipositas Äthyltoxische Kardiomyopathie Diabetes mellitus Schilddrüsenfehlfunktion Phäochromozytom Akromegalie Niereninsuffizienz Fehl-/Mangelernährung Anämie Rheumatologische Erkrankungen Speicherkrankheiten
9 Inhaltsverzeichnis IX Peripartale Kardiomyopathie Malignome Medikamentösinduzierte Herzinsuffizienz Takotsubo-Kardiomyopathie Weiterführende Literatur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz Kausale Therapie Allgemeine Maßnahmen Training »Heart failure nurses« Reisen Impfungen Schwangerschaft Pharmakologische Therapie Hemmung der neurohormonalen Aktivität Lastsenkung Positiv-inotrope Substanzen Behandlung herzinsuffizienzassoziierter Rhythmusstörungen U. Wiegand Bradykarde Herzrhythmusstörungen Supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen Ventrikuläre Rhythmusstörungen Primärprophylaxe des plötzlichen Herztods/Risikostratifizierung Kardiale Resynchronisationstherapie U. Wiegand 7.6 Prophylaxe und Therapie embolischer Ereignisse Apparative Verfahren Mechanische Kreislaufunterstützung Apparative Ultrafiltration Myokardrevaskularisation und Mitralklappenchirurgie Operative Therapie Dynamische Kardiomyoplastie Passive Kardiomyoplastie Partielle ventrikuläre Reduktionsplastik nach Batista Modifizierte Ventrikelrekonstruktion nach Dor Herztransplantation F. Hartmann 7.10 Sozioökonomische Aspekte der Herzinsuffizienztherapie Experimentelle Therapieverfahren Immunmodulation Wachstumshormone Endothelinantagonisten Andere neurohumorale Antagonisten Natriuretische Peptide Vasopressinantagonisten Kalziumsensitizer Statine Matrix-Metalloproteinase- Inhibitoren »Tissue engineering«und Stammzellen Weiterführende Literatur Perioperatives Management bei chronischer Herzinsuffizienz Risikoabschätzung Perioperative Therapie Perioperative Fortführung der Herzinsuffizienztherapie β-adrenozeptorblocker ACE-Inhibitoren und Diuretika Herzglykoside Weiterführende Literatur Chronisches Cor pulmonale Ätiologie Präkapilläre pulmonale Hypertonie Postkapilläre pulmonale Hypertonie Klinische Symptomatik Diagnostik EKG Röntgen Echokardiographie Lungenfunktionsprüfung Rechtsherzkatheter Belastungstest
10 X Inhaltsverzeichnis Bildgebende Verfahren Lungenbiopsie Therapie Sauerstoff Medikamente Operative Verfahren Prognose Weiterführende Literatur Zentrale Schlafapnoe bei Herzinsuffizienz U. Wiegand 10.1 Pathophysiologie und klinische Symptomatik Schlafapnoesyndrom bei chronischer Herzinsuffizienz Diagnostische und therapeutische Schritte Weiterführende Literatur Besonderheiten im fortgeschrittenen Lebensalter Morphologische und funktionelle Veränderungen des Herzens Metabolismus von Arzneistoffen Veränderungen in der Pharmakokinetik Pharmakodynamik Besonderheiten bei der Therapie der Herzinsuffizienz Weiterführende Literatur Therapie herzinsuffizienter Patienten mit Klappenvitien Aortenklappenfehler Aortenklappenstenose Chronische Aortenklappeninsuffizienz Mitralklappenfehler Mitralklappenstenose Chronische Mitralklappeninsuffizienz Weiterführende Literatur Stichwortverzeichnis
11 XI Autorenverzeichnis Hartmann, F., Priv.-Doz. Dr. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Medizinische Klinik II, Ratzeburger Allee 160, Lübeck Schunkert, H., Prof. Dr.med. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee Lübeck Weil, J., Priv.-Doz. Dr.med. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee Lübeck Wiegand, U., Prof. Dr. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Medizinische Klinik II, Ratzeburger Allee 160, Lübeck
12 1 Definition und Epidemiologie 1.1 Definitionen Herzinsuffizienz Die Diagnose Herzinsuffizienz umschreibt einen Komplex verschiedener kardialer Erkrankungen und Symptome, aber keine pathogenetische Entität. Dies spiegelt sich auch in den deskriptiven Definitionen wider, die dem Syndrom gegeben worden sind. Die Definition der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) orientiert sich an den klinischen Erfordernissen: Die Diagnose Herzinsuffizienz kann gestellt werden, wenn 1. typische Symptome der Herzinsuffizienz vorliegen (entweder in Ruhe oder unter Belastung) und 2. der objektive Nachweis einer kardialen Dysfunktion (in Ruhe) vorliegt. Im Zweifelsfall kann 3. ein Ansprechen auf therapeutische Maßnahmen letzte Zweifel beseitigen ( Abb. 1.1). Die Definition des National Heart Lung and Blood Institutes, USA (NHLBI) orientiert sich stärker an der Pathophysiologie der Erkrankung: Eine Herzinsuffizienz tritt ein, wenn eine Störung der kardialen Funktion Ursache dafür wird, dass die Peripherie unzureichend mit Blut versorgt wird oder die periphere Versorgung nur durch eine Erhöhung der Füllungsdrücke aufrechterhalten werden kann. Ursache hierfür können Störungen in der Füllung, der Kontraktilität oder der Entleerung des Ventrikels sein. Kompensatorische Mechanismen führen zu einer Erhöhung des Blutvolumens, der Füllungsdrücke, der Herzfrequenz und/oder der Muskelmasse, um die Pumpfunktion aufrechtzuerhalten. Dabei kommt es zur Umverteilung des Blutflusses. Trotz der Kompensationsmechanismen
13 2 Kapitel 1 Definition und Epidemiologie 1 Ursache Klinisches Bild Dyspnoe, Ödeme Nykturie etc. oder LV-Dysfunktion + rasche Ermüdbarkeit Inappetenz Tachykardie Arrhythmien oder oder III+IV Herzton Hyponatriämie oder Abb Diagnostische Kriterien bei der Herzinsuffizienz. Definition der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie Herzinsuffizienz Ansprechen auf spez. Therapie kann sich ein progressives Versagen der Kontraktilität und Relaxation des Herzens entwickeln. Die Definition der World Health Organization (WHO) stellt eine vereinfachte Synthese der ESC- und NHLBI-Definitionen dar: Herzinsuffizienz bezeichnet die Unfähigkeit des Herzens, Blut und damit Sauerstoff in ausreichender Menge zu den Organsystemen zu transportieren. Klinisch ist ein Symptomenkomplex mit Luftnot, rascher Ermüdbarkeit und Flüssigkeitsretention die Folge. M. Packer hebt in seiner Definition auf periphere Adaptationsmechanismen ab: Die Herzinsuffizienz repräsentiert ein komplexes klinisches Syndrom, das durch Störungen der linksventrikulären Funktion und der neurohormonalen Regulation gekennzeichnet ist und zur verminderten körperlichen Belastbarkeit, Flüssigkeitsretention sowie eingeschränkter Lebenserwartung führt. Gemein haben heutzutage alle Begriffsbestimmungen zur chronischen Herzinsuffizienz, dass eine Verknüpfung aus kardialer Erkrankung und klinischen, funktionellen oder neurohumoralen Folgen in der peripheren Zirkulation hergestellt werden sollte. Diese Definitionen stellen trotz ihrer Einfachheit eine gewisse Herausforderung für die tägliche Praxis dar. So sind laut der ESC- Definition die Diagnosekriterien nur unvollständig erfüllt, wenn z. B. bei einem Patienten Luftnot unter Belastung, prätibiale Ödeme und ein dritter Herzton bestehen, aber der objektive Nachweis einer kardialen Dysfunktion (meist ein pathologisches Echokardiogramm) noch aussteht. Eine solchermaßen restriktive Auslegung der
14 Definitionen Herzinsuffizienz bei diastolischer Funktionsstörung 25% behandelt, aber keine Herzinsuffizienz 50% unbehandelt 12,5% 12,5% behandelt Herzinsuffizienz bei systolischer Funktionsstörung Abb Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz in der Gesamtpopulation. Viele Patienten werden therapiert, ohne eine Herzinsuffizienz zu haben; andere mit manifester Herzinsuffizienz bleiben unbehandelt. (Nach Cleland et al. 1998) Diagnose Herzinsuffizienz mag kritikwürdig erscheinen. So bedeutet die Definition, dass die enorme Zahl der meist älteren Patienten mit typischer klinischer Symptomatik zur Diagnosestellung formell einer Untersuchung zugeführt werden sollte, die in vielen hausärztlichen Praxen nicht erbracht werden kann. Außerdem bringt die Definition ein gewisses Misstrauen gegenüber der klinischen Urteilsfähigkeit zum Ausdruck ( Abb. 1.2). Allerdings haben Studien wiederholt gezeigt, dass eine ausschließlich klinische Evaluation, wie sie z. B. bei englischen und amerikanischen Hausärzten erfolgte, nur bei etwa 50% der Patienten mit entsprechendem Verdacht zur richtigen Diagnose führt. Eine präzise Diagnose ist aber die Voraussetzung, um bei der prognostisch ungünstigen Erkrankung den optimalen therapeutischen Nutzen zu erzielen. Nicht zuletzt ist die moderne medikamentöse Kombinationstherapie aufwändig, kostspielig und nicht risikolos, so dass der objektive Nachweis einer kardialen Dysfunktion durchaus bei den meisten Patienten empfehlenswert erscheint Diastolische Herzinsuffizienz Die echokardiographische Abklärung von Patienten mit typischen Symptomen der Herzinsuffizienz überrascht nicht selten mit einer normalen systolischen Ventrikelfunktion. Die Ursache der Beschwerden ist dann oft eine diastolische Herzinsuffizienz, wobei eine Füllungsstörung des linken Ventrikels ein Rückwärtsversagen und damit Symptome hervorruft.
15 4 Kapitel 1 Definition und Epidemiologie 1 Eine Arbeitsgruppe der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie schlägt vor, von einer diastolischen Herzinsuffizienz auszugehen, wenn: typische Symptome einer Herzinsuffizienz vorliegen und eine normale oder nur mild eingeschränkte systolische Funktion vorliegt und der linke Ventrikel normale Volumina hat und der Nachweis einer diastolischen Dysfunktion gelingt. Eine diastolische Dysfunktion, die eine höhergradige systolische Kontraktilitätsstörung begleitet, wird dagegen nicht als gesonderte Entität betrachtet Asymptomatische linksventrikuläre Dysfunktion Per definitionem (ESC) liegt bei objektivem Nachweis einer systolischen Dysfunktion und Fehlen einer klinischen Symptomatik eine asymptomatische kardiale Dysfunktion vor. Eine asymptomatische systolische Dysfunktion findet sich z. B. dann, wenn im Echokardiogramm als Zufallsbefund eine eingeschränkte Kontraktilität des Herzens festgestellt wird, ohne dass der Patient in Ruhe oder unter Belastung Symptome der Herzinsuffizienz entwickelt. Untersuchungen an Bevölkerungsstichproben haben gezeigt, dass Patienten mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion annähernd gleich häufig wie Patienten mit typischer, d. h. symptomatischer Herzinsuffizienz anzutreffen sind. Die Prognose von symptomatischen Patienten ist besser als die von Patienten mit klinisch manifester Herzinsuffizienz. So manche Fragen zur optimalen Therapie in dieser Patientengruppe sind allerdings derzeit noch offen ( Abb. 1.3). 6 n=1467 Echo-EF < 30% asymptomatisch symptomatisch Abb Anteil von Patienten mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion und manifester Herzinsuffizienz in der Gesamtpopulation, echokardiographisch ermittelte Ejektionsfraktion (Echo) Prävalenz (%) 3 0 Männer Frauen
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