Kunst der Gegenwart Organisation und Markenbildung

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1 Kunst der Gegenwart Organisation und Markenbildung Teil I: Kunstphilosophie Skript für das Kontextstudium Masterstufe von Dr. Salome Schmid-Isler Skript für BWL-Studierende Reflexionskompetenz Sommersemester 2005, Mit Update COPYRIGHT BY AUTHOR

2 Inhalt Einführung zum Kurs... 4 Motivation... 5 Kursstruktur... 6 Theorieteil Zum Kunstbegriff Philosophie der Kunst... 8 Positionen von der Antike bis zur Gegenwart... 8 Fazit...12 Pflichtlektüre zu diesem Skriptteil...14 Referenzen Geschichte der Kunst...21 Antike (Griechisches und römisches Reich, 7. Jh.v.Chr. 5. Jh.n.Chr.)...21 Mittelalter (Europa, Jh.)...25 Renaissance ( Jh., v.a. in Italien)...27 Barock (2.H. 17. und 18. Jh.)...30 Industrialisierung (19. Jh.)...32 Moderne (1. Hälfte des 20. Jahrhunderts)...34 Postmoderne (2.Hälfte des 20. Jahrhunderts)...37 Fazit...41 Pflichtlektüre zu diesem Skriptteil...41 Referenzen Zum Werkbegriff in der Kunst Wie lassen sich Künste einteilen? Künste nach Unterscheidung der angesprochenen Sinne Künste nach Unterscheidung der kognitiven Rezeption Künste nach Unterscheidung der Botschaft Zum Werkbegriff in der Ära des Bildes: Das Ikon Zum Werkbegriff in der Ära des Kunstwerkes: Das Schaubild MIMESIS: Kunst als Nachahmung der äusseren Welt AUSDRUCK: Kunst als Sinnbild der inneren Welt Zum Werkbegriff in der Ära der Konzepte Die Diskussion zur Ästhetik in der Postmoderne Das Spiel zur Ästhetik Die Entgrenzung jedes Kunstanspruchs: alles ist Kunst?...66 Fazit...71 Kunstwerk als Bild...71 Kunstwerk als Könnerschaft...71 Kunstwerk als Konzept...72 Referenzen

3 3. Organisation der Kunstszene Die Kunstszene als Medium Der Kunstmarkt als Teil der Kunstszene Organisation: Die Player des Kunstmarktes Logik: Wissen im Kunstmarkt Kanäle: Die Orte und Schnittstellen des Kunstmarktes Eine Landkarte zum Kunstmarkt Beispiel: Betriebssystem Kunst Beispiel: Netzwerkbildung Beispiel: Entstehung der Preislage von Kunst...91 Referenzen Markenbildung in der Kunst Die Marke und das Markenwesen Zum Begriff der Marke Funktionen der Marke Geschichtlicher überblick zur Marke Namens- und Markenbildung in der Kulturgeschichte Kommunikationsdesign mit Marken Kunst und Markenbildung (Art & Branding) Kunst als Marke, Marken als Kunst ID-Transfer und Lifestyle über Marken Künstler als Marke Referenzen

4 Einführung zum Kurs Der Kurs bietet eine kulturhistorische und kunstkritische Sicht auf den Zweig der Kunstökonomik. Es geht um das Thema "art und branding". In welcher Weise berühren sich Unternehmer und Kunst? Einerseits entwickeln sich zeitgenössische Kunstwerke wie Marken. Andererseits alimentieren Unternehmen ihre bestehende Marke mit dem Flair der Kunst. Wir wollen eine "Landkarte" der Kunstszene und ihrer Inszenierungen entwerfen. Was ist Kunst? Seit der Renaissance und nochmals in der Moderne hat sich die Rolle der Kunst entscheidend verändert, ebenso die Erklärungen, die über sie konstruiert worden sind. Obwohl oder gerade weil das heutig Kunsterlebnis nicht rational erklärt werden kann, übt insbesondere die rätselhafte Gegenwartskunst ein Faszinosum aus, das Menschenströme der ganzen Welt in Ausstellungsräume zieht und an Kunstmessen versammelt. Was fasziniert? Der Kult. Die Aura des Unerklärbaren, welche die Kunstszene umgibt. Die Verbindung von Geld und Macht mit Exponaten, die so erscheint es oft banal sind, sogar abstossend, oder bloss ein 'Nichts'. Das ästhetische Kunsterlebnis gipfelt recht eigentlich darin, sich angesprochen zu fühlen. Inwiefern ist der gegenwärtige Kunstbetrieb als Markenbildung zu verstehen? Das Geheimnis der Kunst, welches nicht gelüftet werden kann, ist sehr attraktiv und bildet auch bei der Markenbildung ein konstitutives Wesensmerkmal. Mit geeignetem Kommunikationsmanagement aus irgendeinem Artikel ein Markenprodukt zu kreieren sollte analog eingesetzt werden können, um aus einem "objet trouvé" ein hoch dotiertes Kunstwerk zu machen. Wie profitieren Unternehmen und Künstler voneinander? Die Beauftragung von Künstlern durch Unternehmer ist ein Geschäftsmodell, das bis zu den Anfängen der Geschichte zurückverfolgt werden kann. Machtträger (Klerus, Adel, Unternehmen) haben sich immer schon mit Luxus (d.h. mit Kunst i.w.s.: Feste, Bauwerke und Denkmäler, Skulptur und Malerei) geschmückt und so ihr Image gepflegt. Auch Kunstförderung in Form des Mäzenatentums und des Sponsoring reicht mindestens bis ins Mittelalter zurück 1. Eine frühe Form der Markenbildung lässt sich seit dem 15. Jahrhundert beobachten, als einzelne Künstler begannen, ihre Arbeiten zu signieren 2. Die Signatur, oft auch in Form eines Monogramms, war nicht nur eine Garantie für die Qualität des Kunstwerkes, sondern gleichzeitig ein Indiz dafür, dass dieses für einen anspruchsvollen bzw. hochgestellten Kunden hergestellt worden war. Es implizierte, dass es sich um "Hofkunst" 3 handelte. So schlug sich in der bildenden 1 Wohl haben schon die alten Ägypter, Griechen und Römer ein Künstlersponsoring betrieben, wenn man darunter versteht, dass Künstler d.h. damals: Könner ihres Faches an die Höfe berufen wurden, um dort für besonders schöne Architekturen, Musikstücke und Dichtungen, Buchmalereien, Porträts und Skulpturen zu sorgen. Diese Hofkünstler unterschieden sich aber nicht von anderen Künstlern etwa der Medizinkunst, der Tanzkunst, der Gartenkunst oder der Kochkunst. Karl der Grosse berief Gelehrte und Künstler nach Aachen. Ein dem heutigen Verständnis des Mäzenatentums (Geldzuwendungen, Verschaffen von Auftrittsmöglichkeiten, Ankauf von Werken) ziemlich genau entsprechendes Vorgehen ist u.a. bei Kaiser Maximilian I (gegenüber Albrecht Dürer) und bei den Medici in Florenz (gegenüber Leonardo, Michelangelo u.a.) nachweisbar. 2 Das Signieren basierte auf rechtlichen Überlegungen, es war zuerst eine Art Unterschrift auf einem Werkvertrag, welche Herkunft, Ausführung und Urheberrecht des Werkes bestätigte. 3 Die Signatur wirkte wie die Empfehlung eines Händlers, der sich als "Hoflieferant" bezeichnet, oder als Autorisierter <"By Appointment to Her Majesty the Queen" >. Vgl. auch Bätschmann 1997 (Referenz auf den von Martin Warnke eingeführten Term des Hofkünstlers) 4

5 Kunst die Assoziation mit Aristokratie und Luxus in der Signatur des Werkes nieder. Diesem Imagetransfer vom hochgestellten Auftraggeber auf das signierte Werk folgte vor kurzer Zeit ein erneuter Imagetransfer vom gekauften Kunstwerk, dem "Fine Art Piece", auf den Besitzer. Im Lauf der Geschichte hat sich gewissermassen die Noblesse der Auftraggeber für Kunst auf die Kunstwerke übertragen und von diesen wiederum auf die heutigen Besitzer von Kunst. Die Kunst der Moderne und Postmoderne hat ein immer wiederkehrendes Thema, das des Tabubruchs, des Auffallens und des schockierend Banalen. Das Auffällige in der Gegenwartskunst ergibt sich oft über die Positionierung von etwas eigentlich Unauffälligem in einem fremden Kontext, nämlich im Museum. Dies ist der "Trick" der Ready made-kunstwerke, aber auch von Minimal Art. In der Werbebranche ist das Auffallen ein primäres Anliegen 4, deshalb sind Plakate so "schreiend" oder reisserisch aufgemacht, deshalb wird dort mit den letzten Mitteln an die Urinstinkte appelliert (üsex and Crime). Wenn Unternehmen eine Kunstveranstaltung sponsern, wollen sie auffallen. Sie rechnen damit, bei ihrer Zielkundschaft in einer anderen Umgebung als der üblichen Umgebung nicht nur ein zusätzliches Zeitfenster frischer Aufmerksamkeit zu bekommen, sondern sich dort mit der durch Kunst geadelten Inszenierung eine neue Imagequalität aneignen zu können. Das verstärkt bestehende Kundenbindungen und erhöht die Chance, neue Kunden zu gewinnen 5. In Kunst wird auch als Geldanlage investiert. Dies verbindet Anlageberater, Galeristen und Künstler, welche am Ende denselben Klienten als Käufer haben. Wenn heute an Kunstmessen eine Bank als Sponsor und die Galerien als Förderer von Künstlern auftreten, so entsteht ein Event, in dem sich unterschiedliche starke Marken zu einem Co-Branding verbinden. Dies wirkt überzeugend auf potentielle Kunden. Motivation Die Motivation für diesen Kurs besteht seitens der Dozentin darin, dass sie sich seit Jahren mit der Wirkung von Kunst und Kommunikation befasst und an der Universität St. Gallen erforscht und lehrt (BA und MA-Programm: Kunst und Markenbildung; erfolgreiche Kommunikationsdesigns, Design digitaler Produkte; Werkbegriff in der Kunst und Bildbegriff in den Medien. Öffentliche Vorlesungen: Kunst der Gegenwart, ein Leitfaden; Was ist Kunst, zur Kontroverse zwischen Kunst und Design). Für die Studierenden dürfte die Motivation darin bestehen, dass das junge Gebiet der Kunstökonomik in starkem Aufschwung ist und dass sie als künftige HSG-Absolventen und Absolventinnen diesem Bereich sicherlich begegnen oder sogar darin involviert sein werden. Dass der Markt mit Kunst und Künstlern zunehmend als Markt von Marken verstanden werden kann, ist eine auch unter Ökonomen noch neuere Einsicht. Es geht im Geschäft "art and branding" aber nicht nur um ökonomische Werte, sondern auch um die Poesie der Kunsterfahrung. Diese lässt sich nur teilweise als Markenwert bilden. Um besser zu verstehen, wie das Geschäft mit der Kunst gehandhabt wird, braucht es eine minimale Einführung in Kunstphilosophie und Kunstgeschichte und ein Verständnis zum Werkbegriff in der Kunst. Dies wird in diesem Kunst zu vermitteln versucht. 4 AIDA: Attention Interest Desire Action, lautet die Zauberformel für die Werbung. Aufmerksamkeit erhaschen, Interesse und Begierde wecken, dem die Aktion des Kaufens folgt. 5 Schwaiger

6 Kursstruktur Das Thema "Kunst der Gegenwart: Organisation und Markenbildung" ist ein Reflexionskurs im Kontextprogramm des Masterstudium der Universität St. Gallen (SS 2006). Der Schwerpunkt des Unterrichts liegt auf der Vermittlung dessen, was heute "Kunst" genannt und als "Kunst" auf internationalen Märkten angeboten wird. Die daraus resultierenden Fragen beziehen sich dann auf die heutige Organisation der Schauplätze der Kunst, also auf die Mitspieler, Inszenierungen, Interaktionsregeln, Geschäftsmodelle. In der Folge sollte die Reflexion dem Vergleich zwischen Markenpolitik und Kunstpolitik gelten: In welchen Bereichen wird Kunst zur Marke, wofür steht eine solche Marke? Wo entstehen markenähnliche Effekte, die sich aber nicht bewirtschaften lassen, und weshalb nicht? Usf. Die Studierenden werden an folgende Fragen herangeführt: Wie funktioniert der Kunsthandel heute? Welches sind die Big Players der Kunstszene, wie definieren sie ihre Rolle? Was macht Kunst zu Kunst, bzw.: Wo und wie findet Kunsterfahrung statt? Ziel der Veranstaltung ist es, den Studierenden einerseits die Organisation des Kunstmarktes zu zeigen, andererseits deutlich zu machen, wie facettenreich das Erlebnis der Gegenwartskunst sein kann. Als gemeinsam im Kurs erarbeitetes Produkt gilt die Aufzeichnung und Einordnung von Befragungen in der Landschaft des Kunstmarktes. Der Kurs ist in einen Theorieteil und einen empirischen Teil geteilt. Der Theorieteil besteht aus Kontakt- und Selbststudium. Im empirischen Teil erarbeiten einzelne Gruppen je eine Studie, welche Bausteine für den Themenbereich "art and branding" beisteuert. Dazu gehört ein gemeinsamer Besuch der Kunstmesse Art Basel, Juni Theorieteil Kunstphilosophie: In der Theorie beginnen wir mit einer Einführung in den Kunstbegriff aus philosophischer Sicht. Aus den unterschiedlichen ästhetischen Positionen seit der Antike zeigt sich, dass die Frage "was ist Kunst" nur aus einer geschichtlichen Perspektive 6 heraus beantwortet werden kann. Kunstgeschichte: Danach folgt ein kurzer Überblick zur Kunstgeschichte, an Beispielen der bildenden Kunst, vor allem der Malerei. Anhand der Rolle von Kunstwerken, der Positionierung von Künstlern und dem Ausstellungswesen in den verschiedenen Kulturepochen zeigt sich, dass Kunst 'immer schon' als Instrument der Kommunikation verwendet worden ist. Werkbegriff: Die Kunst des 20. Jahrhunderts, d.h. der Moderne und vor allem der Postmoderne (Kunst seit den 1960ern) wird hinsichtlich der Veränderung des Werkbegriffs in der Kunst untersucht. Vom Artefakt, dem 'tableau' mit Aura 7, führt die Entwicklung über das re-produzierte Werk: das 'objet trouvé' (ready made), dessen Platzierung darüber entscheidet, ob es sich um Kunst oder Abfall handelt, um beim Konzept zu enden, einer Kunst, die nicht mehr real hergestellt werden muss, um zu wirken. Die Gesellschaft konstruiert durch ihr Verhalten das Phänomen Kunst. 6 Genauer formuliert müsste es heissen: Aus einer hermeneutischen Position. Die Hermeneutik berücksichtigt die zeitliche Distanz zwischen heute, Tag der Interpretation, und dem Zeitpunkt bzw. dem Kontext, in welchem ein Kunstwerk entstand. Entsprechend müssen eine linguistische, historische und rhetorische Differenz berücksichtigt werden (so z.b. nach Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 3. Aufl., Tübingen Vgl. auch S. Schmid-Isler, Skript "Erfolgreiche Kommunikationsdesigns", Teil 2). Nelson Goodman schlägt vor, die Frage "was ist Kunst" aus der Perspektive "wann ist Kunst" zu beantworten. 7 Benjamin 1963: Die Aura eines Kunstwerkes haftet am Original und verliert sich in der Reproduktion 6

7 Landschaft der heutigen Kunstszene: Wir suchen dann die Orte, an denen Kunst erscheint, sowie die dabei involvierten Mitspieler und Institutionen. Welches sind die Regeln und Verhaltensprotokolle, welche heute Kunst schaffen, wie werden die Referenzgrössen für Qualität und Wert definiert? Bei der Suche nach Antworten und Ansprechpartnern für unsere Fragen sollte deutlich werden, dass Kunst und Künstler über ein Netz von Institutionen definiert werden, wobei ein dem Branding von Luxusmarkengütern vergleichbares Vorgehen aufscheint. Wir wollen diese Markenbildungsprozesse näher betrachten. Kontakt: 7

8 1. Zum Kunstbegriff Der Begriff der Kunst kann aus geisteswissenschaftlicher Sicht betrachtet werden. Dem gemäss folgt hier eine Einführung in die Ästhetik, die Philosophie der Kunst. Kunst wird auch in der deutschen Wurzel vom Wort "Können" her definiert, was in Produkten sichtbar wird, die als Kunstgüter in die Geschichte und in die Museen eingegangen sind. Darüber berichtet der Abschnitt zur Geschichte der Kunst Philosophie der Kunst Positionen von der Antike bis zur Gegenwart Die Philosophie hat seit der Antike die Auseinandersetzung mit dem Schönen, mit der Kunst, zum Gegenstand. Zahllose Schriften widmen sich der Frage, wann und warum wir über unsere Wahrnehmung (aisthesis, griech: die sinnliche Wahrnehmung) etwas als "schön" begreifen, wie das Schöne bewusst gestaltet werden könne, wie der Mensch zum Schönen erzogen werden könne. Die Kunstphilosophie wird hier nur summarisch, anhand von Exponenten seit der Antike bis heute, behandeltn 8. Wir verweisen auf die Literaturliste für vertiefte Studien der Ästhetik in der Antike 9, im Mittelalter 10, in der Renaissance 11, in der Neuzeit 12 sowie in der Gegenwart 13. Die Pythagoräer lehrten Schönheit als mathematische Verhältnisse, wie sie z.b. im goldenen Schnitt oder in den musikalischen Intervallen als Harmonie wahrzunehmen sind. Sokrates ( v.chr.) lehrte, dass Kunst nicht nur Gestaltung in Form eines Handwerks, sondern auch die Kultivierung einer Lebenshaltung ("Selbst- Management", z.b. in Form der Besonnenheit) sei. Platon ( v.chr.) und die Platoniker lehrten "das Wahre, Gute, Schöne". Platon unterscheidet zwei Künste: 1. die Handwerker, die Produkte herstellen, 2. die Künstler, welche die Welt nachahmen (Maler, Schauspieler, Dichter). Die Handwerker sind dem ursprünglichen "Sein" näher, da sie es neu erschaffen, während die Künstler nur etwas das es schon gibt nachahmen. Es sei bloss ein "Kopieren": Da wir die "göttlichen Ideen" mit unseren Sinnen sowieso nur schemenhaft (wie Schatten in einer Höhle) wahrnehmen, ist die Nachahmung des sinnlich Schönen noch weiter vom Ursprung des Seins entfernt, eine Nachahmung eines Schattens! Das sinnlich Schöne ist nur ein Weg, eine "Sehnsucht", die zur Wahrheit des Seins, der göttlichen "Ideen" führt. Schön kann eine Statue oder ein Bild sein, aber am schönsten ist die Idee des Schönen, die mit der Idee des Guten zusammenfällt und laut Platon die höchste Wahrheit darstellt letztlich ist das Schöne, Wahre und Gute dasselbe 14. hinter das Gute zu stellen, da sie bloss sinnliche Nachahmung des Guten, also etwas Unechtes sei. 8 Vgl. Bertram 2005, Hauskeller 1999, Barasch Büttner 2006, Grassi Eco Jäger Schaeffer de Vries 1974, Henrich 1984, Ammann Hauskeller 1999, S. 13 8

9 Aristoteles ( v.chr.), Schüler von Platon, widerspricht ihm, indem er sagt: Die "Ideen" sind nicht in einer jenseitigen Welt, sondern sie sind Formen der Wirklichkeit, die ausschliesslich in der realen Welt existieren. Stoff (Materie) und Form gehören zusammen, lassen sich nicht trennen. Es gibt nichts, das nicht "default" eine Form hat, haben muss. Wenn nun de Künstler etwas formt, oder der Poet oder der Musikant, dann sind ihre Formen, Formulierungen, nicht nur Nachahmung, sondern etwas tatsächlich neu Erschaffenes. Aufgabe des Künstler ist es, nicht nachzuahmen was wirklich da ist oder war, sondern etwas neu zu schaffen, was sein könnte oder hätte geschehen können. Kunst ist Fiktion, aber eine wahrscheinliche. Sie lässt das Allgemeine im Besonderen aufscheinen und zeigt uns den "Typus". Das ist eine Erkenntnis. Diese wirkt erzieherische, weil sie uns berührt, weil die Kunsterfahrung ein Mitfühlen / Mitleiden provoziert, dieser Ergriffenheitszustand ist die reinigende "Katharsis". Maxime: Kunst ist ein regelgeleitetes Tun, ist vernünftig. (so gültig bis ins 17. Jh.). Anthony Earl of Shaftesbury ( ) lobte den "mit der Seele verwobene" Ordnungssinn und die "gewaltige Natur, weise Stellvertreterin der Vorsehung" welche die "Quelle und das Prinzip aller Schönheit und Vollkommenheit" sei. Shaftesbury war ein englischer Schwärmer. Der formende Geist, nicht die Form, ist die Schönheit (Schönheit dritter Ordnung). Mit Shaftesbury widersetzten sich auch andere Engländer der Regel, Kunst sein rational konstruierbar. Sie sagten, schön sei nur das, was auch als schön empfunden werde das Schöne = das (subjektiv gefühlte) Angenehme. 15 Alexander Baumgarten ( ) verfasste die Aesthetica (1750/58), womit er den Philosophen Kant beeinflusste. Das Ziel der Ästhetik sei die Vervollkommnung der sinnlichen Erkenntnis, das bedeutet: Die Schönheit. Etwas Hässliches dient nicht der Erkenntnis. Schönheit bezieht sich auf das Denken, die Disposition, den Ausdruck ("das angeborene ästhetische Temperament"), auf die Begeisterungsfähigkeit. Wichtig ist die Deutlichkeit des Ausdrucks, ästhetisch bedeutet: Klarheit, Unmissverständlichkeit. 16 Immanuel Kant ( ) ging den gefühlsmässigen Weg (wider den aristotelischvernunftgemässen Weg). In seinem Werk "Kritik der Urteilskraft" verfasste er eine umfassende Ästhetik als Theorie des ästhetischen Bewusstseins, das nicht allein in Natur und Kunst, sondern überall in der Welt Anlässe für eine besondere Form der sinnlichen Aufmerksamkeit findet. Ästhetische Wahrnehmung ist für Kant nicht eine Nebensache gegenüber theoretischer und praktischer Orientierung oder eine schöne Ergänzung zu ihr, sondern ein Lebenszustand. Nach Kant findet sich ästhetisches Vergnügen nicht nur in der hohen Kunst, sondern es spielt sich auch in vielen Situationen auf vielen Schauplätzen des alltäglichen Lebens ab. Kant prägte die Begriffe des Originals und des Genies im Künstler. Er stellte fest: o o o Kunst ist originell, Diese Originalität ist exemplarisch, Kunst wird weder von Regeln noch von einer Wissenschaft bestimmt (der Künstler macht einfach was sein Genus ihm eingibt). 15 Zitate aus: Christiaan L. Hart Nibbrig: Ästhetik. Materialien zu ihrer Geschichte; ein Lesebuch. Frankfurt: Surhkamp 1978 (S. 74 f.) 16 Vgl. H.R. Schweizer: Ästhetik als Philosophie der sinnlichen Erkenntnis. Eine Interpretation der Aesthetica mit teilweiser Wiedergabe des lat. Textes in dt. Übersetzung, Basel 1973; vgl. auch: Christiaan L. Hart Nibbrig: Ästhetik. Materialien zu ihrer Geschichte; ein Lesebuch. Frankfurt: Surhkamp 1978 (S. 77) 9

10 Schönes hervorzubringen sei eine göttliche Gabe, die nur dem Genie des Künstlers vorbehalten ist. Ästhetische Gestaltung müsse zwar Regeln erkennen lassen, beruhe aber auf unserer Anschauung, die wir nicht eindeutig (begrifflich) fassen können. Kunst sei ein inneres Schauen. Kant befand, dass die Erfahrung von Schönheit letztlich ein Geschmacksurteil sei. "So lässt sich niemand durch Aufzählung der Zutaten davon überzeugen, dass ihm das daraus zusammengesetzte Gericht zu schmecken habe. Entweder es schmeckt, oder es schmeckt nicht. Dasselbe gilt nun auch für die Beurteilung der Schönheit eines Gegenstandes, weshalb das ästhetische Urteil von der Vernunft auch zu Recht "Geschmacksurteil" genannt wird. " ( ) "Nun ist, was für die Beurteilung des Schönen der Geschmack, für seine Hervorbringung das Genie. Genie ist das Talent, welches der Kunst die Regel gibt". 17 Friedrich Schiller ( ) widmete sich der ästhetischen Erziehung des Menschen (Briefe) und lobte den Künstler als Schöpfer 18 : Der Künstler führe uns zu unserer Mündigkeit, beglücke mit höherer Harmonie und dem Elysium (da wir nicht mehr nach Arkadien zurückkönnen) damit spricht er die Dichtung an, aber auch die anderen Künste als Spiel. Die Schönheit zeigt den Weg zur Freiheit auch der politischen Freiheit. "Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem heiligen Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb unvermerkt an einem dritten, fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins, worin er dem Menschen die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem entbindet, was Zwang heisst, sowohl im Physischen als im Moralischen. 19 Nur der Mensch spielt, nur der Mensch hat Kunst. Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel ( ; Vorlesungen über Ästhetik) ist das Schöne etwas Geistiges, d.h. es gibt kein Naturschönes (keine mimetische Kunst), sondern nur Kunstschönes. Kunst ist die sinnliche Präsentation des absoluten Geistes als Ideal. (Die Betonung liegt hier auf dem Adjektiv 'sinnlich', denn die eigentliche, reinste Darstellung der Wahrheit, der Ideen, des Geistes sieht Hegel in der Philosophie. Nur dort findet sich "das freie Denken des absoluten Geistes". 20 ) Hegels Schriften lassen sich auch so interpretieren: Kunst ist obsolet, sie wird ersetzt durch Religion, diese wird ersetzt durch Philosophie, die in ihrer reinsten Form Mathematik ist Die Kunst habe in der Archaik die symbolischen Kunstform gehabt, in der das Ideal erstrebt, abr noch vom Sinnlichen verdeckt war. In der antiken Klassik war das Ideal dann erreicht. Im späten Mittelalter (Gotik) wurder der klassisch-ideale Zenith überschritten, "indem das Geistige sich schon vom Sinnlichen wie von einem zu eng gewordenen Kleid zu befreien begann": Die Ästhetik konnte jetzt über sich selbst hinausweisen. Als Kunst stellte sie das Geistige noch sinnlich-gegenständlich dar. Als Religion verinnerlicht sie das Geistige in eine subjektive Vorstellung. Als Philosophie wird sie zum reinen systematischen Denken. "Denn erst im Denken kommt der Geist ganz zu sich selbst und wird, die Subjektivität der Religioon und die Objektivität der Kunst als Einheit von Denken und Gedachtem aufhebend, zum absoluten Geist." Zitate nach_ Hauskeller 1999, S. 35 und F. Schiller: Sämtliche Werke, 5 Bände, hrsg. von G. Fricke und H. Göpfert, München 1984 Band 1: Die Künstler, S. 174 ff. 19 F. Schiller: Sämtliche Werke, 5 Bände, hrsg. von G. Fricke und H. Göpfert, München 1984 Band 5, S Vgl. auch: [ 21 Vgl. Hauskeller 1999, S

11 Walter Benjamin ( ) hat in seinem lang und breit rezipierten Werk zum "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" 22 der Fotografie und dem Film den Kampf angesagt. (Vgl. Abschnitt Kunst als Darstellung). Er unterscheidet diese als bloss 'zerstreuende' Unterhaltungskünste von der wahren 'innerlichen' Kunst, welche "Aura" hat. Aura ist ein lateinisches Wort und bezeichnet die okkulte Vorstellung von einem den menschlichen Körper umgebenden Lichtkranz. Bei Benjamin wird Aura definiert als die "einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag". Die Einmaligkeit meint hier das Unikat mit seiner eigenen einmaligen Historizität, das "Original". Die Ferne ist eine Distanz, welche Benjamin empfindet, wenn er sich in seine Innenwelt zurückzieht um sich ganz der Wirkung des Kunstwerkes hinzugeben. M.a.W., Aura ist die einsame Versunkenheit des Kunstliebhabers vor dem Objekt seiner Liebe, die verinnerlichte Andacht gibt ihm das Gefühl der Ferne. Mit dieser Haltung war Benjamin schon in der Moderne auf verlorenem Posten. In der Kunst der Gegenwart ist die Aura kein Merkmal mehr für Kunst. Martin Heidegger ( ; Ursprung des Kunstwerkes) postulierte, Kunst sei ein "Ding", etwas aus einer Einheit von Stoff und Form Hergestelltes, das vom Zweck her bestimmt sei. Damit werde das Produkt ein "Zeug", das durch den Gebrauch definiert werde. "Erst wenn ich mit dem Zeug das tue, wozu es gemacht ist, ist es wahrhaft das, was es ist." Offenbar gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten, Zeug zu gebrauchen. Heidegger führt den Begriff "Werk" ein, das im Unterschied zum Ding und zum Zeug auch noch Wahrheit "geschehen" lässt. In einem Werk wird eine Welt errrichtet. Heidegger versucht, Kunst als Kult zu verstehen. 23 Bei Theodor W. Adorno ( ; Ästhetische Theorie) steht Kunst imzeichen des Appells, sie mahnt, sie hindert am Vergessen sie ist auch immanent traurig. Sie verweigert sich der Vereinnahmung durch die Realität, durch die Gewöhnung in der Zeit. Kunst wird "geboren" mit dem Vorwurf, ihr fehle fortan alle hermeneutische Erkenntis, womit sie "rigoros die Kommunikaiton verweigert, die Zumutung des Verstandenwerdens abweist". "Kunst muss grausam sein, muss Chaos in die Ordnung bringen ( ) muss wehtun Geradezu ein Gradmesser für den Wert eines Kunstwerkes ist die Wut, die ihm entgegenschlägt." 24 Das ist Adorno, seine Psyche, sein eigenes Lebensschicksal. Nicht wir Adorno erklärt die Sinnlosigkeit als Formprinzip. Hans-Georg Gadamer ( ; Aktualität des Schönen) hält fest, dass das Kunstwerk kein Gegenstand sei: "Das Kunstwerk hat vielmehr sein eigentliches Sein darin, dass es zur Erfahrung wird, die den Erfahrenden verwandelt. Das 'Subjekt' der Erfahrung der Kunst, das was bleibt und beharrt, ist nicht die Subjektivität dessen, der sie erfährt, sondern das Kunstwerk selbst." Damit bringt auch Gadamer das Spiel (wie Schiller), Spiel kommt durch die Spielenden erst zur Darstellung 25 - genau wie Kunst. 26 Nelson Goodman ( ; Sprachen der Kunst 27 ) erforscht die Entstehung von Bedeutung und widmete sich zeitlebens der Symboltheorie. "Ways of Worldmaking 28 " ist das Resultat von Symbolen. Die ästhetische Erfahrung habe vier Charakteristiken: 22 Benjamin nach Hauskeller 1999, S nach Hauskeller 1999, S Gadamer: Wahrheit und Methode, Tübingen: Mohr /Siebeck, 1975 (S ) 26 Bertram 2005, S Nelson Goodman: Languages of Art. Indianapolis/Cambridge: Hackett Publishing Co. Inc Weisen der Welterzeugung, Suhrkamp

12 o Syntaktische Dichte (Trägermedium Unterscheidungsmerkmal zwischen verschiedenen sinnlichen Codierungen, z.b. Grafik vs. Text vs. Notenschrift) o semantische Dichte (Stil, Ausdruck Anschauungsweise einer Codierung, z.b. ist eine Zeichnung anschaulicher als eine Partitur) o syntaktische Völle (Grad der Abstraktion mimetische vs. schematische Darstellungen usf.) o Aspekt des Zeigens / des Sagens (exemplifikatorisch, also Erfahrung der Sache selbst, also des Kunstwerks = Sagen. Oder denotativ, also Erinnerung an etwas, das man ausserhalb des Kunstwerkes schon erfahren hat = Zeigen). 29 Nelson Goodman reflektiert auch die Bedingtheit der Kunsterfahrung (Bezug zur Geschichtlichkeit, zur Hermeneutik). Er hat die Frage "was ist Kunst" erläutert durch die Frage "wann ist Kunst". Bei Umberto Eco (geb. 1932; Das offene Kunstwerk 30 ) besteht die Geschlossenheit des Kunstwerkes darin, dass es ein vom Künstler (end)gültig Hervorgebrachtes ist ("Perfektion eines volkommen vollendeten, ausgewogenen Organismus"), die Offenheit des Kunstwerkes bedeutet, dass es je nach Kontext, Situiertheit und Publikum "auf tausend verschiedene Aren interpretiert werden kann". "Jede Rezeption ist so eine Interpretation und eine Realisation, da bei jeder Rezeption das Werk in einer originellen perspektive neu auflebt." 31 Damit spricht Eco die Kommunikation per se an, wo ein Zeichen einerseits geschlossen ist, d.h. eine grundlegende Bedeutung hat, andererseits offen wirkt, weil es je nach Kontext detaillierter gedeutet wird. Eco ist ein Semiotiker, er betrachtet Kunst aus einem semiotischen Blickwinkel (Semiotik = die Lehre von den Zeichen). Fazit "Kunst ist als eine komplexe Form sinnlich-konkreter Selbstverständigung des Menschen in seinen historisch-kulturellen Wirklichkeiten zu begreifen", schreibt der Philosophieprofessor Georg W. Bertram. "Sie setzt bei den Verständnissen an, die Menschen von sich und der Welt haben. Sie spricht diese Verständnisse an. Kunstwerke vermitteln nicht umstandslos Verständnisse und sie lassen sich auch nicht als einfache Reflexion bestehender Verständnisse begreifen. Ein ästhetisches Verständnisgeschehen lenkt den Blick vielmehr stets auf die Form des Verstehens selbst: Kunstwerke bedeuten immer eine Infragestellung des Verstehens." 32 Wir halten fest, dass "das Schöne" auch in der Wahrnehmung des Hässlichen und des Banalen aufscheinen kann, dass also "das Schöne" wahrzunehmen letztlich die geistige Verarbeitung und Interpretation des sinnlich Erfahrenen ist. dass ein Kunstwerk als "äusseres Bild" sinnlich wahrgenommen wird und im Wahrnehmenden ein "inneres Abbild" als Erinnerung, Vorstellung erzeugt. Kunstwerke werden als Aussagen gelesen, die man zu begreifen versucht. So ist Kunst eine spezielle Form der Kommunikation Eigene Auslegung der Gedanken von Christiaan L. Hart Nibbrig: Ästhetik. Materialien zu ihrer Geschichte; ein Lesebuch. Frankfurt: Surhkamp 1978 (S. 320.) 30 Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Frankfrut a/main: Suhrkamp, Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Frankfrut a/main: Suhrkamp, 1977 (S. 29) 32 Bertram 2005, S Umberto Eco

13 Unser Urteil über ein Kunstwerk durchläuft mehrere Stationen von der ersten, privaten Wahrnehmung über die Korrektur dieses Eindruckes durch Interpretationen Anderer (Galerist, Künstler, Kunstkritiker, Nachbar) bis zur Konsensfindung in der Gesellschaft, die mit der Zeit immer eine gemeinsam als gültig erklärte Bewertung eines Kunstwerkes (und anderer Dinge) fertig bringt. Letztlich ist es die gemeinsame Deklaration der Gesellschaft, die befindet, was Kunst ist, was memoriert und was vergessen werden kann (bis man es wieder 'neu entdecht'.) Dem entspricht die gegenwärtig breit akzeptierte Lehre des Sozialkonstruktivismus (Berger 2000). Die Wahrnehmung und Qualifizierung von Kunstwerken ist das Resultat von gewählten Sichtweisen oder Wahl bestimmter Kriterienkatalogen (vgl. auch nachstehende Abbildung): o o o Das "Bild" eines Kunstwerkes kann als Erscheinung eines Jenseitigen im Diesseitigen wahrgenommen werden, als ein Zauber, der uns durch und mittels des Kunstwerkes eröffnet wird, uns begegnen kann. Das Kunstwerk dient als Auslöser für die Vergegenwärtigung von etwas Transzendentalem. Hier geht es um die Ästhetik des Erscheinens 34, auch über "Reiz und Rührung" in unseren ästhetischen Empfindungen 35. Diese Wirkung kann im religiösen Bereich erfahren werden, wenn z.b. ein Mensch vor einer Marienikone in der Kirche niederkniet und sich bekreuzigt. Kunsthistorisch wird ein Kunstwerk als Zusammenwirken verschiedener Qualitäten verstanden und interpretiert: Das "Bild" als Wahl des Materials, des Themas, der Bearbeitung und des Stils, der Komposition, der Genauigkeit usw., auch Objekteigenschaften wie das Datum der Entstehung, Masse, Gewicht, Zustand. Dies sind aristotelische Kategorien 36. Dem Kunsthandel ist das "Bild" ein in Geld berechenbarer Wert (Marktwert, Markenwert), der an einem bestimmten Objekt festgemacht werden. Dieses Objekt ist eine für den Handel genau definierte Einheit, z.b. ein Unikat, das Resultat oder Dokumentation eines bestimmten Herstellungskontextes oder Legitimation für ein bestimmtes Herstellungskonzept ist (Partitur, Choreographie, Rezept usw.). Hier sind, wie im Produktemarketing, nebst den iuristischen Kriterien vor allem die Reputation des Werkes, seines Urhebers und seiner Kontextualisierung von Bedeutung Seel Liessmann Liessmann analysiert die Vielfalt ästhetischer Empfindungen im Rückgriff auf Ursprünge der philosophischen Ästhetik im 18. Jahrhundert. 36 In der Kategorienlehre nach Aristoteles werden die Grundformen des Seienden und ihre Beziehungen zueinander mit zehn Grundbegriffen gefasst; diese zehn Kategorien bezeichnen "Gruppen ohne Verbindung gesprochener Worte"; sie sind laut der so genannten Kategorientafel: Substanz/Seiendheit (altgr. ousia) lebendes Wesen, z. B. Sokrates; Quantität (altgr. posón; lat. quantitas) Längenmaß, z. B. Sokrates' vier Fuß; Qualität (altgr. poión; lat. qualitas) Farbe, z. B. das Weiße an Sokrates; Relation (altgr. prós ti; lat. relatio) z. B. Sokrates ist größer als ein Hund; Ort/Raum (altgr. pou; lat. ubi) wo, z. B. im Lykeion; Zeit (lat. quando) wann, z. B. gestern; Lage (altgr. keîsthai; lat. situs) z. B. sitzend; Haben/Besitz/Gewohnheit (altgr. échein; lat. habere) z. B. hat Schuhe an; Wirken/Aktivität/Tun (altgr. poieîn; lat. actio) z. B. verbrennt etwas; Leiden/Passivität/Erleiden (altgr. páschein; lat. passio) z. B. wird selber verbrannt. 37 Heusser 2006, auch Karasek 2004 und Bätschmann

14 als Spiritualität Wahrnehmung eines Kunstwerkes ("Bild") als Studienobjekt als Handelsware Abb.: Zum Beispiel drei verschiedene Sichtweisen auf ein Kunstwerk Pflichtlektüre zu diesem Skriptteil Hauskeller

15 Referenzen Pflichtlektüre diesem Skriptteil: Hauskeller 1999 Abels 1998 Ammann 1998 Appignanesi 2003 Avenarius 2000 Balmer 2003 Barasch 1985 Bätschmann 1997 Belting 2000 Belting 2002 Belting 2003 Benjamin 1963 Berger 2000 Bertram 2005 Bieger et al Bonnet 2004 Hienz Abels: Inteaktion, Identität, Präsentation. Opladen/Wiesbaden: Wetdeutscher Verlag, 1998 Jean-Christophe Ammann: Das Glück zu sehen. Kunst beginnt dort, wo Geschmack aufhört. Regensburg: Lindinger + Schmid, 1998 Richard Appignanesi (Text), Chris Garrat (Comics): Introducing Postmodernism. Icon Books, UK, 2003 Horst Avenarius: Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft / Primus, 2000 John M. T. Balmer, Stephen A. Greyser (eds.): Revealing the Corporation. Perspectives on identity, image, reputation, corporate branding, and corporate-level marketing. An anthology. London: Routledge, 2003 Moshe Barasch: Theories of Art. From Plato to Winckelmann. New York University Press, 1985 Oskar Bätschmann: Der Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln, 1997 Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 2000 (Erste Auflage 1990). Hans Belting: Das Ende der Kunstgeschichte (Eine Revision nach zehn Jahren). München: C.H. Beck, 2. erweiterete Auflage 2002 (1995) Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer, Martin Warnke: Kunstgeschichte, eine Einführung. Berlin: Dietrich Reimer 2003 (1986). Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Drei Studien zur Kunstsoziologie). Suhrkamp Verlag Frankfurt a/main, 1963 Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Fischer Verlag Frankfurt a/main 2000 (1980) Georg W. Bertram: Kunst. Eine philosophische Einführung. Stuttgart: Reclam, 2005 Thomas Bieger; Christian Belz (Hrsg.): Customer Value: Kundenvoreteile schaffen Unternehmensvorteile. Anleitung für die Praxis und Grundlage für den Master 'Marketing, Services and Communication' an der Universität St. Gallen. Thexis Verlag, 2004 Anne-Marie Bonnet: Kunst der Moderne, Kuknst der Gegenwart. Hrausforderung und Chance. Köln: Deubner Verlag für Kunst, Theorie & 15

16 Praxis, 2004 Bruhn 2003 Büschgen 1996 Büttner 2006 Cobley 1997 de Vries 1974 Dery 1993 Eco 1972 Manfred Bruhn (Hrsg.): Die Marke. Symbolkraft eines Zeichensystems (Reihe: Facetten der Medienkultur, Band 1). Bern: Haupt, 2001 Hans E. Büschgen: Kunst-Sponsoring durch Banken. Das Beispiel des Kunstkonzepts der Deutschen Bank AG. (Vortrag beim 11. Churburger Wirtschaftsgespräche, 12. Oktober 1996). [ Stefan Büttner: Antike Ästhetik. Eine Einführung in die Prinzipien des Schönen. München: C.H. Beck (Beck'sche Reihe), 2006 Paul Cobley, Litza Jansz (Comics), edited by Richard Appignanesi: Introducing Semiotics. Icon Books UK / Totem Books USA 1997 Gerd de Vries (hrsg.): Über Kunst / On Art. Künstlertexte zum veränderten Kunstverständnis nach Köln: Du Mont (international), 1974 M. Dery: Culture Jamming Hacking, Slashing, and Sniping in the Empire of Signs. Westfield, NJ, Umberto Eco: La struttura assente, Milano: Bompiani, 1968, Deutsch Einführung in die Semiotik, UTB Fink München 1972 Eco 1998 Umberto Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter. München: Hanser, 1998 (1991). (Arte e bellezza nell'estetica medievale. Mailand: Bompiani, 1987) Fischer-Lichte 2000 Foucault 2004 Goffman 2000 Grassi 1980 Hauskeller 1999 Henrich 1984 Herbst 2004 Herchenröder 2000 Erika Fischer-Lichte; Isabel Pflug (Hrsg.): Inszenierung ovn Authentizität. Tübingen, Basel: A. Francke, 2000 Michel Foucault: Hermeneutik des Subjekts, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2004 Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Piper München Zürich Englisch: The Presentation of Self in Everyday Life, Doubleday Co Inc. N.Y Ernesto Grassi: Die Theorie des Schönen in der Antike. Köln: DuMont 1980 (1962) Michael Hauskeller. Was ist Kunst? Positionen der Ästhetik von Platon bis Danto. München: Oscar Beck (Beck'sche Reihe), 1999 Dieter Henrich, Wolfgang Iser (Hrsg.): Theorien der Kunst (Kunsttheorie in der Gegenwart).Frankfurt a/main: Suhrkamp 1982 Dieter Herbst, Christian Scheier: Corporate Imagery. Wie Ihr Unternehmen ein Gesicht bekommt. Orientierung und Vertrauen durch starke Bilder. Berlin: Cornelsen 2004 Christian Herchenröder: Kunstmärkte imn Wandel: Vom Jahrzehnt des Umbruchs in die Gegenwart. Düsseldorf, 2000 Heusser 2006 Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. 16

17 Swiss Institute for Art Research, Zurch [ Höselbarth et al Jäger 1990 Karasek 2004 Langner, 2003 Leitherer, 1974 Liebl, 2006 Liessmann 2004 Frank Höselbarth, Rupert Lay, Jean-Christophe Ammann (Hrsg.): Branding für Unternehmensberatungen. So bilden Sie eine Wissensmarke. Frankfrut a/main: Campus, 2004 Michael Jäger: Die Theorie des Schönen in der italienischen Renaissance. Köln: DuMont, 1990 Christina Karasek: Künstler machen? Aspekte des Kunstmarktes. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Forschung, 2004 Tobias Langner: Integriertes Branding. Baupläne zur Gestaltung erfolreicher Marken. Wiesbaden: Gabler, 2003 E. Leitherer: Geschichte der Absatzwirtschaft. In: B. Tietz (Hrsg.): Handwörterbuch der Absatzwirtschaft. Stuttgart, 1974 (cols ). Fraz Liebl: From branding goods to hacking brands. A beginner's guide to the brand universe. In: Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch, 2006 (S ) Konrad Paul Liessmann: Reiz und Rührung. Über ästhetische Empfindungen. Wien: WUV Facultas Verlags- und Buchandels AG, 2004 Marzona 2004 Daniel Marzona, Hrsg. von Ute Grosenick: Minimal Art. Tschen, 2004 Mead 1998 Mikunda, 2002 Partsch, 2002 Reisser, 2003 Schaeffer 2000 Schmid 2002 Schmid 2006 George H. Mead: Geist, Identität und Gesellschaft (aus der Sicht des Sozialbehaviorismus). Suhrkamp, Frankfurt a/main Englisch: Mind, Self and Society. From the standpoint of a social behaviorist., 1934 University of Chicago Christian Mikunda: Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung. Unwiderstehliches Marketing durch strategische Dramaturgie. Frankfurt a/main, 2002 Susanna Partsch: Kunst-Epochen: 20. Jahrhundert I. Stuttgart: Reclam 2002 Ulrich Reisser; Norbert Wolf: Kunst-Epochen: 20. Jahrhundert II. Stuttgart: Reclam 2003 Jean-Marie Schaeffer: Art of the Modern Age. Philosophy of Art from Kant to Heidegger. Princeton University Press, 2000 (Übersetzung aus: L'Art de l'âge moderne. L'Esthetique et la philosophie de l'art du XVIIIe siècle à nous jours. Paris: Gallimard 1992) Beat Schmid: Inszenierung von Produkten im E-Business. In: Wunderlich, W., Spoun, S. (Hrsg.), Medienkultur im digitalen Wandel, Band 2 der Reihe "Facetten der Medienkultur". Bern: Haupt, 2002 (S ) Beat Schmid, Boris Lyczek (Hrsg.): Unternehmenskommunikation. Kommunikationsmanagement aus Sicht der Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler

18 Schmitt, 1997 Schwaiger Bernd Schmitt; Alex Simonson: Marketing aesthetics. The strategic management of brands, identity and image. New York, 1997 Manfred Schwaiger: Art sponsorship: 'art' as salestainment. In: (Heusser 2005), S Sedlmayr 1988 Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte: Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit. Ullstein-Sachbuch 1988 (1948) Seel 2003 Martin Seel: Ästhetik des Erscheinens. Suhrkamp 2003 (Erstauflage Hanser 2000) Shiner 2001 Larry Shiner: The Invention of Art. University of Chicago Press 2001 Sontag 1980 Spalding 2003 Staniszewski 1995 Ullrich 2000 Susan Sontag: Kunst und Antikunst. Hanser Verlag "Against Interpretation", University of California, 1962 Julian Spalding: The Eclipse of Art. Tackling the Crisis in Art Today. Prestel 2003 Mary Anne Staniszewski: Believing ist seeing: creating the culture of art. Penguin 1995 Wolfgang Ullrich: Mit dem Rücken zur Kunst. Die neuen Statussymbole der Macht. Berlin, 2000 (S ). Ullrich, 2006 Wolfgang Ullrich: Art and brands: who learns from whom? Brands competing with art. In: Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch, 2006 (S ) Weibel, 2005 Wellershoff 1981 Wood 2002 Peter Weibel: Logokultur und Jugendindustrie, in: Klaus Neumann-Braun, Birgit Richard (Hrsg.): Coolhunters. Jugendkulturen zwischen Medien und Markt. Frankfurt a/main, 2005 (S ). Dieter Wellershoff: Die Auflösung des Kunstbegriffs. Frankfurt a/main: Suhrkamp 1981 (1976) Paul Wood: Cnceptual Art. Tate Publishing: Movements in Modern Art,

19 Kunst der Gegenwart Organisation und Markenbildung Teil II: Kunstgeschichte Skript für das Kontextstudium Masterstufe von Dr. Salome Schmid-Isler 19

20 INHALTSVERZEICHNIS 1. Zum Kunstbegriff 1.1. Philosophie der Kunst siehe Skriptteil I Geschichte der Kunst...21 Antike (Griechisches und römisches Reich, 7. Jh.v.Chr. 5. Jh.n.Chr.)...21 Mittelalter (Europa, Jh.)...25 Renaissance ( Jh., v.a. in Italien)...27 Barock (2.H. 17. und 18. Jh.)...30 Industrialisierung (19. Jh.)...32 Moderne (1. Hälfte des 20. Jahrhunderts)...34 Postmoderne (2.Hälfte des 20. Jahrhunderts)...37 Fazit...41 Pflichtlektüre zu diesem Skriptteil...41 Referenzen

21 1.2. Geschichte der Kunst Die Beschäftigung mit Kunst verlangt vom Betrachter Aufmerksamkeit, Verständnis, Offenheit der Sinne, ein Sich-Zeit-lassen usw. Kunst ist umstritten, sie ist nicht selbstverständlich, sie ist immer mit dem Nachdenken darüber, was Kunst ist, verbunden. Man sieht nicht auf den ersten Blick, ob etwas Kunst ist. Kunstwerke sind zunächst Produkte, zu deren Herstellung man besondere Fertigkeiten benötigt und die besonders gut gelungen sind. Entsprechend wurde seit Jahrhunderten ein Ausbildungswesen entwickelt, welches bis ins 16. Jahrhundert Kunst als Handwerkskunst (artes mechanicae) verstand. Die Theorie des "Schönen" wurde bis dahin nur philosophisch diskutiert. Schöne Produkte bedeutete, es waren gute, d.h. zweckdienliche Produkte 38. In der Renaissance wurde das Studium der alten griechischen und römischen Schriften sowie das Studium antiker Fundstücke für die Ausbildung in Malerei, Bildhauerei und Architektur zur Pflicht, was diese Bereiche neu als akademische Wissenschaft (artes liberales) aufwertete. Im 18. Jahrhundert war die Trennung zwischen Kunst und Handwerk in der Ausbildungsweise komplett vollzogen. Infolge der Industrialisierung entstand in der späteren Neuzeit ein neuer Kunstzweig, das Kunstgewerbe. So hiess es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der Postmoderne wurde dafür mehr und mehr der Begriff des "Design" übernommen, das klingt etwas moderner. Kunstgewerbe bzw. Design wird unterschieden von der "reinen" Kunst, weil es Auftragsarbeit, also eine dienende Kunst ist, d.h. als Gebrauchsgegenstand einen Produkt-Nutzen hat, welcher vor dem Aspekt der Schönheit steht. Im Gegensatz dazu kennt die "hohe" Kunst (fine arts, bildende Kunst) keinen Nutzen ausser den der eigenen Existenz. Kunst ist selbstreferenziell, autopoetisch 39, d.h. sie hat keinen Zweick, bedeutet sich selbst. Antike (Griechisches und römisches Reich, 7. Jh.v.Chr. 5. Jh.n.Chr.) In der griechischen Antike wurde unter dem Begriff "technè" die Geschicktheit etwa des Zimmermannes begriffen, die sich in den sog. verschiedenen Tempelordnungen (Architekturformen für Tempel) äusserte: Dorische, ionische und korinthische Ordnung. Dorische Architekturordnung: Tempel in Agrigent Ionische Architekturordnung: Niketempel Athen, Akropolis Korinthische Ordnung: Gemälde des 17. Jh. Typische Beispiele der antiken griechischen Kunst 38 Die unserem Begriff des Schönen entsprechenden griechischen Worte kalos und pulchrum wurden vom moralisch Guten nicht unterschieden. 39 Autopoetisch / Autopoiesis vom Griechischen: autos = selbst, poiesis = machen 21

22 Die Regeln zu finden, nach denen der Menschenkörper in idealer Proportionierug und in allen Grüssen konstruiert werden konnte, war seit alten Zeiten und bei vielen Völkern ein Desiderat. Der griechische Bildhauer Polyklet (um v.chr.) schuf einen Kanon, d.h. eine Lehre, wonach die ideale Proportionierung des (männlichen) Körpers aus der kleinsten Masseinheit, nämlich der Länge des letzten Gliedes des kleinen Fingers zu konstruieren war. Der Doryphoros (Speerträger) nach Polyklet. Original von 450 v.chr., römische Kopie aus Pompeji. Typisches Beispiel der antiken griechischen Bildhauerei In der römischen Antike stand die Stadtplanung, Infrastrukturen und das Management der grossen Kolonialisierung sowie PR für politische Zwecke also Demonstration von Luxus und Macht im Vordergrund. Ara pacis, der Friedensaltar, von Augustus, errichtet im Jahr 13 v.chr. in Rom. Der das Gebäude umlaufende Fries zeigt einen Ausschnitt mit der Prozession der "First Family", Augustus und Familie. Bankett-Szene. Römische Wandmalerei (Fresko), 1. Jh. n.chr., aus Herkulaneum (79 n.chr. vom Vesuv begraben, wie Pompeji). 22

23 Das Forum Romanum, Zentrum der Macht Roms, wurde von 490 v.chr.-608 n.chr. bebaut. (Rekonstruierte Ansicht). Beispiele der antiken römischen Kunst Marcus Vitruvius Pollo, genannt Vitruv (1. Jh.v.Chr.), welcher als Ingenieur, Architekturtheoretiker und Verfasser des bedeutendsten Lehrbuches zur Baukunst ("De Architectura", in zehn Bänden) 40 in der Antike gilt, äusserte sich die Qualität eines Kunstwerkes (einer Architektur) im harmonischen Dreiklang von Utilitas, dem Nutzen der Sache, Firmitas, der guten, haltbaren Konstruktion, und Venustas, der Anmut oder Schönheit im engern Sinn. Dafür gibt er sechs klare Grundprinzipien an 41, die bis heute in der Architekturplanung, auch Softwarearchitektur als Richtlinien für Ästhetik gelten. 40 Sehr schöne Ausgab zu Vitruv vgl. Wyss, Beat (Edition und Bildauswahl); Rode, August (Übersetzung); Germann, Georg (Einführung); Giere, Andri (Anmerkungen): Vitruv: Baukunst. Bücher I-X, in zwei Bänden. Birkhäuser Verlag, Ordinatio, eigentlich Geordnetheit, lässt sich übersetzen mit "Augenmass". Vitruv schreibt vor, dass allen Abmessungen eine gemeinsame Grösseneinheit, der modulus M, zugrunde liegen soll. Diesen Modulus gilt es zuerst zu bestimmen. Dispositio, eigentlich Auslegeordnung, bedeutet hier etwa Ideenskizze oder "Etnwurf". Der gewählte Modulus M bestimmt schon vieles. Nun kommt die Ausarbeitung nach klaren und eindeutigen Entwurfsregeln nichts sollte dem Zufall überlassen werden! Eurythmia, eigenltich gemeinsamer Rhythmus, meint hier den "Zusammenklang". Es geht hier um den ästhetischen Zusammeklang zwischen Form, Proportion, Grösse. Symmetria, eigentlich Symmetrie, hat hier eine andere Wortbedeutung als es scheint. Bei Vitruv ist damit die "Proportionierung", genauer: Proportionierung nach Menschenmass, gemeint. Nach Festlegung von Gesamtgrösse und Modul, Aufstellung des Entwurfs und Abwägen der Bestandteile geht es nun an die Feinarbeit. Alle Bauteile sind nun in konkreten Zahlen als Vielfaches oder Bruchteile des modulus zu berechnen, so dass ein harmonisches Gesamtbild entsteht. Decor, eigentlich Verzierung, bezeichnete bei Vitruv die "Angemessenheit" im Sinne von Schicklichkeit, oder passende Ausarbeitung. Hierzu gibt Vitruv drei Aspekte: 1. Keine Stile mischen; 2. Der Stil soll zum Zweck passen*; 3. Berücksichtigung der Umgebung, entsprechende Standorte und Ausrichtungen der Komponenten. Zudem ist der Gesundheit der Benuzter Rechnung zu tragen. Distributio, eigentlich Verteilung, ist zu übersetzen mit "Management" oder ökonomischem Vorgehen. Für Vitruv ist die Fähigkeit entscheidend, mit den gegebenen Mitteln nicht nur irgendwie auszukommen, sondern das 23

24 Vitruv wandte sein ästhetisches Regelwerk auf Bauten, Stadtkonstruktionen aber auch Skulptur und Bildkompositionen an. Von ihm stammen die Angaben zur idealen Proportionierung des Menschen, die bis zur Renaissance gültig geblieben sind (und heute i.d.r. als Proportionsfigur von Leonardo da Vinci bekannt ist, der das Vitruv'sche Schema auch gezeichnet hat). Abb. links und rechts: Vitruvianische Figur. Die menschliche Figur im Verhältnis zum Quadrat. Zwei Illustrationen von Cesariano in der Neuauflage von Vitruv (Como, 1521). Beispiele der antiken römischen Kompositionslehre Bestmögliche daraus zu machen. Er thematisiert daher auch die Beschaffung oder Herstellung von Baumaterialien detailliert, bis hin zu den Farbstoffen 24

25 Mittelalter (Europa, Jh.) Im klassisch scholastischen Verständnis unterschied man wie in der Antike die freien Wissenschaften von den dienenden Handwerkskünsten. Malerei, Skulptur und Architektur gehörten aber immer noch zum Handwerk. Auch Thomas von Aquin klassierte sie noch so. Die 7 Freien Künste (artes liberales) Geistige Gelehrten- KUNST Die 7 Dienenden Künste (artes mechanicae) Handwerkliche Fertigkeit, KUNST- HANDWERK Trivium (Grundschule) Quadrivium (Oberschule) Textiles Gewerbe Rüstungswesen Handel Landwirtschaft Jagd Medizin Spiele Malerei Skulptur Grammatik Rhetorik Logik Arithmetik Geometrie Astronomie Musik Waffen Schmiedearbeit Architektur Sport Tanz Theater Tabelle: Die von der Antike bis zur Renaissance gültige Einteilung von Berufen Aus dieser Klassierung folgt, dass die Künstler kaum Eigenständigkeit in der Formgebung und kein "geistiges Urheberrecht" an ihren Werken hatten. Das "Copyright" entstand erst mit der Druckkunst, als Holzschnitte und Kupferstiche schnell kopiert und mit guten Druckmaschinen sowie dem im 15. Jh. in Europa neuen Papier in hoher Auflage hergestellt werden konnten. 42 Im Mittelalter suchte der Kirchenvater Augustinus ( ) objektive Kriterien für das Schöne. Er übernahm sie aus der Antike (Aristoteles, Vitruv) tradierte Kriterien für das Schöne, z.b. Eigenschaften wie: Das Regelmässige, das Symmetrische, das Geordnete, das Einfache, das Harmonische, das Vollkommene, Grösse und Ordnung, Klarheit, Vollendung, Proportion, Form, Gestaltreinheit, Begrenztheit, Mannigfaltigkeit, Einheit in der Vielfalt. Thomas von Aquin ( ) verlangte von der Ästhetik Vollendung, rechtes Mass und Lichtheit. Alles Schöne diene dem Lobe Gottes, es sei ein Abbild des überirdisch Schönen und damit Metapher für die göttlichen Pracht, die göttliche Herrlichkeit. Gottesdarstellungen sind erlaubt kein Bilderverbot wie im Islam, denn Gott wurde Mensch. Bilder sollten gut "lesbar" seien, da sie auch der Erbauung und Instruktion der Analphabeten dienen sollten. Damit wurde die Entwicklung von Symbolik und die Ikonografie (Lehre der eindeutig interpretierbaren Darstellung von Personen und Szenerien) angetrieben. 42 Albrecht Dürer liess sich seine Marke AD und das Urheberrecht von Kaiser Maximilian I bestätigen und Verletzungen seiner Marke als rechtlich strafbar registrieren. 25

26 Interieur der Kirche San Vitale in Ravenna, byzantinische Mosaiken, erbaut im 6. Jh. Symbolik / Ikonografie: Agnus Dei (Gotteslamm), als Symbol für Christus den Erlöser. Farbe und Licht: Fassade der Kathedrale von Chartres, Frankreich, erbaut Links: Rosette im südlichen Querschiff, von innen Rechts: Das Südportal mit reichem Masswerk und der Rosette von aussen 26

27 Farbe und Licht: Grosses Altarretabel / polyptichon: Mehrere bemalte Holztafeln bilden einen in mehreren Stadien aufklappbaren Altarschmuck. Der Isenheimer-Altar, zwischen 1505 und 1516 von Matthias Grünewald für das Antoniterkloster in Isenheim gemalt (Museum Unterlinden in Colmar). Links: erste Schauseite, rechts: Rückansicht mit der berühmten Auferstehung Christi (links). Beispiele mittelalterlicher Kunst Renaissance ( Jh., v.a. in Italien) In der italienischen Renaissance, mit dem wieder entdeckten Wissen aus der Antike und dem daraus neu entwickelten humanistischen Gedankengut, reifte der Entschluss, dass der Künstlerberuf zu Höherem dienen solle und daher nicht als Handwerk (artes mechanicae) angesehen, sondern in die artes liberales aufgenommen, d.h. als Geisteswissenschaft aufgewertet werden sollte. Die Humanisten vertraten die Ansicht, dass in der gesellschafltichen Rangordnung nicht mehr nur Geburt, sondern auch Leistung zählte. Leistung konnte man dank Bildung erreichen. So eigneten sich die Künstler eine neue Bildung an, vor allem Kenntnisse über die Antike (Schriften und Kunstwerke). Kunstwerke konnten nur mit theoretischen Kenntnissen richtig hergestellt und beurteilt werden 43. In der Regel wurden Künstler von Klerikern oder höfischen Gelehrten unterwiesen, wie genau sie die bestellten Kunstwerke darstellen und anordnen sollten. Unter Cosimo de Medici wurde 1563 nach dem Vorbild von Platons Akademie in Florenz die Accademia Platonica gegründet. Die Leitung hatte Leonardo da Vinci ( ), welcher weniger das Quellenstudium als das praktische Experiment und die Naturbeobachtung propagierte. "Erfahrung ist der Lehrmeister für die Kunst", sagte er. Kunst sei eine in der Natur angewandte Wissenschaft, welche folgende Fragen zu beantworten habe: Warum sieht ein Objekt so aus? Warum verhält sich etwas in einer ganz bestimmten Weise? Mathematik und Geometrie sowie Naturwissenschaften, u.a. auch die (christlich verbotene) Sektion von Leichen gehörten zu seinem Studium. Der Accademia del Disegno, den Entwurfskünsten (ähnlich wie heute Design) stand der Maler und Kunstgeschichtsschreiber Giorgio Vasari vor. Er gilt als Vater der Kunstgeschichte, er verfasste ein Buch über das Leben von Künstlern seiner Zeit (die Viten bzw. Lebensläufe). 43 Michael Jäger: Die Theorie des Schönen in der italienischen Renaissance. Köln: DuMont,

28 Pathologisch es Studium: Leonardo da Vinci: Anatomische Figur. Zeichnung, um Ergonomische Messungen: Leonardo (Kopie): Schema der Bewegungsbahnen beim menschlichen Körper. Nach der Natur im freien Felde, nicht nach eigener Fantasie im Atelier gemalt. Albrecht Dürer, Das grosse Rasenstück, Aquarell 1503 Erschreckend naturalistisches Porträt eines Leichnams und Herausforderung an die christliche Ikonografie: Hans Holbein der Jüngere: Christus im Grabe Tempera auf Lindenholz, 200x30 cm. Renaissance: Naturbeobachtung und messung als Vorbild Der erste Uomo Universale (Universalgelehrte), noch vor Leonardo, war Leon Battista Alberti ( ), Jurist, Diplomat, Baumeister, Kunsttheoretiker. Er schrieb ein Architekturbuch: De re aedificatoria, wie bei Vitruv in zehn Bänden, in dem er dessen Grundlagen aufnimmt. Alberti entwickelt die Architektursprache der Renaissance, basierend auf geometrischen Grundformen (Quadrat, Kreis, Würfel, Kugel). Zentral ist bei ihm das Sichtbarmachen de Konstruktion, sowohl in der Architektur, wo die göttliche Wahrheit der geometrischen Konstruktion aufscheinen soll, wie in der Malerei, in welcher das Bild ein "Fenster zu einer anderen Welt" darstellen soll (De pictura 44, 3 Bände, dem Architekten Filippo Brunneleschi gewidmet). Für Alberti ist hat die Malerei das Primat unter den Künste. Auch der Künstler ist nun ein gebildeter angesehener Mann. "Über ein solches Ansehen also verfügt die Malerei, dass ein meisterhafter Maler erfahren wird, wie seine Werke verehrt werden und er selbst für einen zweiten Gott gehalten wird", letztlich sei " jede Art von Schönheit, die du in den Dingen findest, aus der Malerei geboren". Leonardo da Vinci ( ): Mona Lisa, Abendmahl Michelangelo ( ): Sixtinische Kapelle: Jüngstes Gericht, Erschaffung der Welt Raffael ( ): Fresken im Vatikan (Stanzen), Sixtinische Madonna sind die berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten der italienischen Renaissance. 44 Vgl. Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin (Hrsg.): Leon Battista Alberti: Das Standbild, Die Malkunst, Grundlagen der Malerei. Darmstadt: Wissenschaftl. Buchgesellschaft

29 Michelangelo: Die Erschaffung Adams. Deckenfresko, Sixtinische Kapelle, Vatikan, Rom. Leonardo: Mona Lisa, Gemälde, 1508 Raffael: Das Verlöbnis der Hl. Maria, 1504 Botticelli: Geburt der Venus, grosses Gemälde, 1485 Renaissance: Primat der Malerei Andrea Palladio ( ): Villa Rodunda: Konzentrische Geometrie. Renaissance: Klarheit der Architektur 29

30 Barock (2.H. 17. und 18. Jh.) Im 17. Jh. entstanden in Paris die Königlichen Akademien. Die Schulung trennte die Wissenschaften (die auf Mathematik und Faktenwissen basierten) von der Kunst (die durch Talent und Geschmack bestimmt war). Unter Louis XIV ( ) bzw. der Führung von Colbert entstand eine Kunst, deren Ziel es war, der Krone zu dienen und sie zu glorifizieren. Links: Plan von Versailles, königliches Schloss erbaut, von Louis XIV 1684 grandios ausgebaut PR! Rechts: König Louis XIV, "Le Roi Soleil", Gemälde von H. Rigaud, 1701 Barock: Kunst zur Verherrlichung von absolutistischem Machtanspruch Ende des 18. Jh. war man überzeugt, dass Genie und Talent Gegensätze seien. Genie konnte man nicht haben (wie Talent), sondern einige Wenige waren Genies. Die Spaltung zwischen Wissenschaft und Handwerk und Kunst wurde definitiv. Der Wissenschaftler verfügte über Bildung und Wissen. Der Handwerker verfügte über Regeln, Geschicklichkeit, Reproduktionstreue, Marktorientiertheit und schuf seine Werke gemäss Auftrag. Der Künstler verfügte über Genius, Inspiration, Sensibilität, Spontaneität, individuelle Fantasie, Originalität, Kreativität und spielerische Freiheit und schuf seine Werke gemäss genialischer Eingebung, für eine Elite. Die Entdeckungen der Neuzeit, in geografischer, geschichtlicher, technischer und rhetorischer Hinsicht, erreichten einen Höhepunkt und, besonders in der Kunst sichtbar, eine Hybris, oder Übertreibung: Das Können an sich wurde gefeiert, die Macht des Machbaren wurde ausgedrückt und inszeniert. Illusion und Künstlichkeit waren ein Leitthema. In der Architektur wurden dynamisch geschwungene Räume, die man nicht auf einen Blick erfassen konnte (wie in der Renaissance), sondern die sich erst im Herumwandern erschlossen, entwickelt. Vom Kreis (Renaissance) kam man zum Oval, zu geschwungenen Wänden, zu kunstvollen Treppenarchitekturen und waghalsigen Deckenkuppeln. Auch die Kirche, insbesondere im Zug der Gegenreformation, inszenierte ihre Macht und ihre Produkte (Sakramente usw.) mit unglaublicher Theatralik. 30

31 Triumph und Köstlichkeit der künstlichen Welt. François Boucher: Bildnis der Madame de Pompadour. Ölgemälde, 1758 (212x164 cm) Kirchendecken, illusionistisch bis ins Himmelreich aufgerissen. Andrea Pozzo: S. Ignazio, Rom (1690) Barock: Künstlichkeit und Illusion haben grosse Auftritte Mit der französischen Revolution löste sich die Monarchie und die mit ihr eng verbundene Académie Royale auf. Obwohl nach der Republik mit Napoleon schnell wieder eine Monarchie zustandekam, und auch die Akademie unter anderem Namen auferstand, war die Entwicklung vom hierarchisch dirigierten, königlich-öffentlichen Kunstunterricht hin zum individuellen, privat organisierten Lehrbetrieb nicht zu bremsen 45. Theatralische Malerei: Der Maler Jacques- Louis David schaffte es, sowohl als Revolutionsmaler (Links: Gemälde, das den ermordeten Revolutionär Marat verherrlicht, 1793) wie auch als "Hofmaler" Napoleons zu reüssieren (Rechts: Napoleon am St. Bernhard, 1800). 45 Bätschmann

32 Industrialisierung (19. Jh.) Nach einer Zwischenphase, in welcher Klassizismus und (deutsche) Romantik in der Kunst auftauchten und wieder verschwanden, etablierte sich die mathematischnaturwissenschaftliche Welt mehr und mehr. Die Industrialisierung gewann Terrain und vergab neue Aufgaben an neue Künstler. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich der privat organisierte Kunstunterricht, private Sammlertätigkeit und private Galerien im Kontrast zu den Akademien mit ihrer Förder- und Vermittlungstätigkeit und dem Ausstellungswesen in den Salons. Die Ausstellungen der von der Akademie abgelehnten Künstler in einem eigenen "Salon des Indépendants" schuf kreative Opposition zum offiziellen Ausstellungswesen des ehemals königlichen, nun nationalen Salon (Salon d'automne). Die private Kunstorganisation überrundete die Krone. Das private Studio des Künstlers, in dem er seine Meisterklasse unterrichtete, wurde zum Leitmodell im 19. Jh. Der als adelige Beschäftigung geführte Kunstbetrieb wich dem nachfragengesteuerten Kunstmarkt. Die im 18. Jahrhundert geschaffenen Voraussetzungen Mathematisierung der Dinge (Leibniz' Kalkül), Rationalisierung der Arbeit 46, Rechenmaschinen 47 sowie die Erfindungen und neuen Materialien des 19. Jahrhundert (Eisen, Stahl, Dampfmaschine, Eisenbahn, Fotografie, Telefonie, usw.), die Urbanisierung und Mobilisierung der Massen wurden im 19. Jahrhundert zu Industrien entwickelt. Das neue Format hiess: Weltausstellung 48. In England, dem Mutterland der industriellen Revolution, fand die als gigantische Selbstdarstellung für die industriellen Errungenschaften konzipierte erste Weltausstellung 1851 statt, die 14'000 Aussteller aus aller Welt anzog und mehr als 100'000 Exponate präsentierte. (In 141 Tagen strömten über 6 Millionen Besucher in Paxtons Kristallpalast) 49. Dabei wurde vor allem Gewerbe, nicht Kunst, ausgestellt. Aber die künstlerischen Produkte zeigten einen starken Qualitätszerfall. Nun kamen die Reformer: Henry Cole gründete 1849 das (weltweit erste) Journal of Design. Sehen lernen Sehen durch Vergleichen war seine Devise. Auch Prinz Albert beklagte den Zustand. Er war sich bewusst, dass eine Vormachtstellung Englands im Kunstgewerbe nicht nur materiellen Gewinn, sondern auch Prestige einbringen konnte. Mit Analysen, Publikationen und der Gründung gezielten Unterrichts in Geschmack wurde in London die erste eruopäische Reformbewegung in Gang gesetzt. Diese brachte sehr schnell sehr gute Resultate, so dass London an der 2. Weltausstellung 1855 die bisher unangefochtene Vormachtstellung der französische Konkurrenz bereits eingeholt hatte! Folgen der Industrialisierung auf die Kunst: die Funktionalitäts-Debatte, v.a. in der Architektur (form follows function 50 ) Lebensgefühl, das sich in Alltagsdingen spiegeln soll (Kunstgewerbe-Bewegungen 51 ) Neues Sehen, Aufnahme "fremder" Einflüsse in die Kunst, z.b. durch die Technik (Fotografie als Einfluss auf Impressionismus, Pointillismus, Kubismus, Futurismus, auch Expressionismus) oder durch die Kunst fremder Völker (Japonismus, Primitivismus 52 ) 46 Adam Smith (ca ), Erforschte die Ökonomie, Arbeitsteilung, Freier Markt. 47 Charles Babbage ( ) gilt, mit seiner "Difference Engine" (Rechenmaschinen) als Vorvater der Computerisierung 48 London: 1851 und 1862, 1867 Paris, 1873 Wien, 1876 Philadelphia... usw. 49 Dorothee Müller: Klassiker des modernen Möbeldesign (Otto Wagner Adolf Loos Josef Hoffmann Koloman Moser). München: Keyser Verlag 1980, S Den berühmt gewordenen Satz "form ever follows function, and this is the law" schrieb der amerikanische Architekt Louis H. Sullivan Vgl. Fischer 1999, S. 144 (auf deutsch: "Es ist das Gesetz ( ) dass die Form immer der Funktion folgt".) 51 Kunstgewerbe-Bewegungen: Arts&Crafts, Art Nouveau, Jugendstil, Sezessionsstil... Bauhaus! 52 Japan: Einfluss der Holzschnitta auf die Künstlergruppe der Nabis (Gauguin u.a.), auf Druckgrafiker (Vallotton, Beardsley u.a.), Einfluss afrikanischer Kunst auf den "Primitivismus" (Picasso u.v.a.) 32

33 Links: Sir Joseph Paxton: Crystal Palace, Weltausstellung London 1851 Rechts: Alexandre A. Eiffel: Eifelturm, Weltausstellung Paris 1889 Christopher Dresser: Teekanne, versilbert, ca Alphonse Mucha: Plakat (Lithographie) zur Ausstellung "Salon des Cent" in Paris, 1897 Charles Rennie Mackintosh: Stuhl aus geschwärzter Eiche (Hill House chair) Neue Erfindungen, neue Einflüsse, neue Formensprachen im 19. Jahrhundert auf der Seite der Architektur und des Kunstgewerbes! 33

34 Moderne (1. Hälfte des 20. Jahrhunderts) Die Moderne wird in Abschnitte unterteilt. Sie beginnt bereits im 19. Jh. mit der sogenannten Historischen Moderne: ca ca (Europa, v.a. Frankreich). Ca bis 1925 folgt die Klassische Moderne, danach gibt es einen Einbruch aufgrund der Deklaration, sie sei entartet (bis 1945). Vor und während dem 2. Weltkrieg flieht die europäische Kunstelite nach Nordamerika. Dort etabliert sich der Modernismus in den 1940er / 1950er Jahren. (Ab Mtte der 1960er Jahre beginnt dann die Postmoderne.) Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die Künstler in den grossen Städten in Europa etwa dasselbe Problem. Sie begannen abstrakt zu arbeiten, fanden aber heraus, das die Abstraktion keine ästhetische und metaphysische Erlösung für die Probleme der modernen Welt boten (1. Weltkrieg, russische Revolution). Die Künstler befragten ihre Rolle in der Gesellschaft neu. Sie fanden, die Kriterien und Praktiken, welche der Kunsterzeugung bisher gedient hatten, müssten ersetzt werden. Sie begannen, sozial und ganzheitlich zu denken. Sie wollten das Gute der Kunst in den gelebten Alltag einführen. Viele der intellektuellen Künstler der nun folgenden Kunstströmungen Fauvismus, Kubismus, Futurismus, Abstraktion, Suprematismus, Expressionismus, Surrealismus usw. betrachteten ihre Kunst als Werkzeug für eine soziale Erneuerung. Dabei war das soziale Engagement verbunden mit der Kunst, und die Kunst war ein Ausdruck für Revolution. Die Künstler schufen weiterhin "hohe" Kunst, Bilder und Skulpturen, aber sie machten auch Kunstgewerbe Plakate, Bücher, Magazine, Inerieurs für Cafés und Ausstellungsräume, Filme, Fotos, Theater, Einrichtungsgegenstände, Tapeten, Kleidung, und sie schrieben Manifeste. Dieser Anspruch auf eine umfassende Erneuerung der Gesellschaft durch Kunst rückte alle gestalterischen Kräfte wieder zusammen, insbesondere im "Prinzip Konstruktion". Doch, wie vormals die Kunst vom Handwerk, trennte sich (im Werkbundstreit) das Kunstgewerbe vom Design 53 : Hier das künstlerische Hervorbringen von Gebrauchswerten, da das planvollem Handeln für industrielle Zwecke. Der sich Ende des 19. Jahrhunderts mit den Impressionisten und den Nabis bereits abzeichnende Bruch avantgardistischer Maler mit dem Establishment vollzog sich anfangs des 20. Jahrhunderts, als Collagen (Braque, Picasso) und Ready mades (Duchamp, Dada) als neuartige Kunstformen ausgestellt wurden. Damit war eine neue kulturelle Sprache geboren, welche klarstellte, dass alles, was wir wissen und darstellen nicht etwas Naturgegebenes ist, sondern etwas Kulturelles, und dass Kunst nicht als Ideal existiert, sondern erst durch die Geschichte ihre Form erhält. Die Moderne sei der direkte Weg ins Nichts, wurde schliesslich von Kritikern beklagt, die Kunst sei entartet (so klang es nicht nur im Nazi-Deutschland),, sie habe mit der Moderne "ihre Mitte verloren" 54. Die Künstler, konfrontiert mit einer Reihe neuer Technologien (Lithografie, Fotografie, Film, Presse und Radio), die ihnen angestammte Kunstbereiche wegnahmen, warfen nun alles akademische Regelwerk über Bord und endeten mit Kunstwerken, die den Zufall und exzentrische Selbstbezogenheit der Künstler ausdrückten. Die Entwicklung der semiotischen Forschung mit Saussure 55 und anderen Strukturalisten Sprache ist nicht natürlich, die Bedeutung entsteht aufgrund von Konvention regte eine neue Art der Kunstwahrnehmung an. 53 Zur Geschichte des Design vgl. Bürdek Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Salzburg-Wien, Ferdinand de Saussure: Cours de linguistique générale,

35 Historische Moderne: Ein "Vor-Impressionismus" von William Turner: Snowstorm x122 cm, London, National Gallery. Historische Moderne: Ein "Vor-Kubismus" von Paul Cézanne: Montagne Sainte Victoire (1902) Klassische Moderne: Kubismus von Georges Braque: Glas auf einem Tisch, Ölgemälde, 1909 Tate Gallery London 35

36 Klassische Moderne: Marcel Duchamp: Eine Form des Ready-made: Elevage de Poussière (Züchten von Staub). Projekt auf Duchamps Dachboden. Dokumentations-Foto von Man Ray und Marcel Duchamp (gehandelt als Kunstwerk), 1920 Klassische Moderne: Expressionismus: Ernst Ludwig Kirchner: Zwei Frauen auf der Strasse, 1914 Kunstsammlung Düsseldorf Klassische Moderne: Surrealismus: Salvador Dali: Die Beständigkeit der Erinnerung, Ölgemälde,

37 Postmoderne (2.Hälfte des 20. Jahrhunderts) Nach dem zweiten Weltkrieg, welcher viele neuen Ansätze der Kunst zerstört oder zumindest gestoppt hatte, war man ernüchtert über die Möglichkeiten der Kunst (der Künstler), die Welt verändern zu können. Während in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jh. utopische Aufbruchstimmung geherrscht hatte, machte sich in den 1950ern und 1960ern eine ironische bis sarkastische Stimmung breit, z.b. mit dem abstrakten Expressionismus im Stil eines Matthieu, Pollock, Klein, Rothko. Kunst am Nullpunkt Kunst sei am Nullpunkt, wurde mit der in Düsseldorf gegründeten Zeitschrift "Zero" 56 und Ausstellungen verkündet, welche mit "nichts" neu beginnen wollten: Immaterielle Kunst (Yves Klein), Bewegung als Kunst (Jean Tinguely), leere Bilderrahmen (enthaltend jedes mögliche Bild), Anthropometrien (Bilder aus Abdrücken des mit Farbe bemalten Körpers). Diese (nicht nihilistische) Null-Kunst führte in Italien zur (nicht sozialkritischen) armen Kunst, der Arte Povera: Arbeiten mit Erde, Stein, Zweigen, Installationen mit Vieh, vergängliche in die Landschaft gelegte Spuren 57. Kunst sei am Ende, da sie nun technisch beliebig reproduziert werden könne 58. Hans Belting konstatiert "das Ende der Kunstgeschichte" 59. Kunst ist inzwischen mehr und mehr zur Disziplin für Semiotiker 60 und für Soziologen geworden. Pierre Bourdieu stellt fest, dass heutige Kunstbetrachter individuellen Geschmack haben, also auch unterschiedlich auf Kunst reagieren 61. Braucht Kunst mehr Zielgruppen-Marketing? Der Weg der Postmoderne mündet heute zunehmend in einen empfindsamen Lifstyle, in die Domäne des Alltäglichen, des öffentlich gemachten Alltäglichen 62, in die Medialisierung und das Branding. Bereits in der Moderne konnte Kunst nicht mehr mit dem Schönen verbunden werden, die Frage lautete vielmehr: Was macht Kunst zu Kunst? In der Postmoderne waren die Weltenwürfe, wie sie Konstruktivismus, Suprematismus, Futurismus, Dadaismus und Surrealismus geliefert hatten obsolet geworden 63. Nach dem 2. Welktrieg wird in Europa und in Amerika nach neuen Formen der Kunst gesucht. Die Flucht geht in die Selbstreferenz (l'art pur l'art), in das Zeichenhafte (Semiotik), in die Reduktion auf den Stoff (keine Ready mades mehr, sondern "ästhetische Gerenralisierung" und "Huldigung an das Objekt seitens der 56 Zeitschrift "Zero", 1958 herausgegeben von Heinz Mack und Otto Piene. Künstler: Mack, Piene, Günther Uecker, aus Paris Yves Klein, aus der Schweiz Jean Tinguely, aus Japan die (zen-mässig) reduzierte Kunst der Gruppen Zero (1952) und Gutai (1954), welche in Amsterdam gezeigt wurden. [Ausstellungskatalog Zero: Internationale Künstler-Avantgarde", Düsseldorf, Saint-Etienne. Hatje- Cantz, 2006)]. 57 Künstler (u.a.): Walter de Maria, Michelangelo Pistoletto, Mario Merz, Jannis Kounellis, Luciano Fabro, Giovanni Anselmo, Giulio Paolini, Alighiero Boetti, Giuseppe Penone, aber auch Richard Long und Bruce Nauman (GB), Joseph Beuys (DE), Lawrence Weiner, Joseph Kosuth, Robert Morris, Richard Serra (USA). [Germano Celant: Arte Povera. Mazotta Milano 1969 (ital.)] 58 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.. (Drei Studien zur Kunstsoziologie). Suhrkamp Verlag Frankfurt a/main, Hans Belting: Das Ende der Kunstgeschichte. München: Beck, 1995 (erweiterte Neuauflage 2002) 60 Der semiotische Ansatz für Kunst kann mit der vergnüglichen Lektüre von Richard Appignanesi, Chris Garrat: Introducing Postmodernism. Icon Books, UK, 2003 nachgelesen werden. 61 "Taste classifies the classifier". Vgl. auch: Mary Anne Staniszewski: Believing is Seeing. Creating the Culture of Art. Penguin Books, Vgl. auch Larry Shiner: The Invention of Art. University of Chicago Press, Chicago, (Reisser 2003), S

38 Neorealisten" 64 ). Kunst ist nun ein "Witz", findet Wyss 65, sie ist, inklusive der Kunstkritik, "Dilettantismus" 66. Die Wege verlaufen in der Postmoderne ganz ohne Manifeste, Programme und Demonstrationen sowohl in Europa wie in den USA individuell: Konzeptkunst, Selbstverwirklichung, Rückzug auf minimalen Ausdruck fügt Robert Morris seinen Kunstwerken ein notariell begalubigtes Dokument bei, in dem er unterschreibt, dass seiner Konstruktion jeder ästhetische Wert und Gehalt abzusprechen ist. 67 Privatisierung des Kunstsystems Was bereits im 19. Jahrhundert begonnen hatte, die Privatisierung des Kunstsystems, wurde im 20. Jahrhundert vollendet. Das moderne Händler-Kritiker-System hat die Akademie und ihre Salons ersetzt. Dabei besteht das neue System aus privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen. Der einzelne Künstler muss sein Werk diesen Unternehmen überlassen den Galerien, den Kritikern, den Verlegern, den Privatsammlern, den Museen, den Massenmedien, und erst in diesen Institutionen erlangt das Kunstwerk seine Aussagekraft und seine Bewertung. 68 Der Staat kommt wieder ins Spiel in der Rolle des Sponsors und Mäzens. Nationale Kunstförderungsprogramme haben seit den 1960er Jahren in den USA, etwas später auch bei uns in Europa eine neue Entwicklung der Kunstausstellung und des Formats von Kunstwerken und ereignissen provoziert oder zumindest gefördert. Grössere Summen werden für Kunst reserviert, wobei diese Kunst kein archivierbares Gegenpfand mehr beibringen muss, sondern auch als Volksspektakel inszeniert werden kann Hauptsache, es wird darüber berichtet und das Ganze dokumentiert. Im Geist der Zeit wird seit den 1960ern versucht, die Polarität zwischen Kunst und Alltag zu überbrücken, mit Pop Art, Land Art, Op Art, Eat Art, mit Happenings, Fluxus und Performances, mit Installationen, Environmental Art, auch Betroffenheits-Inszenierungen (Stop Aids, Hunger in Afrika, usf.) und, in einer anderen Welt (dem Internet) die Computer Art. Die Kunst der Gegenwart ist immer noch die Postmoderne, die sich bereits ins 21. Jahrhundert erstreckt. Sie ist zu einer Community Based Art geworden, gibt sich nicht mehr elitär (obwohl die Preise es sind). Die Künstler wollen zum Volk, die Kunsthändler zu den Kunstsammlern Indem öffentliche Kunst das Publikum in die Erstellung und Präsentation des Werkes einbezieht, wird in der Kunstentwicklung dem Unfertigen, Prozesshaften klar der Vorrang gegeben vor dem Werk als (fertig) Erschaffenes. So wird die "hohe Kunst" wieder aufgesogen in Aktivitäten des Alltags, in Betroffenheiten, die jeder Einzelne entwickeln kann. Kunst wird nicht am Werk sichtbar, sondern im Ritual, das um ein (vorhandenes oder nur als Konzept thematisiertes) Kunstwerk zelebriert wird. Diese Rituale ziehen ein bestimmtes Publikum an, das sich heute aus der älter gewordenen "Babyboomer Generation" (die immer noch etwas Rebellion suchen, und das Geld dafür haben) rekrutiert. Kunst der Gegenwart definiert sich am Geschmack der Kunstinteressierten der Gegenwart! 64 (Reisser 2003), S Nach Beat Wyss, in: Der Wille zur Kunst, vgl.(reisser 2003) S. 26 f. 66 Nach Robert Gernhardt, in: Der letzte Zeichner, vgl.(reisser 2003) S. 26 f. 67 Robert Morris: Statement of Aesthetic Withdrawal, (Reisser 2003) S. 28, [ 68 Larry Shiner: The Invention of Art. University of Chicago Press, Chicago, 2001, S

39 Postmoderne: Happening, Fluxus: Fluxus-Festival in Wiesbaden, Fotografische Dokumentation. Als Vernissage angekündigte Aktionen, die alle Gattungsgrenzen (Musik, Schauspiel, Plastik und Malerei) überschreiten. Im Zusammenhang mit den Auftritten von Musikstars (Rock, Pop) zu sehen. Pubertäre Auflehnungs-rituale gegen das Establishment. Im Zusammenhang mit dem damaligen Kommunismus zu sehen. Postmoderne: Pop Art: Roy Lichtenstein: Maybe (A Girl s Picture). 152x152 cm. Leinwand, Museum Ludwig, Köln Postmoderne: Minimal Art: Bruce Nauman: Installationmit Leuchtröhren, cm breit. Sammlung Flick 39

40 Postmoderne: Concept Art: Sol LeWitt: Three x Four x Three, 1984 Aluminium. Walker Art Center Ca. 3 m hoch. Postmoderne: Minimal Art: Carl Andre: Tin Steel Sonnet. Boden-Skulptur, Konrad Fischer Galerie Düsseldorf 210 cm lang. Postmoderne: Minimal Art: Martin Creed: Half the air in a given space. Work No. 200, 1998 Ein Museumsraum wird zur Hälfte mit aufgeblasenen Ballonen gefüllt. Die Ballone haben jeweils dieselbe Farbe, die Installation kann aber mal weiss, mal grün, mal schwarz gehalten sein. Postmoderne: Public Art: Jenny Holzer: Serie "Truisms": Money Creates Taste Electronic signboard. Las Vegas: Caesar's Palace. 40

41 Fazit Was ist Kunst? Im 20. Jh. ist gute Kunst mehr und mehr gleich zu setzen mit erfolgreich in den Medien. In der Postmoderne, d.h. seit den 1960er Jahren, wird gute Kunst vergleichbar mit hat Markenwert. Die Frage Was ist Kunst kann heute nicht mehr verbindlich beantwortet werden. Die Antwort geht in Richtung was am Markt hoch bezahlt wird. Die Frage wer macht Kunst kann ebenfalls nicht mehr klar beantwortet werden. Die Antwort ist wie die Antwort auf die Frage wer macht eine Marke. Was ist Kunst am Kunstwerk der Gegenwart? - sie stoppt uns - sie provoziert zum Nachdenken über Kunst - sie bringt Assoziationen hervor - sie regt ihre Thematisierung an "was soll das?" "Kunst ist doch etwas anderes, nämlich " " Das ist doch (bloss) wie " "Stell dir vor, da war nur Abfall, ausgestellt in einem Museum!" "Aber irgendwie cool wars schon". Kunst der Gegenwart ist ein Konzept oder eine Erfahrung, die der Betrachter selbst macht. Diese Kunst ist letztlich die ästhetische Erfahrung bzw. die Erinnerung an eine ästhetische Erfahrung, mit der man sich natürlicherweise identifiziert. Wenn man Zeit investiert, um eine Idee spielerisch, poetisch, auf sich wirken zu lassen, so entsteht bereits das, was der Markt heute eine Kunsterfahrung nennt. Kunst der Gegenwart hat einen verschwindenden Werkbegriff. Eigentlich handelt es sich um ein "intangible asset", ein ideelles Gut, so wie wir das vom Markenwert her kennen. Ein Kunstwerk ist auch ein Prozess, der sich in der Gesellschaft entwickelt. Damit ist auch das Risiko angesprochen, dass Hype-Werke von heute berits morgen obsolet sind, keinen Wert mehr darstellen. Kunst ist Kommunikation, Kunst ist Thematisierung. Pflichtlektüre zu diesem Skriptteil Appignanesi

42 Referenzen Abels 1998 Ammann 1998 Appignanesi 2003 Avenarius 2000 Balmer 2003 Barasch 1985 Bätschmann 1997 Belting 2000 Belting 2002 Belting 2003 Benjamin 1963 Berger 2000 Bertram 2005 Bieger et al Bonnet 2004 Hienz Abels: Inteaktion, Identität, Präsentation. Opladen/Wiesbaden: Wetdeutscher Verlag, 1998 Jean-Christophe Ammann: Das Glück zu sehen. Kunst beginnt dort, wo Geschmack aufhört. Regensburg: Lindinger + Schmid, 1998 Richard Appignanesi (Text), Chris Garrat (Comics): Introducing Postmodernism. Icon Books, UK, 2003 Horst Avenarius: Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft / Primus, 2000 John M. T. Balmer, Stephen A. Greyser (eds.): Revealing the Corporation. Perspectives on identity, image, reputation, corporate branding, and corporate-level marketing. An anthology. London: Routledge, 2003 Moshe Barasch: Theories of Art. From Plato to Winckelmann. New York University Press, 1985 Oskar Bätschmann: Der Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln, 1997 Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 2000 (Erste Auflage 1990). Hans Belting: Das Ende der Kunstgeschichte (Eine Revision nach zehn Jahren). München: C.H. Beck, 2. erweiterete Auflage 2002 (1995) Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer, Martin Warnke: Kunstgeschichte, eine Einführung. Berlin: Dietrich Reimer 2003 (1986). Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Drei Studien zur Kunstsoziologie). Suhrkamp Verlag Frankfurt a/main, 1963 Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Fischer Verlag Frankfurt a/main 2000 (1980) Georg W. Bertram: Kunst. Eine philosophische Einführung. Stuttgart: Reclam, 2005 Thomas Bieger; Christian Belz (Hrsg.): Customer Value: Kundenvoreteile schaffen Unternehmensvorteile. Anleitung für die Praxis und Grundlage für den Master 'Marketing, Services and Communication' an der Universität St. Gallen. Thexis Verlag, 2004 Anne-Marie Bonnet: Kunst der Moderne, Kuknst der Gegenwart. Hrausforderung und Chance. Köln: Deubner Verlag für Kunst, Theorie & Praxis,

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45 Reihe "Facetten der Medienkultur". Bern: Haupt, 2002 (S ) Schmid 2006 Schmitt, 1997 Schwaiger Beat Schmid, Boris Lyczek (Hrsg.): Unternehmenskommunikation. Kommunikationsmanagement aus Sicht der Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler 2006 Bernd Schmitt; Alex Simonson: Marketing aesthetics. The strategic management of brands, identity and image. New York, 1997 Manfred Schwaiger: Art sponsorship: 'art' as salestainment. In: (Heusser 2005), S Sedlmayr 1988 Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte: Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit. Ullstein-Sachbuch 1988 (1948) Seel 2003 Martin Seel: Ästhetik des Erscheinens. Suhrkamp 2003 (Erstauflage Hanser 2000) Shiner 2001 Larry Shiner: The Invention of Art. University of Chicago Press 2001 Sontag 1980 Spalding 2003 Staniszewski 1995 Ullrich 2000 Susan Sontag: Kunst und Antikunst. Hanser Verlag "Against Interpretation", University of California, 1962 Julian Spalding: The Eclipse of Art. Tackling the Crisis in Art Today. Prestel 2003 Mary Anne Staniszewski: Believing ist seeing: creating the culture of art. Penguin 1995 Wolfgang Ullrich: Mit dem Rücken zur Kunst. Die neuen Statussymbole der Macht. Berlin, 2000 (S ). Ullrich, 2006 Wolfgang Ullrich: Art and brands: who learns from whom? Brands competing with art. In: Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch, 2006 (S ) Weibel, 2005 Wellershoff 1981 Wood 2002 Peter Weibel: Logokultur und Jugendindustrie, in: Klaus Neumann-Braun, Birgit Richard (Hrsg.): Coolhunters. Jugendkulturen zwischen Medien und Markt. Frankfurt a/main, 2005 (S ). Dieter Wellershoff: Die Auflösung des Kunstbegriffs. Frankfurt a/main: Suhrkamp 1981 (1976) Paul Wood: Conceptual Art. Tate Publishing: Movements in Modern Art,

46 Kunst der Gegenwart Organisation und Markenbildung Teil III: Zum Werkbegriff Skript für das Kontextstudium Masterstufe von Dr. Salome Schmid-Isler Version Skript für das Sommersemester 2006 Universität St. Gallen 46

47 INHALTSVERZEICHNIS 2. Zum Werkbegriff in der Kunst Wie lassen sich Künste einteilen? Künste nach Unterscheidung der angesprochenen Sinne Künste nach Unterscheidung der kognitiven Rezeption Künste nach Unterscheidung der Botschaft Zum Werkbegriff in der Ära des Bildes: Das Ikon Zum Werkbegriff in der Ära des Kunstwerkes: Das Schaubild MIMESIS: Kunst als Nachahmung der äusseren Welt...56 Zentralperspektive...57 Folgen der Zentralperspektive auf die Kunst...58 Fotografie...58 Folgen der Fotografie auf die Kunst...58 Reproduktionstechniken im 20. Jh Folgen der Reproduktionstechniken auf die Kunst AUSDRUCK: Kunst als Sinnbild der inneren Welt...62 Expressionismus...62 Surrealismus...62 Abstraktion...62 Konkrete Kunst Zum Werkbegriff in der Ära der Konzepte Die Diskussion zur Ästhetik in der Postmoderne Das Spiel zur Ästhetik Die Entgrenzung jedes Kunstanspruchs: alles ist Kunst?...66 Poesie-Übungen...67 Semiotik...68 Folgen des semiotischen Denkens auf die Kunst...68 Fazit...71 Kunstwerk als Bild...71 Kunstwerk als Könnerschaft...71 Kunstwerk als Konzept...72 Referenzen

48 2. Zum Werkbegriff in der Kunst Es gibt die Kunst, und die Künste. Es gibt die handwerkliche Kunst, die Berufskunst, die Bühnenkunst und Artistik, es gibt die geistige Kunst, die der Zahlen, des Wortes, die der Spekulation über die letzen Dinge 69. Die Einordnung solchen Könnens und Wissens geschieht nach Kriterien, die sich im Lauf der Geschichte gewandelt haben (vgl. Abschnitt Kunstgeschichte, z.b. die Veränderungen in den Kategorien der artes mechanicae und der artes liberales) Wie lassen sich Künste einteilen? Künste nach Unterscheidung der angesprochenen Sinne Unsere sinnliche Wahrnehmung (sehen, hören, tasten, riechen, schmecken) bestimmt oft die Kategorisierung von Produkten. Es gibt eine Kategorie von Dingen, die man hauptsächlich visuell wahrnimmt, eine, die vor allem über das Ohr zu uns spricht, oder über den Tastsinn, usw. So gibt es Künste, die sich auf den Gesichtssinn, oder auf den Hörsinn, das Schmecken (Kochkunst) usw. ausrichten. In der Kunstausbildung gibt es eine seit der Antike bis heutige gültige Einteilung, welche auf der Art der sinnlichen Stimulierung basiert, wie folgt: Musik, d.h. Kunst aus Gesang und/oder mit Musikinstrumenten. Ihr Produkt besteht a) in einem Rezept (Partitur) und b) in Aufführungen (vergänglich oder Aufnahmen). Literatur, d.h. lange Erzählungen, in Versen oder in Prosa (Epik), tragische oder komische Dichtungen in Versen oder Prosa (Drama, auch Poetik), Dichtkunst (Poesie, später Lyrik). Ihr Produkt besteht in a) in niedergeschreibenen Stücken, b) in Aufführungen (vergänglich, Aufnahmen). Darstellende Künste (Bühnenkünste), d.h. Theater, Tanz, Performances, Shows. Ihr Produktist besteht in a) Skripts, Choreografien usw., b) in Aufführungen (vergängliche oder aufgenommene). Bildende Künste, d.h. klassischerweise Malerei (enthaltend Grafik, Fresken, Mosaike), Bildhauerei (Skulpturen, Plastiken), Architektur und auch, aber in abgewerteter Einschätzung, das Kunstgewerbe (Design). Ihre Produkte sind "Bildwerke", d.h. nicht vergängliche Artefakte. (Ausnahmen: Gegenwartskunst; ungebaute Architektur: für diese gibt es Rezepte / Zertifikate / Pläne / Dokumentationen vergangener Installationen). Wir widmen uns den bildenden Künsten, vor allem der Malerei, auf welche in der Produktewerbung gerne angespielt wird. Aus oder in Verbindung mit der Malerei entstanden weitere Kunstformen, Abstraktion, Installation, Konzeptkunst, auch die digitale Kunst (Multimedia), welche im Bereich Art & Branding nebst der Architektur eine führende Rolle spielen. Dabei bleiben wir hauptsächlich im Visuellen Künste nach Unterscheidung der kognitiven Rezeption Kunst ist Kommunikation, ein Kunswerk ist ein Kommunikationsakt. Kommunikation wird, ganz allgemein, wenn möglich mit allen Sinnen gesendet und mit allen Sinnen empfangen. Je nachdem, welches Kommunikations- oder Nachrichtensystem man benützt, werden einige sinnliche Komponenten abgeschnitten. So kann man im Telefongespräch zwar 69 Die letzten Dinge = Fragen über den Tod und das Sein nach dem Tod, religiös gemeint ist dies die Eschatologie. 48

49 heraushören, ob der Anrufende bei Sprechen lächelt, aber nicht sehen, wie er lächelt und ob er gestikuliert. Um gestische Elemente in die Schrift einzusetzen, setzt man Gedankenstriche, Ausrufezeichen! u.a.? ein, seit einiger Zeit auch icons ( ). Die Wahrnehmung eines kommunikativen Aktes ist von seiner Übertragungsart geprägt. 1. Einerseits bezieht er sich auf das gegebene Wahrnehmbare, die Trägermedien (Kanäle), die für den Kommunikationsakt rein technisch zur Verfügung stehen. 2. Andererseits bezieht sich die Übertragung auf unsere Schnittstellen für die Wahrnehmung: Wir können sehen, hören, tasten, riechen, schmecken. 3. Weiter bezieht sie sich auf die kognitive Verarbeitung des Wahrgenommenen: Wird die Nachricht o physiologisch (Stimuli) o poetisch (ästhetische Rezeption; aisthesein = (gr.) Wahrnehmung) o symbolisch (begriffliche Verarbeitung) interpretiert? Wir unterscheiden beim Punkt 3. drei Stufen der kognitiven Rezeption (s. Abb.): Vereinbarte Zeichen Kulturen der Gestik, Mimik Reize Das symbolische System Symbolische Interaktion Das repräsentationale System Soziale Interaktion Das Stimulus-Response-System Mechanische Interaktion Das dreigeschossige Gebäude der Kognition 70 Die Wahrnehmung über den Stimulus-Response Apparat: Auf dieser primitiven Ebene ( Stammhirn ) kann von aussen betrachtet jede Interaktion nach dem mechanischen Modell Input / Output verstanden werden. Beispiel: Sieht ein Frosch etwas Kleines nahe vorbeifliegen, schnellt seine Zunge automatisch heraus, packt und verschluckt es. Sehen wir einen Blitz oder hören einen Knall, so zucken wir zusammen. Auf dieser Ebene funktioniert die Wirkung von Signalen in der Natur: Auf (Schreck-) Farben, auf Drohgebärden, auf Mitleid und Brutpflege (Kindchenschema) usw. In der Werbung, wo um Aufmerksamkeit der Passanten in Sekundenbruchteilen gekämpft wird, kommen solche Effekte ins Spiel, häufig Sexstimuli, aggressive Farben/Formen oder aber Erschrecken (vgl. z.b. die Benetton-Werbung 71 ). Die Wahrnehmung auf der Ebene des repräsentationalen Systems: Auf der Ebene der Kultur, der Geste und Mimik, spielt sich ein wesentlicher Teil unserer Kommunikationshandlungen ab. Aufgrund unserer sozialen Erfahrung schätzen wir die Gestimmtheit (und zu erwartenden Aktionen) unseres Gegenübers ein und verhalten uns entsprechend. Manches ist biologisch (emotiv) verankert, aber die kontextuelle Interpretation ist sozial konstruiert. Auf dieser Ebene dort, wo Gesten eine bestimmte Bedeutung haben, was bereits beim Gestus des Zeigens, Hinweisens, beginnt unterscheidet sich der Mensch vom Tier. Die Wahrnehmung auf der Ebene von Symbolen: Dies betrifft die Sprache. Sprachen sind künstliche Codiersysteme, sie sind nicht biologisch vorhanden, sondern müssen 70 Quelle: Beat F. Schmid in: B. Schmid, S. Schmid-Isler: DigitaleProdukte II. Skript zur Vorlesung mcminstitute-teaching Material , Kognitionsteil auch in: (Schmid, Schmid-Isler 2004) 71 Kommunikationsdesign bei Benetton, HSG-Studie [ 49

50 erlernt werden. Sprache besteht aus einem Vokabular von gemeinsam vereinbarten Zeichen, die eine gemeinsam vereinbarte Bedeutung haben, welche sich ergibt, wenn man diese Zeichen nach bestimmten Regeln zueinander in Beziehung setzt mit einer Grammatik oder einem Protokoll. Sprache und Denken bedingen einander: Denken ermöglicht die Abstraktion (die Metaebene) vom Handeln, ermöglicht das bewusste Hervorholen von Erinnerungen, Entwickeln von Vorstellungen und damit das planende Verhalten. Einsichten weitergegeben werden. Verstellung und das Spiel wird möglich. Tiere haben keine Sprache in diesem Sinn, sie können nur nach dem Reiz-Reaktions-Mechanismus auf ein Verhalten "dressiert" werden, sie können nicht verschiedene "Rollen" spielen. Kunstwerke haben einen "Appell" an den Betrachter, welcher ebenfalls über die drei Stufen der kognitiven Wahrnehmung an uns appellieren. Stimulus-System: Schrille Farben, Kontraste, Lichtführung (Flash, Blinken), optische Täuschungen, spitze Formen, grosse Formate u.ä. Beispiel: Op Art. Op Art F.A. Lohmueller, 2003 [ Soziales System: Erzählungen von Szenen aus uns bekannten oder anderen Welten, mit Tätigkeiten, welche eine gewisse Stimmung vermitteln: Interpretierbare Orte, bekannte Mimik und Gestik. Beispiel: Abbildende Kunst. Marc Chagall Zeichnung [ estandenagenda/chagall- Romantiek.jpg] Symbolisches System: Eine symbolisch codierte Botschaft, die erst über die Reflexion vermittelt wird. Buchstaben, Symbole, Paradoxa, auch ein "nichts". 72 Ben Vautier No more art Lack auf karton, 50x70 cm (Bonnet 2004) S. 33 [ 72 Auch ein "Nichts", das als Kunst ausgegeben wird, ist eine Botschaft. (Watzlawick: "man kann nicht nicht kommunizieren"). 50

51 Künste nach Unterscheidung der Botschaft Im Unterschied zum Naturerlebnis (Sonnenuntergang, Blumenduft, wogendes Meer usw.), dessen Schönheit eine selbstgemachtes, autopoetisches Erlebnis in uns ist, ist das Erleben von Kunst ein sozialer, kommunikativer Akt, der vom Künstler gewollt ist. Kunst ist eine Form der Kommunikation. (Wir halten mit Luhmann 73 fest, dass wir von der Kommunikation sprechen, die aus der direkten Begegnung mit einem Kunstwerk entsteht, nicht etwa von der Kommunikation als Sprechen über die Kunst). Alois Riegl prägte den Begriff des "Kunstwollens" vor etwa hundert Jahren 74. Der Künstler kommuniziert sein Erleben der Welt und fordert das Publikum auf, seinen Blick einzunehmen oder aber sich des eigenen Blickes auf die Welt bewusst zu werden. "Alles Wollen des Menschen ist auf die befriedigende Gestaltung seines Verhältnisses zu der Welt (...) gerichtet. Das bildende Kunstwollen regelt das Verhältnis des Menschen zur sinnlich wahrnehmbaren Erscheinung der Dinge: es gelangt darin die Art und Weise zum Ausdruck, wie der Mensch jeweilig die Dinge gestaltet oder gefärbt sehen will." 75 Kunstwollen hat je nach Epoche unterschiedliche Motivationen und bringt entsprechend unterschiedliche Kunstwerke hervor. Je nachdem, ob mit einem Kunstwerk die Vermittlung von Wissen beabsichtigt ist, oder die Darbietung einer Könnerschaft, oder eine exemplarisch sensible Reaktion auf die Umstände der Zeit, wird man das resultierende Kunst-Werk unterschiedlich definieren müssen (s. Tabelle): 1. Kunst als Wissen 2. Kunst als Können 3. Kunst als Reaktion = Geistige Kunst = Werke der Forschung und Reflexion: Information (z.b. Schriften, Formeln, Ikonografien) = Sinnliche Kunst = Werke der materiellen Formgebung: Güter (z.b. Architektur, Plastik, Malerei und Grafik, aber auch industrielle Erzeugnisse, Esskultur, Lifestyle, Produkte der Unterhaltungsindustrie). = Paradox = Werk als Objekt einer Zeigehandlung: Rätsel (z.b. Poesie. Humor) = (ev.) vergleichbar einem Koan (Zen-Rätsel 76 ) Die Botschaften der Kunstwerke sind verschieden: 1. Kunst als Kommunikation von Wissen: Das Kunstwerk ist ein Ort, an dem etwas Begriffliches an- oder abgerufen werden kann. Vorausgesetzt wird, dass das Kunstwerk als Gegenstand dieser Anrufung erkannt wird und dass seine Codierung (Buchstaben, Ikonografie usw.) gelesen und verstanden werden kann. Dieser Aspekt wird im folgenden unter dem Begriff des Ikons bzw. als "Ära des Bildes" behandelt. 73 (Luhmann 1995). Vgl. hierzu die lesenswerte Diskussion zu Niklas Luhmanns Buch "Kunst und Gesellschaft" auf [ 74 Der Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl ( ) unterstellte dem Künstler ein eigenes "Kunstwollen", d. h. die gewollte Absicht, Kunst zu schaffen (Andrea Reichenberger: Riegls 'Kunstwollen', Versuch einer Neubetrachtung, St. Augustin: Academia, 2003). Riegls Ansatz entspringt seinem stilistisch orientierten Kunstblick; das "Stilwollen" war sein Leitmotiv (Hermann Bauer: Form, Struktur, Stil, in: (Belting 2003) 75 Alois Riegl: Die spätrömische Kunstindustrie nach den Funden in Österreich-Ungarn, I. Teil (1901), Berlin 2000, S. 401, zitiert auf [ 76 Ein Koan ist ein Zen-buddhistisches Rätsel, dessen Lösung verlangt, die Grenzen des logischen Denkens zu überwinden. Dies führt zu religiöser Erleuchtung. Im Zenbuddhismus wird das Loslassen tradierter Denkmuster u.a. mittels Koans geübt, es verlangt grossen psychischen Einsatz. Wir referenzieren Koans, weil auch die poetische Betrachtung, wie sie die Kunst verlangt, das logische Denken durchbricht (allerdings unter weniger grossem psychischem Einsatz). 51

52 2. Kunst als Kommunikation von Können: Das Kunstwerk ist Resultat einer Könnerschaft, die sinnlich examiniert werden kann. Es zeigt auf die eigene (schöne) Gestalt (Autopoesis). Dieser Werkbegriff wird als Kunststück bzw. als "Ära des Kunstwerkes" besprochen. 3. Kunst als Infragestellung: Solche Kunstwerke sind eine Zeigehandlung wofür sie selbst ein Exempel sein können, aber nicht müssen. Das Kunstwerk als Gelegenheit, die zur Reflexion zwingt. Dabei wird kein gemeinsames gesellschaftliches Wissen vorausgesetzt, sondern es geht um eine individuelle Introspektion, um das Auslösen eines subjektiven Erlebnisses. Dieser Werkbegriff wird im Abschnitt "Ära des Konzeptes" erläutert Zum Werkbegriff in der Ära des Bildes: Das Ikon In diesem Abschnitt wird der Werkbegriff in der Kunst behandelt, wie er seit der Antike bis zum Ende des Mittelalters, d.h. bis zur Spätgotik (Ende 15. Jh.) respektive bis kurz vor der Renaissance (Italien, 16. Jh.) gültig war. Der Kunsthistoriker Hans Belting unterscheidet in seiner Publikation "Bild und Kult" 77 zwischen dem Begriff des 'Bildes' und dem Begriff der 'Kunst': "Der Begriff <Bild> im landläufigen Gebrauch deckt alles und nichts ab, und das sind wir auch von dem Begriff <Kunst> gewöhnt. Unter einem Bild ist vornehmlich das personale Bildnis, die imago, verstanden. Sie stellt gewöhnlich eine Person dar und wurde deshalb auch wie eine Person behandelt. In diesem Sinn wurde die Ikone zum bevorzugten Gegenstand der Religionspraxis (Ikon = griech. Bild). Hier verehrte man sie als Kultbild und unterschied dieses von der Bilderzählung oder der historia, die einem gleichsam lesenden Betrachter die Heilsgeschichte vor Augen stellte." 78 Belting definiert die "Ära des Bildes" als die magische Zeit vor der Renaissance, als eine Ikone als Ort, oder eher Pforte, für die göttlichen Erscheinung (Epiphanie) der dargestellten Person verstanden wurde. Es fand eine Begegnung mit der Persona statt, die nur aus einer religiösen Sichtweise heraus verständlich wird. Zum Werkbegriff als Ikon oder 'Bild' gehört das kulturell verankerte Wissen, dass in diesem Werk, wie in einem Fetisch, eine Verbindung zu der Persona bzw. zu dem Bildinhalt hergestellt werden kann. Die Darstellung des Bildinhaltes ist nicht wichtig (es ist nicht wichtig, ob die Persona schön, ansprechend usw. dargestellt ist), wichtig ist vielmehr, dass sie es ist, dass die Darstellung quasi die Direktverbindung zur Dargestellten garantiert. In der Antike waren die Statue und die Ikone göttlich, sie waren wortwörtlich genommene Erscheinungen eines Gottes. Die Wandlung und Verwandlung der Person (in der Anbetung) vor dem Bild war erfahrbar. Sie klingt in Benjamins Beschwörung der "Aura" eines Bildes heute noch nach. 77 Belting Belting 2000, S. 9 52

53 Abb.: Bild, Imago, Ikon: Ein Christus-Mandylion aus Konstantinopel. In der Kirche San Bartolomeo degli Armeri in Genua, Italien 79 Das Bild zeigt das Antlitz Christi, mit offenen Augen, ikonografisch daher ein Christus triumphans 80. Es ist ein übernatürliches, magisches Abbild, zu lesen als Symbol, nicht als ein Porträt! Christus erscheint hier, als Licht (aus dem Goldgrund als jenseitigem Raum), als Gott, als Messias. Dieses Bild ist eine "Erscheinung" (Epiphanie), es soll zum inneren Schauen zur Anbetung führen. Abb.: Beim Werkbegriff "Ikon" oder Bild wird das Kunstwerk als Ort aufgefasst, an dem das Dargestellte erfahrbar wird. Es ist ein magischer Werkbegriff. 79 Quelle: Belting 2000, S Ikonografische (d.h. Bild deutende) Daumenregel: Christus (am Kreuz) mit offenen Augen = Sieger über den Tod, = Christus triumphans. Hat er die Augen geschlossen = Er nimmt unsere Sünden auf sich, leidet = Christus patiens. 53

54 2.3. Zum Werkbegriff in der Ära des Kunstwerkes: Das Schaubild Aus geschichtlicher Sicht war die Rolle von Kunstwerken klar assoziiert mit Machthabern, sie "kleideten" den Klerus und den Adel und wurden auch als "PR-Massnahme" eingesetzt als Zeichen von Macht und Pracht. 81 Bis zur Reformationszeit lag die Beurteilung von Kunstwerken Bildwerke vor allem im Kompetenzbereich der Theologen. Denn die Macht der Bilder war für alle Religionen eine grosse Herausforderung. Die Kontroversen für oder gegen Bilder entzündeten sich daran, ob gemeinsame Bilder gemäss einer "richtigen" oder "falschen" Glaubensauffassung erstellt worden waren. Es war ein Streit um die Glaubensreinheit 82, welcher bekanntlich die christliche Ost- von der Westkirche entzweite. In der Reformationszeit dann waren, aus katholischer Sicht, nicht nur die Protestanten, sondern auch die "heidnischen" Türken mit ihrem islamischen Bilderverbot "in der Bilderfrage Gegner, in deren Händen die identitätsstiftenden Bilder entehrt wurden. Auch fürchtete man um die institutionelle Macht, die an die Bilder geknüpft war." 83 Mit der Aufklärung und der Reformation wurde das magische Verständnis des Bildes als Erscheinung des Göttlichen zerstört. Die Bilderstürmer setzten nicht nur den Ikonen, sondern auch der bisherigen ästhetischen Rezeption der Bildwerke ein Ende. An ihrer Stelle entstehen Bilder neuer Art schöne, kunstvolle Werke, an denen man nicht den Inhalt des Dargestellten, sondern die Art und Weise der Darstellung (die Könnerschaft) genoss. Nun entstanden die Objekte des Schönen für die Kunstsammlung. Es gilt zu berücksichtigen, dass Kunstwerke erst spät, erst in der Neuzeit, als Sammlerobjekte und als Beispiele von "Regeln der Kunst" in die Kompetenz von Kunsthistorikern und -kritikern fiel. Erst mit der Bildung von Kunstakademien (nach Leonardo ff.) gab es eine andere Debatte um Kunstwerke, nämlich die, ob die Bilder gut und schön und beispielhaft herausgekommen waren; ob sie die Regeln der Akademiker stützten oder nicht. Damit verbunden war neu der Erfolg des Künstlers. Bisher waren Künstler "Hofkünstler" 84 gewesen, im 18. Jahrhundert wurden sie "Ausstellungskünstler" 85. Sie mussten sich nach dem Geschmack von Kunstkritikern und nach dem Willen des Publikums richten, sie begannen, unternehmerisch zu denken. Klar ist, dass mit dem Aufkommen von Kunsthistorikern und dem Ausstellungswesen das Kunstwerk als solches diskutiert wird die Darstellung, nicht das Dargestellte, d.h. dass die sinnliche objekthafte Komponente den Kunstbegriff prägt. Damit ist die Ära des Bildes vorbei, sagt Belting, hier setzt die "Ära der Kunst" ein. Jetzt werden die (aus reformatorischer Sicht "zwielichtig" gewordenen) Ikonen neu kategorisiert, indem man die Aufmerksamkeit vom Thema auf die Kunstfertigkeit richtet, mit der sie hergestellt wurden, diese lobt und damit auch eine eigene Kennerschaft zur Schau stellen kann. Vor solchen Bildern wurde die Theatralik, die Perspektive, die Farbgebung, die Lichtführung, die Komposition und Gruppierung von Körpern gelobt, nicht die Rolle, welche die Dargestellten im Glauben, der Mythologie und Geschichte spielten. "Das neue Bild wurde zum einen auf die allgemeinen Naturgesetze verpflichtet, wozu die Optik gehörte, und damit ohne Abstriche dem Bereich der sinnlichen Wahrnehmung zugeordnet: Für das Bild galten keine anderen Gesetze mehr, als die 81 Vgl. Schmid-Isler: Erfolgreiche Kommunikationsdesigns. Skript zur Vorlesung. [ 82 (Belting 2000), S (Belting 2000), S (Warnke 1985) 85 (Bätschmann 1997) "Im 18. Jh. entstand das Ausstellungsbild, im 19. die Ausstellung als Kunstwerk und im 20. Jahrhundert wurde die Ausstellungskunst erfunden", a.a.o. S

55 für die natürliche Wahrnehmung ausserhalb des Bildes galten. So betrachtet, war es ein simuliertes Fenster geworden, in dem sich sowohl der Heilige wie ein Familienangehöriger iim Porträt zeigen konnte. Zum anderen wurde das neue Bild für den Künstler freigegeben, der es aus seiner inneren Vorstellung oder 'Phantasie' neu erschuf. In diesem Licht war es seind 'Idee' oder seine 'Erfindung', welche auch den Massstab der Beurteilung des Bildes abgab. Zwischen den Polen der Naturnachahmung und der Imagination des Künstlers entfaltete sich das neue Bild- Verständnis als Kunst-Verständnis.": Das Bild gehörte jetzt dem Künstler, es war sein Werk, und war zum Beleg seiner Kunst geworden. 86 Umgekehrt schlug diese Usurpation der Bilder durch die Künstler auf die alten Ikonen zurück ihre Magie war verschwunden. "Die neuen Themen, die keine Realität im wörtlichen Sinne besassen hatten Konsequenzen dafür, wie man Bilder wetierhin verstand. Wenn ihre Darstellungen auf Fiktion beruhten, konnten auch die anderen, deren Thema man wörltich nahm (Heiligenbilder und Porträts), ihre alte Eindeutigkeit nicht bewahren. Künstler und Betrachter befanden sich in einem doppelten Einverständnis, wenn das Bild ebenso die Gesetze der Wahrnehmung wie eine originelle Idee repräsentierte, also sowohl schön als auch tiefsinnig war." 87 Abb.: Michelangelo: Die Madonna des Angelo Doni, Malerei auf Holz, 1503 (Uffizien Florenz) Die hier dargestellte Heilige Familie ist ein Paradestück der Renaissancemalerei. Michelangelo hat die Bildtiefe ganz klassisch in 3 Ebenen geteilt: Im Vordergrund, auf dem Rasenstück, ist die Familie gruppiert. Im Mittelgrund, hinter der Mauer in einer Arena, sind (thematisch völlig getrennt) sportlich-nackte Epheben 88 im Pausengespräch. Im Hintergrund zieht sich eine toskanische Landschaft in die perspektivisch "verblauende Ferne". 86 Zitiert aus: Belting 2000, S Belting 2000, S Epheben sind (in der griechischen Antike) Jünglinge, junge Studenten. Die Nacktheit ist aus der Antike übernommen bei der sportlichen Ertüchtigung war man nackt. Die Nacktheit ist auch eine (ebenfalls aus der Antike übernommene) heroische Nacktheit, d.h. Zeichen des Helden (Kämpfers). 55

56 Aufallend ist die rückwärts gewandte gebodybuildete Hl. Maria, eine Figur der Muttergottes als unerwartet fit "turnende" Madonna, welche mit muskulösen Armen das Jesuskind übernimmt, das ihr vom hinter vom Hl. Josef gereicht wird. Der kletternde Jesusknabe ist ebenfalls völlig diesseitig gestaltet, das Ganze sieh aus wie ein Schnappschuss aus den Sommerferien. Dieses Bild will Anschauung bieten in der Art, wie es Promi-Fotoreportagen in Illustrierten tun. Man soll alles ganz genau und neugierig betrachten, lesen, vergleichen, diskutieren: Die Heilige Familie ist nichts Entrücktes, sondern hier als "eine Familie wie Du und ich" (peer to peer) dargestellt. Das Bild zeigt die Regeln der Kunst (Bildkomposition, Perspektive, Körpermodellierung, Licht- und Farbführung usw.) und fordert den Betrachter auf, bewundernder Kunstkritiker zu spielen. Abbildung: Beim Werkbegriff "Kunst-Werk" verkörpert das Kunstwerk ein Schaubild, in welchem alle Regeln der Kunst, der Meisterschaft des Künstlers, dargeboten werden. Es ist ein objekthafter Werkbegriff. Sobald das Kunstwerk als Produkt einer erlernbaren Meisterschaft angesehen wird, greifen neue technologische Entwicklungen, neue Methoden der Fertigung, entscheidend in die Kunstentwicklung ein. Das Kunstwerk und der Kunstbegriff haben sich sowohl in der tradierten Abbildungsfunktion wie auch in der modernen expressiven Funktion des Bildes durch neue Erfindungen gewandelt. Im folgenden beleuchten wir die Folgen einiger wegweisender Erfindungen genauer MIMESIS: Kunst als Nachahmung der äusseren Welt Platon und Aristoteles bestimmten, dass Kunst der Nachahmung der Natur zu dienen habe. Diese abbildende Funktion der Kunst wird mit dem griechischen Wort Mimesis (Nachahmung, obwohl eigentlich eher 'etwas vormachen' als nachahmen) bezeichnet. Die besten Künstler der Antike konnten also Bilder und Statuen anfertigen, welche die Sinne täuschen konnten 89. Mimetische Kunst dient die Kunst der Abbildung, oder Nachahmung, dessen, was der Künstler als seine Umwelt wahrnimmt. Kunst hat sich aus der Mimesis mimesis (griech.) heisst eher "etwas vormachen" als "nachahmen" entwickelt. Das, was wir heute realistisch, oder fotorealistisch, nennen, d.h. die gute Imitation von Bewegung, die das Auge täuschende Illusion (Malerei, Skulptur) u.dergl., war über viele Jahrhunderte das Kriterium für "gute" Kunst in der Kategorie der Mimesis. 89 Bekannt ist das Beispiel des Wettstreites zwischen den antiken Malern Zeuxis und Parrhasios. An Zeuxis Trauben pickten die Vögel. Aber Parrhasios malte einen Vorhang, den Zeuxis tatsächlich zur Seite schieben wollte. (Geschichte aus Plinius d.ä., Fabeln). 56

57 Mimesis: Der Legende nach beginnt die christliche Malerei damit, dass der Evangelist Lukas (eigentlich Arzt, nicht Maler) Maria, die Mutter Jesu, gemalt. Maria habe ihm vier Mal Modell gesessen. habe und zwar. Dies bedeutet zweierlei erstens, dass die bildliche Darstellung von Heiligen durch einen Heiligen selbst autorisiert ist (also kein Bilderverbot wie im Islam), zweitens, dass eine vorbildliche Madonnenikone aus "lebendiger Anschauung" gefertigt werden muss. Diese bezieht sich in der religiösen Malerei mehr auf eine innere Schau, also auf das Gebet. Die byzantinische Ikonenmalerei (Porträts von Heiligen) schrieb vor, dass der Maler betend arbeiten solle. Jan Gossaert: Der heilige Lukas malt Maria mit dem Kind (1520), Öl auf Holz, Wien: Kunsthistorisches Museum. Zentralperspektive Die Erfindung der Zentralperspektive verstärkte die mimetische Kraft, und die Erfindung der Fotografie, des Filmes und der computerbasierten Virtual Reality haben heute Wirklichkeiten geschaffen, welche die Kunst als Darstellung definitiv in das Reich der Ingenieure und Unterhaltungsindustrie umgeleitet hat. Perspektive: Masaccio: Die heilige Dreifaltigkeit. Fresko in der Kirche Sta. Maria Novella in Florenz, um 1427: Erstes duchkonstruiertes zentralperspektivisches Bild (1): Intuitiv erfasste Verkürzungen: In der griechischen Antike, Ende des 6. Jh.v.Chr., gibt es Malereien auf Keramikgefässen, welche erstmals die Körperperspektive abbilden (Gesichts- und Körperdarstellung in ¾-Profilen, Verkürzungen). In der Kulissenmalerei für das Theater wurde die illusionistische Raumperspektive weiter erkundet. Wandmalereien aus dem römischen Pompeji zeugen davon. Die mathematische Konstruktion fehlt allerdings noch. (2): Bühnenmalerei. Deren Weiterentwicklung führt zur Raumperspektive (in der Bühnenmalerei). Diese wiederum bildet den Ausgangspunkt für eine zentralperspektivischer Darstellung. Auch pompejianische Wandmalereien zeigen einen überzeugenden Raumeindruck, der allerdings nicht streng durchkonstruiert ist. (In der Spätantike und dem Mittelalter blieb die illussionistische Darstellung des Raumes bedeutungslos). (3): Konstruierte Zentralperspektive. In der frühen Renaissance wurde aus dem Architekturentwurf um 1410/1420 die konstruierbare Zentralperspektive gefunden (Filippo Brunelleschi). Leon Battista Alberti definierte 1435 die "Perspektive eines Objekts" als Schnitt, welche die Bildtafel im Sehkegel bildet. 57

58 Folgen der Zentralperspektive auf die Kunst Im Fall der bildenden Kunst war die Erfindung der konstruierten Zentralperspektive ein Mittel, die Illusion (des Bildes als eines "Fensters zu einer anderen Welt", wie der Renaissance- Künstler Alberti sagte) noch täuschender herzustellen. Dabei ergaben sich aber eine ganze Reihe von "Nebenwirkungen", wie folgt: - Kunst entledigt sich der magischen Welt. Der dargestellte Bildraum war diesseitig, real, nicht mehr jenseitig: Das Göttliche hatte in dem Koordinatennetz nirgendwo mehr einen magischen Platz. So mussten Götter physisch dargestellt werden wie Menschen, wodurch sie bildnerisch mit (allen anderen) heidnischen Göttern gleichgestellt wurden. Nach der Erfindung der Zentralperspektive (vom Architekten Bramante und dem Maler Masaccio: Erstes Perspektivbild ist die Dreifaltigkeit, Kirche Sta. Maria Novella, Florenz, ) verschwanden die perspektivisch unbestimmten aus Gold gefertigten Bildhintergründe auch aus der religiösen Malerei. - Kunst wird verführerisch, Themen sind theatralisch inszeniert. Die Konstruktion lädt auch dazu ein, Verzerrungen ("Fischaugenoptik" u.a.) zu konstruieren. Der Barock hat diese übertriebene, manieristisch-illusionistische Darstellungsweise gefördert. Dadurch merkte man allmählich, dass unsere Sicht auf die Dinge eine Wahl aus mehreren möglichen Sichtweisen ist. Damit lässt sich auch die Dramatik in einem Bild aus einem bestimmten Blickwinkel, so, wie das heute ein Kameramann im Film auch tut entscheidend mitgestalten. Die Bilder werden theatralisch (Rubens z.b.). Fotografie Die Fotografie wurde über mehrere Vorstufen gefunden bzw. erfunden. Üblicherweise werden als Erfinder die Franzosen Nicéphore Niépce und seine Fotografie von 1926, Louis Daguerre mit seinen auf Silber basierenden Daguerrotypien (seit 1837) sowie der Engländer Fox Talbot (welcher als erster das aus einem Negativ mehrere Positiv-Fotografien ermöglichende Verfahren erfand) genannt. Bereits 1895 entstand der erste Film (Gebrüder Lumière) Frankreich. Im 20. Jahrhundert wurde die Farbfotografie, die Filmindustrie und schliesslich die Digitalisierung dazu gewonnen. Die Reportage, das Bild in den Nachrichten, Porträts, Landschaftsbilder und alles Reale wanderten von der Welt der Künstler in die Welt der Kunsthandwerker und der Unterhaltungsindustrie. Folgen der Fotografie auf die Kunst Ein beträchtlicher Teil der Maler und Zeichner wurden arbeitslos, es mussten neue Bildthemen her. Eine kurzzeitige Folge der Fotografie ist, dass sie die Künstler von der Darstellung (Kunst der äusseren Welt) in den Ausdruck (Kunst der inneren Welten) trieb. Eine langzeitige Folge davon ist, dass heute ein neuer Blick auf vorgefundene Naturstücke entwickelt wird, mit welchem die Gegensartskunst operiert. - Die Kamera macht das Bild. Neu an der Fotografie war, dass die Details eines Bildes, das durch sie gewonnen wurde, nicht einzeln vom Künstler (vom Fotografen) gewollt eingesetzt wurde, sondern dass es die Kamera war, welche etwas als Bild komponierte. Die Fotografie gilt als iuristisches Beweismittel, da sie Komponenten und ihre Konstellation "objektiv" wiedergibt. Der Fotograf entdeckt oft Einzelheiten auf seinen Bildern, die er beim Fotografieren nicht, oder nicht so, sah. - Die Fotografie macht Künstler arbeitslos. Für die unzähligen Maler, Grafiker und anderen Künstler war die Fotografie zuerst unterschätzt, dann gefürchtet und aus der Kunst ausgeschlossen eine Kalamität. Sie übernahm grosse Bereiche, die bisher der Kunst vorbehalten waren: Porträtmalerei, Landschaftsbilder, Illustrationen 58

59 aller Art, in dieser Folge (Lithografie, Siebdruck, usw.) dann auch der Kupferstich und die Radierung in Publikationen. - Man sieht Dinge auf neue Weise. Die Fotografie hat auf vielfältige Weise neue Bildmuster hervorgebracht, welche in der Kunst aufgenommen und verarbeitet wurden: o verwischte Aufnahmen, fehlende Tiefenschärfe: Impressionismus, Pointillismus, flächige Kontrastmalerei (die Nabis). o "schiefe" Perspektiven und Untersichten, "angeschnittene" Figuren, Konturlinien in langbelichteten Aufnahmen: Futurismus o o Mehrfachbelichtungen: Kubismus Flucht vor der Meisterschaft der Fotografie in der mimetischen Kunst (Darstellende Malerei) zur Ausdruckskunst, d.h. in den Expressionismus, Surrealismus, in die Abstraktion. - Man sucht neue Stufen der Illusionsmalerei. Die Fotografie hat die Mimesis usurpiert. Anstatt mimetische Bilder stellt der Künstler nun das Original (als ready made) auf den Museumssockel, anstatt es abzumalen. Das Original ist realistischer als der Fotorealismus. "ABGESCHNITTENE" BILDRÄNDER Edgar Degas: Kutsche beim Pfederennen, 1872, Boston: Museum of Fine Arts POINTILLISMUS Vincent van Gogh, violetter Busch, 1889, Eremitage, Petersburg. IMPRESSIONISMUS Claude Monet: Houses of Parliament, Effekte im Sonnenlicht, Ölgemälde 59

60 KUBISMUS Georges Braque: Mann mit Gitarre, 1911, Ölgemälde FUTURISMUS Umberto Boccioni: Dynamik eines Fahrradfahrers, 1913, Ölgemälde Reproduktionstechniken im 20. Jh. Handwerkskunst und Kunstwerke sind "immer schon" kopiert worden. Sei es, dass ein griechischer Keramiker eine auf dem Markt beliebte Schale mehrfach gleichartig herstellte und bemalte, sei es, dass Tempel und Götterbilder an verschiedenen Orten gleichartig errichtet wurden, sei es, dass die Römer die griechischen Standbilder nicht restaurierten sondern neu kopierten. Leonardo hat dasselbe Motiv zwei oder mehrere Male gemalt (Madonna in der Felsengrotte), Auftragsarbeiten für die Kirche sahen oft mehrere fast gleich konzipierte Bildwerke vor. Mit dem grafischen Druck für Buchwerke Holzschnitt, Kupferstich, Radierung haben wir Reproduktionswerke seit dem Mittelalter. Der Kupferstich, später der Stahlstich, haben es ermöglicht, Landkarten und andere Darstellungen in tausendfacher Weise zu reproduzieren. Folgen der Reproduktionstechniken auf die Kunst Im 20. Jahrhundert kam die Fotografie, die Lithografie, das Fotokopieren, Digitalisieren dazu. Kunstliebhaber fühlten sich in ihrer intimen Zwiesprache mit dem Kunstwerk bedroht (vgl. die Position von Walter Benjamin im Abschnitt Philosophische Positionen). Nicht nur Bilder der Zeitungen, Nachrichten, Werbung, Strassenreklame u.dergl. überfluten uns im Alltag und zuhause (TV, Computer), sondern auch Abbildungen von Kunst. - Die Kunstkopie ist blosse Information. Reproduktionen von Kunst sehen gleich aus wie Illustrationen zu Reportagen, wie Werbung, wie Orientierungsschilder. Damit wird das Kunstwerk in der Kopie nur noch "gelesen", nicht mehr poetisch wahrgenommen. - Naturstücke werden seltener als Kunsststücke. Das Auge des urbanen Menschen in der Informationsgesellschaft wird inzwischen so häufig und aggressiv mit Fotografien, also künstlichen Bildern der äusseren Welt, konfrontiert, dass blosse Naturstücke als 60

61 Auslöser für Kunsterfahrung dienen: Arte povera, Land art, Public Art (Installationen, Volksfeste, "the real thing" 90 ). - Das Kunstoriginal wird als Unikat hochstilisiert. Das Original eines Kunstwerkes bekommt einen ausserordentlichen Rang. Als Einzigartiges hat es eine Seltenheit, die sich vermarkten lässt. Ausstellungen, Museen, der Kunstmarkt bauen das Geschäft auf dem Unikat. Jenny Holzer, "Protect Me". Leuchtschrift-Anzeigetafel im öffentlichen Raum. Abb.: Wo ist das Original gibt es noch ein Original? 90 Shiner 2001 (public art, mass art) 61

62 AUSDRUCK: Kunst als Sinnbild der inneren Welt U.a. als Folge neuer Technologien, wie oben beschrieben, begannen einige Künstler im späten 19. Jahrhundert von der mimetischen (nchahmenden, darstellenden) Malweise abzurücken und intuitiver zu malen, zunächst so, wie sie das Sehen erlebten (was z.t. so getreulich gemacht wurde, dass Ärzte heute aufgrund der Malerei ggf. auch diagnostizieren können, welche Augenkrankheiten gewisse Maler hatten, z.b. Monet). Danach erfanden sie für ihre Emotionen ein neues Vokabular, nämlich Gesten und Symbole, womit sie ihre inneren Welten zum Ausdruck bringen konnten (Expressionismus, Surrealismus, Abstraktion). Expressionismus Edvard Munch: Der Schrei, Pastell auf Papier, 1893 Im Expressionismus (von Expression, d.h. Ausdruck) werden Gefühle, subjektive Eindrücke, in Formen und Farben und in den Gestus der Pinselführung übersetzt. Der Maler bildet nicht die äussere, sondern seine innere Welt ab. Eine Extremform des Expressionismus ist die "art brut", das sind Kunstwerke die kindlich bis kindisch wirken, die auch von geistig Handicapierten stammen können (Adolf Wölfli) oder von Künstlern, die 'kindliche' Formen wählten (Ben Vautier, Marisol), oder aber von Künstlern, die altershalber 'kindisch' wurden (Chagall, Matisse). Surrealismus Salvador Dali: die Persistenz des Gedächtnisses, 1931 Im Surrealismus treffen sich einerseits eine optisch täuschende (fotorealistisch genaue) Wiedergabe von Welten, die aber inhaltlich irreal sind, wie im Traum. Berühmte Surrealisten sind Dali (er hat mit seiner Kunst auch eigene psychologische Probleme verarbeitet) und Magritte, der das Surreale in die Ironie wendet. Abstraktion Pablo Picasso: Frau unter einem Hut mit Blumen Ölgemälde. Die entscheidende Revolution in der Geschichte der Malerei des 20. Jh. lag in der Abkehr von der gegenständlichen Darstellung und der Entwicklung der Abstraktion. Anders als vor dem 2. Weltkrieg, als man in der Abstraktion etwas konstruktiv-utopisches sah, suchten die Künstler danach ihre eigenen individuellen Ausdrucksformen. In Deutschland wurde die abstrakte Kunst unter dem Begriff "Informel" propagiert. Darunter konnte alles, was nicht Naturalistisch war, verstanden werden. 62

63 Konkrete Kunst Max Bill: Komposition. Serigrafie auf Papier, 1972 vier Akzente aus dem Quadrat. Ölgemälde, 1970 Künstler wie Malevich, Kandinsky, Mondrian, Albers und Bill versuchten, die abstrakte Malerei auf den Punkt zu bringen, eine Essenz, die maximale Reduktion dieses Stilmittels zu finden. Sie beschränkten sich in den Farben auf Schwarz und Weiss und die Primärfarben rot, gelb, blau. Sie reduzierten ihre Formensprache auf die Grundformen von Kreis, Quadrat, gleichseitiges Dreieck, aus denen sie abgeleitete Formen entwickelten. Sie suchten die Perfektion in der Ausführung, in der technischen und geistigen Rechtfertigung ihrer Kunstwerke. Viele Konkrete waren auch Architekten und Designer. Mit der Industrialisierung sind in Architektur und Design neue Formen durch eine Reduktion auf das Wesentliche entstanden (Kunst des "Bauhaus").So entstand das klassische moderne Formenrepertoire, das eine dauerhafte Ästhetik schuf. Mit ihrer Klarheit und Rationalität schuf die Konkrete Kunst eine Brücke zwischen der traditionellen Malerei und den konstruktiven Konzepte der Moderne, zwischen Kunst und Engineering Zum Werkbegriff in der Ära der Konzepte Unter "Werkbegriff" in der Kunst verstehen wir das, was wir als Auslöser (Werk) dafür nehmen für das, was wir als "Kunst" erleben. Kunst geschieht letztlich im Kopf. Dieses Geschehen wird ausgelöst über die (besondere) Wahrnehmung eines Objektes, einer Inszenierung, einer Information. Die Konkreten hatten die abstrakte Kunst so weit purifiziert, als Algorithmus aufgefasst, dass sie in den Bereich des Engineering, der Konstruktiven Konzepte gelangten. Am anderen Ende suchten einige abstrakte Künstler den Weg der 'Reinheit' in der Marginalisierung der darstellerischen Mittel. Die abstrakte Kunst (der Moderne) wurde zur Minimal Art (der Postmoderne) und diese dann zur Idee in Form einer Botschaft: Einem Konzept. Das Konzept muss nicht bildlich umgesetzt werden, denn es bleibt als Kunst- Idee, ob man es nun so oder auch anders (oder auch gar nicht) realisiert hat. Es sollte jedoch zumindest dokumentarisch belegt werden. Die Diskussion der Ästhetik, die Entdeckungen der Kognitionswissenschaften (Neuropsychologie u.a.) und Vertiefung der Semiotik bilden den Hintergrund für die Entwicklung der postmodernen Kunst. Die Postmoderne diskutiert Ästhetik als Wahrnehmung, paradigmatisch in der Form von Konzeptkunst Die Diskussion zur Ästhetik in der Postmoderne Das griechische Verb aisthanein bedeutet wahrnehmen. Die Ästhetik ist seit der Antike der Kunsttheorie bzw. der Theorie des Schönen verpflichtet (vgl. Skriptteil zur Kunstphilosophie). 63

64 In einer etwas anderen Interpretation des Wortes kann Ästhetik auch als Lehre der sinnlichen Wahrnehmung verstanden werden, wie es bereits Baumgarten im 18. Jh. tat 91. Im 20. Jh., nach Adorno 92, wurde Ästhetik allgemein als Wahrnehmungslehre aufgefasst. "Aisthetik" 93 als allgemeine Wahrnehmungslehre bezieht sich nicht nur auf Kunst, sondern ebenso auf Designer-Produkte auf die Inszenierungen in der Politik oder im Marketing oder auf Naturereignisse, auf alle unsere Wahrnehmung im alltäglichen persönlichen Leben. Die Medienästhetik 94 versteht unter Medien die Trägersubstanz oder den "Stoff", mittels dem Botschaften geformt und kommuniziert werden, und fragt nach der diesen Substanzen inhärente Ästhetik. Über sie wird das Wahrzunehmende vermittelt. In der gewählten Trägersubstanz ist eine eigene spezifische Sinnlichkeit und auch Symbolkraft begründet. Ästhetik als Wahrnehmungslehre können wir wie folgt darstellen: Primäre Ästhetik Wahrnehmung (aisthanein, griech. = wahrnehmen) wird primär definiert über zwei Bereiche: 1. Sinnliche Wahrnehmung: Durch unseren Körper, emotional (Wahrnehmung von Farben, Tönen, Haptik usw.) 2. Geistige Wahrnehmung: Durch unsere Symbolsysteme Sprache!, rational (Wahrnehmung <Baum>, <Mensch>, <gut>, <böse>, <schnell>, <gescheit> usw.) Sekundäre Ästhetik Wahrnehmung wird sekundär definiert über das, was sich ihr anbietet, also über die 3. Wahrnehmung der stoffliche Materie: Jedes Trägermedium hat seine eigene Ästhetik. (Man denke an die sinnliche, aber auch symbolische, Wirkung verschiedener Materialien wie Stahl, Holz, Wachs, Plastic, Papier, Pflanzen, Fell, Haut, Fett, Licht, TV- oder Computer-Screen, usw.) Übertragen auf die Kunst bedeutet dies: - Kunstwerke sind Kommunikate, sind sinnlich wahrnehmbar in Form von "Medien", d.h. von Trägersubstanzen, in welche die Botschaft des Kunstwerkes eincodiert ist. - Eine Trägersubstanz ist ein Stoff (er kann auch Luft sein), mit dem man eine Botschaft formt (mit Luft formt man z.b. Laute, die als Sprache wahrnehmbar sind). - Unser wichtigstes Medium ist die Sprache (oral), und die daraus abgeleiteten "Schriften", die als Zeichen, als Bilder, als geformte Objekte auftreten und die im "besonderen" Fall Kunst bedeuten. 91 (Baumgarten 1988) 92 Adorno: Ästhetische Theorie, in: (Adorno 1970) 93 Gernot Böhme will Ästhetik explizit als Aisthetik betreiben, in der es nicht mehr primär um Kunst und die Erfahrung von Kunst geht, sondern um ein differenziertes Wahrnehmungsvermögen, das im Alltag genauso gefordert sein kann wie bei Kunstwerken. Vgl. Gernot Böhme: Aisthetik. Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre. München: Fink Zitiert bei (Liessmann 2004), S Medienästhetik: vgl. (Seel 2003), (Liessmann 2004) 64

65 Das Spiel zur Ästhetik Die Postmoderne hat mit der Minimal Art die Ästhetik des Stoffes (nicht des geformten Stoffes, sondern des Stoffes, der default in einer gegebenen Form vorliegt) zum Programm erklärt. Die Kunst besteht darin, den Stoff "als solchen" erscheinen zu lassen, nicht ein von einem Künstler geformtes Kunstwerk. Der Minimal Art Künstler Carl Andre versucht, alle Einwirkungen des Ausdruckes auszublenden 95 Der Konzeptkunst geht dies zu wenig weit. Was ist das ursprünglichste, reinste Kunstwerk, welches ist das reinste Erscheinenlassen einer Idee? Der italienische Künstler Walter de Maria präsentierte an der documenta VI (Kassel, 1977) seinen "Vertikalen Erdkilomenter", ein in die Erde gestecktes Rohr, von dem nichts zu sehen ist ausser einem kleinen Messingdeckel in der Mitte einer zwei Quadratmeter grossen Steinplatte. Walter de Maria: Vertical Earth Kilometer, 1977 Dokumentation des Kunstwerkes, wie es an der documenta VI in Kassel ausgestellt war (Juni September 1977) Der Künstler häufte auch Erde in Museumsräume. The New York Earth Room zeigt seit 1980 'An interior earth sculpture'. Konzeptkunst: Walter de Maria präsentierte einen (unsichtbaren) "Erdenkilometer" 95 Comic aus: (Appigianesi 2003) S

66 Zum diesem versenkten Werk "Erdkilometer" und anderen Erdprojekten Walter de Marias schreibt Martin Seel: "Wir stehen hier vor Objekten, die nach der Meinung einflussreichen Kommentatoren in ihrem künstlerischen Kalkül über das sinnliche Erscheinen erhaben sind. ( ) Die weitgehende Entzogenheit des materiellen Kunstobjektes ist gerade eine Technik des Erscheinenlassens. Denn sie macht auf subtile und paradoxe Weise den Raum spürbar, in dem sich die Installation unter den Füssen des "Betrachters" erstreckt. Im Kontext der Kunst kann selbst das Verschwinden eine Quelle des Erscheinens sein." 96 "Die Besonderheit der Kunst muss gerade in ihrer ästhetischen Besonderheit zur Sprache kommen: darin, wie sich ihre Objekte nicht nur von beliebigen Dingen, sondern von beliebigen ästhetischen Objekten und Ereignissen unterscheiden. ( ) Die Stellung de Kunst in der menschlichen Welt ist eine Stellung inmitten einer Pluralität ästhetischer Gelegenheiten, die selbst keiner künstlerischen Choreographie unterliegen." 97 Seel spricht es an der Künstler macht (in der Konzeptkunst) eine Choreographie für ästhetische Gelegenheiten. Die Inszenierung, genannt Kunstwerk, soll das Publikum dazu anleiten, sich auf ein "Spiel um eine Anschauung unserer Gegenwart einzulassen" Die Entgrenzung jedes Kunstanspruchs: alles ist Kunst? Die ästhetische Diskussion hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. In der Moderne war die radikale ästhetische Wahrheit gesucht worden, oder die politisch engagierte Kunst. In der Postmoderne wird der ästhetische Kunstbegriff abgelehnt bzw. ins Unendliche ausgedehnt: Es gibt kein Kunstwerk, es gibt keinen künstlerischen Akt mehr, an ihre Stelle tritt eine Entgrenzung jedes Kunstanspruches. Das bedeutet den Einbezug aller Dinge unserer Lebenswelt in die ästhetische Erfahrung, oder, m.a.w., die Deklaration, dass Alltagsgegenstände, Mode, Design, Medien, aber auch Kitsch und Trash als Kunst gefeiert werden kann 99. = Alles kann Kunst sein. Kunst unterscheidet sich vom Alltag dadurch, dass hier eine "besondere" Wahrnehmung stattfindet. Im Alltag entscheidet unser Geschmack über die Qualität des Wahrgenommenen. Kunst hingegen "beginnt dort, wo Geschmack aufhört" 100, in Anspielung auf Kant, welcher Geschmack als Beurteilungsvermögen von Gefallen oder Missfallen "ohne alles Interesse" definiert: Interesselosigkeit ist eine Voraussetzung für die allgemeine Ästhetik, d.h. Wahrnehmung 101. Interesse zu haben hingegen heisst, einen Zweck im Auge zu haben, etwas unter dem Aspekt seiner Verwendbarkeit zu betrachten womit sich gerade die Kunst vom Handwerk unterscheidet! = Jede Wahrnehmung, sofern sie interesselos ist, kann ein Kunsterlebnis erzeugen. Mit dem Spiel, auf das sich der Kunstbetrachter einlassen soll, sind wir beim Publikum, nicht mehr beim Künstler oder bei seinem Werk. Die z.t. einfachen Wahrnehmungen und Erfahrungen, die jeder einzelne Betrachter mit Kunst und mit dem Alltag macht, gelten als Referenzgrösse eines individuellen Kunstgenusses. Die Welt des Betrachters als Massstabe der Kunst! 96 (Seel 2003), S (Seel 2003), S (Seel 2003), S (Liessmann 2004), S (Ammann 1998) 101 vgl. (Liessmann 2004), S

67 "Eine Ästhetik, die vom Begriff der Erfahrung ausgeht, kann nicht auf eine Theorie der Kunst beschränkt, ja nicht einmal mehr um eine Theorie der Kunst zentriert bleiben. Denn sobald die Werke der Kunst aus der Perspektive der Erfahrung in den Blick genommen worden waren, msuste deutlich werden, dass es eine Vielzahl nichtkünstlerischer Gegenstände gibt, an denen sich Erfahrungen machen lassen, die mit den an Kunstwerken gemachten hinreichend viel gemeinsam haben, um sie unter demselben Begriff des Ästhetischen einzuordnen." 102 In der Concept Art wird ein Kunstwerk symbolisch wahrgenommen, nicht sinnlich. Daher ist die Stofflichkeit, in der es dargestellt wird, relativ egal. Die Kunstwerke, die der Markt als Konzeptkunst ausstellt, sind als Vorschläge oder Rezepte für eine Vorstellung ein Konzept des Künstlers zu begreifen. Die Wahrnehmung als Wahrnehmung eines Konzeptes hat zwei Wurzeln: - Die der Poesie, in der man quasi alles Bekannte zur Seite schieben und mit neuen, kindlichen, spielerischem Auge das Hier und Jetzt auf sich wirken lassen soll mit einem Lächeln - Die der Semiotik, der Wissenschaft der Zeichen und wie sie Bedeutung entstehen lassen. Poesie-Übungen Poesie-Beispiel 1: Wieso ist das nebenstehende Gedicht "Fisches Nachtgesang" von Christian Morgenstern (deutscher Dichter, ) poetisch, lustig? Weil es auf einer anderen als der gewohnten Interpretations"schiene" interpretiert werden muss. "Poesie"-Beispiel 2: Ein Zen-Rätsel (Koan): Wenn dich dein Lehrer im Wald ohrfeigt und niemand ist da, welches Geräusch macht dann seine rechte Hand? Poesie-Beispiel 3: René Magritte: La trahison des images (Der Verrat der Bilder), Öl auf Leinwand, 60x81 cm, Los Angeles County Museum of Art 102 Joachim Küpper, Christoph Menke (Hrsg.): Dimensionen ästhetischer Erfahrung. Frankfurt a/main: Suhrkamp, 2003, S. 9. Zitiert aus: (Liessmann 2004), S

68 Poesie-Beispiel 4: Lawrence Weiner: UP UP & AWAY, Cat. # 830, Vom Künstler stammt die Idee bzw. die Botschaft: Up up & Away. Beispielhaft (als eines aus vielen möglichen Beispielen) umgesetzt wurde sie vom Galeristen (Mai 36 Gelerie Zürich). Wie würden Sie das umsetzen? Wichtige Konzeptkünstler sind Sol LeWitt, Joseph Kosuth, Lawrence Weiner, bedeutende Gruppe die britischen Art & Language Konzeptkünstler (gemeinsames 1968 gegründetes gleichnamiges Kunstmagazin und politische Aktivisten). Konzeptkünstler befassen sich mit der Entstehung von Bedeutung, also mit sprachlich-kognitiven Problemen. Darauf gehen wir näher ein. Semiotik Mit der Wahl einer Kunstrichtung, welche innere Welten darstellt, wird ein neuer symbolischer Raum eröffnet. Wie stellt man Gefühle dar, ohne jemanden abzubilden zu müssen, der solche Gefühle sichtbar werden lässt? Die "gestische" Malerei suchte im Schwung eines Pinselstriches ähnlich wie in der Zen-Malerei ein Vokabular. Die Abstrakten, und die ganz Abstrakten (die sich "Konkrete" nannten, z.b. Max Bill), suchten nach Gesetzlichkeiten des bildnerischen Schaffens. Der Kreis, das Dreieck, das Schwarz, das Rot, das Weiss und die Einteilung einer Bildtafel was vermögen sie auszudrücken? Von anderer Seite gab es bereits Studien zur Frage, wie Bedeutung entsteht: Sprachwissenschaftler und Neuropsychologen hatten begonnen, die Entstehung von Sprache und Bedeutung zu erforschen. U.a. in der Semiotik, der Wissenschaft von den Zeichen, fassten sie ihre Erkenntnisse zusammen. Mit Charles S. Peirce ( ), Ferdinand de Saussure ( ) und anderen Semiotikern war das strukturalistische Denken populär geworden. Jacques Lacan ( ), Michel Foucault ( ) und andere Strukturalisten, dann Poststrukturalisten (Jacques Derrida, *1930), analysierten die Semiose (das Zustandekommen von Bedeutung) und die Strukturierung der Welt in Zeichen. Diese intellektuell-modische Strömung griff von den Literaten auch auf die Maler über. Studien zu "the making of meaning" wurde in der Kunstwelt begierig aufgenommen. 103 Folgen des semiotischen Denkens auf die Kunst - Die in den 1960er Jahren in den USA auftauchende Minimal Art 104 kämpfte mit "gnadenlos aufscheinender Unsinnlichkeit" 105 und ebenso gnadenloser formalen Reduktion gegen die neue darstellende Kunst in Form von Pop Art, abstraktem Expressionismus und Nouveau Réalisme. "What you see is what you get", sagt Frank Stella zu seinen Shaped Canvases. White Paintings von Robert Rauschenberg, Black Paintings von Ad Reinhard. "I unexpress myself" sagt Carl André. 103 Cobley Marzona Reisser 2003 (S. 149) 68

69 - Die in den 1970er Jahren entstehende Konzeptkunst 106 beruft sich auf die europäischen Entwicklungen in der Semiotik (Barthes, Eco 107 ), künstlerisch auf die Antikunst-Praxis von Marcel Duchamps Ready mades, auf die Parodien des arte povera-künstlers Piero Manzoni und die Aktivitäten der Fluxus- und Happening- Bewegungen. Die britische Konzeptkunst-Bewegung äussert sich u.a. in der Gruppe Art & Language, welche ihr Forum im gleichnamigen Journal hat. Als Hauptvertreter der analytischen Konzeptkunst gilt Joseph Kosuth. Der in Philosophie geschulte Künstler untersucht, was an der Kunst Kunst ist und stellt sein Werk unter die sprachliche Tautologie "Art as Idea as Idea". READY MADES Marcel Duchamp: Fontain, 1917 (mit der Signatur R. Mutt, 1917). Pissoirschüssel an der Armory Show, New York. SUPREMATISMUS (frühe Konzeptkunst) Kasimir Malevich: Schwarzes Quadrat, Ölgemälde, 80x80 cm. ARTE POVERA Piero Manzoni: Künstlerscheisse, Konserve No. 20, Metall, Papier, x 5.5 cm KONZEPTKUNST Mel Ramsden: Secret Painting, Kunststoff auf Leinwand. 91x122 cm ("The content of this painting is invisible; the character and dimension of the content are to be kept permanently secret, known only to the artist"). 106 Wood Umberto Eco wandte seine semiotischen Studien auch an Buch und Film "Der Name der Rose" 69

70 KONZEPTKUNST Joseph Kosuth: Ttled (Art as Idea as Idea) [Meaning], 1967 Fotografie auf Papier, auf Holz. 120x120 cm (Lexikontext zum Wort "meaning") KONZEPTKUNST. On Kawara: 3 Date Paintings: Jan.15, 1966 (This painting itself is January 15, 1966); Jan. 18, 1966 (I am this painting); Jan. 19, 1966 (from 123 Chambers St. to 405 E 13 th St.), KONZEPTKUNST Joseph Kosuth: Four Colors Four Words, Installation, 196 KONZEPTKUNSt / Land Art Richard Long: A Line Made by Walking. England, 1967 (Fotografie-Dokument) MINIMAL ART Richard Serra: untitled. Blei, Stahl, 200x100x6 cm. "Zwischen 1967 und 1968 erstellte ich eine Liste von verben, um unterschiedliche Handlungen auf unbestimmtes Material anzuwenden: rollen, falten, biegen, kürzen, rasieren, reissen, schälen, teilen, schneiden meine materialbezogenen Handlungen wurden mittels Sprache strukturiert." 70

71 Fazit Wir unterscheiden drei stark unterschiedliche Werkbegriffe in der Kunstgeschichte: Kunstwerk als Bild Das Kunstwerk war von der Urzeit bis vor die Renaissance ein Ikon, oder eine Ikone (Ikon = griech. Bild), als Ort oder Pforte für die göttlichen Erscheinung (= griech. Epiphanie) der dargestellten Person oder des dargestellten Sachverhaltes. Es fand eine Begegnung mit dem Bildinhalt statt, die nur aus einer religiösen Sichtweise heraus verständlich wird. Zum Werkbegriff als Ikon oder 'Bild' gehört das kulturell verankerte Wissen, dass in diesem Werk, wie in einem Fetisch, eine Verbindung zu der Persona bzw. zu dem Bildinhalt hergestellt werden kann. Die Darstellung des Bildinhaltes ist nicht wichtig (es ist nicht wichtig, ob die Persona schön, ansprechend usw. dargestellt ist), wichtig ist vielmehr, dass sie es ist, dass die Darstellung quasi die Direktverbindung zur Dargestellten garantiert. Abbildung: Beim Werkbegriff "Ikon" oder Bild wird das Kunstwerk als Ort aufgefasst, an dem das Dargestellte erfahrbar wird. Es ist ein magischer Werkbegriff. Kunstwerk als Könnerschaft Mit der Aufklärung und der Reformation wurde das magische Verständnis des Bildes als Erscheinung des Göttlichen zerstört. Die Bilderstürmer setzten nicht nur den Ikonen, sondern auch der bisherigen ästhetischen Rezeption der Bildwerke ein Ende. An ihrer Stelle entstehen Bilder neuer Art schöne, kunstvolle Werke, an denen man nicht den Inhalt des Dargestellten, sondern die Art und Weise der Darstellung (die Könnerschaft) genoss. Nun entstanden die Objekte des Schönen für die Kunstsammlung. Damit ist die Ära des Bildes vorbei, sagt Belting, hier setzt die "Ära der Kunst" ein. Jetzt werden die (aus reformatorischer Sicht "zwielichtig" gewordenen) Ikonen neu kategorisiert, indem man die Aufmerksamkeit vom Thema auf die Kunstfertigkeit richtet, mit der sie hergestellt wurden, diese lobt und damit auch eine eigene Kennerschaft zur Schau stellen kann. Vor solchen Bildern wurde die Theatralik, die Perspektive, die Farbgebung, die Lichtführung, die Komposition und Gruppierung von Körpern gelobt, nicht die Rolle, welche die Dargestellten im Glauben, der Mythologie und Geschichte spielten. Das Bild gehörte jetzt dem Künstler, es war sein Werk, und war zum Beleg seiner Kunst geworden. 108 Umgekehrt schlug diese Usurpation der Bilder durch die Künstler auf die alten Ikonen zurück ihre Magie war verschwunden. 108 Zitiert aus: Belting 2000, S

72 Abbildung: Beim Werkbegriff "Kunst-Werk" oder Schaubild ist das Kunstwerk ein Gegenstand, welcher das Schöne verkörpert. Es ist ein objekthafter Werkbegriff. Kunstwerk als Konzept Die Diskussion zur Auslegung der Ästhetik (als Kunsttheorie oder als allgemeine Wahrnehmungslehre), die Entdeckungen der Kognitionswissenschaften (Neuropsychologie u.a.) und ein vertieftes Studieum der Semiotik (wie Entsteht Bedeutung?) bilden den Hintergrund für die neuen Entwicklungen in der postmodernen Kunst. Die Postmoderne diskutiert Ästhetik als Wahrnehmung, paradigmatisch in der Form von Konzeptkunst. In der Postmoderne wird der ästhetische Kunstbegriff abgelehnt bzw. ins Unendliche ausgedehnt: Es gibt kein Kunstwerk, es gibt keinen künstlerischen Akt mehr, an ihre Stelle tritt eine Entgrenzung jedes Kunstanspruches. Das bedeutet den Einbezug aller Dinge unserer Lebenswelt in die ästhetische Erfahrung, oder, m.a.w., die Deklaration, dass Alltagsgegenstände, Mode, Design, Medien, aber auch Kitsch und Trash als Kunst gefeiert werden kann In der Konzeptkunst wird auf die materielle Erscheinung eines Kunstwerkes weitgehend verzichtet. Diese Entzogenheit wirkt so stark, dass in der Vorstellung das Kunstobjekt gerade erscheint. So wird das Verschwinden zu einem neuartigen Erscheinen. Dies ist die Besonderheit der Konzeptkunst, dass ihr Erscheinen vom Künstler choreographiert ist selbst wenn, oder gerade wenn, das Kunstwerk verborgen bleibt. Alle Dinge können als Kunst wahrgenommen werden, aber nur wenn diese Wahrnehmung vom Künstler inszeniert (choreographiert) wird. Konzeptkunst ist ein Spiel. Abbildung: Beim Werkbegriff "Konzept" ist das Kunstwerk ein in der Gesellschaft gemeinsames Konstrukt, welches unterschiedlich thematisiert und dokumentiert werden kann. Es ist ein vereinbartes Spiel. 72

73 Referenzen Abels 1998 Adorno 1970 Ammann 1998 Appignanesi 2003 Avenarius 2000 Balmer 2003 Barasch 1985 Bätschmann 1997 Baumgarten 1988 Belting 2000 Belting 2002 Belting 2003 Benjamin 1963 Berger 2000 Bertram 2005 Bieger et al Hienz Abels: Inteaktion, Identität, Präsentation. Opladen/Wiesbaden: Wetdeutscher Verlag, 1998 Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften. Frankfurt a/main: Suhrkamp, 1970 (f.) Jean-Christophe Ammann: Das Glück zu sehen. Kunst beginnt dort, wo Geschmack aufhört. Regensburg: Lindinger + Schmid, 1998 Richard Appignanesi (Text), Chris Garrat (Comics): Introducing Postmodernism. Icon Books, UK, 2003 Horst Avenarius: Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft / Primus, 2000 John M. T. Balmer, Stephen A. Greyser (eds.): Revealing the Corporation. Perspectives on identity, image, reputation, corporate branding, and corporate-level marketing. An anthology. London: Routledge, 2003 Moshe Barasch: Theories of Art. From Plato to Winckelmann. New York University Press, 1985 Oskar Bätschmann: Der Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln, 1997 Alexander Gottlieb Baumgarten: Theoretische Ästhetik. Hamburg: Meiner 1988 Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 2000 (Erste Auflage 1990). Hans Belting: Das Ende der Kunstgeschichte (Eine Revision nach zehn Jahren). München: C.H. Beck, 2. erweiterete Auflage 2002 (1995) Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer, Martin Warnke: Kunstgeschichte, eine Einführung. Berlin: Dietrich Reimer 2003 (1986). Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Drei Studien zur Kunstsoziologie). Suhrkamp Verlag Frankfurt a/main, 1963 Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Fischer Verlag Frankfurt a/main 2000 (1980) Georg W. Bertram: Kunst. Eine philosophische Einführung. Stuttgart: Reclam, 2005 Thomas Bieger; Christian Belz (Hrsg.): Customer Value: Kundenvoreteile schaffen Unternehmensvorteile. Anleitung für die Praxis und Grundlage für den Master 'Marketing, Services and Communication' an der Universität 73

74 St. Gallen. Thexis Verlag, 2004 Bonnet 2004 Bruhn 2003 Bürdek Büschgen 1996 Büttner 2006 Cobley 1997 de Vries 1974 Dery 1993 Eco 1972 Anne-Marie Bonnet: Kunst der Moderne, Kuknst der Gegenwart. Hrausforderung und Chance. Köln: Deubner Verlag für Kunst, Theorie & Praxis, 2004 Manfred Bruhn (Hrsg.): Die Marke. Symbolkraft eines Zeichensystems (Reihe: Facetten der Medienkultur, Band 1). Bern: Haupt, 2001 Bernhard E. Bürdek: Design Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung, Köln: DuMont Neuauflage: Birkhäuser Hans E. Büschgen: Kunst-Sponsoring durch Banken. Das Beispiel des Kunstkonzepts der Deutschen Bank AG. (Vortrag beim 11. Churburger Wirtschaftsgespräche, 12. Oktober 1996). [ Stefan Büttner: Antike Ästhetik. Eine Einführung in die Prinzipien des Schönen. München: C.H. Beck (Beck'sche Reihe), 2006 Paul Cobley, Litza Jansz (Comics), edited by Richard Appignanesi: Introducing Semiotics. Icon Books UK / Totem Books USA 1997 Gerd de Vries (hrsg.): Über Kunst / On Art. Künstlertexte zum veränderten Kunstverständnis nach Köln: Du Mont (international), 1974 M. Dery: Culture Jamming Hacking, Slashing, and Sniping in the Empire of Signs. Westfield, NJ, Umberto Eco: La struttura assente, Milano: Bompiani, 1968, Deutsch Einführung in die Semiotik, UTB Fink München 1972 Eco 1998 Umberto Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter. München: Hanser, 1998 (1991). (Arte e bellezza nell'estetica medievale. Mailand: Bompiani, 1987) Fischer 1999 Fischer-Lichte 2000 Foucault 2004 Goffman 2000 Grassi 1980 Hauskeller 1999 Volker Fischer, Anne Hamilton (Hrsg.): Theorien der Gestaltung. Grundlagentexte zum Design, Band 1. Frankfurt a/main: Verlag form (Theorie), 1999 Erika Fischer-Lichte; Isabel Pflug (Hrsg.): Inszenierung ovn Authentizität. Tübingen, Basel: A. Francke, 2000 Michel Foucault: Hermeneutik des Subjekts, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2004 Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Piper München Zürich Englisch: The Presentation of Self in Everyday Life, Doubleday Co Inc. N.Y Ernesto Grassi: Die Theorie des Schönen in der Antike. Köln: DuMont 1980 (1962) Michael Hauskeller. Was ist Kunst? Positionen der Ästhetik von Platon bis Danto. München: Oscar Beck (Beck'sche Reihe),

75 Henrich 1984 Herbst 2004 Herchenröder 2000 Dieter Henrich, Wolfgang Iser (Hrsg.): Theorien der Kunst (Kunsttheorie in der Gegenwart).Frankfurt a/main: Suhrkamp 1982 Dieter Herbst, Christian Scheier: Corporate Imagery. Wie Ihr Unternehmen ein Gesicht bekommt. Orientierung und Vertrauen durch starke Bilder. Berlin: Cornelsen 2004 Christian Herchenröder: Kunstmärkte imn Wandel: Vom Jahrzehnt des Umbruchs in die Gegenwart. Düsseldorf, 2000 Heusser 2006 Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch [ Höselbarth et al Jäger 1990 Karasek 2004 Langner, 2003 Leitherer, 1974 Liebl, 2006 Liessmann 2004 Luhmann 1995 Frank Höselbarth, Rupert Lay, Jean-Christophe Ammann (Hrsg.): Branding für Unternehmensberatungen. So bilden Sie eine Wissensmarke. Frankfrut a/main: Campus, 2004 Michael Jäger: Die Theorie des Schönen in der italienischen Renaissance. Köln: DuMont, 1990 Christina Karasek: Künstler machen? Aspekte des Kunstmarktes. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Forschung, 2004 Tobias Langner: Integriertes Branding. Baupläne zur Gestaltung erfolreicher Marken. Wiesbaden: Gabler, 2003 E. Leitherer: Geschichte der Absatzwirtschaft. In: B. Tietz (Hrsg.): Handwörterbuch der Absatzwirtschaft. Stuttgart, 1974 (cols ). Fraz Liebl: From branding goods to hacking brands. A beginner's guide to the brand universe. In: Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch, 2006 (S ) Konrad Paul Liessmann: Reiz und Rührung. Über ästhetische Empfindungen. Wien: WUV Facultas Verlags- und Buchandels AG, 2004 Luhmann, Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt a.m.: Suhrkamp, 1995 Marzona 2004 Daniel Marzona, Hrsg. von Ute Grosenick: Minimal Art. Tschen, 2004 Mead 1998 Mikunda, 2002 Partsch, 2002 Reisser, 2003 George H. Mead: Geist, Identität und Gesellschaft (aus der Sicht des Sozialbehaviorismus). Suhrkamp, Frankfurt a/main Englisch: Mind, Self and Society. From the standpoint of a social behaviorist., 1934 University of Chicago Christian Mikunda: Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung. Unwiderstehliches Marketing durch strategische Dramaturgie. Frankfurt a/main, 2002 Susanna Partsch: Kunst-Epochen: 20. Jahrhundert I. Stuttgart: Reclam 2002 Ulrich Reisser; Norbert Wolf: Kunst-Epochen: 20. Jahrhundert II. Stuttgart: 75

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77 Markt. Frankfurt a/main, 2005 (S ). Wellershoff 1981 Wood 2002 Dieter Wellershoff: Die Auflösung des Kunstbegriffs. Frankfurt a/main: Suhrkamp 1981 (1976) Paul Wood: Cnceptual Art. Tate Publishing: Movements in Modern Art,

78 Kunst der Gegenwart Organisation und Markenbildung Teil IV: Organisation der Kunstszene Skript für das Kontextstudium Masterstufe von Dr. Salome Schmid-Isler Skript für das Sommersemester 2006 Universität St. Gallen 78

79 INHALTSVERZEICHNIS 3. Organisation der Kunstszene Die Kunstszene als Medium Der Kunstmarkt als Teil der Kunstszene Organisation: Die Player des Kunstmarktes Logik: Wissen im Kunstmarkt...82 Wie werden Kunstszenen unterschieden? Amateurkunst und der globale Kunstmarkt...82 Wie werden Künstler selektioniert?...84 Wie entstehen die Preise im Kunstmarkt?...85 Wie wird die Qualität von Kunst (an)erkannt? Kanäle: Die Orte und Schnittstellen des Kunstmarktes Eine Landkarte zum Kunstmarkt...88 Referenzen

80 3. Organisation der Kunstszene 3.1. Die Kunstszene als Medium Eine Kunstszene ist zunächst eine Community und, im Sinne der Soziologie, ein Medium: Ein Interaktionsraum 109, welcher die Interessierten und Betroffenen eines (bestimmten) Kunstmarktes verbindet. Nach B. Schmid ist ein Medium 110 mit drei Komponenten strukturiert: Aus einer organisatorischen Komponente: Akteuren in Rollen und Situationen mit Interaktionen; logischen Komponente: Gemeinsames Wissen, das die Abläufe und die Sinngebung der Handlungen steuert; Komponente des Kanals, der Schnittstelle, durch welchen die Interaktion erfahrbar wird, auch: Medien im engeren Sinn, oder Ort des Austauschs, oder Plattform. Kanäle sind Speicher- und Transportmittel. Menschen (Agenten) sind Informationsspeicher und auch Informationswandler bzw. -generatoren. Orte und Institutionen wie Messen, Marktplätze, Museen und Galerien sind Kanäle. Auch Kontaktmittel wie Internet, mobile access devices, Telefon sind (interaktive) Kanäle, dann sind auch Broadcast-Medien (nicht-interaktive) Kanäle wie Buch, Zeitschriften, CDs, Fax, Briefpost, TV, Radio, usw. Im Medium Kunstszene finden wir - auf der organisationalen Interaktionsebene: Künstler, Galeristen, Kuratoren 111, Kunstkritiker, Sammler, Art Consultants, Publizisten, breitere Öffentlichkeit u.a. - auf der logischen Interaktionsebene: Wissen zum Kunstbegriff, der Kunstgeschichte, dem Kunstmarkt. Wissen zu den Rollen und zum Wirkungsradius / der Potenz der anderen Akteure. Erinnerung und Handlungswissen, wie und mit wem Absichten realisiert werden könnten. - auf der Kanal-Ebene: Subjekte in der Form von: Agenten face-to-face 112 oder remote (Verbindung mit mobile, , Brief ); Objekte in der Form von: Kunstwerke als gestaltetes Material oder in Form von Datenträgern (Zertifikate, Papierdokumentation, Videos, Websites ), Plattformen in der Form von: Realen Institutionen wie Galerien, Museen, Kunstmessen, Auktionen, usw. ; Kunstpublizistik wie Zeitschriften, TV, Radio, Web usw (Goffman 2000) u.a. 110 Zu den Komponenten des Mediums vgl. Beat F. Schmid, in: Konzepte von Beat F. Schmid , ein Überblick, auf: [ Vgl. Beat Schmid, Buchbeitrag "Inszenierung von Produkten", downloadable auf: [ 111 Ein Kurator ist die leitende Person, zuständig für das Ausstellungsprogramm in einem Museum. 112 Ein Akteur (Mensch) ist auch ein Kanal insofern, als er Speicher und Vermittler von Information ist (reden, zeigen, sich verhalten). 80

81 3.2. Der Kunstmarkt als Teil der Kunstszene Kunstszenen sind Communities von Menschen einer "kleinen mobilen Bildungs- und Berufsschicht", die sich aufgrund des gemeinsamen Interessenskernes der Kunst zusammenfinden, ein Set von Rollen einnehmen, Institutionen bilden und sich nach spezifischen Protokollen verhalten. Kunstszenen sind "ein regional unterschiedlich ausgeprägtes, v.a. in den Zentren verbreitetes Phänomen" 113. Wir grenzen innerhalb der Kunstszene den Kunstmarkt als aktiven Bereich ab, wie folgt: Sämtliche an Kunst Interessierte bzw. durch Kunst betroffene Stakeholder: Öffentlichkeit Kunstszene Akteure, welche mit Kunst oder Kunstprestige handeln: Anbieter, Intermediäre, Sammler und Investoren Kunstmarkt Abb. Der Kunstmarkt als Teilbereich der Kunstszene Organisation: Die Player des Kunstmarktes Im Medium Kunstszene finden wir auf der organisationalen Ebene den Kunstmarkt mit seinen Akteuren, besteht aus Anbietern und Nachfragern 114. Anbieter: 1. Primärmarkt: Der Künstler, die Künstlerin 2. Sekundärmarkt: Intermediäre: Galeristen Kunsthändler Auktionatoren Art Consultants Nachfrager: 1. Sammler 2. Museen 3. Investoren: Mäzen, Arbitrageur / Spekulant 4. Sponsor / Co-Brander Karasek 115 unterteilt den Kunstmarkt in vier Teilnehmergruppen: Kunsthandel, Kunstvermittlung Kunstkauf Kunsproduktion 113 Die beiden Zitate aus (Bonnet 2004) S. 89, aus der Tabelle von A.J. Wiesand. 114 Weiterführende Literatur: Blomberg 2005, Bonnet 2004, Karasek 2004, Pues, Quadt, Rissa 2002, Heusser (Karasek 2004) S. 5 ff. 81

82 Abb: Von wem der Kunstmarkt inszeniert wird. Die Akteure Logik: Wissen im Kunstmarkt Im Medium Kunstszene finden wir auf der logischen Ebene die Inszenierung verschiedener Aspekte des Kunstmarktes, die einem gemeinsamen Wissen und vereinbarten Abläufen folgen. Es geht um die Frage, wie Kunstszenen unterschieden und Künstler selektioniert werden, nach welchen Massstäben die Quaität ihres Werkes anerkannt wird und wie die Preisbildung entsteht bzw. beeinflusst werden könnte. Wie werden Kunstszenen unterschieden? Amateurkunst und der globale Kunstmarkt Wir unterscheiden mindestens zwei, nämlich die prominente "DIE" Kunstszene von der Amateur-Kunstszene. In der ersteren finden wir die globalen Player und teuren Preislagen, in der letzteren die "no name" Lokalgrössen und zahlbaren Beträge. Amateur- oder "no name"-kunst Amateurkunst ist das, was Sie und ich zuhause oder in einem Club Gleichgesinnter zeichen, malen und basteln, aus Freude am Hobby. Wenn Sie talentiert sind oder von aussen ermuntert werden, stellen Sie möglicherweise auch aus, in einem Restaurant, beim Coiffeur oder in einer regionalen Galerie. Dabei bleiben Sie aber Amateur. Wenn Ihr Ehrgeiz aber weiter reicht und Sie Kunst als Haupt-Berufung ausüben wollen ( hätten Sie sich früher mit entsprechender Ausbildung positionieren sollen ), müssen Sie nebst künstlerischem Talent ein solides Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen haben sowie eine spezifisch erkennbare Art entwickeln, um sich selbst als Künstler darzustellen bzw. zu vermarkten. Lesen Sie hierzu, wie Christina Karasek die Karrierevoraussetzungen für einen Künstler, die reguläre Künstlerlaufbahn, die Rolle 116 Quelle: Karasek 2004, S

83 des Galeristen u.a.m. im Zusammenhang mit der Frage beschreibt, wie man aus sich einen Künstler, oder eine Künstlerin, macht 117. Amateurkunst oder sog. "no name"-kunst unterhält auch ihre Kunstszenen. Die Amateurkunst-Szene ist ein Clubleben das in den Aktivitäten vergleichbar ist mit einem lokalen Turnverein, Bowlingclub, dem Dorftheater oder dem Kirchenchor, usw., die ihre Auftritte, Meisterschaften und Ausstellungen haben und von lokalen Vereinen und der Gemeindepolitik organisiert werden. So, wie Amateurkunst lokal ist, bewegt sich auch die Amateurkunst-Kunstszene im lokalen Rahmen, mit lokalen Grössen seitens Künstern wie Galeristen und Käufern. Die Preise für "no name"-kunst bewegen sich hierzulande etwa wie folgt: - Zeichnungen und grafischen Multiples zwischen CHF 200 bis 2'000 pro Grafik (je nach Komplexität der Arbeit kann es auch mehr sein); - Ölmalerei oder Acryl-Arbeiten oder Mischtechnik oder Collagen ist das Publikum hierzulande bereit, CHF 500 bis 5'000 zu bezahlen (je nach Format, Dreidimensionalität, Montage); - Bildhauerei, Plastiken oder freistehende Objekte sowie mehrteilige Installationen berechnen sich preislich o a) aus den Kosten des verwendeten Materials und ggf. zugehöriger o Technik (Elektrifizierung u.a.m.) sowie Montage sowie b) aus Grösse des Objektes und der für die Kreation investierten Arbeitszeit bei der Kreation u.ä.; Teil b) ist dann ähnlich wie die Preisbildung bei Ölmalerei. Bei der Amateurkunst ist das Mass der Preissteigerung i.d.r. auch für Laien nachvollziehbar das Werk ist dann detaillierter gearbeitet, z.b. in Mischtechnik, hat ein grösseres Format oder eine aufwendige Montage. Globale Kunstszene: Grosse Namen Der expandierende Kunstmarkt in den letzten Jahren in Nordamerika, zur Zeit im Anlauf zu beobachten in China, bringt es mit sich, dass immer mehr auch junge Künstler schnell Anerkennung finden und sich international etablieren. Dieheutigen Sammler entstammen einer Generation, die in den 1950ern und 1960ern geprägt wurde, als Kreativität, Innovation, Witz und Unbekümmertheit die zu erstrebenden Werte waren. Auch aus diesem Grund sind heute junge (freche) Künstler gefragt. "Auch auf den angesagtesten Messen weltweit London, Köln, Basel, Berlin, Madrid, New York oder Miami erntet die jüngere Käuferschicht Begeisterung. Denn sie erwirbt, was jetzt im Angebot ist: augengerechte Frischware der Jahrgänge ab 2000, Malerei, die nicht selten mit kommerziellen Strategien konspiriert und im Rhythmus des Rave swingt oder romantisch gestimmt dem sozialistischen Realismus frönt und ( ) Science-Fiction und Comic kurzschliesst oder ( ) Bilder von schriller Schönheit in leuchtfarbenem Realismus produziert, die auf Zukunft gestimmt sind." 119 Die ästhetische Bewertung von Kunst ist ein in der Kunstszene laufendes Konstrukt, das sich ständig ändert. Man will also junge, innovative Talente in die Galerien holen. Aber nur wenige junge Künstler können das Interesse des Marktes auch langfristig halten. 117 (Karasek 2004), Kapitel 7: Künstler machen. 118 Berühmteste Kunstmessen: London: London Art Fair und Frieze Art Fair; Köln: Art Cologne; Basel: Art Basel; Berlin: Art Forum Berlin; Frankfurt: Art Frankfurt; Madrid: ARCO Madrid; New York: Art Expo und The Armory Show, Paris: Art Paris, Maastricht: TEFAF. Miami: Art Basel Miami Beach. 119 (Blomberg 2005): Werte und Preise, Kunst als Millionengeschäft (S

84 Karasek stellt die Galerie ins Zentrum des Künstlermachens: Eine Künstlerkarriere beginnt auf dem Primärmarkt, wo sie vom Galeristen aufgebaut wird. Der Sekundärmarkt setzt die Arbeit des Galeristen nur fort und verhilft dem Künstler zu zunehmender Bekanntheit. "Es ist primär Aufgabe der Galerie, durch Öffentlichkeitsarbeit das Interesse des Marktes für ihre Künstler zu wecken. Nach der Initialphase werden meist bedeutende Galerien auf sie aufmerksam und werben sie von ihrer Entdeckergalerie ab. Renommierte Sammler beginnen die Künstler zu kaufen bzw. zu verkaufen, sie treten in den Sekundärmarkt ein und erhalten durch die Auktionsergebn isse einen fixen Marktwert." 120 Die acht Etappen des künstlerischen Erfolges, nach der (amerikanischen) Autorin Leslie Singer 121 : 1. Aufnahme in das Programm einer Galerie 2. Ausstellung in einer New Yorker Galerie 3. Gruppenausstellung in einem der 35 anerkanntesten nationalen oder internationalen Museen 4. Einzelausstellung in einer der 15 Hauptgalerien als Vertragskünstler 5. Ausstellung in einem der Hauptmuseen für moderne Kunst 6. Ankauf einer Arbeit durch ein amerikanisches Spitzenmuseum 7. Ankauf eines Werkes von einem Museum ausserhalb der Vereinigten Staaten 8. Veröffenltichung von Kunstkritiken und Büchern über den Künstler und sein Werk. Wenn der Künstler international bekannt ist, muss er eine grosse Produktion liefern können, da er " in der Lage sein muss, mehrere Ausstellungen mit hochwertigen Werken zu füllen. Es ist keine Seltenheit, dass ein Künstler auf nationaler und internationaler Ebene in mehreren Galerien und Ausstellungshäusern gleichzeitig vertreten ist." 122 "Der Kunstmarkt spaltet sich in einen Primär- und einen Sekundärmarkt auf, und diese Differenzierung ist auch für die Preisentwicklung gültig. Preise für bereits etablierte Künstler oder Werke aus vergangenen Epochen werden durch andere Kriterien determiniert als Preise für völlig unbekannte Künstler. Die Erstpreise werden mehr oder minder willkürlich von der Galerie oder vom Künstler selbst festgesetzt, sobald er jedoch etwas bekannter wird oder in den Sekundärmarkt eintritt, folgt seine Preisentwicklung bestimmten Richtlinien. Alle Marktteilnehmer beeinflussen die Preisentwicklung durch ihr Agieren am Kunstmarkt, darüber hinaus gibt es eine Reihe von Faktoren, die den Preis eines Kunstwerkes festlegen." 123 (vgl. weiter unten, Abschnitt zur Preisentstehung). Wie werden Künstler selektioniert? Nach Karasek weden Künstler im wesentlichen durch die Galerien "gemacht". Die Galerien bauen Künstler auf, sei es als Kunstförderer oder Kunsthändler, und entwickeln so ihr eigenes Renommé mit einem eigenen Künstlerstamm. Blomberg hingegen zitiert Stimmen aus der Kunstszene, z.b. den Hamburger Kunstsammler Harald Falckenberg, welcher neben den Galeristen des alten Schlages (d.h. vom Typus Privatvermittler und Connaisseur) andere Händlertypen aufkommen sieht, die mit völlig neuen Vermarktungsstrategien die bankrotten Staatsmuseen überrunden, gewünschte Kunstwerke sofort vermitteln können und das Vermittelte auch gleich beim solventen Publikum platzieren. Karasek posiitoniert die Selektion von Künstlern als Austarierung der Eigenschaften die am Künstler, an seinem Werk und an der Galerie festgemacht werden können (s. Abb.) 120 (Karasek 2004), S. 101, unter Verweis auf Reihard Kreissl u.a., Von Boom und Crash, in: Institut für Kulturstudien, 1993, S. 7f. 121 Leslie P. Singer: The Utility of Art versus Fair Bets in the Investment Market. Journal of Cultural Economics, vol 14, 2 (1990), S Aufgegriffen in (Karasek 2004), S (Karasek 2004), S (Karasek 2004), S

85 Abb: Gemeinsames Wissen Thema Künstlerselektion (Quelle: Karasek 2004, S. 29) Möglicherweise ist dies bereits Vergangenheit. Kunst dient wieder der Repräsentation des Kunstbesitzers, sie ist nicht mehr nur "l'art pour l'art". An den internationalen Messen wird Kunst "gerne marktgerecht" dargereicht, schreibt Blomberg124: "Vor dem Hintergrund eines breiten, geadezu kulinarischen Kunst-Angebotes aus allen Regionen der Welt gibt es mehr und mehr Käufer, denen es mit ihren Erwerbungen eher um eigene Profilbildung und soziale Distinkiton geht als darum, herkömmliche Statussymbole zu bedienen. Zumal die Jüngeren wollen sich sozial von einer Gesellschaft absetzen, die zwar Geld, aber keinen Sinn für Kunst hat. Teure Yachten, grosse Autos und Designerklamotten sind bei ihnen out. Kunst soll an die Wand. Und wenn man dem Düsseldorfer Galeristen Alexander Sies zuhört, liegt gerade darin der Trend: 'Wenn sich einer ein Haus baut, muss er heute gute Kunst an der Wand haben, will er intelligent erscheinen'." Wesentlich zur Selektion eines Kunstwerkes trägt die Suche einer reichen Kundschaft bei, "einer jüngeren Klientel, die sich Individualität duch Kunstkauf verschafft" (Blomberg a.a.o.). Wie entstehen die Preise im Kunstmarkt? In den Medien werden immer wieder neue Rekordpreise für Kunst der Superklasse vermeldet, und immer mehr auch für neue (junge) Kunst. "So wurde ein ausgestopftes Pferd, The Ballad of Trotsky, das der Italiener Maurizio Cattelan 1996 als Kunstwerk von einer Zimmerdecke hängen liess, kurz nach de Jahrtausendwende von dem New Yorker Verleger Peter Brant für Dollar erworben. Bei Sotheby's brachte das Stück im Frühjahr 2004 über zwei Millionen Dollar. Die verchromte Miniatur-Bimmelbahn, Jim Beam J.B. Turner Train, von Jeff Koons, die der damals 31jährige 1986 schuf, stieg 2004 bei Christie's in New York gar auf 5,5 Millionen Dollar." 125 Worauf kommt es bei der Preisbildung an? Der Auktionsmarkt galt lange als die "Schwelle der Wahrheit", da dort der Markt frei zu spielen verspricht. Preise und Stipendien, die der Künstler erhielt, gelten ebenfalls als relativ zuverlässige Indikatoren. Immer mehr aber werden Künstler zu teuren Künstlern, sobald sie in den Medien in irgendeiner Weise aber eindrücklich auftreten. "Werden Künstler erst als Popstars richtig interessant?" fragt Bomberg "Wer macht die Charts der Kunst: Die Händler, die Medien oder die Wissenschafter? Und was wird eigentlich bewertet? ( ) Auf der Stirn aller Beteiligten steh vor allem eins in grossen Lettern: Diskretion. Der Kunstmarkt ist einer der undurchsichtigsten 124 (Blomberg 2005) S (Blomberg 2005) S

86 Märkte überhaupt. ( ) Welche Preise wirklich gezahlt werden, wissen nur die, die das Geschäft gemacht haben." 126. Abb: Auktionsumsätze 2003, aufgeteilt nach Ländern 127 Abb: Gemeinsames Wissen Thema der Preisbildung (Quelle: Karasek 2004, S. 62) 126 (Blomberg 2005) S Quelle: Karasek 2004, S. 9 86

87 Wie wird die Qualität von Kunst (an)erkannt? Abb: Gemeinsames Wissen Thema des Ranking von Künstlern (Quelle: Karasek 2004, S. 69) Kunstsachverständige haben früher recht genau gewusst, worauf zu schauen ist, um die Qualität eines Kunstwerkes einzuschätzen. Dabei wird das "Sehen" bzw. Erkennen in den Vordergrund gestellt, das identifizierende Sehen, das prozessuale Sehen, das zusammenführende Sehen u.a. 128 Kunst der Gegenwart lässt sich oft gar nicht mehr auf diese Weise analysieren, sie bietet keine "fertige Form", die wahrgenommen werden kann. Kunst als Erlebnis, Kunst als Konzept, benötigt andere Referenzsysteme um klassiert zu werden. Holger Bonus und Dieter Ronte rücken das Produkt Kunst in den volkswirtschaftlichen Fokus und sprechen von der Glaubwürdigkeit 129. Die Glaubwürdigkeit des Künstlers, der seine "crazy mind" über eine lange Zeitspanne nachvollziehbar weiter verfolgt und vertieft, die Glaubwürdigkeit des Galeristen, dem man mit einem Handschlag vertraut, der den Künstler wie seinen eigenen Sohn oder seine eigene Tochter kennt und dem die künstlerischen Entwicklungen ganz ehrlich selbst gefallen. Es bleibt die Anerkennung des Marktes anzufügen, die Stabilität eines Künstlers bzw. seiner Werke, die sich in einem "soliden" Kursverlauf, vergleichbar einer soliden Aktie präsentieren sollte. 128 Erich Franz: Wie erkennt man die Qualität eines Kunstwerks? In: (Pues, Quadt, Rissa 2002), S. 22 f. 129 Holger Bonus, Dieter Ronte: Glaubwürdigkeit von Kunst und Künstlern. In: (Pues, Quadt, Rissa 2002), S. 41 f. 87

88 Kanäle: Die Orte und Schnittstellen des Kunstmarktes Im Medium Kunstszene finden wir auf der Ebene der Kanäle eine bekannte Reihe von Schnittstellen, nach Bonnet in der nachstehenden Abbildung zusätzlich mit einer Chronologie versehen. Abb: Wo die Kunstszene thematisiert wird. Die Kanäle Eine Landkarte zum Kunstmarkt Die Inszenierung von Kunst die Kunstszene als Medium soll in diesem Kurs mit verschiedenen Fragestellungen und in einzelnen Fallstudien exploriert werden. Es ist wünschbar, dass die verschiedenen Resultate (aus Selbststudium, Interviews mit Exponenten der Kunstszene und eigener Anschauung an der Art Basel) in einer gemeinsamen Synopse zusammengeführt werden. Die Sammlung der Einsichten stellt eine Art Landkarte zum Kunstmarkt dar, auf dem Fragen formuliert und einige davon beantwortet werden. Nachstehend drei Beispiele, wie man die Interaktionen des Kunstmarktes darstellen kann: 130 (Quelle: Bonnet 2004, S. 50). 88

89 Beispiel: Betriebssystem Kunst Das Betriebssystem Kunst (BRD ) fragt nach Facts, Akteuren, Tätigkeiten (DieTabellendarstellung reicht über 2 Seiten mit Spalten A-E) A. Verfügbare Daten (Zusammenfassung) B. Wer trifft Entscheidungen über aktuelle Kunst? 1. Kunstpolitik Verwalter und Politiker in den Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsministerien auf Bundesebene, Parlamentarier auf Ebene grösserer Städte, Kulturabteilungen grösserer Industriebetriebe Zwischenton zu 1: Grossevents mit Kunst 2. Ausstellungswesen Zwischenton zu 2: Kunstpublizistik In den Kunstmetropolen jährlich 1-2 Kunstevents üblich Von ca. 2'600 haben rund 60 Museen und 40 andere Ausstellungshallen einen Schwerpunkt Aktuelle Kunst. Zudem 40 Kunstvereine, dvon 40 grössere. Unübersichtliches Angebot an Kunstzeitschriften. Video nebst TV, > 500 Kunstbuchverleger, > Kunstbuchhandlungen / Antiquariate, z.zeit ca. 50 wichtige Kritiker für aktuelle Kunst. Politiker und ihre Kommissare / Regisseure, z.t. beeinflusst durch Kunsthandel und zunehmend von Sponsoren "Kunstausstellungsleiter", z.t. auch Kunsthistoriker und allg. Museumsfachleute "Blattmacher" Herausgeber, Redakteure, Verleger. (Einzelne Kritiker nur bei Hartnäckigkeit) 3. Kunsthandel Von über 2000 Kunsthändlern etw für die Aktuelle Kunst wichtigen Galerien. Auktionatoren ca. 150 (mit Alter Kunst). Händler, Galerist, Auktionator. Hauptgeschäft beeinfluss von den Sammlern / Kunden. Zwischenton zu 3: Kunstmessen 4. Sammler / Käufer Zwischenton zu 4: "Kunstszene" (unter-schiedliche, v.a. in Zentren) Gegenwärtig 3 grosse Messen und diverse Newcomer, auch regional (ART Nürnberg z.b.) Schwer abzuschätzen. Interessiert sind ca. 10% der Bevölkerung. Datenmässig kaum zu erfassen. Alle bisher genannten Gruppen und " aktuelle" Künstler, auffallend viele junge Jahrgänge. "Manager", beeinflusst durch die visher genannten Akteure. Privatsammler (Beratung durch Galeristen, in Kontakt mit Künstlern). Firmenivestoren durch Consultants. Niemand, die Szene "filtert" sie nur und setzt neue Trends frei. So kann sie obwohl die meisten Akteure keine Käufer sind auch den Kaufmarkt beeinflussen. 5. Künstler Ca '000 Künstler im Markt aktiv, davon ca. 1/3 mit Umsatzbesteuerung. Jeder Künstler für sich, solange er sich nicht "aussen" orientiert (Kunsthändler, Sammler, potentieller Käufer, Kollegen). 131 Leicht gekürzte Wiedergabe der Quelle: Andreas Johannes Wiesand: Schematische Darstellung des Betriebssystems Kunst der BRD Ein Markt mit Zwischentönen. In: Kunstformum international, Band 104, Die Daten wurden zusammengestellt nach Unterlagen aus dem Archiv des Zentrums für Kulturforschung (ARCult). Abdruck in: (Bonnet 2004), S

90 C. Mit welchen Interessen und Motivationen? Vgl. E1: Interesse beim einzelnen Akteur sehr verschieden, i.d.r. jedoch von institutioneller Beharrung, Macht- und Marktsptrategien geprägt Zur Zeit wichtig die sog. Umweltrentabilität solcher Events, inkl. Spekulation und Steuererträge. Berufliches Interesse / Studienschwerpunkte / Talentsucher / Behauptung in schwierigem Arbeitsmarkt. Markbehauptung, Aktualität (ausser ewiggestrige Feuilletons). Vielfältig wie C2, hier aber Traditionen, die z.b. auf längeren Bekanntschaften mit Künstlern beruhen. Ähnlich C1, jedoch stärker Händler-orientiert Bei Privatsammlungen überwiegt wohl noch der "Jagdtrieb", ansonsten PR- oder Renditeerwartung sowie persönliche Beziehung mit Künstler. Selbstdarstellung der Akteure, Information über neuke Trends, Knüpfen von Kontakten, Suche nach einem "Schnäppchen", Spass Biographien, ökonomische, soziokulturelle und viele andere Motive /Interessen D. Wer tritt als "Öffentlichkeit" in Erscheinung? i.d.r. die Politiker und Verwalter selbst, repräsentieren aber auch "Volkes Stimme" Durch gegebenen Themenbezug wird eine bestimmte Öffentlichkeit simuliert, auch Spekulation auf Massenwirkung und PR-Effekte. Häufig keine, bzw. bewusste Ablehnung der Vorstellungen und Wünsche von "Nichteingeweihten", abgesehen von den Eröffnungsveranstaltungen. "Veröffentlichte Meinung" als vorgestellte Öffentlichkeit / Publikum, Bürger zeigen sich i.d.r. nur bei Skandalen Eigenltich niemand (wenn man die Besucher von Vernissagen nicht als solche rechnen will) Das präsente Publikum (aus allen Marktsegmenten) Privatsammler sind nur als "latente Öffentlichkeit" zu verstehen, andere Akteure haben z.t. ihre Verbände Die Szene begreift sich häufig als "die" Öffentlichkeit für Kunst: Sie repräsentiert jedoch nur eine kleine, mobile Bildungs- / Berufsschicht. Besonders geschätzt wird "Spezialpublikum" mit Bezug zu eigenen Arbeiten / Produktions-weisen (z.b. Videokunst) E. Welchen Stellenwert hat das Kunstwerk im Marktsegment? Derzeit soll Kunst vor allem Aufgeschlossenheit symbolisieren, auch für Wirtschaft, für das Ausland. Entsprechend "verwertbare" Werke sind gefragt. Das einzelne Werk wird immer belangloser, die Inszenierung ist ausschlaggebend. Einen grösseren Stellenwert, vor allem einzelne kunstgeschichtlich und kunstpolitisch wichtige Werke. Geringer Stellenwert, ausser bei einzelnen Arbeiten, die sich gut als Stellvertreter für Trends abbilden lassen. Wesentlich, doch bereits Schematisierungstendenz (z.b. Preisgestaltung nach m 2 ). Einen eher gering, ausser wenn die "Anbieter" ihr einen solchen einräumen. Oft ausschlaggebender Einfluss! Einzelne Künstler (seltener: Werke) können für die "Szene" Anlässe für ein Zusammentreffen schaffen. Beliebt sind Massenvernissagen" am gleichen Tag. Für den Künstler i.d.r. einen grossen, allerdings gepaaart mit Unsicherheit über Wünsche der Aussenstehenden und Prioritäten der eigenen Entwicklung. Wiesand: Betriebssystem Kunst. Verkürzte Wiedergabe nach (Bonnet 2004), S

91 Beispiel: Netzwerkbildung Eine Landkarten-Grundform entsteht auch, wenn man die Tätigkeiten der Kunstmarktteilnehmer als Beziehungsnetz darstellt: Abb: Einflusssphären der Kunstszene (nach Karasek 132 ) Beispiel: Entstehung der Preislage von Kunst Interessant ist die Frage, wie die Preislage von Kunstwerken bzw. die Anerkennung von Künstlern entsteht. Karasek schlägt zwei Evaluationsmodelle vor, 1. Entstehung der Preislage von Kunst aufgrund von künstlerischer Qualität, künstlerspezifischen Faktoren, werkimmanenten Faktoren und externen Faktoren (s. Abb. unten) sowie 2. Entstehung der Anerkennung des Künstlers aufgrund seiner Bekanntheit, Profilierung und zeitlichen Entwicklung. Die Überschneidung aller Interessenskreise sei als Ort der höchsten Anerkennung zu definieren (s. Abb. unten). Beide Modelle berücksichtigen aber die Rolle des Publikums (Lifestyle, Trends, nicht vorhersehbare Faktoren des Event-Marktes) und die medialen Effekte (PR, Brandingstrategien u.a. Beeinflussungen der öffentlichen Meinung) zu wenig. Abb: Preisbildung der Kunst und ihre Einflussfaktoren (nach Karasek 133 ) 132 (Karasek 2004), S

92 Abb: Anerkennung des Künstlers und ihre Einflussfaktoren (nach Karasek 134 ) 133 (Karasek 2004), S (Karasek 2004), S

93 Referenzen Abels 1998 Adorno 1970 Ammann 1998 Appignanesi 2003 Avenarius 2000 Balmer 2003 Barasch 1985 Bätschmann 1997 Baumgarten 1988 Belting 2000 Belting 2002 Belting 2003 Benjamin 1963 Berger 2000 Bertram 2005 Bieger et al Heinz Abels: Interaktion, Identität, Präsentation. Opladen/Wiesbaden: Wetdeutscher Verlag, 1998 Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften. Frankfurt a/main: Suhrkamp, 1970 (f.) Jean-Christophe Ammann: Das Glück zu sehen. Kunst beginnt dort, wo Geschmack aufhört. Regensburg: Lindinger + Schmid, 1998 Richard Appignanesi (Text), Chris Garrat (Comics): Introducing Postmodernism. Icon Books, UK, 2003 Horst Avenarius: Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft / Primus, 2000 John M. T. Balmer, Stephen A. Greyser (eds.): Revealing the Corporation. Perspectives on identity, image, reputation, corporate branding, and corporate-level marketing. An anthology. London: Routledge, 2003 Moshe Barasch: Theories of Art. From Plato to Winckelmann. New York University Press, 1985 Oskar Bätschmann: Der Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln, 1997 Alexander Gottlieb Baumgarten: Theoretische Ästhetik. Hamburg: Meiner 1988 Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 2000 (Erste Auflage 1990). Hans Belting: Das Ende der Kunstgeschichte (Eine Revision nach zehn Jahren). München: C.H. Beck, 2. erweiterete Auflage 2002 (1995) Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer, Martin Warnke: Kunstgeschichte, eine Einführung. Berlin: Dietrich Reimer 2003 (1986). Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Drei Studien zur Kunstsoziologie). Suhrkamp Verlag Frankfurt a/main, 1963 Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Fischer Verlag Frankfurt a/main 2000 (1980) Georg W. Bertram: Kunst. Eine philosophische Einführung. Stuttgart: Reclam, 2005 Thomas Bieger; Christian Belz (Hrsg.): Customer Value: Kundenvoreteile schaffen Unternehmensvorteile. Anleitung für die Praxis und Grundlage für 93

94 den Master 'Marketing, Services and Communication' an der Universität St. Gallen. Thexis Verlag, 2004 Blomberg 2005 Katja Blomberg: Wie Kunstwerte entstehen. Hamburg: Murmann, 2005 Bonnet 2004 Bruhn 2003 Bürdek 2005 Büschgen 1996 Büttner 2006 Cobley 1997 de Vries 1974 Dery 1993 Eco 1972 Anne-Marie Bonnet: Kunst der Moderne, Kunst der Gegenwart. Hrausforderung und Chance. Köln: Deubner Verlag für Kunst, Theorie & Praxis, 2004 Manfred Bruhn (Hrsg.): Die Marke. Symbolkraft eines Zeichensystems (Reihe: Facetten der Medienkultur, Band 1). Bern: Haupt, 2001 Bernhard E. Bürdek: Design Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung, Köln: DuMont Neuauflage: Birkhäuser Hans E. Büschgen: Kunst-Sponsoring durch Banken. Das Beispiel des Kunstkonzepts der Deutschen Bank AG. (Vortrag beim 11. Churburger Wirtschaftsgespräche, 12. Oktober 1996). [ Stefan Büttner: Antike Ästhetik. Eine Einführung in die Prinzipien des Schönen. München: C.H. Beck (Beck'sche Reihe), 2006 Paul Cobley, Litza Jansz (Comics), edited by Richard Appignanesi: Introducing Semiotics. Icon Books UK / Totem Books USA 1997 Gerd de Vries (hrsg.): Über Kunst / On Art. Künstlertexte zum veränderten Kunstverständnis nach Köln: Du Mont (international), 1974 M. Dery: Culture Jamming Hacking, Slashing, and Sniping in the Empire of Signs. Westfield, NJ, Umberto Eco: La struttura assente, Milano: Bompiani, 1968, Deutsch Einführung in die Semiotik, UTB Fink München 1972 Eco 1998 Umberto Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter. München: Hanser, 1998 (1991). (Arte e bellezza nell'estetica medievale. Mailand: Bompiani, 1987) Fischer 1999 Fischer-Lichte 2000 Foucault 2004 Goffman 2000 Grassi 1980 Volker Fischer, Anne Hamilton (Hrsg.): Theorien der Gestaltung. Grundlagentexte zum Design, Band 1. Frankfurt a/main: Verlag form (Theorie), 1999 Erika Fischer-Lichte; Isabel Pflug (Hrsg.): Inszenierung ovn Authentizität. Tübingen, Basel: A. Francke, 2000 Michel Foucault: Hermeneutik des Subjekts, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2004 Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Piper München Zürich Englisch: The Presentation of Self in Everyday Life, Doubleday Co Inc. N.Y Ernesto Grassi: Die Theorie des Schönen in der Antike. Köln: DuMont 1980 (1962) 94

95 Hauskeller 1999 Henrich 1984 Herbst 2004 Herchenröder 2000 Heusser, Imesch 2006 Höselbarth et al Jäger 1990 Karasek 2004 Langner, 2003 Leitherer, 1974 Liebl, 2006 Liessmann 2004 Luhmann 1995 Michael Hauskeller. Was ist Kunst? Positionen der Ästhetik von Platon bis Danto. München: Oscar Beck (Beck'sche Reihe), 1999 Dieter Henrich, Wolfgang Iser (Hrsg.): Theorien der Kunst (Kunsttheorie in der Gegenwart).Frankfurt a/main: Suhrkamp 1982 Dieter Herbst, Christian Scheier: Corporate Imagery. Wie Ihr Unternehmen ein Gesicht bekommt. Orientierung und Vertrauen durch starke Bilder. Berlin: Cornelsen 2004 Christian Herchenröder: Kunstmärkte im Wandel: Vom Jahrzehnt des Umbruchs in die Gegenwart. Düsseldorf, 2000 Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch [ Frank Höselbarth, Rupert Lay, Jean-Christophe Ammann (Hrsg.): Branding für Unternehmensberatungen. So bilden Sie eine Wissensmarke. Frankfrut a/main: Campus, 2004 Michael Jäger: Die Theorie des Schönen in der italienischen Renaissance. Köln: DuMont, 1990 Christina Karasek: Künstler machen? Aspekte des Kunstmarktes. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Forschung, 2004 Tobias Langner: Integriertes Branding. Baupläne zur Gestaltung erfolreicher Marken. Wiesbaden: Gabler, 2003 E. Leitherer: Geschichte der Absatzwirtschaft. In: B. Tietz (Hrsg.): Handwörterbuch der Absatzwirtschaft. Stuttgart, 1974 (cols ). Fraz Liebl: From branding goods to hacking brands. A beginner's guide to the brand universe. In: Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch, 2006 (S ) Konrad Paul Liessmann: Reiz und Rührung. Über ästhetische Empfindungen. Wien: WUV Facultas Verlags- und Buchandels AG, 2004 Luhmann, Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt a.m.: Suhrkamp, 1995 Marzona 2004 Daniel Marzona, Hrsg. von Ute Grosenick: Minimal Art. Tschen, 2004 Mead 1998 Mikunda, 2002 George H. Mead: Geist, Identität und Gesellschaft (aus der Sicht des Sozialbehaviorismus). Suhrkamp, Frankfurt a/main Englisch: Mind, Self and Society. From the standpoint of a social behaviorist., 1934 University of Chicago Christian Mikunda: Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung. Unwiderstehliches Marketing durch strategische Dramaturgie. Frankfurt a/main,

96 Partsch, 2002 Pues, Quadt, Rissa 2002 Reisser, 2003 Schaeffer 2000 Schmid 2002 Schmid 2006 Schmid, Schmid-Isler 2004 Schmitt, 1997 Schwaiger Susanna Partsch: Kunst-Epochen: 20. Jahrhundert I. Stuttgart: Reclam 2002 Lothar Pues, Edgar Quadt, Rissa (Hrsg.): Art Investor, Handbuch für Kunst und Investment. München: FinanzBuch Verlag, 2002 Ulrich Reisser; Norbert Wolf: Kunst-Epochen: 20. Jahrhundert II. Stuttgart: Reclam 2003 Jean-Marie Schaeffer: Art of the Modern Age. Philosophy of Art from Kant to Heidegger. Princeton University Press, 2000 (Übersetzung aus: L'Art de l'âge moderne. L'Esthetique et la philosophie de l'art du XVIIIe siècle à nous jours. Paris: Gallimard 1992) Beat Schmid: Inszenierung von Produkten im E-Business. In: Wunderlich, W., Spoun, S. (Hrsg.), Medienkultur im digitalen Wandel, Band 2 der Reihe "Facetten der Medienkultur". Bern: Haupt, 2002 (S ) [ Beat Schmid, Boris Lyczek (Hrsg.): Unternehmenskommunikation. Kommunikationsmanagement aus Sicht der Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler 2006 Beat F. Schmid: Konzepte Herausgegeben von Salome Schmid-Isler. Institut für Medien- und Kommunikationsmangement, Universität St. Gallen. [ Bernd Schmitt; Alex Simonson: Marketing aesthetics. The strategic management of brands, identity and image. New York, 1997 Manfred Schwaiger: Art sponsorship: 'art' as salestainment. In: (Heusser 2005), S Sedlmayr 1988 Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte: Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit. Ullstein-Sachbuch 1988 (1948) Seel 2003 Martin Seel: Ästhetik des Erscheinens. Suhrkamp 2003 (Erstauflage Hanser 2000) Shiner 2001 Larry Shiner: The Invention of Art. University of Chicago Press 2001 Sontag 1980 Spalding 2003 Staniszewski 1995 Ullrich 2000 Susan Sontag: Kunst und Antikunst. Hanser Verlag "Against Interpretation", University of California, 1962 Julian Spalding: The Eclipse of Art. Tackling the Crisis in Art Today. Prestel 2003 Mary Anne Staniszewski: Believing ist seeing: creating the culture of art. Penguin 1995 Wolfgang Ullrich: Mit dem Rücken zur Kunst. Die neuen Statussymbole der Macht. Berlin, 2000 (S ). Ullrich, 2006 Wolfgang Ullrich: Art and brands: who learns from whom? Brands 96

97 competing with art. In: Hans-Jörg Heusser; Kornelia Imesch (eds.): Art & branding. Principles interacion perspectives. Swiss Institute for Art Research, Zurch, 2006 (S ) Warnke 1985 Weibel, 2005 Wellershoff 1981 Wood 2002 Martin Warnke: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers. Köln: DuMont 1985 Peter Weibel: Logokultur und Jugendindustrie, in: Klaus Neumann-Braun, Birgit Richard (Hrsg.): Coolhunters. Jugendkulturen zwischen Medien und Markt. Frankfurt a/main, 2005 (S ). Dieter Wellershoff: Die Auflösung des Kunstbegriffs. Frankfurt a/main: Suhrkamp 1981 (1976) Paul Wood: Cnceptual Art. Tate Publishing: Movements in Modern Art,

98 Kunst der Gegenwart Organisation und Markenbildung Teil V: Markenbildung Skript für das Kontextstudium Masterstufe von Dr. Salome Schmid-Isler Skript für das Sommersemester 2006 Universität St. Gallen 98

99 INHALTSVERZEICHNIS 3. Markenbildung in der Kunst Die Marke und das Markenwesen Namens- und Markenbildung in der Kulturgeschichte Marke als Zeichen... Fehler! Textmarke nicht definiert. Markenpflege und -strategien Künste für das Selbst-Marketing... Fehler! Textmarke nicht definiert. Künste für das Intermediär-Marketing Kunst als Marke, Marken als Kunst ID-Transfer und Lifestyle über Marken Künstler-Marken... Fehler! Textmarke nicht definiert. Referenzen

100 4. Markenbildung in der Kunst Dieser Skriptteil zum Kurs "Kunst der Gegenwart: Organisation und Markenbildung" behandelt das Verständnis der Marke im Kontext der Kulturgeschichte und vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der Gegenwartskunst. In der Betriebswirtschaftslehre wird die Marke aus einem ökonomischen Blickwinkel heraus definiert 135. Hierzu gibt Abschnitt 1 einen Überblick. Wir untersuchen die Markenbildung aus geschichtlicher Sicht und sehen, dass sie seit jeher mit dem Kunst- bzw. Kunsthandwerksbetrieb verbunden war 136 : Machthaber aller Zeiten haben sich in gutem Licht dargestellt und Propaganda für sich betreiben lassen, womit sie sich einen "Namen" schufen. Markenbildung und Namenbildung können, kulturhistorisch, als dasselbe betrachtet werden. Früher waren es Könige und Priester, die sich als Helden oder Dynastien propagierten und so die Loyalität ihrer Umgebung einfordern wollten. Heute sind es Unternehmen und Produkte, die Alleinstellungsmerkmale bewerben und damit das Vertrauen der Käuferschaft gewinnen wollen. In vielen Fällen gehört zur Propaganda das Element des Luxus der erlesenen Kunst als Zeichen für Ungebundenheit und Elitarität. 137 Hierzu gibt Abschnitt 2 einen Überblick. Von besonderem Interesse ist die Rolle der Marke als Kunst bzw. die Rolle der Kunst als Marke im kunstökonomischen Bereich des Art & Branding. Künstler bedienen sich der Marken als Elemente ihrer Kunst (Pop Art, Appropriation Art). Umgekehrt betreiben Unternehmen Markenpflege über gezieltes Co-Branding mit Kunst. Darüber mehr in Abschnitt Die Marke und das Markenwesen Zum Thema Marke vgl. Kotler 138, DPMA 139, Bruhn 140. Das Thema Markenartikel wird in der Betriebswirtschaftslehre, dort v.a. im Marketing, wissenschaftlich untersucht. Es geht dort um den Aufbau und die Pflege von Marken sowie um die Bestimmung von Markenwerten. Dabei stehen Fragen von ökonomischem und juristischem Interesse im Vordergrund Zum Begriff der Marke Etymologie Etymologisch stammt das Wort Marke aus dem mittelhochdeutschen "marc", was Grenze, Grenzland, Grenzlinie zur Unterscheidung heisst, sowie aus dem französischen "marque", was ein auf einer Handelsware angebrachtes Zeichen bedeutet 142. Die Marke als Erkennungszeichen, das "markiert", das "markant" ist, das man sich "merken" kann. 135 vgl. (Bruhn 2003), (Bieger 2004) 136 vgl. (Heusser, 2006), (Ullrich, 2006), (Leiterer 1974) 137 vgl. (Schmid-Isler 2005) 138 (Kotler 1989) 139 Deutsches Patent- und Markenamt: Broschüren Nr (1/41) und (3/41) 140 (Bruhn 2001) Manfred Bruhn (Hrsg.): Die Marke. Symbolkraft eines Zeichensyastems. IN: Bruhn, Jaufmann, Noveck, Wunderlich: Facetten der Medienkultur, Band 1, Bern: Haupt Ein Standard-Überblickswerk ist z.b. (Bruhn 2004). 142 M. Bruhn in: (Bruhn 2001), S

101 Betriebswirtschaft / Marketing Betriebswirtschaftlich ist der Markenbegriff i.d.r. beschränkt auf "die für den privaten Bedarf geschaffenen Fertigwaren ( ) in einheitlicher Aufmachung, gleicher Menge sowie in gleichbleibender oder verbesserten Güte erhältlich sind" 143. Im Marketing werden als Marke (engl. Brand) oder Markenartikel Sach- oder Dienstleistungen bezeichnet, die sich durch folgende Kriterien auszeichnen: - Markenname, - Markenzeichen, - Slogan, - Bekanntheitsgrad, - gleicher Preis bei vergleichbaren Vertriebsstellen, - gleichbleibende Qualität, - Ubiquität, d.h. überall erhältlich, wo Distribution erwartet. Marken wird eine Persönlichkeit, ein Markenkern (brand essence) und eine Markenwelt (brand universe) zugeschrieben. 144 Seitens des Markeneigners, also des Unternehmens, brauche es, laut Höselbarth, "im Vorfeld der Markengründung: - einen Urheber (etwa einen "Unternehmer", einen "Religionsstifter" oder einen Künstler wie Michelangelo, deren Namen selbst zu Markenbezeichnungen werden), - ein innovatives (besser: kultur-evolutionäres) Produkt, - einen Namen, - eine potenzielle Nachfrage und - ein Wertesystem." 145 Die Erhaltung und positive Weiterentwicklung der Marke, das Markenmanagement, ist Aufgabe des Unternehmens und seiner Intermediäre. Hierzu gibt es gut erforschte Modelle und Handlungsempfehlungen, wie ein Unternehmen, ausgehend von einem Idealbild, durch seine Produkte, Dienste und sein Verhalten (Corporate Governance) bei seinen Stakeholdern Images schafft, welche sich zu einer Reputation verdichten, die dann vom Unternehmen wieder aufgenommen und korrigierend neu gemanagt wird 146. Marken sollen das Produkt mit einem positiven Urteil, mit angenehmen Assoziationen verbinden. Dies ist die unternehmerische Sicht welche a priori setzt, dass das Markenerlebnis angenehm wirken muss. Unter Markenbildung verstehen wir daher eine in der gesamten Gesellschaft stattfindendee Schaffung eines Zeichens eines Namens für ein Set von Eigenschaften, die mit einer Person, einer Organisation oder an Dienstleistungen und Produkten in Verbindung gebracht werden. Dabei ist nicht nur der Markengründer und die Markenartikel involviert, sondern auch die verschiedenen Gemeinschaften der Kunden und die von Externalitäten der Marken Betroffenen. Die Markenbildung findet also als soziales, oder sozialpsychologisches, Ereignis statt. Die Markenpersönlichkeit ist eine von H. Domizlaff 1982 gefundene Denkfigur für die Marke 147, welche der Marke als eine Person auffasst: "Eine Marke hat ein Gesicht wie ein Mensch". Leitherer: "Der Markterfolg eines Artikels beruht auf komplizierten Prozessen, nicht auf 'Marketinginput'. Geht man von dieser Denkfigur (der Markenpersönlichkeit) aus, so stellen sich vor allem Probleme dadurch, dass Veränderungen in dieser 'Persönlichkiit' in 143 Zitat von K. Mellerowicz, entnommen aus M. Bruhn in: (Bruhn 2001), S vgl. Fussnote 1 sowie (Liebl 2006) S.29 und S (Höselbarth et al. 2001), S (Bieger 2004) 147 (Leiterer 2001), S

102 einem übergreifenden Erscheinungsbild (Corporate Identity) registriert werden wie persönliche Veänderungen bei Menschen, im privaten und beruflichen Bereich." 148 Recht Juristisch wird das Wort Marke oder Markenartikel nicht definiert, sondern mit den Begriffen "Warenzeichen" oder "Zeichen" gesetzgeberisch bestimmt. "Nach dem Warenzeichenrecht (WZG) wird unter einem Warenzeichen das flächenhafte Wort-, Bild-, Zahl- oder Kombinationszeichen verstanden, das im geschäftlchen Verkehr zur Individualisierung der Waren (Warenzeichen, Warenmarke) oder Dienstleistungen (Dienstleistungsmarke) eines bestimmten Unternehmens genutzt wird." 149 Sprachwissenschaft / Semiotik Aus der Sicht der Sprachwissenschaft (der Symbolkommunikation) ist es notwendig, das Markenwesen als Entwicklungsgeschichte von Zeichensystemen versteht. Daher ist der Begriff des Zeichens zu vertiefen. In der Semiotik (= Lehre von den Zeichen) benützen wir die semiotische Triade, d.h. die Dreiecksbeziehung als Modell für die Kommunikation: 1) ein Zeichen hat 2) eine Referenz (das, was es bezeichnet) und 3) eine Bedeutung (seinen Begriff). Diese Triade wurde schon in der Antike angedacht (Aristoteles), erfuhr aber seine bedeutendste wissenschaftliche Vertiefung erst in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts 150 und hat auch der postmodernen Kunstentwicklung entscheidende Impulse verliehen 151. Der "Vater" der Semiotik, Charles Sanders Peirce, definiert: "A sign is something which stands to somebody for something in some respect or capacity. It addresses somebody, that is, creates in the mind of that person an equivalent sign, or perhaps a more developed sign. That sigh which it creates I call the interpretant of the first sign. The sign stands for something, its object." Repräsentamen Auch: Bezeichnung Signifiant Zeichen Symbol Sign Das Mittel 3. Interpretant Auch: Idea Vorstellung Signifié Das Bedeutete Signification Interpretation interpreter 2. Objekt Auch: Referent Das Bezeichnete The denoted object Die semiotische Triade (Mit unterschiedlichen Bezeichnungen, nach Peirce, Saussure, Ogden/Richards, Nöth) 148 (Leitherer 2001), S Zitat von T. Herreiner, entnommen aus M. Bruhn in: (Bruhn 2001), S Semiotiker: z.b. Charles S. Peirce, W. Morris, Th. Sebeok, U. Eco u.a. Vgl. auch Winfried Nöth: Handbuch der Semiotik. 2. Neubearb. Auflage, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart/Weimar Als Einstieg ev. Introducing Semiotics (Cobley 2004 (1997)) 151 Introducing Postmodernism: (Appignanesi 2003) 152 Charles Sanders Peirce: ; Collected Papers of Ch.S. Peirce. Bd. 1-6 hg. Von Charles Hartshorne, Paul Weiss. Bd. 7-8 hg. Von Arthur W. Buirks. Cambridge Mass., Harvard UP , 1958, Vgl. auch: Nöth 1975, S,

103 Die folgende Abbildung veranschaulicht die semiotische Triade am Beispiel eines Apfels: Die semiotische Triade am Beispiel eines Apfels, visualisiert nach George 153 Im Blickwinkel der Semiotik ist eine Marke ein Zeichen mit einer entsprechenden semiotischen Triade. Dabei wird aber nur der rationale Bezug der Kommunikation einer Marke betrachtet, die emotionale Bindungskraft wird ausser Acht gelassen. Psychologie, Sozialpsychologie Die Verständigung zwischen dem Hersteller oder Händler mit seinem Kunden hat, wie bisher deutlich wurde, zwar sehr wohl eine rationale Seite, die des Absatzsystems von Markenartikel und Herstellermarke. Aber immer bedeutender wird auch die emotionale Bedeutung der Marke. Hier führt der sprachtheoretische Ansatz von Karl Bühler 154 weiter. Er greift auf die Semiotik zurück, modelliert aber eine etwas andere tradische Relation, in welcher das Zeichen als Organon 155 (oder lat. Organum), d.h. als ein (sprachliches!) "Werkzeug" in der Mitte steht: Karl Bühlers Grundmodell der Kommunikation F.H. George: Semantics. London: English UP 1964 (S. 8). Abbildung zitiert von: Nöth 1975, S Karl Bühler ( ): Mediziner, Semiotiker. Publikation: Sprachtheorie. 155 Organon (griech.) heisst das Werkzeug. Bei den alten Philosophen (Platon, Aristoteles ) war damit auch die Sprache gemeint. Organon heisst auch die Sammlung der logischen Schriften des Aristoteles, welcher die Sprache als Hilfsmittel zur Wahrheitserkenntnis definiert. Organon ist daher als Zeichensystem, bzw. als Sprache zu verstehen, als logisches Werk-Zeug, welches Erkenntnis bewerkstelligen kann. 156 Siehe [ 103

104 In der Weiterentwicklung seines Modells hat Bühler den Einen als Sender von Ausdruck identifiziert, den Anderen als Empfänger eines Appells verstanden und die Dinge als Darstellungsweise in der Welt aufgefasst: Karl Bühlers Erweiterung des Organon-Grundmodells 157 Der wesentliche Beitrag von Bühlers Modell liegt darin, dass bei ihm das Zeichen nicht nur eine objektive Komponente, die des Bedeutungsträgers hat, sondern dass es auch einen Ausdruck (wodurch die Botschaft beeinflusst wird 158 ) sowie eine Appellfunktion vom Sender zum Empfänger vermittelt, wodurch eine personale soziale Beziehung spürbar wird. Interpretation nach Bühler: Die personale soziale Beziehungsfähigkeit eines Zeichens An den unten abgebildeten Markenbeispielen wird die Bühlersche Dreiteilung in Ausdruck, Appell und Botschaft deutlich. 157 Siehe [ 158 vgl. z.b. (Schmid-Isler 2004) 104

105 Jede Marke hat ihren eigenen Ausdruck (v.l.n.r.: dynamisch; romantisch; vornehm; frech), eigenen Appell (v.l.n.r.: fordernd, verführend, hofierend, schreckend), und ihre eigene Botschaft (Name Joop, Name Swarovski, Name Estée Lauder, Name LaCoste). Auch Leitherer hebt die emotionale Wirkungsweise von Marken hervor. Zur Beschreibung der emotionalen Wirkung eines Markenartikels verwendet er den psychologischen Begriff der Gestalt 159 : "Das stereotypisierte und standardisierte Zeichen repräsentiert das 'Werk' neben der Persönlichkeit bzw. der Firma als eigener Bereich. Auf dieser Basis entsteht im 19. Jahrhundert das 'Absatzsystem' von Markenartikel und Herstellermarke. Aus anderem Blickwinkel gesehen bedeutet es das, was man eine 'Gestalt' nennt", d.h., Hersteller und Kunde verständigen sich "auf der Basis eines Symbols, wie 4711 für 'Kölnisch Wasser', wie 'Nürenbergisch gerecht geschaut Gut' für Textilien aus zünftlerischer Produktion dieser Stadt im Mittelalter". Nochmals Leitherer: "Die Wirkung von Markennamen und zeichen als Symbole beruht darauf, dass sie zu einer Wort- und Bildsprache gehören. Das Zeichen geht über die verbale Mitteilbarkeit hinaus und wirkt auf einen Teil des Wahrnehmungsapparates des Konsumenten, der weitgehend 'emotional' arbeitet, der rational entscheidende homo oeconomicus bleibt eine modelltheoretische Fiktion aus dieser Perspektive ganz besonders zu sehen. Die Zeichen gewinnen eine eigenständige Bedeutung mit, im Idealfall grossem, Symbolgehalt: etwa als Zahlungssymbolik, als Dreieck mit Auge als göttlichem Symbol, als Wappentier wie Adler, Bär oder Löwe, usw., vor allem aber als Name. Ohne Kenntnis der Wirkungsweise von Symbolen ist die Marken-'Technik' letzten Endes ncht zu verstehen." Funktionen der Marke Absatzplanung Die Funktion des Handelsartikels ist je nach Sicht der Marktteilnehmer eine unterschiedliche. Nachstehend eine Tabelle, welche die Sicht des Herstellers, des Handels und der Konsumenten wiedergibt, nach Bruhn In der Philosophie wird unter Gestalt die anschaulich-räumliche Form wahrnehmbarer Gegenstände verstanden, die aber auch auf die Wahrnehmung psychischer oder historisch-kultureller Gebilde übertragen werden kann. Eine Gestalt ist ein Gebilde, dessen Teile vom Ganzen her bestimmt sind, die also mehr als die Summe ihrer Teile ist (Beispiel: das musikalische Erlebnis eines Akkordes ist völlig anders als das Erlebnis aller einzeln gehörten Töne). In der Gestalttheorie (Teilbereich der Psychologie) wird postuliert, dass unsere erstmalige Wahrnehmung einer Gestalt ein primär seelisches Erleben ist, wodurch jeweils in der Erinnerung wie auch in der Wiederbegegnung mit dieser Gestalt immer wieder auch eine seelisch-überweltliche Komponente mitschwingt, welche der Gestalt eine bleibende emotionale Deutung gibt. [H. Schmidt, Lexikon de Philosophie] 160 (Leitherer 2001), S M. Bruhn in: (Bruhn 2001), S

106 Herstellersicht Handelssicht Konsumentensicht - Planungs- und Verkaufshilfe - Absatzförderungsfunktion - Unterstützungsfunktion im Hinblick auf andere absatzwirtschafltliche Aktivitäten - Stabilisierende Wirkung im Rahmen langfristiger Absatzpläne - Profilierungsfunktion gegenüber der Konkurrenz - Innovationsfunktion - Instrument zum Aufbau eines Firmenimages - Verhandlungsposition für Hersteller-Handel-Beziehung - Stiftung psychologischen Zusatznutzens - Minderung des Absatzrisikos durch Selbstverkäuflichkeit der Hersellermarken - Renditefunktion - Verminderte Beanspruchung eigener Marketinginstrumente - Kostenersparnis durch schnellen Produktumschlag - Profilierungsfunktion gegenüber Herstellern (bei Handelsmarken) - Solidarisierungsfunktion im Handelsverbund - Orientierungshilfe beim Einkauf - Informationsund Identifikationsfunktion - Entlastungsfunktion beim Einkauf durch hohen Distributionsgrad - Qualitätssicherungsfunktion - Minderung des Risikos einer Fehlentscheidung - Darstellung der individuellen Zusatznutzenbedürfnisse - Prestigefunktion (Exklusivitätssignal) Abb.: Funktionen des Markenartikels aus Hersteller-, Handels- und Konsumentensicht 162 Prestige Von besonderer Bedeutung in unserem Kontext sind die in der obigen Tabelle genannten Funktionen, die wir als Community-Effekte benennen, nämlich (seitens Hersteller) die Stiftung psychologischen Zusatznutzens sowie (seitens Konsumenten) die Prestigefunktion, das Exklusivitätssignal. Unser Interesse gilt der Marke als Erkennungsstruktur / Identifizierbarkeit von befriedigenden Erlebnissen, die ein Kunde mit einem Produkt oder einer Dienstleistung oder einem Unternehmen erfährt und memoriert. Marken sind hier Namen für eine Personalität, an die sich der Kunde erinnert. Sozialpsychologisch dienen Markenartikel als eine Art "Stammeszeichen", welche Individuen einer bestimmten Lifestyle-Gruppe zuornen. Marken werden gewählt, und mit anderen Marken kombiniert, um sich selbst ein "individuelles Outfit", eine Positionierung in der Gesellschaft zu geben. Marken sagen nicht nur etwas aus über den Hersteller und auch über die von ihm hergestellten Waren oder Dienstleistungen sie bezeichnen auch die Kunden, welche sich die "Signatur" eines Unternehmens aneignen. So sind Marken heute eine Art Requisiten- oder Lifestyle-Kleiderschrank, aus dem man sich je nach Wunsch und Gelegenheit eine passende Zeichenkombination zusammenstellen kann, mit der man sich "outet", d.h. einer bestimmten Gemeinschaft zuordnet, sich mit jenem "Clan" identifiziert. Dabei ergibt sich notwendigerweise, dass bestimmte Marken (Automarke, Kleidermarken, Marke verschiedener Accessoires, politischer Gruppierung usw.) "stimmig" zusammenpassen sollten. Wir könnten den Spruch "Sage mir mit wem du gehst und ich sage dir wer du bist" (who you are is who you know) heute so modellieren "Sage mir welche Marken du trägst und ich sage dir wer du bist" (who you are is who you wear). 162 M. Bruhn, in: (Bruhn 2001), S

107 Abb.: Who you are is who you wear Identität dank Markenartikeln Marken bzw. Kombinationen verschiedener Marken sagen: "wer mich trägt, ist so-und-so". Marken sind Lifestyle-Zeichen, die ständig neu entstehen, weil es ständig neue junge Leute gibt, welche den Lifestyle, ihrer Eltern nicht übernehmen wollen, sondern ihrem Lebensgefühl einen eigenen Ausdruck eigene Markierungen geben wollen. Dabei sollten die verschiedenen Markenartikel einer vergleichbaren oder zueinander passenden Klasse von Gütern entsprechen: Ein Auto der Marke Lotus, Kaviar sowie Kleidung von Dolce e Gabbana zu besitzen bedeutet, zu Bürgern der Luxusklasse zu gehören. Klassische Werte und Tradition werden mit einem Auto der Marke Saab, mit Mode à la Bogner und bewährten Biersorten ausgedrückt. Die Jugend verpflegt sich mit Marken- Fastfood, kauft bei Trendmarken wie H&M ein und leistet sich einen frechen Mini. Funktionale Produkte für Preis-Leistungs-Bewusste sind Autos der Marke Toyota, Kleidung von Switcher und Food von Coop, siehe Abbildung: Luxuriös, extravagant Jugendlich, dynamisch Traditionell, klassisch Funktional Abb.: Polaritätsprofil mit zusammenpassenden Marken der Bereiche Auto, Mode, Esswaren 107

108 "Die Marke ist also der wirtschaftliche Aspekt einer "Individuation" modern gesprochen als "Identifikation" die der Vertrauensbildung und damit einer Einflussnahme dient. Es entstehen damit soziale Beziehungen, denen gewissermassen eine nach aussen nicht sichtbare, hinter der Marke versteckte 'geheime Kraft' innewohnt. Ist der Symbolcharakter der Marke stark ausgeprägt, können sich um sie sogar 'Gemeinden' bilden, so wie sie sich um religiöse Symbole scharen (vgl. die gelegentliche bemerkte Verwandtschaft von Namen nomen zum Lateinischen numen 163 ). Die Marke kann sich sogar zum 'Erkennungszeichen' eines Marktsegmentes entwickeln, vom Hersteller aus gesehen zu einer Zielgruppe. Solche Gruppierungen erkennen sich also und schätzen sich ein nach Zeichen." 164 Zwar sind Marken i.d.r. tatsächlich Namen von Herstellern, doch sind diese nicht mehr als reale Personen greifbar, sondern der Name wird von einer Institution, einer juristischen Person, getragen. Dabei verschwindet der präzise Herstellungsort von Markenartikeln früher ein sehr wichtiger Faktor für die Marke wodurch nicht nur die namenstragende Persönlichkeit, sondern auch Herkunft und Verarbeitung unscharf geworden sind (wo und durch wen wird z.b. "Louis Vuitton" oder "Davidoff" heute hergestellt?). Was ist denn aus der Marke geworden? Es ist gemeinsames Wissen, es ist das, worüber man spricht. Die Communities konstruieren ihr eigenes Markenwesen, eine Fama 165. Heute ist die Marke abgelöst vom Produkt, sie führt ihr eigenes Leben als soziales Konstrukt. Es ist ein Wesen in unserer Gesellschaft, aus dem sich auch Typen (Markentypen) konkretisieren können Geschichtlicher überblick zur Marke Die Marke ist ein neues Element im Warenhandel. Es entsteht, nach Leitherer, dadurch, dass sich der Handel im Lauf der Geschichte über immer grössere Distanzen erstreckt, wodurch Hersteller und Abnehmer nicht nur geografisch, sondern auch kommunikativ immer weiter voneinander getrennt sind. Damit das Vertrauen zwischen unsichtbaren Handelspartnern aufrecht erhalten werden kann, wird die verbale Kommunikation mit eindeutigen geschützten Symbolen substituiert, mit Zeichen, welche in der frühen Geschichte normalerweise den Namen des Herstellers bzw. seine "gute Unterschrift" bedeuteten, wodurch auch seine Sendung als "gut" einzuschätzen war. "Schaut man in die Geschichte, so kann man schnell feststellen, dass es in allen Zeiten und Kulturkreisen Zeichen, Kennzeichen oder auch Marken gegeben hat, die an Gegenständen angebracht worden sind", sagt Wadle 166. "Sie erhalten ihre Bedeutung immer durch die Menschen, die sie anbringen und die sie wahrnehmen. Marken dienen dem Unterscheiden und Orientieren, dem Erkennen und Wiedererkennen nach cen verschiedensten Gescihtspunkten. Zeichen können magische oder religiöse Bedeutung haben. Als Hausmarken (Hofmarken) können sie die Zugehörigkeit zu Haus und Hof bezeichnen. Als kaufmannsmarken kennzeichnen sie Handelsgut, um bestimmte Rechtsprobleme des Handelsgeschäftes besser lösen zu können. Als Steinmetz- und Meisterzeichen oder als Monogramm eines Künstlers lassen sie den Hersteller oder die Werkstatt erkennen, um Ursprung oder Verantwortlichkeit zu sichern. Als Zunftmarken oder Schauzeichen lassen sie werkgerechtes Mass und Qualität erkennen und/oder garantieren dieses sogar. Einer Marke, die eine Ware kennzeichnet, kann jede dieser Bedeutungen zukommen. Ob und welche Bedeutung im Verkehr als wertvoll anerkannt wird, entscheiden immer die am Warenaustausch Beteiligten." Numen, lateinisch, bedeutet Gottheit, göttliches Wesen (als wirkende Macht ohne persönlichen Gestaltcharakter) [Duden Fremdwörterbuch] 164 (Leitherer 2001), S Fama (lat. ) = der Ruf, der Leumund, auch das Gerücht, heute eher Reputation genannt 166 (Wadle 2001), S (Wadle 2001), Zitat von S

109 Namen Links: Ich war hier mein Geist war hier. In der Höhlenmalerei des Paläolithikums finden sich auch Negativformen von Händen, die durch Überspritzen mit Farbe einen Abdruck hinterlassen bzw. zeigen, dass ein Mensch hier war. Handnegativ von El Castillo, Spanien, ca Jahre v. Chr. Unten: Ptolemäus der Name in ägyptischen Hieroglyphen Namen sind Bezeichner, Eigennamen bezeichnen Individuen, Familiennamen entstehen aus: Berufsbezeichnungen oder Herkunftsort oder land, oder Wohnlagenbezeichnung oder Eigenschaften (dann Übername). Altbabylonisches Rollsiegel, 3 Jhtsd. v. Chr. Unterschrift Links: Rollsiegel (linkerhand) und die Unterschrift Rollsiegel sind zylindrische, längsdurchbohrte Objekte, die auf Ton abgerollt werden konnten. Sie sind mit verschiedenen Szenen verziert und tragen häufig zusätzlich eine Inschrift, die den Namen des Eigentümers oder ein Gebet um Schutz beinhaltet. Sie dienten als Unterschrift auf Verträgen. 168 Euphronios Signatur als Gütezeichen Gegen Ende des 6. Jh.v.Chr., als in Athen ein kultureller Höhepunkt war, wurden Texte über Künstler verfasst und diese begannen auch, ihre Arbeiten zu signieren. Auch Kunsthandwerker wie Töpfer und Keramikbemaler (= Vasenmaler) unterschrieben ihre besonders gut 168 Wenn man kein Rollsiegel besass, gab es noch zwei andere Möglichkeiten, seine "Unterschrift" auf einem rechtlich bindenden Dokument anzubringen. Entweder drückte man ein Stück des eigenen Gewandsaumes auf der Tafel ein oder aber den Fingernagel. Auch diese Form der Unterschrift hatte bindende Kraft und magischen Gehalt zugleich. Im täglichen Leben konnte der Gewandsaum als Stellvertreter der Person angesehen werden. Eine Gewährleistung für den Wahrheitsgehalt einer Botschaft stellte der Gewandsaum in den Briefen aus Mari im 18. Jahrhundert v. Chr. dar. Götter teilten sich Ekstatikerinnen und Ekstatikern mit, um den König vor Unheil zu warnen oder an religiöse Pflichten zu erinnern. Zur Beglaubigung einer solchen Nachricht schickte häufig die Königin, der man davon als erste berichtet hatte, ein Stück des Gewandsaums des Ekstatikers/der Ekstatikerin sowie Inhalt und Bedeutung der Götternachricht an den König. Wenn man den Gewandsaum eines Königs anfasste, so trat man dadurch in ein Abhängigkeitsverhältnis oder unter die Schutzherrschaft eines Königs. Das Anfassen des Gewandsaumes eines Gottes bedeutete, dass man sich der Macht dieser Gottheit unterwarf. [ 109

110 gelungenen Werke mit ihrem Namen und dem Zusatz egraphsen tade hat diese Dinge gemalt um zu zeigen, wer die Pionierleistung verantwortete. Marken zur Erkennung Wappen Links: Wappen aus dem achten Kreuzzug, 1270, mit König Louis IX 169 Wappen sind in ihrer klassischen mittelalterlichen Form in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, der Zeit der Kreuzzüge - also im Zusammenhang mit dem Auftreten großer Ritterheere- entstanden, weil man wegen der Rüstung Freund und Feind nicht mehr deutlich unterscheiden konnte. Wappen kennzeichneten Fahnen und Schilde Namens- und Markenbildung in der Kulturgeschichte Das Thema Markenartikel wird in der Kulturwissenschaft unter sozialen, künstlerischen, sprachlichen und designgeschichtlichen Aspekten studiert. Dies betrifft z.b. den über Markenverpackungen dokumentierten Wertewandel in der Konsumgesellschaft oder die Veränderungen des Geschmackes, die sich beim Markenartikel stilistisch äussern. Auch sprachlich lässt sich die Marke mit den Entwicklungen der Symbole in der Literatur, dem Theater und Kino sowie in der Musik verbinden. Sozialpsychologisch interessiert die Verbindung zwischen Marke und Mythos. 171 Im grossen Bogen betrachtet: Marken sind Markierung im Sinne eines Zeichens zur Idenifizierung. Bei den Menschen entstanden Markierungen in der Steinzeit, als Stammeszeichen, so wie wir sie heute noch in indigenen Stammesgemeinschaften antreffen können (z.b. in Australien, Neuseeland). Was mit dieser Marke bezeichnet ist, gehört dem Stamm, ist eine gemeinschaftliche Identität, die sich auf Subjekte wie Objekte bezieht. Eigennamen (Namen, die eine Person erfassen) gehören einer magischen Welt an sie rufen jemand herbei, d.h.: sie bezeichnen Geister. Hervorragende Wesen werden mit Eigennamen benannt. Die Benennung geht dann den Königsweg: Zuerst stellt sich ein König in die Tradition der Götter, er legitimiert seine Herrschaft mit einem individuellen Namen und Kult (Bsp. Pharaonen). Was seinen Eigennamen trägt, gehört ihm (Bsp. Rollsiegel). Später geben sich auch Berater, Priester und andere gesellschafltich höhergestellte Individuen ihren eigenen Eigennamen. Eigennamen erhalten schliesslich alle Individuen. Zuerst entstehen Familiennahmen, wenn Migranten ihren Stamm verlassen, und sie anderswo aufgrund ihres 169 [ 170 Die farbliche Kennzeichnung auf den Schutzschilden oder Fahnen wurde mit kontrastierenden Farben gemacht, um die Erkennbarkeit auch aus der Entfernung zu erhöhen. Die Heraldik spricht hier vom Gegensatz von Farben (rot, schwarz, blau, grün) und Metallen (weiß (als silber beschrieben) und gelb (gold)). Das Wort "Wappen" (mittelhochdeutsch wâpen) ist in seiner Herkunft identisch mit dem Wort "Waffen". [Wikipedia, Wappen] 171 Vgl. hierzu die Einführung (S. 9 f.) von M. Bruhn in (Bruhn 2001). 110

111 Herkunftsstammes, -landes oder -ortes benannt werden. Daraus entstehen Familiennamen. Diese können auch aus Berzufsbezeichnungen entstehen, oder aufgrund individueller Eigenschaften (dann ist es ein Übername, welcher vererbt wird). Nach dem Schema Sohndes-X oder Tochter-des-X entstehen später Personennamen (Vor- oder Zunamen) für jedermann. Heute ist Identität durch die Verbindung eines Namens mit einer Person (zertifiziert durch ihre handschrifltiche Unterschrift) gegeben. b) Mit dem Handel über weite Distanzen entstand schon in der Urzeit die Notwendigkeit zu Buchhaltung und Handelsrecht. Handelsprodukte werden identifiziert über ein Zeichen, das ihren Besitzer benennt: Die Eignermarke. Diese Herkunftsbezeichnung kann in eine neue Eignermarke (die des neuen Besitzers) übergehen. Die Ware bleibt dieselbe, aber ihre Zugehörigkeit ändert. Daraus etabliert sich ein Qualitätsbegriff für Waren, der mit der Herkunftsbezeichung (Lieferant der Ware) verknüpft wird. Damit kommt man schon nahe an den heutigen wirtschaftlichen Begriff der Marke (Bsp. antiker Keramikmarkt). In der Wirtschaft bezieht sich der Markenbegriff auf "Königsnamen" bzw. hohe Qualtität, wir benennen dies mit Namens-Reputation. Reputation bedeutet hier Erfolg bzw. gute Handelsqualität. Diese wird zugesprochen aufgrund eigener Erfahrung mit der fraglichen Person oder ihren Waren, sie lässt sich aber auch künstlich erzeugen: PR und Marketing sind so alt wie die Geschichte, sie gehen über Dichtung und Geschichtsschreibung (Panegyrik), über Zurschaustellen von Luxus und Macht. Wie man einen Namen zum "guten Namen" macht, wurde bald institutionalisiert in bestimmten Ritualen wenn Trophäen aus Wettbewerben gewonnen werden, wenn Denkmäler und Orden als Siegerehrung verliehen werden, wenn Eichungen, Beschauungen, Zertifikate, Zeugnisse und andere Qualitätsreferenzen mit Herstellern, ihren Waren und den Kunden verknüpft werden können. Im freien Wettbewerb entsteht die Notwendigkeit, aus Unbekanntem (no names) Helden zu machen. Der Name muss verknüpft werden mit Reputation. Woher nehmen? Sich mit (fremden) Federn schmücken? Die gewünschte Reputation der Individual-Marke entsteht entweder durch den Zusatz von Autorität in irgendeiner positiven Weise: Image-Aufbau durch Anhänger, oder durch institutionelle Auszeichnungen, d.h. Nennung in der (offiziellen) Dichtung und Geschichtsschreibung, Siegerehrungen bei Wettkämpfen, Vergabe von Orden und Ausweisen durch zertifizierten Auszeichnungsverfahren (wie z.b. dem European Quality Award, der ISO Zertifizierung, der Oscar- und anderen Medienpreisverleihungen), oder aber durch Selbst-Marketing, d.h. durch eigene Anpreisung seiner Leistungen auf Märkten des Klatsches. Die Verbindung einer Ware mit einer Autorität transferiert das Image der Autorität auf die Ware. Daher werden bestimmte Objekte geschützt, entweder kultisch (Königskrone, Szepter, Rang-Abzeichen ) oder marktlich (Trade mark, Urheberrecht). Seit der Industrialisierung, d.h. seit der späten Neuzeit, bezieht sich der Begriff der Marke vor allem auf Unternehmen und ihre Produkte. Die Reputation eines Firmennamens oder einer Produktfamilie wird als Ressource intensiv bewirtschaftet. Ziel ist es, langfristig stabiles Vertrauen und unverbrüchliche Loyalität bei einer wachsenden Kundschaft zu bekommen, dem Betrieb nicht nur Käufer, sondern eine Anhängerschaft zu sichern. Die Betriebswirtschaft, dort v.a. das Marketing, und die Rechtswissenschaft widmen sich den Marken unter dem Begriff des (eingetragenen) Warenzeichens. Zusammengefasst: Kulturgeschichtlich entsteht die Marke zuerst als Name einer Familie (eines Clans, einer Dynastie), welcher eine längere Geschichte an Ehre und Schande bringender Taten impliziert. Die Reputation der Familien-Marke muss über mehrere Generation vorgelebt werden. Ziel ist es, zu einer Familie mit "Ehre" zu gehören. 111

112 Später, d.h. seit der Antike, überträgt sich die Bedeutung einer Marke auch auf Individuen. Sie assoziiert dessen Heldentaten in verschiedenen Tätigkeitsfeldern (Krieg, Jagd, Politik, Künste, u.a.). Die Reputation der Individual-Marke entsteht entweder durch institutionelle Auszeichnungen Nennung in der (offiziellen) Dichtung und Geschichtsschreibung, Sieger bei Wettkämpfen, Orden und 'zertifizierten' Auszeichnungsverfahren (wie z.b. dem European Quality Award, der ISO Zertifizierung, der Oscar- und anderen Medienpreisverleihungen) oder durch Selbst-Marketing, d.h. durch Anpreisung eigener Leistungen auf dem Markt (letzteres haben viele bekannte Künstlerpersönlichkeiten gemacht, darunter Phidias, Apelles, Dürer, Leonardo, Rembrandt, Rubens, und ein Grossteil der heutigen Künstler tun dies ebenso). Ziel ist es, als "Celebrity" zu gelten. Seit der Industrialisierung, d.h. seit der späten Neuzeit, bezieht sich der Begriff der Marke vor allem auf Betriebe. Die Reputation eines Firmennamens oder einer Produktfamilie wird als Ressource intensiv bewirtschaftet. Ziel ist es, langfristig stabiles Vertrauen und unverbrüchliche Loyalität bei einer wachsenden Kundschaft zu bekommen, dem Betrieb nicht nur Käufer, sondern eine Anhängerschaft zu sichern. Die Betriebswirtschaft, dort das Marketing, und die Rechtswissenschaft widmen sich den Marken unter dem Begriff des (einetragenen) Warenzeichens Kommunikationsdesign mit Marken Heute spricht man vom Marken-Management. Etwas managen heisst, eine Aufgabe im Griff zu haben (lat. manum agere = an der Hand führen), sie nicht zur zu führen, sondern auch zu entwickeln wissen. Das Markenmanagement bewirtschaftet den Wert (die Ressource) der Marke, des guten Rufes, letztlich des Vertrauens, das einem der Sozialverband schenkt. Kulturgeschichtlich brauchen wir bloss zu fragen, woran denn das Management der Familiennamen und der Heldengeschichten erkennbar wird, um die ersten Markenmanager zu entdecken. Die werbenden Zeugen der Familienehre und Heldentaten sind: Denkmäler, Tempel und Paläste, Arenen und Theater, Grabbauten, Bilderzyklen, Preziosen und Schriftdokumente, Festkleider, Fahnen und Uniformen, Abzeichen usw. All dies und mehr wurde von meisterlichen Handwerkern erstellt, die seit der Renaissance auch Künstler und seit dem 19. Jh. auch Genies genannt wurden und heute zusätzlich Designer heissen. Diese Könner arbeiteten schon vor vielen Jahrhunderten etwa so wie die heutigen Firmenmarken-Manager 172. Die Vorfahren der Marketing-Experten sind also Künstler 173. Wir unterscheiden verschiedene Bewerbungs-Strategien: Es gibt das "Selbst-Marketing", enthaltend das Marketing einer Person für sich selbst: Anpreisen der eigenen Leistung, des eigenen Rufes, der Herkunft, der eigenen Familie bzw. Zugehörigkeit zu einer Dynastie. Es gibt das "Intermediär-Marketing", d.h. das Marketing einer Person für seine Stakeholdergruppe, wodurch man sich ein Optionen-Portfolio an Gunst von Anderen aufbaut. Mittels Geschenken und Aufmerksamkeiten, durch Netzwerkpflege und Kontaktvermittlung, dank umtriebigen Aktivitäten bei einer breiteren Gruppe schafft man sich viel "good will", der dann bei Bedarf gezielt ein- und umgesetzt werden kann. Es gibt das Firmen-Marketing, die Kommunikation eines Unternehmens bzw. einer Institution für die eigene Organisation. 172 vgl. (Ullrich 2006) 173 Der heutige Begriff des Künstlers ist allerdings ein anderer als vor 200, 500 oder 1000 Jahren! Kunst und Künstler haben eine wechselhafte Interpretation erfahren. Vgl. (Bertram 2005), (Hauskeller 1999). 112

113 Es gibt das Produkt-Marketing, das Anpreisen einzelner Produkte bwz. Leistungen im Markt oder Wettbewerb Kunst und Markenbildung (Art & Branding) >>Künste für das Intermediär-Marketing Von den privaten Sammlungen zu den öffentlich zugänglichen Museen und Kunstakademien Die Wurzeln des Museums liegen nicht nur in den Kunstkabinetten des Adels, sondern auch im akademischen Ausbildungswesen 174. So gipfelte die akademische Ausbildung der Künstler im (tonangebenden) Paris des 19. Jahrhunderts in Wettbewerben, z.b. um ein von der Regierung gestiftetes Stipendium für einen Aufenthalt in Rom. Die zur Jurierung stehenden Kunstwerke waren für kurze Zeit auch für das interessierten Publikum zugänglich (jährliche Ausstellungen in den sog. Salons d'exposition). Die Juroren erkoren die Gewinner, die Kunstkritiker verfassten ihr Lob oder ihr Verdikt zuhanden der Öffentlichkeit. Es wurde zur Gewohnheit, dass die gekürten Kunstwerke vom Staat angekauft wurden und in Museen dem öffentlichen Interesse als Vorbild und Ansporn zugänglich blieben. Während Museen der Künste Sammlungen von Kunstwerken anlegen, um diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sind Galerien Verkaufsräume der Kunst, in denen es um den Verkauf der gezeigten Werke an öffentliche oder private Sammler geht. Kunst ist eine Ware 175. Das Kunstwerk kann beim Verkauf an Private unzugänglich für die Öffentlichkeit werden. Der Künstler hat in der Verkaufskette kaum mehr Einfluss mehr auf den Verbleib des Werkes; ebenso profitiert er nicht von den weiteren Verkauferlösen. Früher ergötzte sich der Adel in seiner "freien Zeit" u.a. an Kunst und Kuriositäten, die in privaten Kabinetten gesammelt wurden. Der Begriff der "Freizeit" entstand im 19. Jahrhundert auch für das Bürgertum, in der Moderne auch für das Proletariat. Neben den kulturellen Schauplätzen wie Schauspielhäuser, Oper, Museen und Galerien, entstanden nun auch Boutiquen und Warenhäuser. Am "Window Shopping" ergötzten sich die Massen wie früher die Nobilität in Kabinetten. Museen entstanden gegen Ende des 18. Jh. (Die folgende Aufstellung nach Staniszewski: 176 ) Bis zur Renaissance: Sammlungen von Klerus und Adel (z.b. Medici, wo Michelangelo die antiken Kopien studieren durfte) Jh.: Wunderkammern, Kunstkabinette als private Sammelsurien Jh: Sammlung der Akademie für Studienzwecke. Auch Kunstgalerien, das waren Handelsplätze, wo die Bilder gehortet und verkauft wurden, wenn nötig zersägt und angepasst an die Kundenwünsche. (Vgl. die Bilder von (Watteau: Ladenschild für Gersaint, oder Chodowiecki: Amateurs d'art). Ende des 19. Jh. entstanden öffentliche Museen, welche (im Gegensatz zu den Sammlungen des 16. und 17. Jh.), ausschliesslich für Kunstwerke da sind (Paradigmatisch: das von Karl Friedrich Schinkel erbaute Alte Museum in Berlin). In den Museen wurden die Bilder lange dicht-an-dicht gehängt, erst in den 1930ern 174 Nikolaus Pevsner: Die Geschichte der Kunstakademien, Mäander München: Mäander Verlag Bob van Orsouw, Galerist in Zürich, im Handelsblatt zitiert anlässlich der Wolfsberger Kunstgesprächen zum Thema "Shooting Star", November Mary Anne Staniszewski: Believing is Seeing. Creating the Culture of Art. Penguin Books,

114 begann man die Hängung auszudünnen und schliesslich einzeln auf Augenhöhe zu hängen, wie heute noch üblich in klassischen Ausstellungen. In der 1. Hälfte des 20. Jh. hoben die dominanten Gruppierungen (die russischen Konstruktivisten, Dada, Bauhaus, De Stijl, Surrealisten, Konkrete usw.) bestehende Kunstsysteme auf, indem sie eigene Institutionen für die Schaffung von Kunst schufen: eigene Clubhäuser, Unterrichtsformen (Bauhaus, usw.), eigene Ausstellungen und Publikationen, Vorträge usw. Sehr viel Idealismus! Hingegen war das Kunstvermittlungssystem eher dürftig wenig Möglichkeiten für die Präsentation, die Sammlung und die Publikation von moderner Kunst. (Eigentlich die Aufgabe der Museen, siehe ICOM 177 ) Postmoderne: Nach dem 2. Weltkrieg wurden Museen mehr und mehr zu öffentlichen Treffpunkten, enthaltend Buchläden, Souvenirshops, Cafés, es wurden auch Performances gezeigt etc. Die Kunstwerke hängen nicht mehr an der Wand, sondern sie zeigen sich als Inneneinrichtungen (Installationen), innen oder aussen, Häufig sind Kunstwerke so gross, dass sie am oder vor dem Museum installiert werden müssen. >> Neue Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit: Medialität Seit dem 2. Weltkrieg ist das Kunstvermittlungssystem dasselbe geblieben: Galerien, alternative Räume, Messen, Museen, Kunstmagazine, Kunstgeschichte, Auktionshäuser. Obwohl sich die Gestaltungsmöglichkeiten für dein Einzelnen enorm erweitert haben (Technologie der Herstellung, Themenfundus, Technologie der Verbreitung), ist die Aufmerksamkeit vom Werk und dem Künstler immer weiter abgezogen worden und fokussiert nun vor allem auf den Kunstvermittlungsapparat: Sensationelle Besucherzahlen, sensationelle Preise, schockierende Aussagen oder Verhalten von Künstlern, Sponsoring usw. (cf. Gunter von Hagen!). Künstler vermarkten sich selbst in raffinierten work-in-progress Projekten. Anstatt einzelne Objekte stellen sie Installationen her, oder Rezepte für solche, welche mit den Kunstvermittlungs-systemen interagieren, d.h. mit Galerie, Museum, Publikationen, Markt. Anne Staniszewski schreibt (a.a.o., S ): An artist who works in this fashion can be thought of as 'the artist-producer'. In the postwar era, if an artist wants to do more than merely fuel the art apparatus, the most effective strategies usually involve working with the institutions of culture. The artist who most fully met this challenge and who is the paradigm of the artistproducer is Andy Warhol. He made visible the way the system works. Beuys was a "social sculpture". His most powerful legacy was his influence as a teacher and his public image, which was ever so carefully constructed in documentary photographs. Projekte von kulturell motivierten Aktivisten lassen die Grenzen zwischen Kunst und Alltag, zwichen Kunst und Massenkultur, Kunstcommunity und Jedermann verschwinden (Beispiele: Der AIDS Names Quilt, die vielen Memorials für Vietnam, für den Holocaust ) 177 The International Council of Museums (ICOM) is an international non-profit organisation of museums and museum professionals which is committed to the conservation, continuation and communication to society of the world's natural and cultural heritage, present and future, tangible and intangible. Created in 1946, ICOM is a non-governmental organisation maintaining formal relations with UNESCO and having a consultative status with the United Nations' Economic and Social Council. 114

115 Immer mehr Kunst ist eine Reaktion auf die Populärkultur, auf die Sprachen der Orte, in denen der Künstler und das Gros des Publikum sich bewegt (Strassenschilder, Reklamen, Warenhausauslagen). Zu diesen Orten gehören auch die Medien der Heimkultur (TV, Internet) und der Starkultur (Film- und Unterhaltungsindustrie, Hollywood Popstars ). WARUM? Fine Art erreicht nicht so viele Leute wie Popular Culture! Quoten auch hier, Kunst ist Ware. Staniszewski: "everything is shaped by culture we then acknowledge that we create our reality" (S. 298). Erneut Sozialkonstruktivismus. >> Co-Branding zwischen Kunst und Unternehmen Unternehmen versuchen, ihrem Image eine interessante Note zu geben, welche die Neugierde der potentiellen Kunden weckt, indem es an ihre geheimen Wünsche appelliert und mit verführerischen Versprechen lockt. Damit wird dem Produkt eine Bedeutung zugewiesen, die es gar nicht hat. Genau dies verbindet das Markenprodukt mit Kunst. Kunstwerke haben seit rund 200 Jahren keinen Zweck mehr, sie verweigern sich so 'nichtigen' Bedeutungen wie Schmuck für einen König zu sein, Feierlichkeit für ein kirchliches Ritual zu schaffen, Lieblichkeit in den Salon eines Bürgers zu bringen, etc. Kunst hat heute eine elitäre Bedeutung, die aber wie ein Joker nicht im Voraus spezifiziert ist. Sie entsteht auf Bedarf, im direkten Kundenkontakt, da sie ihre Bedeutung erst in der aktiven Beteiligung des Kunden erschliesst und dort massgeschneidert. Die im Branding so dringend gesuchten existentiellen Dramen spielen sich in der Kunst ab, weil sie jedem eine Bühne für höchstpersönliche Fluchten und Träume offerieren. Und sollte jemand gar nicht wissen, was er eigentlich sucht, so bietet Kunst eine Rolle, eine Attitüde, die man einnehmen und ausspielen kann. 115

116 116

117 4.3. Kunst als Marke, Marken als Kunst Eine gewisse Markenbildung gehört grundsätzlich zum Markt. Auch Künstler haben sich und ihre Kunst seit Jahrhunderten selbst angepriesen (Dürer, Rembrandt, Rubens u.a.m. 178 ). Die Werbeaktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit (sobald Kunst für ein unbekanntes Publikum produziert wurde, was in der Spätgotik bereits der Fall war) sind also Vorläufer der heutigen Markenkultur. Aber die zweifelhafte Entwicklung der Bedeutungen von Brands, Logos, Marken in der Konsumgüterindustrie, welche darin besteht, dass die Labels die eigentlichen Produkte drstellen, während die Güter selbst austauschbar sind, greift auch auf den Kunstbetrieb über. Es ist symptomatisch, wie viele Künstler "flüchten", wie sie Raum- und Kreativitästs- "Verluste" beklagen. Denn auch in der Kunst ist es nun so, dass ein Kunstwerk viel weniger ein Gegenstand ist als eine konzeptuelle und spirituelle Qualität, nämlich die, den Kunstliebhaber intellektuell anzusprechen. Der Galerist verkauft also nicht Artefakte, sondern Träume, Wahrnehmungen, Ideen 179. Wie der Produzent für seine Produkte arbeitet der heutige Künstler für seine Kunst, indem er seine Corporate Identity entwickelt, so klar und so positiv wie möglich, um damit den erträumten Ruhm Celebrity zu erlangen. Dabei ist die Fragestellung von Interesse, inwiefern ein Kunstwerk zu einer "Marke" werden kann (etwa in seiner Eigenschaft als "Ikon", vgl. Skriptteil 2): Inwiefern ist die Mona Lisa zum Markenzeichen von Leonardo geworden, inwiefern passierte dasselbe bei den berühmten Siebdrucken von Marilyn bei Andy Warhol? Wir können auch umgekehrt fragen: Inwiefern kann eine Marke (ein Markenzeichen) als Kunstwerk betrachtet werden? Zu denken ist etwa an berühmte Markenzeichen wie der Schriftzug Coca Cola, Brillo und Campbell's (Soup), an Comic Figuren wie Donald Duck oder Superman, auch an das Grundrepertoire von Zahlen und Buchstaben oder aufgeladene Symbolzeichen wie die amerikanische Fahne die ja alle in der Pop Art tatsächlich als Kunstbilder Eingang in Museen fanden! K U N S T Jasper Johns: Flag on an Orange Field Claes Oldenburg: Study Using an American Flag Andy Warhol: Brillo Andy Warhol: Campbell's Soup Can 178 Bätschmann Ullrich,

118 Robert Indiana: Love Ed Ruscha: Spam Roy Lichtenstein: Brushstroke M A R K E N James Rosenquist: Let's go for a ride ID-Transfer und Lifestyle über Marken Welcherart sind die Verbindungen zwischen Marken und Kunstsponsoren der Gegenwart? Die Verbindung zwischen dem ('Branding' genannten) Markenmanagement in der Kunst 180 ist seit einigen Jahrzehnten, für die Kunstwerke der Moderne (20. Jh. bis zum 2. Weltkrieg) und der Postmoderne (1950er bis heute), zu beobachten 181. Einzelne Personen erarbeiten sich eine Position in der Gesellschaft, die von Hochschätzung und Wohlwollen geprägt sein soll (Selbst-Marketing), wie die Sozialpsychologie seit langem überzeugend darstellt 182. Dabei werden seit Jahrhunderten Prinzipien angewendet, die wir heute unter dem Namen klassische PR-, Corporate Identity- und Corporate-Design- Prinzipien kennen. Unternehmen benützen Kunst als Imagetransfer in ihrer Marketingstrategie. Image-Transfer ist die Übertragung des positiven Images einer öffentlich bekannten Person auf ein zu bewerbendes Produkt. Beispiel: Tennis-Star Roger Federer wirbt (u.a.) für Nike Sportkleidung.) Public Relations (PR), auch: Öffentlichkeitsarbeit, ist aus soziologischer Sicht ein grundlegender Kommunikationsakt der Menschen 183. Die Geschichte wartet seit der Urzeit mit Zeugnissen (Kunst, Dokumente) auf, welche das in der Antike "Selbstsorge" genannte Management der eigenen Person mittels Geschichten und Bildwerken dokumentieren (Heusser 2006) 181 Zur Unterteilung Moderne Postmoderne vgl. die Reclam-Überschlagswerke (Partsch 2002), (Reisser 2003) 182 Forgas, Goffmann 183 "PR- Grundform der menschlichen Kommunikation" (Avenarius 2000), "Wir alle spielen Theater" (Goffman 2000). Siehe auch (Abels 1998), (Mead 1998), (Berger 2000), (Balmer 2003). 184 "Inszenierung von Authentizität" (Fischer-Lichte 2000) "Hermeneutik des Subjekts" ( Foucault 2004). 118

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