Arbeitseinsatz Europa

Transkript

1 n INTERNATIONALES Arbeitseinsatz Europa Sie treffen Entscheidungen, die das Leben von 500 Millionen Menschen beeinflussen, haben einen sicheren Job und arbeiten oft in internationalen Teams: Die Mitarbeitenden der Europäischen Kommission. Doch es gehört einiges dazu, um an diese Traumjobs heranzukommen. Daniela Lukaßen Rund Männer und Frauen Einer, der diesen schon vor einigen arbeiten insgesamt in den Institutionen der Europäischen Union. se, Leiter des Brüsseler Büros der Max- Jahren gewagt hat, ist Dr. Rüdiger Hes- Wer aber in Europa nach den Sternen Planck-Gesellschaft. Wer sich tatsächlich greifen möchte, muss sich ordentlich für eine Stelle im Arbeitsfeld Europa interessiert, sollte in irgendeiner Form versu- recken. Denn die Stellen, insbesondere Führungspositionen, sind hart umkämpft. chen, sich vor Ort einen ersten Eindruck Und die Mär vom sicheren und gut bezahlten Job im Arbeitsfeld Europa scheint die Lage zu sondieren, herauszufinden, zu verschaffen, empfiehlt er. Es gelte, der bitteren Erkenntnis gewichen zu sein, ob man überhaupt hineinpasst in das Arbeitsfeld. Für viele Menschen ist es nicht dass längst nicht jeder, dessen Herz für Europa schlägt, auch tatsächlich eine das Richtige, denn es ist ein beinhartes der begehrten Stellen ergattern kann. Geschäft. Längst schon reiche das oftmals genannte Vitamin B nicht mehr Doch wer den zunächst oft steinigen und beschwerlichen Weg gehen möchte, für den lohnt sich ein Blick hinter die haben. Auch entsprechende Qualifikatio- aus. Es reicht nicht, Beziehungen zu Kulissen. nen sind wichtig. Die Leistung zählt! Wer Foto: wikipedia.org also im Arbeitseinsatz Europa nicht auf der Strecke bleiben möchte, muss viele Voraussetzungen erfüllen. Viele Fremdsprachen sind vorteilhaft, aber auch Fachkenntnisse und Berufserfahrung mit konkretem EU-Bezug sind gefragt, erklärt der Büroleiter. Auch eine Zusatzausbildung, bei der die jungen Menschen mehr über Europa, die Strukturen und Interna lernen, ist heutzutage bei Auswahlverfahren ein Plus. Wer durch ein Praktikum oder Ähnliches erste Erfahrungen in Brüssel sammeln kann, der stecke schon einmal mit einem Fuß im System. Bei vielen jungen Menschen ist das der Einstieg in dieses Arbeitsfeld, sagt Hesse, auch wenn die Führungspositionen innerhalb der Europäischen Kommission eher mit erfahrenen Leuten, die fünf und mehr Jahre nationale Berufserfahrung haben, besetzt würden. Der Weg direkt von der Uni in den Chefsessel der EU sei also eher unrealistisch. Über den Concours zum Ziel Wie aber geht man am besten vor, wenn man in den Organisationen der Europäischen Union beruflich Fuß machen möchte? Zunächst einmal gilt es, sich über das zentralisierte Personaleinstellungsverfahren zu erkundigen, durch das Mitarbeitende für die Einrichtungen der EU ausgewählt werden. Fest steht: Eine gute Vorbereitung und langfristige Planung ist alles. Denn auf den letzten Drücker ist es kaum zu schaffen, die entsprechenden Qualifikationen zu erwerben, die Fristen, die das Auswahlverfahren betreffen, zu wahren und bei der Bewerbung eine gute Figur zu machen. Die Konkurrenz schläft eben nicht, wenn es um den Arbeitseinsatz in Europa geht. Generalisten und Spezialisten gesucht Zahlreiche Menschen aus den 28 Mitgliedsstaaten bewerben sich regelmäßig um die heiß begehrten Stellen in den Institutionen der Europäischen Union. In 1

2 der Regel übersteigt die Zahl der Bewerber die Anzahl der zu besetzenden Stellen um ein Vielfaches. Wer sich also gegen seine zahlreichen und meist sehr gut qualifizierten Mitbewerber durchsetzen möchte, braucht ein gutes Allgemeinwissen, hervorragende Qualifikationen und Nerven wie Drahtseile. Denn um tatsächlich einen der Jobs zu bekommen, müssen sich die Bewerber dem sogenannten Concours der Europäischen Kommission stellen, einem Auswahlverfahren, mit dem das Europäische Amt für Personalauswahl, kurz EPSO, die besten aus allen Bewerbern heraussiebt. Der Concours ist anspruchsvoll, und die Bewerberzahlen sind sehr hoch, insbesondere beim jährlichen allgemeinen Generalisten- Concours, der offen für alle Studienrichtungen ist, erklärt Holger Dreiseitl vom Auswärtigen Amt in Berlin gab es allein bei diesem Concours über Bewerber. Dennoch macht er den Interessenten Mut: Aber mit gründlicher Vorbereitung gibt es Erfolgsaussichten. Deutsche Bewerber haben in den letzten Jahren überdurchschnittlich abgeschnitten wurde das Auswahlverfahren reformiert. Als Testinhalte haben kognitive Fähigkeiten eine reine Wissensabfrage abgelöst. Gesucht werden Generalisten und Spezialisten, je nach Auswahlwettbewerb, erklärt Holger Dreiseitl. Es können neben Juristen oder Wirtschaftswissenschaftlern auch Naturwissenschaftler oder Historiker bei der EU Karriere machen. Für die Referentenebene, sogenannte Administratoren, bedarf es eines Hochschulabschlusses. Viele erfolgreiche Concoursteilnehmer verfügen über einen Masterabschluss. Sowohl Berufsanfänger als auch Berufserfahrene können sich bewerben. Wichtig sind Flexibilität, Neugier und die Fähigkeit, in multikulturellen Teams zu arbeiten. Wie aber läuft ein solcher Concours ab? Der erste Schritt ist die Online-Bewerbung. Die besten Bewerber werden dann zu den Vorauswahltests eingeladen. Wer diese mit Bravour meistert, darf am Assessment-Center teilnehmen. Dort wird dem Bewerber in unterschiedlichen Kategorien zu den verschiedensten Themen und Problemstellungen auf den Zahn gefühlt: Wie sind die kommunikativen Fähigkeiten eines Bewerbers? Wie sind seine Analyse- und Problemlösungsfähigkeiten? Wie ist seine Fähigkeit zur persönlichen Weiterentwicklung? Ist er belastbar? Wie steht es um seine Führungsfähigkeit? Alle diese Merkmale werden im Assessment-Center überprüft, abgeklopft, eingeschätzt. Je nach angestrebter Stelle müssen sich die Teilnehmer etwa Sprachtests unterziehen, halten Vorträge, nehmen an Gruppenübungen, fachbezogenen Auswahlgesprächen teil. Das Berlaymont, der Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel Foto: ec.europa.eu EU-Karrieren sind eine beliebte Wahl in Europa, und unser Auswahlverfahren ist wettbewerbsfähig und daher streng, sagt Laura Tarragona Sáez, Leiterin der Kommunikationsabteilung des Europäischen Amtes für Personalauswahl in Brüssel. Im Gegenzug bieten wir eine vielfältige, anspruchsvolle und lohnende Karriere mit der Möglichkeit, einen wirklichen Einfluss auf das Leben von Millionen von Bürgern in der EU zu nehmen. Für alle, die Interesse am öffentlichen Sektor, an internationaler Arbeit und an der EU haben, gebe es keinen besseren Arbeitsplatz. Wenn Sie das Engagement haben, dann lassen Sie sich nicht entmutigen. Bereiten Sie sich vor. Nutzen Sie im Assessment-Center die Gelegenheit zu zeigen, wer Sie wirklich sind, empfiehlt Tarragona Sáez. Wer das Assessment-Center erfolgreich abschließt, wird in die sogenannte Eignungs- oder Reserveliste aufgenommen, aus der die Organe der Europäischen Union ihre Laufbahnbeamten auswählen. Obwohl die Institutionen sich oft selbst an die Bewerber wenden, lohnt es sich durchaus, wenn diese aktiv auf die jeweiligen Einrichtungen zugehen. Und während es bis zur Reformierung des Bewerbungssystems mehrere Jahre lang dauern konnte, bis es ein Bewerber von der Liste in eine Institution schaffte, ist es heute innerhalb eines Jahres möglich. Gute Qualifikationen gefragt Wer ein wenig googelt, stößt immer wieder auf die guten Qualifikationen, die ein Bewerber vorweisen muss, damit seine Bewerbung nicht gleich im Papierkorb landet. Aber: Welche Qualifikationen sind das? Und gelten sie gleichermaßen für alle? Nein, betont Laura Tarragona Sáez. Die Qualifikationen variieren in Abhängigkeit von der Berufsgruppe, Qualität und Art der Aufgaben, erklärt sie. So sei für Einstiegspositionen zwar ein Bachelor-Abschluss erforderlich, jedoch keine Berufserfahrung. Wie sollte man aber vorgehen, wenn man es nicht schafft, über den Concours weiter zu kommen? Viele Absolventen hätten laut Dreiseitl vom Auswärtigen Amt mehrfach am Auswahlverfahren teilgenommen, bevor sie dann tatsächlich erfolgreich waren. Und auch wer den Concours erfolgreich absolviert und es so auf die Reserveliste geschafft hat, braucht noch das gewisse Quäntchen Glück, um von dort schnell den Sprung in eine Arbeitsstelle zu schaffen. Aber es gibt Hilfe. Unsere 2

3 Ständige Vertretung bei der EU in Brüssel unterstützt Reservelisten-Kandidaten, die sogenannten Laureaten, bei der Suche nach einer Stelle. Die Bundesregierung bietet im Rahmen des Laureatenprogramms erfolgreichen EU-Laureaten befristete Beschäftigungsmöglichkeiten in verschiedenen Bundesministerien, die als Überbrückung bis zur möglichen Einstellung bei der EU dienen sollen, sagt Dreiseitl. Und für die Anwärter auf Stellen im Arbeitsfeld Europa gibt es schon viel früher weitere Unterstützungsangebote. Für deutsche Teilnehmer am Concours bietet das Auswärtige Amt Seminare für die computerbasierten Vorauswahltests und Coachings für das Assessment-Center an. Zudem informiert das Auswärtige Amt über die EU-Karriere an Hochschulen sowie auf Karrieremessen in ganz Deutschland. Jährlich veranstaltet das Auswärtige Amt im Januar außerdem eine eigene Informationsmesse zu Karrieremöglichkeiten in europäischen und internationalen Organisationen in Berlin. Auch wenn der Concours also erst einmal ein schier unüberwindbares Hindernis zu sein scheint, heißt es also: Probieren geht über Studieren. Und wer von einer Karriere in den Institutionen der EU träumt, sollte sich nicht scheuen, sich zu bewerben. Auch die EU-Diplomaten raten jungen Menschen, die sich eine Karriere in den Organisationen der Europäischen Union vorstellen könnten, es einfach zu probieren. Man sollte sich nicht von den hohen Bewerberzahlen abschrecken Anna-Lindh-Saal in Brüssel: Tagungsort des Auswärtigen Ausschusses, kurz nach dem Ende einer Sitzung. Foto: ec.europa.eu lassen und es so oft versuchen, wie Ausschreibungen veröffentlicht werden. Als Qualifikationen seien etwa interkulturelle Kompetenz und die Bereitschaft, in einem multikulturellen Umfeld zu arbeiten, gefragt. Doch auch soziale Kompetenzen wie etwa Führungskompetenz, die Fähigkeit vor einer größeren Runde zu sprechen, strategisches und analytisches Denken sowie Kreativität und Flexibilität seien wichtig. Dazu kämen sehr gute Englisch- und möglicherweise Französischkenntnisse. Gefragt seien Akademiker in allen Institutionen und grundsätzlich in allen Bereichen, zum Beispiel in der Politikgestaltung, in der Verwaltung, Rechnungsprüfung, Verfassung von Gesetzesinitiativen, Rechtsberatung, Übersetzung und Dolmetschen. Auch in den Institutionen in Brüssel, Luxemburg oder Straßburg sowie in den EU-Delegationen auf der ganzen Welt und in den Vertretungen in den Mitgliedsstaaten setze man auf gut ausgebildete Hochschulabsolventen. Das weiß auch Dr. Özgür Öner, Vorsitzender der SPD in Brüssel, und er sagt: Wer in den Europäischen Institutionen arbeiten möchte, muss neben einem abgeschlossenen Studium auf jeden Fall über Fremdsprachenkenntnisse verfügen. Vier bis fünf Sprachen fließend sei die Regel. Auch eine große Portion Offenheit, Respekt und Toleranz sei nötig. Häufig sind die Denkweisen sehr unterschiedlich, erklärt Öner. Die Art, wie wir als Deutsche etwa Sitzungen führen, entspricht nicht zwingend der Kultur in anderen Ländern. Einsatzmöglichkeiten für Natur- und Geisteswissenschaftler gebe es im gesamten Politikbetrieb in Brüssel und darüber hinaus. In der Regel werden neben sehr vielen Juristen immer auch sehr viele Politikwissenschaftler beschäftigt, erklärt Özgür Öner. Seit rund zehn Jahren sind zudem Absolventen der Europawissenschaften sehr begehrt, und auch Geographen und Ingenieure sowie Soziologen werden in den jeweiligen Verbänden gerne beschäftigt. Die meisten Deutschen, die eine Stelle in den Institutionen der EU aufnehmen, seien häufig ein wenig älter und würden bereits über Berufserfahrung meist in nationalen politischen Institutionen verfügen. Um aber erst einmal Erfahrungen zu sammeln und einen Einblick in die Arbeitsstruktur in Brüssel zu erhalten, sei ein Praktikum ein wichtiger Schritt. Dieses würde den Hochschulabsolventen auch ein Bild vom Arbeitsalltag in den EU-Institutionen vermitteln. In Deutschland sind die Arbeitszeiten oft sehr geregelt, sagt Özgür Öner. In Brüssel sei das vielfach anders. Denn oft würden die Abgeordneten von montags bis donnerstags in Brüssel sein und die restliche Zeit in ihren Heimat-Wahlkrei- 3

4 sen verbringen. Sitzungen finden in der Regel also häufig auch am Abend statt, erklärt Öner. Arbeitstage von neun bis 22 Uhr seien daher keine Seltenheit. Und noch etwas sei anders als in vergleichbaren Institutionen in Deutschland. Das Finanzministerium ist zum Beispiel eine riesige Behörde mit zahlreichen Mitarbeitenden. In Brüssel arbeiten im entsprechenden Referat sechs Personen. Das bringt eine ganz andere Arbeitssituation mit sich. Praktika seien also hilfreich. Doch Öner gibt zu bedenken: Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Brüssel ist die Finanzierung jedoch für viele Praktikanten sehr schwierig. Denn Praktika werden oft schlecht oder gar nicht bezahlt. Wer sich aber für eine Hospitation interessiere, könne sich für ein Stipendium bewerben. Praktika können etwa bei der Europäischen Kommission absolviert werden. Drei- bis fünf Monate lang können junge Menschen, die ihr Studium abgeschlossen haben und nicht älter als 30 sind, ein Verwaltungspraktikum machen. Zweimal im Jahr werden diese Praktika ausgeschrieben. Neben dem Rat der Europäischen Union bietet auch das Europäische Parlament Praktika an. Wer dort in den Berufsalltag schnuppern möchte, kann sich auf die Robert-Schuman-Stipendien bewerben. Chancen haben allerdings nur die Akademiker, die einen Abschluss in einem den Tätigkeiten im Europäischen Parlament nahestehenden Bereich haben. Doch auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments beschäftigen gerne Praktikanten. Und auch um herauszufinden, ob man in das Arbeitsfeld Europa überhaupt hineinpasst, kann ein Praktikum weiterhelfen. Denen, die sich trotzdem nicht sicher sind, ob der Job in einer der EU Organisationen tatsächlich das richtige für sie ist, macht Laura Tarragona Sáez vom Europäischen Amt für Personalauswahl Mut. Natürlich muss man bereit sein, für die Dauer der Karriere seinen Wohnsitz nach Brüssel oder Luxemburg zu verlegen und ein Leben als Expat zu führen, sagt sie. Es mag zunächst ein wenig beängstigend erscheinen, aber die Arbeit in den Institutionen ist so interessant und man hat so viele Möglichkeiten, einen positiven Einfluss auf das Leben anderer zu nehmen, sodass es das definitiv wert ist. Darüber hinaus würden die EU-Institutionen den Mitarbeitenden viel Unterstützung bieten, etwa was den Einklang von Familie und Beruf betrifft. Ich würde jedem, der eine Karriere in den EU-Institutionen anstrebt, zu einem Besuch und zu Gesprächen mit Menschen, die bereits hier arbeiten, raten. Holen Sie sich einen Insider-Blick und treffen Sie dann Ihre Wahl. Nachdem ich selbst vor dreizehn Jahren diese Wahl getroffen habe, kann ich ehrlich sagen, ich habe es nicht einen einzigen Moment bereut ganz im Gegenteil. Karriere in EU-Einrichtungen Obwohl es meist so aussieht, als führe einzig der Concours in eine Stelle in die Institutionen der EU, gibt es auch andere Wege. Denn neben den EU-Behörden bieten auch andere Einrichtungen der Europäischen Union interessante und international ausgerichtete Stellen. Häufig laufen die Bewerbungsverfahren dort nicht über die Auswahlverfahren der EU, sondern werden unmittelbar von den Einrichtungen durchgeführt. Eine dieser Einrichtungen ist die Europäische Investitionsbank. Bei uns gibt es kein Concours-Verfahren, erklärt Eva Henkel, Pressesprecherin der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg. Wir haben ein Interesse daran, Personen einzustellen, die bestimmte marktnahe Hintergründe haben. Offene Stellen veröffentlicht die Bank darum immer im Internet. Doch auch für die Stellen, die die Europäische Investitionsbank anbietet, seien verschiedenste Qualifikationen notwendig. Wenn jemand weiß, dass er etwas im Arbeitsfeld Europa machen möchte, ist es wichtig, möglichst früh praktische Erfahrung zu sammeln. Denn so bekommt er einen Einblick in die Arbeit der verschiedenen Institutionen, erklärt Henkel. Auch Auslandsaufenthalte seien eine gute Möglichkeit, um Erfahrungen zu sammeln. Welche Voraussetzungen ein Bewerber erfüllen muss, könne man jedoch nicht pauschal sagen. Dabei kommt es ganz auf die jeweilige Stelle an, erklärt Henkel. Gesucht werden neben Absolventen der Ingenieur-, Finanzund Betriebswissenschaften immer auch Absolventen ganz anderer Studiengänge. Etwa Umwelt- und Kommunikationsexperten, Politikwissenschaftler sowie Sozialwissenschaftler. Neben dem Fachwissen ist die Bereitschaft ausschlaggebend, sich neuen Inhalten zu widmen und sich mit einem breiten Themenspektrum auseinanderzusetzen, sagt die Pressesprecherin. Doch auch Forscher aus dem naturwissenschaftlichen Bereich sind in der EU gefragt. Etwa für die Arbeit im Joint Research Centre (JRC). Ziel dieser Forschungseinrichtung ist es, Europäische Politikgestaltung wissenschaftlich zu unterstützen. Wer dort arbeiten möchte, sollte in jedem Fall ein fundiertes Fachwissen mitbringen, wie Dr. Heinz Ossenbrink betont, der selbst in experimenteller Kernphysik promovierte. Zunehmend wichtig ist auch ein fachübergreifendes, transversales Wissen, insbesondere in den Bereichen, wo das JRC wesentliche wissenschaftliche Leistungen zur Politikgestaltung erbringen muss. Oft muss Fachwissen in Bezug zu anderen Disziplinen gesetzt werden, wie es zum Beispiel in der Umweltpolitik notwendig ist, erklärt er. Wer im JRC arbeiten möchte, sollte, wie Dr. Ossenbrink hervorhebt, das eigene Fachgebiet in Bezug auf andere gesellschaftsrelevante Themen sehen. Dazu gehören zum Beispiel die ökonomische Bedeutung, die politische Umsetzbarkeit, Ressourceneffizienz, aber auch juristische Fragen des Europarechts, erklärt Ossenbrink und fügt hinzu: Das JRC ist ein idealer Platz für einen Akademiker mit vielen, breit aufgestellten wissenschaftlichen Interessen. 4

5 n PORTRAIT Über Umwege zum Traumjob als Biologin bei der Europäischen Investitionsbank Als Kind wollte sie Forscherin werden, erzählt Felicitas Riedl: Ich zu arbeiten, permanent geistig gefor- aus dem Labor zu kommen, im Büro wollte immer ein neues Medikament gegen Krebs entwickeln. Heute mich sehr verlockend. Als Consultant dert zu sein und viel zu reisen, war für arbeitet sie als Life Science Specialist bei arbeitete sie in der Geschäftsplanung, der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg. Beim größten Darlehensgeber Entwicklung von Markteintrittsstrategien war in der Marktforschung und in der der Welt betreut sie Projekte im Pharma-, tätig. Darüber hinaus habe ich auch die Life Science- und Biotech-Bereich. Sie finanzielle Seite kennengelernt und habe prüft, ob etwa ein Medikament Marktpotenzial hat, wie hoch die Wahrscheinlichwertung gesammelt. Für ihre Firma zog Erfahrungen in der Unternehmensbekeit der erfolgreichen Entwicklung und sie für einige Zeit nach Los Angeles und des tatsächlichen Markteintritts ist, und betreute dort in erster Linie Life-Scienceob die Bank ein Darlehen zur Finanzierung einer Medikamentenentwicklung mer beide Seiten die technischen und Projekte. Mein Glück war, dass ich im- bzw. von generellen Forschungs- und auch die finanziellen Aspekte verstanden habe. Als ihr die Pendelei zwischen Entwicklungs-Aufwendungen genehmigen sollte. Die Europäische Investitionsbank arbeitet eng mit den EU-Organen Los Angeles bzw. München irgendwann Luxemburg, wo ihr Verlobter lebte, und zusammen. Europa ist darum auch in zu viel wurde, fasste Felicitas Riedl den der täglichen Arbeit von Felicitas Riedl Entschluss, wieder nach Europa zu ziehen nach Luxemburg. Für ihre Firma allgegenwärtig. Es ist ein Traumjob, wie die studierte Humanbiologin bekennt. konnte sie weiterhin als Freelancer tätig Ein Traumjob, zu dem sie über Umwege sein. Ein Punkt, der ihr die Entscheidung gekommen ist. Sie studierte Humanbiologie an der Philipps-Universität Marburg lancer-tätigkeit eine Art Rückfahrschein. erleichterte. Ich hatte ja durch die Free- und an der Stanford University und begann damit, in München ihre Doktorar- ein Zufall brachte sie zur Europäischen In- Eingelöst hat sie den jedoch nicht. Denn beit zu schreiben. Aber eine Allergie, die vestitionsbank. Vorher hatte ich noch nie die Laborarbeit unmöglich machte, und davon gehört, gibt sie lachend zu. Und der Wunsch nach etwas Neuem zwangen ich denke, ich war einfach zur richtigen sie zum Aufhören. Wenn man in diesem Zeit am richtigen Ort. Ehe sie schließlich Bereich eine Dissertation schreibt, muss bei der Bank beruflich Fuß fasste, trat sie man viele Versuche immer und immer 2004 eine Stelle als Investment-Manager wiederholen, erklärt Felicitas Riedl. Und beim Europäischen Investitionsfonds an, das machte mir keinen Spaß mehr. der 1994 zur Unterstützung kleinerer Als sie das Angebot erhielt, bei einer Unternehmen in der Europäischen Union weltweit agierenden Consulting Firma gegründet wurde und diesen Risikokapital zur Verfügung stellt. Drei Jahre lang in München und Los Angeles im Büro zu arbeiten, sagte sie zu. Die Tatsache, war sie für den Europäischen Investitionsfonds im Bereich Technologietransfer tätig, ehe sie auf eine Stelle der Europäischen Investitionsbank aufmerksam wurde. Dort suchte man eine Mitarbeiterin mit genau ihrem Profil. Heute forsche ich zwar nicht selbst, aber ich finanziere neue Medikamente. So bin ich näher dran an dem, was ich studiert habe und immer machen wollte, als je zuvor, sagt sie. Dazu sei aber eine gewisse Offenheit nötig gewesen. Und zu der rät sie auch Hochschulabsolventen, die einen ähnlichen Weg gehen möchten. Sie ist nötig, um sich auf verschiedene Kulturen einzulassen. Denn das sei für die Tätigkeit im Arbeitsfeld Europa eine wichtige Voraussetzung. Auch gute Sprachkenntnisse seien bedeutend. Aber ich denke, dass auch eine fundierte und breit gefächerte Ausbildung unumgänglich ist. Doch noch eines sei wichtig: nicht zu verzagen, wenn sich eine vermeintliche Tür schließt. Eine Karriere in diesem Bereich lässt sich nur schwer planen. Aber man sollte offen sein und auch Neues ausprobieren, empfiehlt Felicitas Riedl und fügt hinzu: Das bedeutet eben, auch mal andere Wege zu gehen. Denn ich habe über diese Umwege meinen Traumjob gefunden. FELICITAS RIEDL ist Life Science Specialist bei der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg 5