Nebenwirkungen in klinischen Studien Was lehren uns Placebo-Gruppen?
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- Margarethe Kneller
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1 Nebenwirkungen in klinischen Studien Was lehren uns Placebo-Gruppen? Winfried Rief Professor of Clinical Psychology and Psychotherapy
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4 Placebo und Nocebo Placebo = Positive Wirkungen eines Scheinmedikaments Nocebo = Negative Wirkungen eines Scheinmedikaments
5 Warum Placebo- Gruppen in klinischen Studien? Erfassung der medikamentenunspezifischen positiven und negativen Wirkungen Effekte der Placebo-Gruppe werden oft als konstanter, unspezifischer Faktor aufgefasst (auch: gleich in Placebo-und Verum-Gruppe) Aber: Hauptinteresse gilt der Verum-Gruppe Was aber, wenn Placebo- Effekt keine Konstante ist? Placebo Verum Additiver Effekt Placebo Effekt
6 Analyse 1: Nebenwirkungen in Placebo- Gruppen von Statin-Trials Rief et al., 2005; in Archives of Internal Medicine) Statin-Trials (Grund: Störung relativ unsymptomatisch; oft präventiv; Verum kaum spürbar) 21 Original-Clinical Trials oder gepoolte Analysen Z.B. PPP-Study mit n(placebo-gruppe)= 9,783, Prosper Pravastatin Studie (n=2913), EXCEL Lovastatin study (n placebo = 1,663)
7 Abbrecherraten in Placebo-Gruppen % Abbrecher (ähnlich wie in Verum-Gruppen) 4 26% explizit wegen Nebenwirkungen abgebrochen (in Placebo-Gruppe!) Fazit 1: Nocebo-Effekt ist substantieller Störfaktor in klinischen Studien Fazit 2: In klinischer Praxis setzen 50-80% der Patienten innerhalb von 2 Jahren Statine wieder ab. Ggf. hat Nocebo-Effekt hier noch größere Bedeutung.
8 Sind Nebenwirkungen durch Placebos eine konstante Größe? Medication-attributed side effects Symptom Headache Diarrhoea Nausea Abdominal pain Min-Max % % % % Ratio 1:13 1:8 1:6 1:4
9 Basisraten von körperlichen Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung (Repräsentative Daten von 2,500 Personen; Hiller, Brähler & Rief, 2006, Soc Psychiat & Psychiat Epidem) Symptom Statin-Trials (Median score; all symptoms) General Population (all positive answers) General population (>= medium intensity) Headache 7.4 % 39.6 % 13.9 % Back Pain 6.6 % 51.7 % 24.1 % Abdominal Pain 3.5 % 20.3 % 6.7 % Fatigue, Asthenia 2.4 % 17,7 % 7.2 % Nausea 2.0 % 11.9 % 3.2 %
10 Zur Genauigkeit der Erfassung von medizinisch-risikoreichen Nebenwirkungen Bei Statinen: Gefahr von Rhabdomyolysis Erfassung von Myalgia, muscle pain? EXCEL: 8% PROSPER: 1% MRC/BHF: 6 % PPP: 2 %
11 Studie 2a: Placebo-Effekt bei Antidepressiva-Trials (Positive) Placebo-Wirkung in Antidepressiva-Trials
12 Literatursuche Suche in Medline, Psychinfo und Cocrane mit den Suchbegriffen: (pharmacotherapy or drug therapy or drug treatment or antidepressant* or antidepressive) and (depression or affective disorders or depressive or depressed or dysthymia or dystymic) and (journal article)and (english or german) and (randomised or randomized)and (placebo) and (double-blind or triple-blind) in all fields 3320 Studien Ausschluss auf Grund von Patientencharakteristika, Intervention, Studiendesign, Form der Veröffentlichung 331 Studien + 72 zusätzliche aus Metaanalysen Detailierte Durchsicht von Titel und Abstract der 403 Studien 109 Studien kodiert abzüglich 3 Studien adjustierte Postwerte 4 Studien Ergebnisdarstellung nicht nachvollziehbar oder unplausibel 6 Studien nur Standardabweichung des Changescores 136 Nicht genügend Daten zur Berechnung von Effektstärken 33 Placebogruppe zu klein, oder keine Daten berichtet 25 Nicht mindestens 1 Depressionsmaß 11 keine Erstbehandlung 4 Hauptdiagnose nicht Depression, 100% komorbid 2 parallel andere Behandlung 9 falsches Medikament, über 20% psychotrope Beimedikation 74 Reviews oder Metaanalysen 96 endgültig verwendete Studien
13 Effektstärken Cohen s d / Hedges g: : kleiner Effekt mittlerer Effekt >= 0.8 großer Effekt Bei Prä-Post-Effekten (Globaleffekten) gepoolte Prä-Post-Varianz; bei Mediatorenanalysen Relation zu Prävarianz
14 Placebo-Effekt: Selbst- versus Fremdrating Mittlere Effektstärke Konfidenzintervall Depressivität allgemein 1,01 0,85-1,16 Selbstrating (Pat.) 0,67 0,49-0,87 Fremdrating (Studienarzt, Study Nurses) 1,85 1,69-2,01
15 Fremdrating-Effektstärken: Starker Effekt für Publikationsjahr 4,00 3,00 d_gesfre 2,00 1,00 0, Publikationsjahr
16 Selbstrating Effektstärken/kein Effekt für Publikationsjahr 2,00 1,50 d_gessel 1,00 0,50 0, Publikationsjahr
17 Der Placebo-Effekt und die behandelte Erkrankung CI unten mittl. ES CI oben Dysthymie,70 1,09 1,48 M. Depression 1,71 1,85 1,98 Fazit: Der Placebo-Effekt ist bei gleichem Medikament unterschiedlich in Abhängigkeit vom Krankheitsbild (aber nicht Symptomschwere!)
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19 Studie 2b: Nocebo-Effekt bei Antidepressiva-Trials (Negative) Placebo-Wirkung in Antidepressiva-Trials 166 Studien, Pat. 48 Studien mit TCA, 119 Studien mit SSRIs
20 Abbrecherraten in Placebo-Gruppen 31.7 % brechen in Placebo-Gruppe ab (vs % in Verum-Gruppe) 4,2 % in Placebo (vs 9.6 % in Verum-Gruppe) brechen explizit wegen medikamenteninduzierten NW ab Fazit: Nocebo-Effekt ist substantieller Störfaktor in klinischen Studien
21 Nebenwirkungen in Placebo-Gruppen: TCA versus SSRIs NW in Placebo-Gruppe in Abh. von Anzahl Veren: 7.8 (2-armig) versus 9.3 (3-armig) (p<.02) Mittlere Anzahl genannter NW in Placebo-Gruppen: 9.4 (TCA) vs. 7.9 (SSRI) (p<.02) (z.b. mehr Kopfschmerz, Herzrasen, trockener Mund) Fazit: Wissen um Verum-Profil beeinflusst Placebound Nocebo-Profil
22 Häufigkeit der NW nach Systematik der Erfassung der NW systematisch Unsystematisch 5 Herzrasen Hypotonie Dry mouth Constipation Blurred vision Dizziness Sweating Benommenheit Tremor Headache Müdigkeit, Erschöpfung Sex. Diff. Anorexia Diarrhoe Anxiety Nausea, Übelkeit Insommnia Nervosität 0 Prozentuale Häufigkeit
23 Vergleich Placebogruppen-NW bei TCA- versus SSRI-Studien (nur systematische Erfassung; p<.001) Dry Mouth Palpitation Dizziness Sweating Diarhoea Tremor Insomnia TCA-Placebo 27 % 13 % 19 % 14 % 14 % 12 % 13 % SSRI-Placebos 8 % 1 % 7 % 2 % 4 % 3 % 21 %
24 Konsequenzen für die Durchführung/Interpretation klinischer Studien
25 Stichprobengröße und Entdeckungswahrscheinlichkeit (fikt. Beispiel) 1 p 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0, Sample Size for drug efficacy for side effects
26 Stichprobe Groß genug für Nebenwirkungserkennung? Repräsentativ für nebenwirkungskritische Populationen Negativbeispiele: Exklusion von Personen mit negativen Effekten auf Placebo in wash-out-period; wenig ältere Menschen
27 Erhebungsinstrumente für Nebenwirkungen Reliable und änderungssensitive Instrumente (Qualität der Instrumente zur NW-Messung sollte besser, nicht schlechter sein als Qualität der Instrumente zur Erfassung der positiven Medikamentenwirkung) Auch generelles Screening, nicht nur bzgl. erwarteter Symptome / Körperbereiche
28 Grundraten von körperlichen Beschwerden, Veränderungen Mehrpunkterfassung von Nebenwirkungen (einschl. Baseline- Erfassung; Erfassung von drop-outs, ggf. LOCF Methoden u.ähnl.) Verzicht auf Einschätzung medication-attributed, Erfassung aller Beschwerden Verstärkter Einsatz von Self-Ratings, Trotzdem auch weiterhin Expert Ratings, v.a. zur Entdeckung seltener Ereignisse
29 Bei Expertenratings: Erwartungseffekte bzgl. Wirkungen und Nebenwirkungen Self-Ratings Für Behandlungsbedingung blinde Experteninterviews? (Trotzdem: Patienten müssen vorher aus ethischen Gründen aufgeklärt werden)
30 Ergebnisse von Placebo-Gruppen geben Aufschluss über Interpretierbarkeit von Studienergebnissen... Auch wenn wir nicht überall Placebo- Forschung einsetzen sollten...
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