Nicht erkannt und unbehandelt: Schmerzen bei Menschen mit Demenz. Martina Schmidl
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- Damian Böhme
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1 Nicht erkannt und unbehandelt: Schmerzen bei Menschen mit Demenz Martina Schmidl
2 Alte Menschen haben Schmerzen Seit Jahren wird in zahlreichen Untersuchungen aufgezeigt, dass das Altern - ungeachtet des kognitiven Status - mit einem beträchtlichen Ausmaß an schmerzhaften Zuständen einhergeht Horgas, A.L./ Elliot, A.F. (2004): Pain Assessment and management in persons with dementia. In: Nurs Clin North Am 2004/39, S Martina Schmidl
3 Fast die Hälfte der Demenzkranken erhielt keine oder nur eine unzureichende Schmerztherapie! Shega, J.W./ Hougham, G./ Stocking, C.B./ Cox-Hanley, D./ Sachs G.(2006): Management of Noncancer Pain in Community-Dwelling Persons with Dementia. In: Journal of the American Geriatric Society 2006/54/12, S Martina Schmidl
4 Schmerzen werden nicht erkannt! Martina Schmidl
5 Schmerzen werden nicht erkannt Vorurteile Banale Schmerzen tun nicht wirklich weh Alte Menschen haben eben Schmerzen Klagen bleiben aus Ein Mann muss die Zähne zusammenbeißen Was einem auferlegt ist, muss man tragen... Schmerzen werden nicht erinnert Die Kommunikation ist erschwert Mimik und Körpersprache sind verflacht Martina Schmidl
6 Schmerzen werden nicht erkannt weil die Kontaktaufnahme scheitert... die Kommunikation misslingt... die Compliance fehlt Martina Schmidl
7 Die Ärztin vermag erst dann einzugreifen, wenn......sie das Problem erkannt hat...die Patientin bereit ist die gebotene Hilfe anzunehmen Martina Schmidl
8 da sein, zuhören sprechen Totaler Schmerz berühren Schmerztherapie Martina Schmidl
9 Warum ist die Kommunikation mit Demenzkranken so schwierig? Unsere alltägliche Kommunikationsroutine scheitert, weil wir gewohnt sind auf der rationalen Ebene zu kommunizieren Der demente Mensch ist jedoch fast ausschließlich auf der Gefühlsebene erreichbar Martina Schmidl
10 Der Ausdrucksbehinderung des Demenzkranken steht die Verstehensbehinderung des Helfenden gegenüber! nach Klaus Dörner Martina Schmidl
11 Nicht-Körperliche Schmerzen Der Schmerz des Mangels an Mitgefühl und Wertschätzung Der Schmerz nicht verstanden zu werden Der Schmerz der Ohnmacht Der Schmerz der Einsamkeit Der Schmerz sich selber zu verlieren Der Schmerz keine Vergangenheit und keine Zukunft zu haben Der Schmerz des Ortswechsels... Martina Schmidl
12 Um mich herum lebt alles und ich kann nicht mitmachen! Martina Schmidl
13 Mit dem Leidenden sein... Anteilnahme lindert Schmerzen Zuwendung erlaubt Entspannung Ein wir zu erleben bedeutet etwas weniger Einsamkeit Martina Schmidl
14 Wenn Worte nicht mehr verstanden werden, werden Berührungen wichtig. Wenn Sachliches und Rationales nicht mehr begriffen wird, werden Gefühle wichtig. Wenn technische Maßnahmen nicht mehr greifen, wird die Person des Helfenden wichtig. Martina Schmidl
15 VALIDATION NACH NAOMI FEIL Validation ist eine Kommunikationsmethode im Umgang mit desorientierten alten Menschen, die mithilft jedem bis zuletzt ein Leben in Würde zu ermöglichen. Die Methode ermöglicht uns: Kontakte aufzunehmen Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle besser zu verstehen die Patienten wieder mehr ins Leben zu integrieren Martina Schmidl
16 Vertrauen herstellen Vor einer Handlung erklären was man macht ich möchte mir gerne den Bauch anschauen jetzt höre ich auf die Lunge Gefühle zulassen, Empathie zeigen Aussagen der Patientin ernst nehmen, darauf eingehen Martina Schmidl
17 Die kontinuierliche Betreuung durch dieselben Personen ist die Grundvoraussetzung für eine gelungene Schmerzlinderung! Martina Schmidl
18 ADELE
19 Frau Adele ist 85 Jahre alt. Sie kommt aus dem Krankenhaus. Dort wurde sie nach einer Schenkelhalsfraktur operativ versorgt. Frau Adele ist dement und hört schlecht. Sie liegt im Bett und rührt sich nicht. Im Arztbrief steht, dass die Mobilisation wegen der mangelhaften Compliance der Patientin nicht möglich war. Es wird berichtet, dass sie in letzter Zeit nur mangelhaft isst und trinkt und deswegen Infusionen erhielt. Eine Schmerztherapie mit 2x15gtt Metamizol wurde eingeleitet. Ist das eine adäquate Therapie? Martina Schmidl
20 Ziel einer ausreichenden Schmerztherapie ist die konstante Schmerzlinderung, d.h. das Vermeiden von Schmerzspitzen zwischen den einzelnen Analgetikagaben. Die regelmäßige Verabreichung eines Analgetikums wie z.b. Metamizol (Novalgin) alle 4-6 Stunden ist eine Möglichkeit Schmerzen mittlerer Stärke konstant zu lindern. Martina Schmidl
21 Könnte man auch Opiate geben? Beachtet man einige Vorsichtsmaßnahmen (z.b. die wenigen Kontraindikationen, Laxantiengabe von Anfang an, Opiatwahl und Dosierung) sind Opiate in der Geriatrie Analgetika der ersten Wahl bei stärkeren Schmerzen. Das gilt vor allem für die Verabreichung der Opiate per os (z.b. Hydromorphon = Palladon/Hydal). Martina Schmidl
22 Kombinationstherapie? Limitierende Faktoren Multimorbidität mit Organschäden Multimedikation Verzögerte Elimination Mangelnde Compliance Fazit Nur gezielt und überlegt einsetzen Rascher als bei Jüngeren auf ein niedrig dosiertes starkes Opioid umsteigen Martina Schmidl
23 Multimedikation Das Risiko einer Interaktion beträgt bei 2 Arzneimitteln 13% 4 Arzneimitteln 38% 7 Arzneimitteln 82% Martina Schmidl
24 Sind Schmerzpflaster eine ideale Therapie für Hochbetagte? Schmerzpflaster eignen sich für sehr alte Menschen, zumal in ihrer letzten Lebensphase, in den seltensten Fällen Martina Schmidl
25 Vorteile Transdermales Fentanyl ( Durogesic ) Muss nicht geschluckt werden Geringerer administrativer Aufwand Nachteile Gilt gemeinhin als harmlos und ungefährlich Die Patientin wird weniger beachtet Körpertemperatur verändert Freisetzung (Coma) Mangelhafte Lösbarkeit bei Kachexie Hautdurchblutung verändert Resorption Schwer steuerbar Martina Schmidl
26 Transdermales Buprenorphin Vorteile ( Transtec ) Muss nicht geschluckt werden Geringerer administrativer Aufwand Wirkt auch bei kachektischen Patientinnen Nachteile Die Patientin wird weniger beachtet Körpertemperatur verändert Freisetzung Hautdurchblutung verändert Resorption Stark rezeptoraffin, daher mit Naloxon nicht antagonosierbar (ev. mit Analeptikum z.b. Doxapram) Martina Schmidl
27 Weiters sei Frau Adele vor allem durch permanentes und lautes Schreien aufgefallen, wodurch sich ihre Umwelt gestört fühlte. Da die Patientin dement ist, wurde mehrmals ein Psychiater zugezogen, der einen Verwirrungszustand im Rahmen der dementiellen Erkrankung diagnostizierte und eine Reihe von Psychopharmaka in steigender Dosierung verschrieb bis die Patientin schließlich ruhig im Bett lag. Adäquate Reaktion? Martina Schmidl
28 Leider werden wie bei Frau Adele - diese Hilferufe von uns viel zu häufig missverstanden. Verhaltensauffälligkeiten wie zum Beispiel Unruhe, Schreien oder Schlaflosigkeit werden daher häufig als psychiatrische Symptome verkannt und mit Psychopharmaka behandelt. Die Folge: Die Kranken leiden unvermindert unter ihren Schmerzen, nur leiden sie leiser und stören ihre Umwelt weniger. Martina Schmidl
29 Die Tochter berichtet uns bei der Aufnahme, dass Frau Adele vor der Operation selbständig gehen und essen konnte und dass die Verständigung mit ihr - trotz der bestehenden Schwerhörigkeit - kein größeres Problem darstellte. Warum ist das jetzt nicht mehr möglich? Martina Schmidl
30 Abgesehen von dem persönlichen Leid und der Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die andauernden Schmerzen, haben unbehandelte Schmerzen noch andere unangenehme Folgen: Sie führen zu Mobilitätsstörungen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust um nur einige der vielen Beeinträchtigungen zu nennen. Martina Schmidl
31 Welche anderen Beeinträchtigungen könnten durch chronische Schmerzen noch auftreten? Schmerzen binden die Aufmerksamkeit und die Konzentrationskraft. Fähigkeiten, an denen es gerade dementen Menschen in besonderem Maße mangelt. Frau Adele musste sich zum Beispiel so stark auf das Aushalten der Schmerzen konzentrieren, dass ihre Kapazitäten erschöpft waren und die Energie für das Hören nicht mehr ausreichte. Martina Schmidl
32 HAT DIE PATIENTIN SCHMERZEN? Jede Verhaltensänderung kann bedeuten, dass die Patientin Schmerzen hat Die Beobachtung der Patientin und ihres Verhaltens gibt uns Hinweise auf ihr Befinden Angehörige und/ oder Pflegende erkennen Schmerzen in der Regel besser als Ärztinnen Martina Schmidl
33 Demenz und Körperbewusstsein Mit fortschreitender Demenz geht die Fähigkeit den Körper als Ganzheit zu erleben immer mehr verloren Körperferne Bereiche gehen zuerst verloren Schmerzen können dann z.b. nicht mehr geortet werden Martina Schmidl
34 Multidimensionale und multiprofessionelle Schmerzerfassung Schmerzbefragung Suche nach Schmerzursachen Körperliche Seelische Umgebungsfaktoren Beobachtung und Dokumentation des Verhaltens Schmerzbeobachtung anderer Personen Probatorische Analgetikagabe Kontinuierliche Beobachtung, Kommunikation im Team, Dokumentation und Neueinschätzung der Situation Martina Schmidl
35 Den eigenen Sinnen vertrauen! Martina Schmidl
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