Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2?

Transkript

1 2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Ich fühle mich von allen betrogen Ein Rentnerschicksal in Griechenland AutorIn: Redaktion: Regie: Marianthi Milona Nadja Odeh Maria Ohmer Sendung: Montag, um Uhr in SWR2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/ Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter oder als Podcast nachhören: Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/ oder swr2.de 1

2 MANUSKRIPT 1.O-Ton Giorgos Ich glaube an Tsipras. Er überlegt bevor er spricht und sagt nie etwas Überflüssiges. Er will neue Maßstäbe in Brüssel durchsetzen, um die Lebenssituation der sozial Schwachen zu verbessern. Wir müssen abwarten, wie er sich als neuer Ministerpräsident behauptet. Ob seine Entscheidungen richtig für uns sind. Und ob die neuen Reformen etwas bringen, damit wir unsere Rechnungen wieder bezahlen können. Als ich Giorgos Tsakis Anfang Januar zum ersten Mal treffe, stehen die griechischen Parlamentswahlen noch bevor. Der 67-jährige Malermeister weiß noch nicht, dass Alexis Tsipras der neue Ministerpräsident Griechenlands sein wird. Dass er aber der bessere Mann auf diesem Posten ist, davon ist er überzeugt. Er glaubt schon lange nicht mehr an die großen Parteien des Landes. Sein Geschäft im Zentrum Thessalonikis führt er seit über 40 Jahren. Aber so schlecht wie jetzt lief sein Laden noch nie. 2. O-Ton Giorgos Oho, Oho, welche Überraschung! Unsere Freundin. : Mit Freundin bin ich gemeint, dabei kenne ich Malermeister Giorgos Tsakis erst seit kurzem. Als ich seinen Laden an diesem späten Vormittag betrete, bedient er gerade einen Kunden. Es ist heute erst der zweite. Und das obwohl sein Geschäft für Malerbedarf sehr günstig liegt: Auf der Hauptstraße Egnatia, im Zentrum von Thessaloniki. Giorgos bittet mich noch einen Moment zu warten. 3. O-Ton Giorgos Und Sie, mein Herr, wie kann ich Ihnen helfen? Der Kunde braucht Wandfarben. Schon eilt Giorgos Tsakis in die etwa einhundert Quadratmeter große Lagerhalle hinter dem Tresen. 4. O-Ton Einen kleinen Augenblick bitte. 2. Atmo (man hört wie Giorgos sich im hinteren Bereich zu schaffen macht und auf eine Leiter steigt, es raschelt, dann steigt er eine Treppe hinunter) Giorgos steigt die Leiter an der Regalwand hoch. Die Farbdosen unter Nummer 237 müssten doch irgendwo hier oben stehen. Und da, schon hat er sie gefunden. 2

3 5. O-Ton Giorgos Hat Sakis einen Kunden im Keller? Giorgos fragt mich, ob ich beim Reinkommen seinen Sohn, die Treppe runter gehen gesehen habe. Seit Giorgos offiziell in Rente gegangen ist, läuft das Traditionsgeschäft auf den Namen seines Sohnes Sakis und den seiner Tochter Christina. Aber ohne den Einsatz von Papa Giorgos läuft gar nichts. 6. O-Ton Giorgos Sie wollten diese zwei Sets haben? Giorgos stellt seinem Kunden die Farben hin. Eigentlich hatte sich der Malermeister das Rentnerleben ganz anders vorgestellt: Ausruhen, Reisen, fürs Enkelkind da sein. Aber davon ist er meilenweit entfernt. 7. O-Ton 47 Giorgos Ich führe das Geschäft noch immer mit, weil das Geld knapp ist. Und weil ich den Kindern helfen möchte. Meine Rente beträgt 900 Euro. Das reicht einfach nicht. Wir leben zu fünft davon. Seit drei Jahren leben Giorgos und seine Frau Maria wieder zusammen mit den schon erwachsenen Kindern unter einem Dach. Tochter Christina ist nach der Scheidung mit ihrem fünf Jahre alten Sohn Alexander zu den Eltern gezogen. Eine eigene Wohnung könnte sie sich nicht leisten und auch Sohn Sakis, 40 Jahre alt und alleinstehend, investiert das wenige Geld, das er hat, lieber in den Familienunterhalt als in einen eigenen Hausstand. 8. O-Ton Sakis Ich helfe der Familie, wo immer es geht. Ich bringe den Neffen in den Kindergarten oder besorge, wenn nötig, Medikamente und Milch. Wir Kinder können kein Geld ausgeben, um den Vater nicht noch zusätzlich zu belasten. Ich gehe nicht mehr aus. Und kaufe Nichts mehr für mich. Weder Kleidung noch Schuhe. Ich hab mich auf null zurückgefahren. Giorgos monatliche Rente geht gleich am Monatsanfang für das Geschäft, die Wohnung und die Nebenkosten drauf: 100 Euro Gasheizung, 50 Strom, 50 Telefon, 40 Wasser. Ein noch laufender Kredit bei der Bank, 200 Euro. 100 Euro Tanken. Der Rest von 360 Euro muss dann noch irgendwie für Essen, Kleidung und Medikamente reichen. Da kann man nur hoffen, dass der Herd oder die Waschmaschine nicht kaputt gehen. Auf Ersparnisse kann die Familie nicht mehr zurückgreifen. Die sind längst verbraucht. 3

4 9. O-Ton 49 Giorgos Ohne die Krise würden mir heute Euro Rente zustehen. Doch die habe ich jetzt verloren. Das ist unser Griechenland. Leider. Viele Bürger haben ihr Leben lang fleißig eingezahlt. Und wozu? 46 Arbeitsjahre lang hat Giorgos Tsakis in die Rentenkasse eingezahlt. Er fühlt sich nun um seine Alterssicherung betrogen. Und er glaubt auch zu wissen, wer schuld daran ist. 10. O-Ton 49 Giorgos Die Regierungen der letzten 40 Jahre. Und ich meine das parteiübergreifend. Sie alle sind für diese Missstände heute verantwortlich. Sie haben unser Geld nicht gut verwaltet. Niemand war daran interessiert, den Staatshaushalt vernünftig zu führen. Bevor er das Fachgeschäft für Holz und Farben vor 40 Jahren aufkaufte, hatte Giorgos Tsakis in einer Heizkörperfabrik gearbeitet. Und bereits damals fleißig in die Rentenversicherung eingezahlt. Diese Beträge sollten später zu den Beträgen aus der Geschäftszeit angerechnet werden. Aber, ob das tatsächlich passiert ist, weiß er bis heute nicht. Die Dokumente werden erst seit dem Jahr 2000 digitalisiert. Viele, ältere Unterlagen sind einer chaotischen Verwaltung zum Opfer gefallen. Bis heute können viele griechische Bürger keine Versicherungsnachweise für weit zurückliegende Jahre erbringen. Das heißt: Am Ende bekommen sie eine weitaus geringere Rente, als ihnen eigentlich zusteht. 11. O-Ton 50 Giorgos Alle da oben haben nur das gemacht, was sie wollten. Die Krise hat für mich nur ein Gutes: Wir wissen nun, welches Spiel gespielt wurde. Alle bedienten sich aus der Staatskasse. Und gaben mehr aus, als vorhanden war. So sind die Staatsschulden ins Unermessliche gestiegen. Früher oder später wäre diese Luftblase sowieso geplatzt. Eine zu kleine Rente ist die eine Sache. Doch nie hätte sich Giorgos Tsakis träumen lassen, dass er damit auch noch seinen Kindern unter die Arme greifen muss. Beide hatte er von Anfang an in das Malergeschäft eingeführt. Schließlich lief sein Laden unglaublich gut. Bis Da begannen sich erste Veränderungen bemerkbar zu machen. Niemand ahnte damals, welches Ausmaß die Krise annehmen würde. Heute liegt die Arbeitslosigkeit bei über 25 Prozent. Die Generation der Kinder und Enkelkinder hat keine Perspektiven. Als Tochter Christina sich von ihrem Mann trennte, hatte sie keine andere Wahl, als ins Heim der Eltern zurückzukehren. Ausgemacht war, dass ihr Exmann für Sohn Alexander 300 Euro Unterhalt zahlt. Das würde er auch tun, schafft es aber nur sporadisch. Wie das auf Dauer weitergehen soll, darauf weiß Giorgos keine Antwort. Zumal der Umsatz im Geschäft täglich zurück geht. 4

5 12. O-Ton 41 Giorgos Da lohnt es sich gar nicht mehr, den ganzen Tag aufzuhaben. Es gibt Tage, da kommen nur 10, 15 Leute in den Laden. Wenn es 30 am Tag sind, kann ich zufrieden sein. Früher waren es über 150. Und die kamen nicht, um etwa nur eine Tube Kleber zu kaufen. Giorgos Tsakis hat nach Ausbruch der Krise einen Verlust von fast 80 Prozent hinnehmen müssen. Weil seine Hauptkundschaft, sämtliche Möbelwerkstätten der Umgebung, schließen musste. 13. O-Ton 42 Giorgos Ich nahm täglich 1 000, oder auch Euro ein. Jetzt sind wir froh, wenn wir mit Euro Umsatz im Monat nach Hause gehen. Wenn er alle laufenden Kosten davon abzieht, kann Giorgos froh sein, wenn er mit seinen beiden Kindern am Monatsende 500 Euro aus der Ladenkasse mit nach Hause nehmen kann. Weil er beim Großhandel Schulden hat, kann er momentan nur Warennachschub kaufen, wenn er bar auf die Hand bezahlt. Die Bank gibt ihm keinen Kredit mehr. Deshalb kämpft Malermeister Giorgos um jeden seiner Kunden. Treuen Stammkunden liefert er die Bestellungen noch immer frei Haus. Zum Beispiel den Staatlichen Theaterbühnen von Thessaloniki - vom kleinsten Nagel bis zum größten Stoffumhang. Er tut das gern. Auch wenn diese inzwischen auch nicht mehr pünktlich bezahlen können. 14. O-Ton 53 Giorgos Ich fahre dennoch hin. Das macht mir gute Laune. (lacht) Wenn ich im Theater angekommen bin, dann rufe ich am Eingang: Der Kleine ist da, weil ich mich dann so fühle, wie ein junger Laufbursche. 4. Atmo im Bus 15. O-Ton Giorgos Nächste Woche sind Wahlen. Die Zeit vergeht ja so schnell. : Giorgos Tsakis steht im überfüllten Linienbus Nummer 31. Er hat soeben eine Bestellung abgegeben und will noch zu einem Termin bei Jiannis Sopasis, Griechenlands größtem Rentenexperten. Er will sich beraten lassen. Denn den Versprechungen der Politiker traut er längst nicht mehr. 5

6 16. O-Ton Im Bus 7 Giorgos Der alte Karamanlis war ein respektabler Politiker, Der junge dagegen ist die reinste Katastrophe. Kostas Karmanlis gilt als Griechenlands Pleitepremier wurde er abgewählt. Aber niemandem gelang es seitdem, das Ruder herumzureißen. Und Giorgos Tsakis ist überzeugt davon, dass seit dem Sturz der Militärdiktatur 1974 alle im Land nur deshalb in die Politik gegangen seien, um sich zu bereichern. Jetzt sei alles Geld weg. Entweder auf irgendwelchen geheimen Auslandskonten oder verspekuliert. Obwohl der alte Herr gedämpft spricht, hören die Fahrgäste mit, drehen sich nach ihm um und nicken zustimmend. 18. O-Ton Giorgos Das ganze System ist korrupt. Und nur diejenigen, die das System unterstützten, haben etwas davon abbekommen. Vom Ministerpräsidenten bis zum einfachen Mann auf der Straße. Hauptsache, man hält zusammen. Ein wahrer Ministerpräsident, der hätte Kontrollinstanzen eingebaut. In staatlichen Einrichtungen, wie die Steuerbehörde oder den Krankenhäusern. Schließlich müsse man doch wissen, wohin das Geld geht, und wer es ausgibt. 19. O-Ton Giorgos Doch die haben einfach nur alle gerne Geld gegessen! Die größte staatliche Gaunerei aber, so der empörte Rentner, das sei die Immunität der griechischen Abgeordneten. Wer das jemals abschaffen sollte, der wäre es wirklich wert gewählt zu werden. 5. Atmo im Bus 20. O-Ton Giorgos Nur noch zwei Haltestellen. Wir müssen in die Frangonstrasse Nummer 13. Die Straße beginnt an der Dodekanisustrasse. Das werden wir schon finden ( 6. Atmo In Sopasis Büro Rentenexperte Jiannis Sopasis sitzt hinter einem schmalen Schreibtisch. Sein Büro befindet sich im 7. Stockwerk eines grauen, etwas heruntergekommenen Bürohauses, wie es viele in der Innenstadt von Thessalonikis gibt. Hier erteilt er Privatleuten Auskunft. Der studierte Ökonom hat sich bereits vor Jahren in Sachen Renten spezialisiert. Heute kann er selbst gut davon leben. Eine Beratung bei ihm kostet Euro. Das ist heute viel Geld. Doch der Terminkalender sei voll, so seine Sekretärin im Vorzimmer. 6

7 21. O-Ton Giorgos Herr Sopasis, ich bin bereits Rentner. Aber wie sieht es in Zukunft mit meiner Rente aus? 22. O-Ton 1 Sopasis Es ist bereits so, dass die Rentenkasse in einer äußerst schwierigen Situation steckt. Vor allem nach dem Verlust der 27 Milliarden Euro, die sie als Sicherheit auf ihren Konten aufbewahrte. ( So der Rentenexperte. 23. O-Ton 12 Sopasis Damit ist sie momentan allein nicht in der Lage, Renten auszuzahlen. Die Auszahlung Ihrer Rente wird also zum monatlichen Pokerspiel. Das betrifft nicht nur Giorgos Tsakis sondern die insgesamt 2,9 Millionen griechischen Rentner. Sie machen ungefähr ein Viertel der Bevölkerung aus. Die Hoffnung des Malermeisters auf eine künftige höhere Rente schwindet. Im Gegenteil: Verglichen mit anderen, so muss er nun einsehen, steht er mit seinen 900 Euro gar nicht mal so schlecht da. 24. O-Ton 2 Sopasis 68 Prozent der Rentner erhalten momentan eine Rente von weniger als 700 Euro. Der Rentenkasse fehlen Einnahmequellen. Im Augenblick zahlen nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer darin ein. Und das sind nicht viele angesichts der hohen Arbeitslosenrate und einer, aufgrund der Wirtschaftskrise überalternden Bevölkerung. Giorgos Tsakis kennt Jiannis Sopasis aus zahlreichen Fernseh-Talkshows, in denen der griechische Fachmann immer wieder auftritt. Dort hatte Giorgos auch zum ersten Mal davon gehört, dass viele junge Leute sich gar nicht mehr Rentenversichern wollen. Wie seine Kinder auch. Weil sie nicht darauf vertrauen, dass sie jemals irgendetwas davon haben werden. Die Mindestrente liegt heute bei 400 Euro. Doch selbst die sei doch illusionär, so Sopasis. 25. O-Ton Sopasis Wenn es in den letzten anderthalb Jahren überhaupt Arbeit gegeben hat, dann bestand sie zu 50 Prozent nur aus Teilzeitjobs. Wer will da ernsthaft glauben, dass die Renten nicht weiter gekürzt werden? Es kann doch nicht sein, dass ein Arbeiter es gerade einmal schafft, 200 Euro in die Rentenkasse einzuzahlen und der Rentner davon 400 Euro erhält? 7

8 Der Rentenfachmann ist überzeugt davon, dass die EU das Rentenproblem in Griechenland sehr genau kennt. Es ist wie eine Bombe kurz vor ihrer Explosion, sagt er. 27. O-Ton 30 Sopasis Die EU beharrt darauf, dass Griechenland weiter spart. Sie möchte sehen, wie die griechische Regierung fünf Milliarden einsparen kann. Es interessiert uns nicht, sagen sie, wie ihr die Summe einspart, nur dass ihr sie einspart. Egal, ob man das Geld von mir oder von Giorgos dafür nimmt. In Griechenland seien die Veränderungen einfach zu schnell passiert, so Jiannis Sopasis. Mit dem Resultat einer sich immer weiter ausbreitenden humanitären Krise. In Deutschland wäre so etwas undenkbar. 28. O-Ton 38 Sopasis In Deutschland hatte man fünf Jahre debattiert, um das neue Rentengesetz zu verabschieden. Und wie war das bei uns? Die neuen Regeln wurden in einer Nacht verabschiedet. 7. Atmo Bei Giorgos zu Hause Am nächsten Tag. Giorgos hat ein paar Freunde nachhause zum Essen eingeladen. Die Wohnung hat er vor 20 Jahren gekauft. Heute leben sie zu fünft auf 90 Quadratmetern. Man muss aufpassen, dass man nicht über die Spielsachen des Enkelsohnes stolpert. Der Tisch ist gedeckt, die Atmosphäre gemütlich. Giorgos Frau Maria serviert als Willkommensgetränk einen Orangenlikör. 29. O-Ton Giorgos Zum Wohl, was immer ihr euch wünscht. Giorgos und seine Frau heben das Glas und tosten allen zu. 30. O-Ton Giorgos Es ist uns eine Freude. Doch wenig später ist man schon wieder beim Thema. Die Auskünfte des Rentenfachmanns bedrücken Giorgos. Und in Brüssel habe doch niemand eine Ahnung davon, wie schlecht es den Menschen in Griechenland wirklich geht. 8

9 31. O-Ton Giorgos Wenn ich jetzt die Wohnung nicht hätte und dafür Miete zahlen müsste. Ich wüsste wirklich nicht was tun. Ich müsste vermutlich irgendwohin aufs Land ziehen. 32. O-Ton Maria Übersetzerin: Wenn wir finanziell besser da stünden, dann könnten auch die Kinder eine eigene Wohnung haben. fügt Giorgos Frau hinzu. Es ist herauszuhören, dass sie die engen Wohnverhältnisse anstrengen. Doch nach einigen Beschwichtigungsversuchen von Giorgos fügt sie an: 33. O-Ton Maria So wie es jetzt aussieht, sollten wir doch lieber hier zusammenbleiben. In Marias Stimme klingt dennoch Verbitterung. 25 Jahre hat sie im Geschäft mit gearbeitet und zwei Kinder groß gezogen. Ihr Ehemann jedoch hat nie für sie in die Rentenkasse eingezahlt. Er glaubte das Geschäft mit den Farben würde immer genug abwerfen, um gut davon zu leben können. Und vom Staat bekommt sie nichts. Maria steht völlig ohne Rente da. Am 25. Januar hat Giorgos Tsakis zum ersten Mal in seinem Leben links gewählt. Er ist überzeugt davon, dass nur die Syriza-Partei von Alexis Tsipras eine echte Veränderung in diesem Land herbeiführen könne. Sie sei als einzige von der Vergangenheit unbefleckt, wie er sagt, ohne falsches Parteigeplänkel, ohne Korruption. 8. Atmo Giorgos öffnet sein Geschäft Als ich Giorgos nach den Wahlen wieder in seinem Geschäft antreffe, strahlt er über das ganze Gesicht. 34. O-Ton Giorgos Ich bin glücklich. Das Geschäft ist noch lau, Veränderungen brauchen Zeit, aber so wie die meisten im Land, habe auch ich Hoffnung geschöpft, dass es irgendwie wieder aufwärts geht. Zwei Monate nach ihrem Wahlsieg ist die linke Syriza Partei in der Beliebtheitsskala der griechischen Bevölkerung weiter angestiegen. Auf über 70 Prozent. Auch jene, die sie nicht gewählt haben, glauben inzwischen, dass sie die richtigen Leute am Verhandlungstisch mit Europa sitzen haben. 9

10 35. O-Ton Giorgos Alle sind auf einmal optimistisch. Tsipras will uns beweisen, dass er Reformen durchführen kann. Und er hat vor, seine Wahlversprechen einzuhalten: Keine weiteren Lohnkürzungen, keine unnötigen Steuern, die Besteuerung der Oligarchen, eine funktionierende Steuerfahndung und eine Anhebung der Niedrigrenten. Wir werden sehen, ob er sich durchsetzen wird. In jedem Fall ist er ein tapferer Mann. Endlich mal jemand, der für uns kämpft. Jeden Morgen seit über 40 Jahren schließt Giorgos morgens um 7 Uhr die Tür seines Ladens auf. Dann folgt immer die gleich Prozedur: Er stellt seine Waren auf die Außenfläche seines Geschäfts und braut sich dann einen griechischen Mokka. 9. Atmo Radio Im Radio laufen die Nachrichten. Täglich berichten sie von Alexis Tsipras und den harten Verhandlungen in Brüssel. Griechenland hat es dort mit einer linken Regierung nicht leicht, das weiß Giorgos, und doch glaubt er immer noch fest an ein Griechenland in Europa. 36. O-Ton 5 Giorgos Meiner Meinung nach braucht Tsipras ein gutes Jahr Zeit, um etwas auf die Beine zu stellen. Ein, zwei oder fünf Monate sind einfach nicht genug. Sie machen ihm in Brüssel zu viel Druck. Ein paar Monate reichen nicht aus, um zu zeigen, dass es mit dem Land wieder aufwärts geht. 10