Begegnungen Grüß Gott Herr Tod

Transkript

1 Thomas Scholtyssek Begegnungen Grüß Gott Herr Tod Oculus-Verlag

2 Titel: Begegnungen - Grüß Gott Herr Tod Autor: Thomas Scholtyssek Umschlagsmotiv: Susanne Schröpel Lektorat: Simone Kurilla 1. Auflage: August Oculus-Verlag, Leipzig ISBN: Preis: Euro Hat Ihnen das Buch gefallen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung unter: info@oculus-verlag.de

3 Inhalt Vorwort: Du sollst sterben Ich habe schon mal ein Grab für Opa gebuddelt Abschied nehmen Zementierter Glaube Vom Hören und Sagen Wissenschaftliche Ansätze Tod wie Tabu Kann man helfen? Was wäre wenn... die Menschheit unsterblich wäre? Das Ende vom Anfang / Schlusswort Danksagung Zitate

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5 Vorwort Mein Name ist Thomas Scholtyssek und ich würde Ihnen gerne von der Geschichte und den Gedankengängen eines guten Freundes erzählen. Auf seinen Wunsch hin verrate ich aber nicht seinen richtigen Namen, sondern nenne ihn einfach mal Claude. Mein Freund Claude ist ungefähr so alt wie ich, also mittleren Alters, und steht noch voll und ganz im Leben. Das sage ich gleich vorab ganz bewusst, denn das folgende Buch wird sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit Themen beschäftigen, die dem Einen oder Anderen vielleicht auf den ersten Blick nennen wir es seltsam erscheinen, Themen wie Tod und Sterben! Dieses Buch soll unter anderem aufzeigen, dass das Leben nicht immer selbstverständlich ist und so verläuft, wie man es sich vielleicht vorstellt bzw. wünscht. Lassen Sie sich überraschen. Claude wohnt derzeit mit seiner kleinen Familie hauptsächlich in Frankreich und hat einen Großteil seiner damaligen Studentenzeit in Deutschland verbracht. Ich selbst habe ihn aber schon viele Jahre früher im Rahmen eines Schüleraustausches kennengelernt, das heißt, er ist sozusagen ein waschechter Kindheitsfreund von mir. Nach unserer gemeinsamen Kind- bzw. Jugendzeit haben wir beide völlig unterschiedliche studentische und berufliche Richtungen eingeschlagen, aber mit ein wenig Stolz kann ich sagen, dass trotz aller Entfernung und Unter- 7

6 schiede der Kontakt zwischen uns beiden schönerweise nie gänzlich abgerissen ist. Umso mehr habe ich mich vor Monaten gefreut bzw. gewundert, als Claude mich spontan zu einem Besuch eingeladen hat und mit der Bitte auf mich zugekommen ist, seine Geschichte bzw. Überlegungen zu Papier zu bringen. Er hat mich natürlich nicht nur einfach so aus einer Laune heraus gefragt. Ihm ist bekannt, dass ich in den letzten Jahren als Autor schon einige Bücher veröffentlicht habe. Zugegeben, Bücher, die sich eher an Schwangere und Eltern richten, also zu ganz anderen Themen und die ich zusammengefasst als unterhaltsame Ratgeber bezeichnen würde. Aber umso mehr hat mich Claudes Anliegen gereizt. Wenn der Eindruck mich nicht täuscht, steht mein Freund mit seiner Person erheblich mehr und öfter im Fokus der Öffentlichkeit, als ihm das lieb zu sein scheint. Das erklärt vielleicht auch vorab seine Bitte an mich, seinen richtigen Namen in diesem Buch nicht preiszugeben. Diesen Wunsch möchte ich auf jeden Fall entsprechen und nachkommen. In der Öffentlichkeit zu stehen und erkannt zu werden, kann bestimmt viele Vorteile mit sich bringen, aber eben auch Nachteile. Ich habe es bei unserem ersten gemeinsamen Treffen nach langer Zeit beim Essen gehen persönlich miterleben dürfen. Natürlich war es schön, dass wir in Claudes Lieblingsrestaurant spontan an einem Samstagabend noch einen Tisch ergattern konnten, obwohl dieses eigentlich restlos ausgebucht war. Aber wenn man dann nicht in Ruhe zum Essen kommt, geschweige denn sich erst nach längerer Anlaufzeit 8

7 und diversen Fotos ungestört unterhalten kann, kann einem das ganz schön auf die Nerven gehen. Das können Sie mir glauben. Für mich wäre das auf Dauer vermutlich nichts. Claude hat sich daran aber anscheinend gewöhnt und er erzählt mir konzentriert ohne Ablenkung, dass er natürlich immer wieder viele interessante, völlig verschiedene Menschen unterschiedlicher Nationalitäten in den vergangenen Jahren kennengelernt hat. Erfolgreiche Menschen und Menschen, denen der Erfolg trotz aller Bemühungen und vielleicht auch Talent versagt bleibt. Menschen, die sich nach Ruhm, Ehre und Anerkennung sehnen. Menschen, die reich sind und Menschen, die gerne etwas vom Reichtum der anderen abbekommen möchten. Menschen, die eifersüchtig auf das Leben der anderen Menschen schauen. Und Menschen, die sich über ihr eigenes Leben unzufrieden beschweren. Claude selbst hat sich zumindest mir gegenüber noch nie über eine Situation in seinem intensiven Leben beklagt und vermutlich gibt es auch keinen Grund hierfür. Er erzählt mir zu Beginn dieses Abends mit leuchtenden Augen, dass sein bisheriges Leben gesund, glücklich, erfolgreich, voller Zufriedenheit verlaufen ist und dass es auch gerne so weitergehen darf. Aber er sagt auch, dass sich seine Einstellung zum Leben und allem, was danach kommt, verändert hat. Mich beruhigen seine einleitenden Worte, denn, zugegeben, macht man sich im Vorfeld doch so seine Gedanken, wenn ein guter, alter Freund einen auf einmal bittet, seine Geschichte, seine Gedanken und Nachforschungen in einem Buch 9

8 festzuhalten, in einem Buch zum sensiblen Thema Tod und Sterben, das Ganze laut Claudes Aussage völlig essayistisch betrachtet. Claude strahlt förmlich, als er mir von seinem Vorhaben berichtet und er sagt auch ganz ehrlich, wenn ihm das vor ein paar Jahren jemand prophezeit hätte, er hätte denjenigen für völlig verrückt erklärt. Erstens betont er, hat er doch nie Zeit schon gar nicht zum Bücher schreiben bzw. erzählen und zweitens hat er sich bisher nur temporär oberflächlich mit dem Thema Tod beschäftigt, wenn überhaupt. Das hat Claude jedenfalls laut eigener Aussage bis vor kurzem gedacht bzw. ehrlich so empfunden, und ich glaube ihm das voll und ganz. Oberflächlich heißt, er überfliegt auf seinem ipad, auf das ich bei unserem ersten Treffen ein wenig neidisch schaue, regelmäßig einmal pro Woche die Todesanzeigen in seiner abonnierten, digitalen Tageszeitung zumeist samstags und schreibt gegebenenfalls eine entsprechende Beileidskarte, wenn er eine verstorbene Person persönlich kannte bzw. dies aus Gründen der Anteilnahme angemessen erscheint. Ich denke, Claude hat Recht, wenn er sagt, dass vermutlich fast jeder von uns schon einmal folgendes Beispiel selbst erlebt hat: Ein guter Freund, ein Familienangehöriger, ein Arbeitskollege oder auch ein Nachbar ist verstorben. Vielleicht hat sich der Tod dieser Person angekündigt, vielleicht auch nicht. Und nun sitzt man seit gefühlt ewiger Zeit verzweifelt vor einer schwarz/weißen Beileidskarte. Man 10

9 versucht die passenden, tröstenden, persönlichen Sätze zu finden, um am Ende dann doch nur herzliche Anteilnahme zustande zu bekommen, obwohl das ja auch schon auf dem Deckblatt der Karte steht. So eine Situation stellt sich nie ganz einfach dar. Woran liegt`s? Assoziiert man mit dem Tod etwas Außergewöhnliches, evtl. Unangenehmes? Fakt ist: Der Tod stellt sich halt eher selten fröhlich bzw. spaßig dar. Ich selbst zum Beispiel denke beim Wort Tod hauptsächlich an Traurigkeit, Erlösung und bestimmt an nichts Böses, geschweige denn Lustiges, aber wie heißt es doch so schön: Ausnahmen bestätigen die Regel! Wir unterhalten uns angeregt und Claude lacht mich an. Er berichtet schmunzelnd über eine schöne Zeitungsgeschichte zum Thema Tod, die er vor noch nicht allzu langer Zeit gelesen hat: Der Titel lautete: Discountbestattung Die 75-jährige Anne erschreckt ihre Kinder und Enkel an der sonntäglichen, familiären Kaffeetafel mit einer vermutlich sehr überraschenden Aussage. Wenn ich tot bin, verkündet die lebenslustige Dame, sollt ihr meine Asche direkt vor unserem Discounter an der Ecke verstreuen. 11

10 Warum das denn?, fragt die entsetzte Familie quasi im Chor. Ganz ehrlich, antwortet sie. Mein Mann, also euer Vater bzw. Opa läuft dort doch jeden Tag hin, um nach Sonderangeboten etc. Ausschau zu halten. Das bedeutet, dass ich also nach meinem Ableben jeden Tag von ihm besucht werden würde und die Vorstellung gefällt mir besser, als einsam abseits auf irgendeinem Friedhof zu liegen. Die beschriebene, humorvolle, kurze Zeitungsgeschichte ist wahrscheinlich im wahren Leben eher eine absolute Ausnahme, zumal man in der Regel nicht an jeder x-beliebigen Stelle beerdigt werden kann, auch wenn man es sich noch so sehr wünscht. Dazu später aber mehr. Woran könnte man spontan also noch beim Thema Tod denken? Richtig, an die eigene, ständig teurer werdende Lebensversicherung, die man im Idealfall in seiner frühen Jugend einmal abgeschlossen hat. Und natürlich hofft man, diese Lebensversicherung später einmal im hohen Rentenalter selbst in Anspruch nehmen zu können. Also nach Möglichkeit ohne vorher zu versterben. Ganz einfach. Claude berichtet weiter, dass er erst kürzlich gebannt einer kontroversen Diskussion zu diesem Thema im Autoradio zugehört hat. Die Frage des Moderators lautete: Würden Sie auch eine Lebensversicherung abschließen, wenn man sie Todesversicherung titulieren würde? 12

11 Eine durchaus interessante Frage. Ich selbst habe später auf meinem Weg zum Hotel intensiv darüber nachgedacht und dabei ironischerweise fast einen Unfall verursacht. Dabei bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich mit einer namentlichen Todesversicherung nichts zu tun haben möchte. Mit einem Unfall übrigens besser auch nicht und ich mich doch besser wieder auf den Straßenverkehr konzentrieren sollte. Claude meint, er selbst würde sich bisher eindeutig als einen Menschen einschätzen, der sich, wie vermutlich die meisten unter uns, eher mit dem Leben als mit dem Tod beschäftigt hat. Dies hat sich jedoch vor Kurzem durch einen kleinen, privaten Vorfall urplötzlich verändert und, um es gleich vorwegzunehmen, es liegt glücklicherweise nicht daran, dass ein Familienmitglied oder eine Person aus seinem Freundes-/Bekanntenkreis ernsthaft erkrankt oder gar verstorben ist. Ich lausche seinen Worten und bin mittlerweile richtig gespannt, was da auf mich zukommt. Es liegt überraschenderweise an seinem kleinen Sohn. Sein Sohn Didier ist momentan knapp drei Jahre alt, also etwas jünger als meiner und er spricht, wie ich finde, für sein Alter schon relativ viel. Sein Französisch scheint jetzt schon besser zu sein, als meines jemals werden wird. Er geht auch schon seit gut einem halben Jahr in eine private Kinderbetreuungsgruppe. 13