Aspekte im Umgang mit Krebsclustern
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- Manuela Mann
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1 Aspekte im Umgang mit Krebsclustern Das Beispiel Wewelsfleth Ron Pritzkuleit
2 Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. 2
3 Wewelsfleth Bevölkerung: 885 (m) & 699 (w) übergeordnetes Amt: Wilstermarsch Einwohner Landkreis Steinburg (IZ) 8 Ortsteile Größter Betrieb: Peters Schiffbau GmbH (110 Angestellte) 3
4 Historie 1. Anfrage BM Nov/2002 = Ø 2. Anfrage BM Okt/2003 = 3. Anfrage BM April/ = + 40% Sonderauswertung = + 37% Sonderauswertung
5 Sonderauswertung 2009 Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Krebs gesamt % : : SIR = 79/51,8 = 1,53 [KI: 1,21; 1,90] [TB: 38 66] : SIR = 49/35,9 = 1,36 [KI: 1,01; 1,80] [TB: 25 48] auffällige Tumoren: Darm, Lunge, Melanom, Prostata, Harnblase Amt Wilstermarsch unauffällig Krebsmortalität unauffällig 5
6 Hypothese I Vermehrte Krebsfrüherkennung SIR ohne Früherkennungstumoren Brust, Darm, Haut, Prostata 6
7 7 der 25 Fälle Prostatakrebs 7
8 Hypothese I Vermehrte Früherkennung SIR ohne Früherkennungstumoren Brust, Darm, Haut, Prostata Ergebnis SIR (ohne B,D,H,P) = 65 / 47,5 = 1,37 (TB: 34 61) KFE hat Einfluss erklärt aber die Erhöhung nicht! 8
9 Hypothese II AKW Brokdorf Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. zu keinem Zeitpunkt Erhöhung bei Leukämien & Lymphomen Hypothese: abnehmende Krebsinzidenz mit zunehmender Entfernung vom AKW 9
10 Krebs gesamt ohne C44 10
11 Hypothese III - Werft Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Hypothese: Erhöhung bei bestimmten Tumoren bei Männern höher als bei Frauen Lunge: SIR = 1,54; SIR = 1,6 (beide nicht sign.) Mesotheliom: N = 0 Harnblase: SIR = 1,52; SIR = 5,0* Hypothese abgelehnt, aber die Werft unterscheidet Wewelsfleth von den anderen Gemeinden 11
12 Hypothese IV Lebensstil, soziale Schicht Indikator: Tabakkonsum, tabakassoziierte Tumoren Mund & Rachen, Speiseröhre, Pankreas, Kehlkopf, Lunge, Harnblase SIR (Tabak) = 33 / 24,1 = 1,37* SIR (ohne Tabak) = 95 / 66,3 = 1,43* Hypothese abgelehnt 12
13 Fazit Sonderauswertung 2009 Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. keine Hypothese erklärt alles Ursache für erhöhte Rate ist (vermutlich) multifaktoriell Möglichkeiten der Krebsregisterdaten ausgeschöpft Problem des multiplen Testens nachrichtlich: Alle (Langzeit-)Messungen des Umweltamtes sind negativ WS 2010/11 13
14 Historie 1. Anfrage BM Nov/2002 = Ø 2. Anfrage BM Okt/2003 = 3. Anfrage BM April/ = + 40% Sonderauswertung = + 37% Sonderauswertung = + 46% Aktualisierung März/ = + 42% 14
15 15
16 Wir haben (anscheinend) erhöhte Krebsraten in Wewelsfleth Was nun? Wie werden die Daten kommuniziert? 16
17 Risikokommunikation Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Informationsfreiheitsgesetz voraussetzungsloser Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen Verkürzte Darstellung erwünscht: Nennen Sie mir EINE Zahl oder ich schreibe eine! Agieren oder reagieren? 17
18 Wewelsfleth
19 Risikokommunikation Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Informationsfreiheitsgesetz voraussetzungsloser Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen Verkürzte Darstellung erwünscht: Nennen Sie mir EINE Zahl oder ich schreibe eine! Agieren oder reagieren? alle nachfolgenden Fragen sind an sich schon schwer zu beantworten, im Spannungsfeld der Risikokommunikation kaum zu lösen 19
20 Cluster, was nun? Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Problem Welche weiterführende Studie? Studiendesign statistische Power (168) Verstorbene (42%) Gibt es eine Hypothese? Ursachenausschluss Ursachensuche Risikokommunikation Betroffene wollen die Ursache wissen ggf. werden Ursachen veröffentlicht Wie vermittelt man einer Gemeinde, dass sie zu klein für weitere Untersuchungen ist, obwohl eine Erhöhung festgestellt wurde 20
21 Methodische Fragestellungen I Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Problem Umgang mit multiplem Testen Adjustierung von p jährliche Wiederholungen Risikokommunikation Betroffene wollen den aktuellen Stand erfahren eigene Berechnungen Hintergrundinformationen (Wie viele weitere Gemeinden gibt es?) Wann beginnt und endet ein Cluster? statistische Power vs. zeitlichem Cluster Warum wird gerade dieser Zeitraum gewählt? Was passiert, wenn anders aggregiert wird? 21
22 Methodische Fragestellungen II Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Problem Texas Sharpshooter vs. prospektive Gebietsdefinition Welches ist die richtige räumliche Auflösung? ausreichend Bevölkerung klein genug für Umweltexposition Risikokommunikation Wie ist es in meiner Gemeinde/meinem Wohngebiet? Hier sehe ich eine Erhöhung, warum wird die nicht untersucht Woher bekomme ich Nennerinformationen? 22
23 Methodische Fragestellungen III Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Problem Was tun bei unspezifischem Diagnosespektrum? Risikokommunikation Fünf Cluster sind in der Presse auch fünfmal so schlimm (Darm, Lunge, Melanom, Prostata, Harnblase) Handelt es sich dann um mehrere Cluster? 23
24 Ist Krebs gesamt ein guter Indikator? Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Problem als Suchindikator mit Abbruchfunktion räumliche Variation bei KFE- Tumoren z.b. Hirntumoren nur rund 1,5% von Krebs gesamt Cluster wird nie gefunden als eigenständige Lokalisation Aussagekraft bzgl. Umweltbelastung Risikokommunikation Warum zählt mein Krebs nicht mit? Ja, einverstanden, aber wenn man alles zusammenzählt ist es ein Cluster Vielleicht gibt es aber doch einen gemeinsamen Risikofaktor, der noch nicht bekannt ist 24
25 25
26 einheitliche Clusterdefinition Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Problem Ja, aber welche? Risikokommunikation Willkürliche Festlegungen einer Clustergröße haben keine große Akzeptanz Was tun, wenn seitens der Öffentlichkeit andere/zusätzliche Auswertungen gefordert werden? (Abweichung von der getroffenen Definition? Zusätzlich?) 26
27 Clusterdefinition (Washington State) 1. mindestens 5 Fälle 2. O/E mind. 2 (bei 50+ Fällen) Minimum O/E = 100/Fallzahl 3. Public Health Einfluss ist wahrscheinlich beendete Cluster sind uninteressant Fallzahl Minimum O/E 5 20, ,0 15 6,7 20 5,0 25 4,0 40 2,5 >= 50 2,0 4. a) bei bekannter Äthiologie müssen Exposition und Expositionsweg plausibel gegeben sein b) bei unbekannter Äthiologie muss einzigartige Exposition/sweg vorliegen und die Fachliteratur darf die Exposition nicht als unwahrscheinlich ausweisen 27
28 einheitliche Clusterdefinition Institut für Krebsepidemiologie e.v Krebsregister Schleswig-Holstein. Problem Ja, aber welche? klassisch: mehr Fälle als erwartet (+ KI) = SIR Toleranzbereich ist hilfreich Risikokommunikation Wenn SIR = 1,9 und das als 90% Erhöhung kommuniziert wird, ist kaum zu vermitteln dass das zufällig und irrelevant sein kann. 28
29 Fazit I Aus epidemiologisch-methodischer Sicht sind retrospektive Clusteruntersuchungen weitgehend sinnlos aus Gründen der Risikokommunikation sind sie extrem notwendig. Prospektive Clusteruntersuchungen sind methodisch sinnvoller, gehen aber ggf. an der öffentlichen Wahrnehmung und dem öffentlichen Bestreben vorbei. Beiden ist gemein, dass die eigentliche Frage nach der Ursache unbeantwortet bleibt. 29
30 Fazit II Wenn Clusteruntersuchungen also vor allem der Risikokommunikation dienen, sollte man dann gezielt Cluster suchen? Wie erklärt man der Öffentlichkeit den Zeitverzug bei Verdachtsclustern um, die sich im Nachhinein bestätigen? 30
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