Die Nummer 1. Disease-Management
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- Roland Gehrig
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1 Disease-Management Die Nummer 1 Man muss selbst was tun gegen seine Krankheit, sagt Birgit Gottschalk. Im November 2005 hat sich die 47-jährige Diabetikerin aus Magdeburg deshalb bei ihrem Hausarzt für das Disease-Management-Programm der AOK eingeschrieben und war damit die millionste Teilnehmerin von AOK-Curaplan. Nach einem halben Jahr im Behandlungsprogramm ist sie froh, dass ihr Hausarzt sie regelmäßig untersucht, Blutzuckerwert und Blutdruck misst und die Daten auch für sie Schwarz auf Weiß dokumentiert: Das ist jedes Mal ein richtiger Rundum-Check. Inzwischen haben sich 1,2 Millionen AOK-Versicherte in ein Disease-Management-Programm (DMP) der Gesundheitskasse eingeschrieben. Insgesamt nehmen in Deutschland bereits 2,4 Millionen Patienten an einem DMP ihrer Krankenkasse teil. Die AOK bietet flächendeckend Programme für Typ-2-Diabetiker und Patienten mit Koronarer Herzkrankheit an (siehe Tabelle AOK-Curaplan: Millionen machen mit auf Seite 36). In zahlreichen Bundesländern können zudem bei der AOK versicherte Typ-1-Diabetiker und Brustkrebs- Patientinnen an speziell auf ihre Erkrankung zugeschnittenen strukturierten Behandlungsprogrammen teilnehmen. Mittlerweile sind etwa Ärzte und mehr als Krankenhäuser in die Disease-Management-Programme der AOK eingebunden. Illustration: Nel 34
2 Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) jetzt auch auf die Forderung vieler Mediziner reagiert, Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen in den bestehenden Programmen noch zielgerichteter zu behandeln. So soll in das DMP Koronare Herzkrankheit zusätzlich ein Modul zur Behandlung der chronischen Herzschwäche (Herzinsuffizienz) eingefügt werden. Außerdem ist in einem nächsten Schritt geplant, auch die krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas) als Zusatzerkrankung in den bestehenden DMP zu berücksichtigen. Auf diese Weise sollen die Programme ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand weiterentwickelt werden. Großes Interesse bei Patienten. Seit Anfang April 2006 gibt es nun auch DMP für Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen: Die AOKs in Bayern, Bremen/Bremerhaven, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe bieten strukturierte Behandlungsprogramme für Patienten mit Asthma und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) an. Die AOK Brandenburg hat zunächst mit einem Programm für COPD- Patienten begonnen, ein Angebot für Asthma-Patienten folgt in Kürze. Weitere AOKs wollen im Laufe des Jahres ebenfalls DMP zu Asthma und COPD anbieten. Der Start der beiden neuen Chronikerprogramme ist ein weiterer wichtiger Schritt zu einer verbesserten medizinischen Versorgung von chronisch kranken Patienten, unterstreicht Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK- Grundsätze der evidenzbasierten Medizin berücksichtigen. Zudem sollen Ärzte ihre DMP-Patienten in die Therapie einbeziehen. Erstmals haben Patienten einen Rechtsanspruch auf Schulungen, damit sie ihre Behandlung durch gesundheitsbewusstes Verhalten unterstützen können. Auch Birgit Gottschalk nimmt seit einigen Wochen auf Empfehlung ihres Arztes an einem Ernährungskurs der AOK teil. Ihr tut es gut, dass sie hier mit anderen Betroffenen reden kann. Und sie nimmt Anregungen aus dem Kurs mit nach Hause in ihren Alltag: Ich esse jetzt bewusster und lebe gesünder. Die Diabetes-Patienten profitieren vom DMP, betont Dr. Matthis Kaltheuner, Diabetologe aus Leverkusen und Vorsitzender des Berufsverbandes der diabetologischen Schwerpunktpraxen in Nordrhein. Etwa 98 Prozent seiner Patienten mit Typ-2-Diabetes sind eingeschrieben. Nach Kaltheuners Erfahrung ist das Vertrauen in den behandelnden Arzt und seine Empfehlung entscheidend für die DMP-Teilnahme: Nur wenige Patienten machen wegen äußerer Anreize wie der Praxisgebühr-Erstattung mit. Die strukturierte Schulung und Behandlung für chronisch Kranke kommt gut an: Drei Jahre nach dem Start nehmen über eine Million Patienten an den Disease- Management-Programmen der AOK teil. Mit Erfolg das zeigen die medizinischen Ergebnisse. Von Peter Willenborg für chronisch Kranke Bundesverbandes. Ziel der DMP Asthma und COPD ist es, Anfälle von akuter Atemnot zu vermeiden, das Voranschreiten der Erkrankung aufzuhalten und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Am Programm für Asthmatiker können auch Jugendliche und Kinder ab fünf Jahren teilnehmen. Wir möchten die jungen Patienten dabei unterstützen, dass sie möglichst wenig Einschränkungen durch ihre Erkrankung erleben. Sie sollen, soweit es geht, ein Leben wie andere Kinder und Jugendliche auch führen können, so Ahrens. Die Teilnehmer der Programme profitieren von einer besseren Strukturierung und Koordination ihrer Behandlung. Und sie können sich darauf verlassen, dass ihre Ärzte die Bessere medizinische Werte. Eine Langzeit-Auswertung des AOK-Bundesverbandes belegt, dass die DMP die medizinischen Werte der Patienten verbessern (siehe Abbildung Programme verbessern medizinische Ergebnisse auf Seite 37). Dabei wurden über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren der Bluthochdruck und der Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) von rund Teilnehmern des Programms AOK-Curaplan für Typ-2-Diabetiker aus fünf Bundesländern analysiert. Die Studie zeigt: Je länger Patienten am Programm teilnehmen, desto größer der Anteil derer, die ihre Zielwerte für Blutdruck und HbA1c erreichen. Der Blutzuckerwert verbesserte sich: Zu Beginn des Programms war bei 47 Prozent der Diabetiker der Blutzucker gut eingestellt, nach zweieinhalb Jahren hatten bereits 59 Prozent der Patienten gute Werte. Auch die DMP-Qualitätsberichte, mit denen Kassen und Ärzte die Öffentlichkeit regelmäßig über die Programme im Bezirk ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) informieren, belegen die positiven Wirkungen. Laut Qualitätsbericht der Vertragspartner in Nordrhein führte zum Beispiel die Teilnah- 35
3 me am DMP Diabetes-Typ-2 zu deutlichen Verbesserungen beim Blutzucker. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen sank der Anteil der Patienten mit vergleichsweise hohen Langzeit-Blutzuckerwerten im Laufe des Jahres 2004 um 14 Prozent. Und der Qualitätsbericht aus Rheinland-Pfalz dokumentiert, dass sich die Zahl der Notfallbehandlungen wegen zu hoher Blutzuckerwerte bereits nach Die Qualitätsberichte der Kassen und Ärzte zeigen: Bei DMP-Teilnehmern verbessern sich Blutzucker- und Blutdruckwerte. zwei Jahren DMP-Laufzeit halbiert hat. In Bayern konnte der Anteil der Patienten, bei denen die Blutdruckwerte im individuellen Zielbereich lagen, laut Qualitätsbericht 2004/2005 von 36 auf 61 Prozent erhöht werden. Auch in Hessen ziehen Kassen und Ärzte in ihrem Qualitätsbericht eine positive Bilanz: Fast alle Ziele, die im Rahmen des DMP Diabetes-Typ- 2 vereinbart wurden, seien erreicht oder übertroffen worden zum Beispiel in Bezug auf die Vermeidung von Stoffwechsel- Entgleisungen oder die Senkung des Blutdrucks. Verbesserungsbedarf gibt es jedoch bei der Behandlung des diabetischen Fußes: Ärzte sollen Patienten mit einem auffälligen Fußbefund häufiger als bisher zu diabetologisch besonders qualifizierten Ärzten zu überweisen. Programme wissenschaftlich auswerten. Sind chronisch Kranke, die an einem strukturierten Behandlungsprogramm teilnehmen, also nachweislich besser versorgt als Nicht-Teilnehmer? Wir gehen davon aus, dass die Behandlung im Rahmen der Disease-Management-Programme der Regelversorgung überlegen ist, sagt Evert Jan van Lente, Leiter Disease-Management im Stabsbereich Medizin des AOK-Bundesverbandes. Das könne aber nur eine randomisierte, kontrollierte Studie belegen. Doch Experten verweisen darauf, dass es aus ethischen Gründen kaum vertretbar ist, einer Vergleichsgruppe von chronisch kranken Patienten die Vorteile eines strukturierten Behandlungsprogramms vorzuenthalten. Außerdem lassen sich für die Kontrollgruppe kaum Nicht-Teilnehmer finden, weil sich mittlerweile fast alle Hausärzte in Deutschland an den DMP beteiligen. Zusammen mit der Universität Heidelberg stellt sich die AOK dennoch dieser wissenschaftlichen Herausforderung: In einer repräsentativen Studie vergleichen wir die Behandlungsergebnisse von DMP-Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern, erläutert Professor Dr. Joachim Szecsenyi, Ärztlicher Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Uniklinikum Heidelberg. Außerdem soll die Studie Aufschluss darüber geben, ob sich durch zusätzliche Unterstützungsangebote für die behandelnden Ärzte die Versorgung der betreuten Patienten weiter verbessern lässt. Im Rahmen der Studie werten die Wissenschaftler Daten von über Diabetes-Patienten aus etwa 100 Arztpraxen in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt aus. Erste Ergebnisse sollen Ende 2007 vorliegen. Versorgungslage statistisch erfassen. Die Studie der Universität Heidelberg ergänzt die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation der Programme. Dabei werden vor allem die Unterschiede zwischen den Behandlungsprogrammen der einzelnen Kassen untersucht. Im Auftrag von AOK, Knappschaft und See- Krankenkasse wertet ein Konsortium von drei unabhängigen AOK-Curaplan: Millionen machen mit Teilnehmer an AOK-Curaplan (Stand: Mai 2006) DMP für Patienten mit... beteiligte AOKs Teilnehmer (nur AOK) teilnehmende Krankenhäuser Start des ersten Programms Diabetes mellitus Typ 2 bundesweit teilnehmende Ärzte März 2003 Diabetes mellitus Typ 1 AOKs in Brandenburg, Bremen/Bremerhaven, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland, Rheinland- Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe (Verhandlungen in: Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Thüringen) bundesweit außer in Sachsen (dort laufen Verhandlungen) bundesweit AOKs in Bayern, Bremen/Bremerhaven, Schleswig- Holstein, Westfalen-Lippe (Verhandlungen in: Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland, Sachsen-Anhalt) AOKs in Bayern, Brandenburg, Bremen/Bremerhaven, Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe (Verhandlungen in: Hamburg, Niedersachsen, Rheinland, Sachsen-Anhalt) März 2005 Brustkrebs März 2003 Koronare Herzkrankheit Asthma bronchiale noch nicht vor Juli 2004 April 2006 Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) noch nicht vor April 2006 Summe: Quelle: AOK-Bundesverband 36
4 Forschungsinstituten seit Beginn des Jahres die Kosten und den medizinischen Nutzen der Programme dieser Kassen aus. Ermittelt wird auch, wie sich die DMP auf die Lebensqualität von chronisch kranken Patienten auswirken. In die Untersuchung fließen die Daten von rund 1,5 Millionen DMP- Teilnehmern ein. Die ersten Zwischenergebnisse sollen im Herbst dieses Jahres vorliegen. Nach Abschluss der Untersuchungen werden erstmals in Deutschland umfangreiche und differenzierte Daten zur Versorgung von chronisch Kranken zur Verfügung stehen. Sie dienen den Kassen zur weiteren Verbesserung der Programme. Das Bundesversicherungsamt nutzt sie als eine Grundlage für die Wiederzulassung der Programme. Umfrage relativiert Kritik am Verwaltungsaufwand. Am medizinischen Sinn der DMP zweifelt angesichts der positiven Tendenzen kaum noch jemand. Kritik gibt es jedoch nach wie vor am Verwaltungsaufwand in den Arztpraxen. Eine Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, an der sich im Oktober 2005 mehr als Ärzte beteiligten, relativiert diese Kritik allerdings. Die Bürokratie verschlingt ein Fünftel der Arbeitszeit in den baden-württembergischen Arztpraxen, so das Ergebnis der Untersuchung. Doch das Disease-Management hat daran einen eher geringen Anteil: Auf die Frage, welche Aufgabe in der Arztpraxis den größten bürokratischen Aufwand verursache, gaben nur knapp sieben Prozent der Befragten DMP an. Zum Vergleich: 26 Prozent der teilnehmenden Ärzte hielten die Praxisgebühr für den größten Zeitfresser (siehe Abbildung Ärzte-Befragung... auf Seite 38). Die Zahl der Formulare zur Einschreibung in ein DMP sollte verringert werden: Die AOK macht dafür konkrete Vorschläge. Bürokratie weiter abbauen. Ein gewisses Maß von Verwaltungsaufwand ist notwendig, um die Qualität der Programme zu sichern, stellt Evert Jan van Lente vom AOK-Bundesverband klar. Dennoch setzt sich die AOK dafür ein, die Programme unbürokratischer zu gestalten, um die Ärzte zu entlasten. Konkrete Vorschläge dazu hat der AOK-Bundesverband in die Arbeitsgruppe zum Bürokratieabbau eingebracht, die im April vom Bundesgesundheitsministerium einberufen worden ist. Aus Sicht der Gesundheitskasse können eine Reihe von Formalitäten entfallen, die bisher viel Aufwand in den Arztpraxen verursacht haben. So soll unter anderem die Zahl der DMP-Formulare reduziert werden. Außerdem schlägt die AOK vor, die Teilnahmeerklärung der Patienten zu vereinfachen: Eine Einwilligungserklärung von vier Seiten Länge in kleinster Schrift das muss nicht sein, betont Dr. Bernhard Egger, Leiter des Stabsbereichs Medizin im AOK-Bundesverband. Auch ungewollte Ausschreibungen aus dem Programm sollen in Zukunft vermieden werden. Zurzeit wird angenommen, dass ein Patient nicht mehr aktiv am Programm teilnimmt, wenn er in drei Jahren zweimal einen Arzttermin verpasst hat. Hierfür kann es aber gute Gründe geben zum Beispiel einen Krankenhausaufenthalt. Auch die Umstellung der Dokumentation von der Papierform auf die elektronische Verarbeitung kann die Praxen entlasten. Im Jahr 2005 hat das Gesundheitsministerium mit einer Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung der DMP-Daten geschaffen. Die Bürokratie ist erheblich schneller zu bewältigen, wenn man ein Praxisverwaltungssystem benutzt, in das die DMP-Dokumentation integriert ist, meint der Diabetologe Dr. Matthias Kaltheuner. Wenn der Arzt dann zusätzlich noch Dokumentationsaufgaben an das Praxispersonal delegiere, sei DMP gut machbar. Der AOK-Bundesverband geht davon aus, dass bis Ende dieses Jahres 80 Prozent der Ärzte auf die elektronische Daten-Übermittlung umgestiegen sind. Ärzte erhalten zusätzliche Vergütung. Trotz aller Vereinfachung und EDV-Unterstützung bedeuten die intensivere Betreuung und Behandlung der chronisch kranken Patienten und die Programme verbessern medizinische Ergebnisse Anteil in Prozent Blutdruck gut eingestellt Blutzucker gut eingestellt Folgequartale Bei vielen Patienten mit Diabetes Typ 2, die am strukturierten Behandlungsprogramm AOK-Curaplan teilnehmen, verbessern sich Blutdruck- und Blutzuckerwerte. So stieg beispielsweise der Anteil der Diabetiker mit einer guten Blutdruck-Einstellung von rund 60 Prozent zu Beginn des Programmes auf fast 80 Prozent nach rund zweieinhalb Jahren Laufzeit. Die AOK analysierte die Ergebnisse von rund Programmteilnehmern. Quelle: AOK-Bundesverband 37
5 Dokumentation der medizinischen Daten zusätzliche Arbeit für den Arzt. Für diesen Aufwand erhalten Ärzte, die an DMP teilnehmen, eine zusätzliche Vergütung. Sie beträgt im Bundes-Durchschnitt etwa 65 Euro pro Patient im Jahr für die Koordination der Behandlung und das Ausfüllen der Dokumentationsbögen. Hinzu kommen noch durchschnittlich 33 Die Kopplung der Programme an den Risikostrukturausgleich ermöglicht es den Kassen, die Versorgung chronisch Kranker zu verbessern. Euro für die Schulungen. Regional gibt es weitere Zusatzvergütungen wie zum Beispiel Pauschalen zur Förderung der elektronischen Abrechnung. Neben der Vergütung der Ärzte entstehen den Kassen durch DMP allerdings noch weitere Kosten zum Beispiel für Konzeption und Zulassung der Programme, Qualitätssicherung, externe Datenstellen, Informationsmaterialien für die Patienten sowie die Evaluation der Programme. Diese Kosten summieren sich bei der AOK auf jährlich etwa 84 Euro pro DMP-Teilnehmer. Kassen investieren in die Betreuung chronisch Kranker. Um den erhöhten Finanzbedarf für die Versorgung der chronisch kranken Patienten zu decken, ist mit dem Start der Disease-Management-Programme 2003 erstmals eine Morbiditätskomponente in den Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen eingeführt worden das heißt der Gesundheitszustand der Versicherten wirkt sich auf die Ausgleichsrechnung aus. So bekam eine Krankenkasse im Jahr 2004 für einen in ein Disease-Management-Programm eingeschriebenen Diabetiker im Durchschnitt Euro im Risikostrukturausgleich gutgeschrieben, während für nicht eingeschriebene Versicherte desselben Alters und Geschlechts durchschnittlich Euro berücksichtigt wurden. Die Kassen nutzen den Differenzbetrag von Euro zur Deckung der Mehrkosten für die Therapie eines Diabetikers. Die Kopplung der Programme an den Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen hat bereits dazu geführt, dass die Kassen verstärkt in die Versorgung chronisch Kranker investieren. Wer allerdings nur auf die Kosten und die Zuweisungen für DMP schaut, verliert leicht das eigentliche Ziel der Programme aus dem Blick: Die Gesundheitskasse setzt darauf, dass sich durch die bessere Versorgung von chronisch kranken Patienten nicht nur Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen verbessern, sondern auch unnötige Ausgaben für die Behandlung von Begleit- und Folgeerkrankungen vermieden werden können. Das Disease-Management hat Zukunft. Die DMP sind für die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung von entscheidender Bedeutung. Experten schätzen, dass die Zahl der chronisch kranken Patienten in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Auch die Politik setzt deshalb weiter auf das Disease-Management: Union und SPD haben die Fortsetzung der Programme ausdrücklich in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Bis zu einer Reform des Risikostrukturausgleichs werden die DMP wie bisher beim Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen berücksichtigt. Auf diese Weise wird es den Kassen weiterhin ermöglicht, in eine bessere medizinische Versorgung von chronisch Kranken zu investieren. Ein Weg, der in die richtige Richtung weist hin zu einem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi- RSA) zwischen den Krankenkassen. Die DMP waren ein guter Einstieg in den Morbi-RSA, betont Jan van Lente. Und wenn die Morbidität der Versicherten in Zukunft unabhängig von der DMP-Teilnahme im RSA berücksichtigt würde, wäre auch ein weiterer Abbau von Bürokratie bei den Disease-Management-Programmen möglich. Peter Willenborg arbeitet im Stabsbereich Medizin des AOK-Bundesverbandes und ist dort zuständig für die DMP-Kommunikation. Kontakt: Ärzte-Befragung: Verwaltungsaufwand für Disease-Management hält sich in Grenzen Welche administrative Tätigkeit verursacht in der Arztpraxis den größten bürokratischen Aufwand? Praxisgebühr 26,1 Anfragen von Krankenkassen 23,7 Anfragen von Unfallversicherern 14,6 Sonstiges 12,2 Verträge zur integrierten Versorg. 9,3 Disease-Management-Programme 6,6 Anfragen von Ämtern Anfragen von Rentenversicherern Anfragen von Sonstigen 3,6 2,9 1,1 Angaben in Prozent Ärzte wenden für die Verwaltung der Disease-Management- Programme weniger Zeit auf, als für viele andere administrative Tätigkeiten: Das zeigte eine Befragung im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg im Oktober Unter den rund Ärzten und Psychotherapeuten, die sich an der Umfrage beteiligten, nannten auf die Frage, welche Aufgabe den größten bürokratischen Aufwand erfordere, nur knapp sieben Prozent das Disease-Management. Quelle: KV Baden-Württemberg 38
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