Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen RLAG 16/1697

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1 Minlstenum für Inneres und Kommunales NRW, Düsseldorf Präsidentin des Landtags Nord rhein-westfalen Platz des Landtags Düsseldorf 07 März 2014 Seite 1 von 7 Aktenzeichen (bel Antwort bitte angeben) für die Mitglieder desinnenausschusses 60-fach RLAG 16/ Ag Sitzung des Innenausschusses am Antrag der CDU-Fraktion vom TOP 12: "Verbotene Islamistennetzwerke weiter in Nordrhein Westfalen aktiv?" Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, zu oben genanntem Tagesordnungspunkt nehme ich wie folgt Stellung: Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gehen von etwa Anhängern extremistischer salafistischer Bestrebungen in Deutschland aus; in Nordrhein-Westfalen sind es etwa Nach jetzigem Stand ist zu vermuten, dass diese Zahl auch 2014 weiter steigen wird. Dieser Anstieg lässt sich maßgeblich durch zwei Tatsachen erklären: Zum einen hellen die Sicherheitsbehörden das salafistische Dunkelfeld immer weiter auf. Dadurch gelangen mehr Personen in den Blick der Sicherheitsbehörden. Zum anderen gelingt es salafistischen Gruppen, durch andauernde und intensive Propaganda- und Rekrutierungstätigkeit, neue Anhänger zu werben. Dabei beeinflusst derzeit die Lage im Krisengebiet Syrien das Verhalten der salafistischen Szene in Dienstgebäude und Lleferanschrift: Haroldstr. 5, Düsseldorf Telefon Telefax poststelle@mik.nrw.de Öffentliche Verkehrsmittel: RheinbahnlinIen 704, 709, 719 Haltestelle: Poststraße

2 Europa, in Deutschland und in Nordrhein Westfalen besonders stark. Der grausame Bürgerkrieg wird von der Propaganda der gewaltbereiten Salafisten im Internet (seit 2008 über 140 Verlautbarungen, gerichtet an deutschsprachiges Publikum) verklärt und idealisiert dargestellt. Dies führt zur Emotionalisierung und liefert Anlass für junge Menschen, nach Syrien auszureisen, auch um sich am bewaffneten Kampf zu beteiligen. Seite 2 von 7 Bundesweit sind etwa 290 Personen mit mutmaßlicher oder erwiesener jihadistischer Motivation nach Syrien ausgereist. Für jihadistische Ausreisen aus anderen Staaten nach Syrien liegen hier keine belastbaren Daten vor. Die verschiedentlich genannten Zahlen für die Ausreisen gewaltbereiter Salafisten nach Syrien aus den Ländern der Europäischen Union (ca. 2000) und aus weiteren Staaten (ca ) sind realistisch. Die wachsende Zahl gewaltbereiter Salafisten, die seit 2012 insbesondere nach Syrien ausreisen, ist nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Problem. Insofern hat die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung vom auf die anhaltenden Kämpfe in Syrien und auf die Tatsache hingewiesen, dass viele junge Männer aus der EU an diesen Kampfhandlungen beteiligt sind, und dass die Rückkehrer aus Krisengebieten eine signifikante Gefahr für die Sicherheit innerhalb der EU bedeuten. Im Hinblick auf Ausreisen aus Nordrhein-Westfalen nach Syrien können vom Verfassungsschutz für das Jahr 2012 ca. 40 und für das Jahr 2013 über 70 Ausreisen belegt werden. Von diesen über 110 aus Nordrhein Westfalen ausgereisten Personen hat sich etwa ein Drittel kurzfristig (einige Tage bis zu vier Monaten) im Ausland aufgehalten. Hierunter fallen auch Ausreisen im Zusammenhang mit der Verbringung von humanitären Hilfsgütern ins Krisengebiet. Rund zwei Drittel der Ausgereisten befand oder befindet sich für mehr als vier Monate im syrischen Krisen- und Kampfgebiet. Bei dieser Personengruppe ist davon auszuge-

3 hen, dass sie salafistisch-jihadistische Kämpfer unterstützen. Tatsächliche Anhaltspunkte hierfür, wie sie sich zum Beispiel durch Videos oder Fotos mit einschlägigen Aussagen oder Symbolen belegen ließen, liegen nur zum Teil bei einigen Personen vor, gegen die entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Seite 3 von 7 Abgesehen von Ausreisenden mit dem mutmaßlichen Ziel einer Teilnahme am bewaffneten Kampf richten die Sicherheitsbehörden ihre besondere Aufmerksamkeit auf Rückkehrer aus dem Kampfgebiet. Derzeit liegen zu etwa einem Dutzend Personen Informationen vor, dass sie sich vor ihrer Rückkehr nach Deutschland aktiv am bewaffneten Widerstand in Syrien beteiligt haben. Die Zahl der nach Nordrhein-Westfalen zurückgekehrten Personen, die mutmaßlich Kampferfahrung gewonnen haben, liegt im einstelligen Bereich. Nicht bei allen liegen vorhaltbare Informationen über eine aktive Beteiligung an Kampfhandlungen vor Ort vor. Es muss davon ausgegangen werden, dass weitere gewaltbereite Salafisten aus Syrien zurückkehren. Die Sicherheitsbehörden haben Anhaltspunkte, dass sie sich in Syrien ideologisch weiter radikalisiert haben und im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult worden sind. Die Teilnahme an Kampfhandlungen hat möglicherweise zu einer "Verrohung" geführt und es ist damit zu rechnen, dass einige traumatisiert zurückkehren und in ihrer weiteren Entwicklung und Motivation unberechenbar sind. Als Kämpfer genießen sie hohes Ansehen in salafistischen Kreisen und können maßgeblich zur weiteren Radikalisierung der hiesigen Szene beitragen. Resümierend ist festzustellen, dass sowohl bei der Zahl der extremistischen Salafisten insgesamt als auch bei den jihadistisch motivierten Ausreisen ein Anstieg zu erkennen ist. Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein Teil der ausgereisten jihad-orientierten Salafisten an Kampfhandlungen in Syrien teilnimmt bzw. teilgenommen hat.

4 Ministerium tür Inneres und Kommunales Seite 4 von 7 Rekrutierung durch islamistische Gruppierungen und Netzwerke Die jihadistisch-salafistische Vereinigung,Millatu Ibrahim', die ihren Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen hatte, ist am 14. Juni 2012 verboten worden. Die Vereinigung ist als solche nicht mehr aktiv. EinzeIpersonen, die der verbotenen Vereinigung zuzuordnen waren, agieren und propagieren auch weiterhin im salafistischen Sinn. Diese Aktivitäten werden von den Sicherheitsbehörden beobachtet. Verstöße gegen das Strafrecht oder das Vereinsverbot werden durch die Sicherheitsbehörden umgehend geahndet. Mit den Einzelaktivitäten von ehemaligen Anhängern von,millatu Ibrahim' lässt sich die Zunahme der Ausreisen in den Kampf nach Syrien nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nicht erklären. Festzustellen ist, dass die Kämpfe in Syrien und das Leid der Bevölkerung auch in der salafistischen Szene stark emotionalisierend wirken. Vor diesem Hintergrund organisieren salafistische Netzwerke "Benefizveranstaltungen" mit bis zu 400 Teilnehmern und werben auch über das Internet Spenden für Hilfszwecke ein. Neben Aufrufen zur humanitären Hilfe in Syrien werden auch Vorträge gehalten, die teilweise nicht nur extremistisch, sondern auch Gewalt befürwortend und deshalb geeignet sind, zu radikalisieren. In der Regel wird dabei nicht explizit zur Teilnahme am Kampf bzw. Jihad aufgerufen. Eine klare Trennung von der Aufforderung zu humanitärer Hilfeleistung und zur Teilnahme am bewaffneten Kampf findet indes nicht statt. Soweit durch solche Predigten die Strafbarkeitsschwelle überschritten wird, weil z. B. öffentlich zu Straftaten aufgerufen wird oder eine ausländische terroristische Vereinigung unterstützt wird, werden diese Straftaten nachhaltig verfolgt.

5 Maßnahmen gegen die salafistische Szene in Dinslaken Die salafistische Szene in Dinslaken-Lohberg steht seit Mitte 2013 im Focus der Sicherheitsbehörden. Verfassungsschutz und Polizei haben ihre Maßnahmen im Hinblick auf diese Szene abgestimmt und befinden sich darüber in ständigem Austausch. Der Polizeiliche Staatsschutz in Duisburg hat bislang 22 Personen identifiziert, die der salafistischen Szene Lohberg zuzuordnen sind. Gegen acht Mitglieder der Gruppe sind bei den Staatsanwaltschaften Duisburg und Düsseldorf sowie beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) Ermittlungsverfahren anhängig. Begleitend dazu werden umfangreiche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen. Hierzu zählen insbesondere wiederholte Gefährderansprachen, Befragungen u. a. im Wohnumfeld, Sensibilisierungen der Eltern bzw. Elternteile der im Fokus stehenden Personen. Darüber hinaus werden durch Nachrichtenaustausche und Meldedienste die Informationen über die Gruppe fortwährend zusammengeführt und die Zusammenarbeit mit Landes- und Bundesbehörden gewährleistet. Die Bundespolizei schrieb acht Personen im geschützten Grenzfahndungsbestand aus. Drei Personen wurden als Gefährder, eine weitere als Relevante Person eingestuft. Seite 5 von 7 Allgemeine Maßnahmen zur Ausreiseverhinderung Das Ziel der nord rhein-westfälischen Sicherheitsbehörden ist es, die Ausreisen mit jihadistisch-salafistischer Absicht nach Syrien zu unterbinden. Hierzu sind bisher 26 Ausreiseuntersagungen durch die Passbehörden aufgrund von Informationen der Sicherheitsbehörden erfolgt. Sieben Personen gelang dennoch die Ausreise. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass rund 75% der Salafisten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Ihnen ist es möglich, mit einem deutschen Personalausweis von Deutschland aus in die Türkei zu reisen, da dieser - anders als der Reisepass - auch bei einer Ausreiseun-

6 Ministerium tür Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westtalen tersagung aus rechtlichen Gründen nicht eingezogen werden kann. Von dort aus ist eine Weiterreise ins türkisch-syrische Grenzgebiet und nach Syrien möglich. Insofern haben unter den gegebenen rechtlichen Voraussetzungen die Ausreiseuntersagungen nicht in allen Fällen dazu geführt, eine Ausreise auch nachhaltig zu verhindern. Seite 6 von 7 Sachverhalt am Flughafen Köln/Bonn Im November 2013 führte eine Frau bei ihrer Ausreise in die Türkei am Flughafen Köln/Bonn Magazine für ein Gewehr AK 47 mit sich. Die zuständige Bundespolizei gestattete die Ausfuhr der Magazine. Ein Versuch der Frau, Anfang Dezember 2013 erneut Waffenteile und Zubehör über den Flughafen Köln/Bonn auszuführen, wurde durch den Zoll unterbunden. Die Gegenstände wurden sichergestellt. Die beschriebenen Sachverhalte unterliegen der Zuständigkeit der für die Sicherheit auf Flughäfen und den Warenverkehr verantwortlichen Bundesbehörden Bundespolizei sowie Bundeszollverwaltung und sind Gegenstand eines von der Staatsanwaltschaft Köln geführten Ermittlungsverfahrens. Bei der Frau handelt es sich um die Mutter von zwei in Nordrhein Westfalen polizeilich als sog. Relevante Personen eingestuften Männern, die sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden derzeit im türkisch/syrischen Grenzgebiet aufhalten. Beide Männer haben im Jahr 2008 gemeinsam mit einer weiteren Person als Jugendliche in Köln versucht, Polizeibeamte in einen Hinterhalt zu locken, um unter Vorhalt von Schreckschusswaffen deren Dienstwaffen zu rauben. Dies konnte durch die Beamten verhindert werden. Die Täter gaben in ihrer polizeilichen Vernehmung an, islamistisch motiviert gehandelt zu haben und, unter anderem mit den geraubten Waffen, in den Jihad ziehen zu wollen. Das Landgericht Köln sah diese Tatmotivation nicht als handlungsleitend an und verurteilte die Täter wegen ver-

7 suchten schweren Raubes in Tateinheit mit der Verabredung zu einem Verbrechen zum Nachteil von Polizeibeamten rechtskräftig zu Jugendstrafen. Seite 7 von 7 Angebliche Kontakte zu Personen aus der sogenannten Sauerland Gruppe Die salafistische Szene ist bundesweit gut vernetzt. Insoweit gehen die Sicherheitsbehörden von solchen Kontakten aus. Presseberichterstattung zur möglichen Beteiligung an Enthauptungen in Syrien Im Internet, in sozialen Medien, kursiert derzeit ein Bild, das einen Mann zeigt, der zwei abgetrennte menschliche Köpfe präsentiert. Bei dem Mann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Mitglied der sogenannten Dinslakener Gruppe. Ob dieser tatsächlich an der Tötung von Personen beteiligt gewesen ist, ist den nord rhein-westfälischen Sicherheitsbehörden nicht bekannt. Mit freundlichen Grüßen