GESETZ ÜBER DEN SCHUTZ DER PERSÖNLICHKEIT (PERSÖNLICHKEITSSCHUTZGESETZ)
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1 KANTON NIDWALDEN REGIERUNGSRAT GESETZ ÜBER DEN SCHUTZ DER PERSÖNLICHKEIT (PERSÖNLICHKEITSSCHUTZGESETZ) BERICHT ZUR VERNEHMLASSUNG STANS, 17. DEZEMBER 2007
2 Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
3 1 Zusammenfassung 4 2 Ausgangslage Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz Schutz vor häuslicher Gewalt im Strafrecht Gesetzliche Grundlage im Kanton Nidwalden 5 3 Erläuterung der einzelnen Bestimmungen 5 4 Kosten 11 Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
4 1 Zusammenfassung Mit Beschluss vom 23. Juni 2006 haben die eidgenössischen Räte einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches betreffend Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen und Nachstellungen zugestimmt. Die neuen Bestimmungen traten am 01. Juli 2007 in Kraft und bedingen kantonale Ausführungsbestimmungen. Diese sollen in einem neuen Persönlichkeitsschutzgesetz verankert werden, welches gleichzeitig die geltende kantonale Einführungsverordnung über den Persönlichkeitsschutz ersetzt. Anstoss für die Änderung des Zivilgesetzbuches war der Wunsch nach verbessertem Schutz vor häuslicher Gewalt. Die von den Räten beschlossene Fassung beschränkt sich jedoch nicht nur auf Personen in bestehenden oder aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen, sondern geht über den blossen Schutz im Bereich der häuslichen Gewalt hinaus. Im Kanton Nidwalden ist für den privatrechtlichen Persönlichkeitsschutz das Kantonsgericht zuständig. Dieses bzw. das Kantonsgerichtspräsidium trifft auf Klage hin die gesetzlichen Massnahmen. Die sofortige Ausweisung der verletzenden Person aus der gemeinsamen Wohnung erfolgt durch die Kantonspolizei. Die Massnahmen zum Schutz vor Gewalt sind jedoch nur beschränkt wirksam, wenn den verletzten und verletzenden Personen keine Beratung und Unterstützung zuteil wird. Es ist daher ein Beratungsangebot zu gewährleisten, welches den betroffenen Personen bei einer Eskalation einen nachhaltigen Schutz und einen Ausweg aus der Gewaltspirale aufzeigen kann. 2 Ausgangslage 2.1 Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz Das Kapitel Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) wurde um den neuen Artikel zum Schutz der Persönlichkeit erweitert. Die Artikel 28 ff. ZGB schützen die Persönlichkeit vor widerrechtlichen Verletzungen durch Dritte. Erfasst werden im Wesentlichen die drei Schutzbereiche: Physischer Schutzbereich (z.b. Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Freiheit, Bewegungsfreiheit), psychischer Schutzbereich (z.b. psychische Integrität) sowie der soziale Schutzbereich (z.b. Recht am eigenen Bild, Recht auf Ehre, Recht auf Achtung der Privatsphäre). Der neue Art. 28b ZGB will Opfer von Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen - unabhängig vom Zivilstand - durch gerichtlich angeordnete Annäherungs-, Aufenthalts-, und Kontaktaufnahmeverbote schützen. Zudem ist eine zeitlich beschränkte Ausweisung einer gewaltausübenden Person aus der mit dem Opfer gemeinsam bewohnten Wohnung möglich; unter bestimmten Bedingungen kann das Gericht die Rechte und Pflichten aus einem Mietvertrag auf das Opfer übertragen. 2.2 Schutz vor häuslicher Gewalt im Strafrecht Am 01. April 2004 wurde das revidierte Strafgesetzbuch betreffend Strafverfolgung in der Ehe und Partnerschaft in Kraft gesetzt. Danach sind einige Gewaltdelikte wie sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, einfache Körperverletzungen, wiederholte Tätlichkeiten und Drohungen von Amtes wegen zu verfolgen, wenn sie in der Ehe oder in festen hetero- oder homosexuellen Partnerschaften begangen werden (sog. Offizialisierung der häuslichen Gewalt). Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
5 Am 09. April 2003 haben Landrätin Marlis Gisler, Oberdorf, und Mitunterzeichnende eine Motion betreffend Vorbereitung einer Teilrevision des Polizeigesetzes und der Strafprozessordnung in Bezug auf die häusliche Gewalt eingereicht. Mit Beschluss Nr. 525 vom 08. Juli 2003 beantragte der Regierungsrat dem Landrat, die Motion von Landrätin Marlis Gisler gutzuheissen. Der Landrat stimmte am 22. Oktober 2003 der Motion Gisler zu. 2.3 Gesetzliche Grundlage im Kanton Nidwalden Auf kantonaler Ebene regeln die bis dato geltenden Ausführungsbestimmungen in der Einführungsverordnung zur Bundesgesetzgebung über den Persönlichkeitsschutz vom 29. November 1985 (NG ) den entsprechenden Bereich. Der Bund hat gemäss Art. 122 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101) auf dem Gebiet des Zivilrechts abschliessende Rechtsetzungskompetenz. Die Kantone dürfen im Bereich des Zivilrechts nur im vom Bund ermächtigten Rahmen Recht setzen (Art. 5 Abs. 1 ZGB). Da der Bund hinsichtlich der zivilrechtlichen Instrumente zum Schutze der Persönlichkeit seine abschliessende Rechtsetzungskompetenz vollumfänglich ausgeschöpft hat, sind die Kantone nicht befugt, die in den Art. 28 ff. ZGB verankerten Schutzmassnahmen mit weiteren zivilrechtlichen Instrumenten auch nicht im Bereich der häuslichen Gewalt - auszuweiten. Auf durch die Motion Gisler beantragte Änderungen von Polizeigesetz und Strafprozessordnung wird daher verzichtet. Den Anliegen der Motion wird im neuen Persönlichkeitsschutzgesetz Rechnung getragen. Die Motion Gisler kann mit der Verabschiedung des Persönlichkeitsschutzgesetzes als erfüllt abgeschrieben werden. 3 Erläuterung der einzelnen Bestimmungen I. ALLGEMEINE BESTIMMUNG Art. 1 Gegenstand Der Regelungsbereich des neuen Gesetzes umfasst den privatrechtlichen Persönlichkeitsschutz gemäss Art. 28 ff. ZGB. Neben Zuständigkeit und Verfahren werden die erforderlichen Massnahmen geregelt. II. ZUSTÄNDIGKEIT Art. 2 Kantonsgericht Diese Bestimmung entspricht 1 Abs. 1 der geltenden Einführungsverordnung und wurde mit der Zuständigkeit für Klagen gemäss Art. 28b ZGB ergänzt. Art. 3 Kantonsgerichtspräsidium Das Kantonsgerichtspräsidium ist neben den Klagen betreffend das Recht auf Gegendarstellung und der Anordnung von vorsorglichen Massnahmen neu für die gerichtliche Beurteilung der sofortigen Ausweisung zuständig. Das Kantonsgerichtspräsidium ist nicht nur im Bereich des Persönlichkeitsschutzes, sondern auch im Rahmen von Eheschutz- und Scheidungsverfahren für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zuständig. So gesehen ist es naheliegend die Ü- berprüfung der polizeilichen Massnahme, welche dem Opfer kurzfristigen Schutz Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
6 gewährleisten soll, bei derjenigen Stelle anzusiedeln, die allfällige zivilrechtliche kurz- bis mittelfristigen Schutzmassnahmen zu Gunsten des Opfers anordnen kann. Art. 4 Kantonspolizei Art. 28b Abs. 4 ZGB verpflichtet die Kantone eine Stelle zu schaffen, die im Krisenfall die sofortige Ausweisung der verletzenden Person aus der gemeinsamen Wohnung verfügen kann. Die sachliche Zuständigkeit der Polizei drängt sich hier geradezu auf. Einerseits gehört der Schutz der Bevölkerung zu deren Kernaufgaben und andererseits verfügt sie über die im Umgang mit Gewaltsituationen notwendigen Kompetenzen. Zudem kann sie einen jederzeitigen Einsatz garantieren. III. VERFAHREN A. Gerichtsverfahren Art. 5 Grundsatz Diese Bestimmung entspricht 3 der Einführungsverordnung und bedarf keiner Abänderungen. Auch im Hinblick auf die Einführung der eidgenössischen Zivilprozessordnung ist eine abweichende Regelung nicht sinnvoll. Art. 6 Recht auf Gegendarstellung Diese Bestimmung entspricht 2 der Einführungsverordnung und bedarf keiner Anpassung. B. Sofortige Ausweisung (Art. 28b Abs. 4 ZGB) Art. 7 Polizeiliche Anordnung Die Bezeichnungen verletzende Person und verletzte Person werden zur Gewährleistung einer einheitlichen Terminologie vom Bundesgesetz übernommen. Absatz 1 Die Polizei muss die Situation vor Ort beurteilen und unverzüglich entscheiden, ob eine sofortige Ausweisung im konkreten Fall notwendig ist. Indizien und/oder Aussagen müssen auf das Vorliegen einer (drohenden) Gewaltanwendung hinweisen. Allen Beteiligten ist die Gelegenheit einzuräumen, sich zur Sache zu äussern, womit dem rechtlichen Gehör Rechnung getragen wird. Der Sachverhalt muss in jedem Fall, insbesondere jedoch zur Gewährleistung einer nachträglichen Überprüfung durch den Richter, in einem Rapport festgehalten werden. Die Ausweisung verfügt der jeweilige Pikettoffizier. Seit dem 01. April 2004 ist die Polizei in jedem Fall verpflichtet bei einem Grossteil der unter Ehegatten respektive in Partnerschaften also oft im häuslichen Bereich - begangenen Straftaten von Amtes wegen zu verfolgen. Die Polizei muss deshalb schon aufgrund der strafrechtlichen Bestimmungen die Personen befragen und ein Protokoll erstellen. Allerdings ist festzuhalten, dass es sich bei der Ausweisung nicht um eine Massnahme der Strafverfolgung handelt, sondern um eine Massnahme zur Entschärfung einer Konfliktsituation. Absatz 2 Die Ausweisung ist schriftlich mittels Verfügung anzuordnen und den betroffenen Personen im Regelfall sofort auszuhändigen. Die Verfügung kann mit einem Formu- Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
7 lar erfolgen und soll nebst der Rechtsmittelbelehrung für die ausgewiesene Person, die zivilgerichtlichen Möglichkeiten für die verletzte Person festhalten. Ebenso bedarf es den Hinweis, dass sich die Ausweisung automatisch verlängert, wenn das zuständige Gericht um Anordnung von Schutzmassnahmen ersucht wird. Absatz 3 Die Wegnahme des Schlüssels ist faktische Konsequenz des ausgesprochenen Verbotes. Die ausgewiesene Person kann Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitnehmen. Absatz 4 Grundsätzlich ist die Dauer der Ausweisung eine Frage der Verhältnismässigkeit. Die verletzte Person soll sich in Ruhe die nächsten Schritte überlegen können. Demgegenüber wird bei der ausgewiesenen Person in grundrechtlich geschützte Positionen eingegriffen. Erfahrungen zeigen, dass eine Frist von 10 Tagen zu knapp bemessen ist. Unter Berücksichtigung dieser Erfahrungen wird eine Geltungsdauer von 14 Tagen vorgesehen. Die Polizei hat diesbezüglich kein Ermessen. Zudem dient eine klare gesetzliche Regelung der Rechtssicherheit und gleichheit. Den betroffenen Personen wird damit ein Zeitfenster zuerkannt, das ihnen ermöglicht, Distanz zu gewinnen und Abklärungen betreffend das weitere Vorgehen zu tätigen. Die Bewegungsfreiheit des Verfügungsadressaten wird nur punktuell eingeschränkt; er kann weiterhin seiner Arbeit nachgehen und seine Sozialkontakte pflegen. Die Ausweisung erfolgt unter Strafandrohung gemäss Art. 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0). Dieser Artikel dient dem Zweck, amtliche Verfügungen, deren Befolgung mangels Bestehens einer besonderen Strafnorm vom guten Willen des Betroffenen abhängig wäre, durch die ergänzende Strafandrohung wirksam zu gestalten. Das gebotene respektive verbotene Verhalten muss in der jeweiligen Verfügung konkret umschrieben sein. Das strafrechtliche Unrecht liegt im Verstoss gegen die amtliche Verfügung. Art. 8 Information Die Polizei händigt die Verfügung den betroffenen Personen aus und informiert sie über Inhalt und Umfang. Dies ist sowohl in mündlicher Form als auch mit einem Merkblatt möglich. Die betroffenen Parteien werden über die Tragweite der angeordneten Ausweisung, die Folgen der Missachtung und der Möglichkeit an das Zivilgericht zu gelangen hingewiesen. Sie werden über die bestehenden Beratungsangebote informiert. Ist die verletzende Person nicht mehr in der Wohnung und soll eine Ausweisung erfolgen, muss die Aushändigung der Verfügung sichergestellt und damit der Zeitpunkt des Empfanges für den Fristenlauf fixiert werden. In diesen Fällen ist durch einen geeigneten Hinweis vor Ort die verletzende Person aufzufordern, sich bei der Polizei zu melden. Meldet sie sich innert drei Tagen nicht, ist eine Publikation im Amtsblatt unvermeidlich, um die verfügte Schutzmassnahme in Kraft zu setzen. In der Regel wird der Ausgewiesene noch keine Zustelladresse angeben können. Es ist jedoch wichtig, dass sämtliche Verfügungen die ausgewiesene Person erreichen, insbesondere zur Wahrung der individuellen Rechte. In der Verfügung wird vermerkt, dass die Meldeunterlassung zur Folge hat, dass Verfügungen oder Vorladungen bei der Polizei hinterlegt werden und damit als zugestellt gelten. Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
8 Art. 9 Gerichtliche Beurteilung der Ausweisung Absatz 1 Bei der polizeilich verfügten Ausweisung handelt es sich um eine individuell-konkrete Anordnung, die eine polizeiliche Massnahme zum Inhalt hat. Das Gericht überprüft auf Gesuch hin die Rechtmässigkeit der polizeilichen Kriseninterventionsmassnahme, d.h. stellt fest, ob die polizeiliche Anordnung zum Zeitpunkt der Intervention rechtens war oder nicht. Die gerichtliche Überprüfung der Ausweisung ist Ausfluss der durch die Verfassung und die EMRK garantierten Verfahrensrechte. Die gerichtliche Beurteilung der Ausweisung soll nur auf Gesuch der betroffenen Person erfolgen. Die Rechtsmittelinstanz soll nicht mit der Überprüfung von Ausweisungsverfügungen belastet werden, die von den Adressaten nicht beanstandet worden sind. Die formellen Voraussetzungen des Gesuches sind minimal; es hat Angaben zum Gesuchsteller resp. zur Gesuchstellerin und den Grund zu enthalten. Die Frist ist bewusst knapp bemessen, da der Entscheid vor Ablauf der polizeilichen Ausweisungsfrist von 14 Tagen ergehen muss. Die ausgewiesene Person hat nur so sofern das Gesuch gutheissen wird einen praktischen Nutzen. Nur wenn das Gesuch keine aufschiebende Wirkung hat, kann die polizeiliche Ausweisung ihre Wirkung entfalten und als sofortiges Mittel der Deeskalation greifen. Auch die kurze Frist von vier Tagen, in denen das Kantonsgerichtspräsidium zu entscheiden hat, rechtfertigt den Entzug der aufschiebenden Wirkung. Absatz 2 Der Sachverhalt wird von Amtes wegen festgestellt. In der Regel sollten die edierten Polizeiakten für einen Entscheid genügen. Es handelt sich um ein Einparteienverfahren. Eine persönliche Konfrontation der Parteien sollte in der Regel aufgrund der Vorgeschichte vermieden werden. Art. 10 Verlängerung der Ausweisung Absatz 1 Die verletzte Person muss innert 10 Tagen seit der Ausweisung aktiv werden, wenn sie verhindern will, dass die ausgewiesene Person nach Ablauf von 14 Tagen wieder in die Wohnung zurückkehrt. Sie muss das zuständige Gericht anrufen und die Anordnung von Schutzmassnahmen verlangen. Es können dies nebst den in Art. 28 ff. ZGB vorgesehenen Massnahmen auch Eheschutzmassnahmen nach Art. 175 ff. resp. Art. 137 ZGB sein. Das Gesuch muss innert 10 Tagen beim Gericht eingetroffen sein. Hat sich die verletzte Person an das zuständige Gericht gewandt oder ist bereits ein Verfahren (z.b. Eheschutz) hängig, verlängert sich die Ausweisung automatisch bis zum Entscheid des Gerichts jedoch längstens um 14 Tage. Das zuständige Gericht hat daher möglichst rasch allenfalls superprovisorisch zu entscheiden. Die Verlängerungsfrist beginnt am letzten Tag der 14-tägigen Ausweisungsfrist; die maximale sofortige Ausweisung dauert somit maximal 28 Tage. Absatz 2 Die Sicherstellung des Informationsfluss zwischen den Behörden und den betroffenen Personen ist für eine erfolgreiche Umsetzung unabdingbar. Die Parteien sollen nicht erst am letzten Tag der 14-tägigen Frist Kenntnis der Verlängerung erhalten. Zudem ergeht die Ausweisungsverfügung unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB. Für die Polizei ist somit für ihre Arbeit wichtig, ob die verfügte Anordnung weiterhin Bestand hat. Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
9 Art. 11 Verhältnis zu anderen Massnahmen Eine zivilrechtliche Massnahme wird in der Regel nicht befristet, währenddessen die polizeiliche Ausweisung eine befristete Massnahme darstellt, welche der unmittelbaren Deeskalation in einer konkreten Konfliktsituation dient. Die vorliegende Regelung soll sicherstellen, dass sich die von zwei unterschiedlichen Behörden angeordneten Massnahmen lückenlos ineinandergreifen. C. Mitteilungspflichten Art. 12 Vormundschaftsbehörden Die Auswirkung von Gewalt jeglicher Art auf Kinder sind einschneidend, unabhängig davon, ob das Kind selbst Opfer von Gewalt ist oder in einem Klima der Gewalt aufwächst. Mit der Zustellung der Verfügung an die Vormundschaftsbehörde erhält diese Kenntnis vom Sachverhalt und kann ihrer Verpflichtung gemäss unverzüglich abklären, ob Kindesschutzmassnahmen im Sinne von Art. 307 ff. ZGB notwendig sind. Mit der unverzüglichen Weiterleitung der Information an die Vormundschaftsbehörde, soll ein rasches Handeln ermöglicht werden. Art. 13 Kantonsgericht Mit Eingang der Ausweisungsverfügung wird das Kantonsgericht über die erfolgte Ausweisung in Kenntnis gesetzt. Da das Gericht nebst der Beurteilung jeglicher Gesuche im Zusammenhang mit Art. 28 ff. ZGB auch in Eheschutzverfahren die entsprechenden Massnahmen anordnet, erweist sich die Weiterleitung der Verfügung sowohl zwecks Ausschluss widersprüchlicher Entscheide als auch aus prozessökonomischen Gründen sinnvoll. Mit dem Verzicht auf eine gerichtliche Überprüfung der Ausweisungsverfügung und der gerichtlichen Anordnung zivilrechtlicher Massnahmen entfällt die Notwendigkeit der Archivierung. Eine Vernichtung ist auch als Datenschutzgründen geboten. Art. 14 Beratungsstellen Absatz 1 Durch die direkte Übermittlung der Informationen von der Polizei an die Beratungsstellen soll den betroffenen Personen möglichst rasch Hilfe angeboten werden. Die verletzte Person soll nicht alleine zurückgelassen werden, sondern eine Anlaufstelle haben. Zudem soll mit dem proaktiven Beratungsansatz verhindert werden, dass die verletzten Personen aus Angst oder anderen Gründen sich nicht an eine Beratungsstelle wenden; die verletzende Person soll in der Krisensituation zu einer Beratung motiviert werden mit dem Ziel, sich dem Grundproblem zu stellen. Die Evaluation von Interventionsprojekten in den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden empfiehlt die Datenweiterleitung ausdrücklich. Absatz 2 Bei der polizeilich verfügten Ausweisung handelt es sich um eine Schutzmassnahme, welche nur in Krisensituationen angeordnet wird. In allen übrigen Fällen ordnet das Gericht die vorgesehenen Massnahmen an. Die spezialisierte Beratung ist auch in denjenigen Fällen von Gewalt, Drohung und Nachstellung notwendig, in denen keine Ausweisung erfolgt ist, sei es weil kein gemeinsamer Haushalt besteht oder die Gewaltsituation noch keine eskalierende Dimension erreicht hat. Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
10 Absatz 3 Der betroffenen Person bleibt die Möglichkeit, die Hilfe abzulehnen. Auch das Opferhilfegesetz statuiert in Art. 6 OHG die Freiwilligkeit einer Beratung. Insofern ist es sinnvoll, vorliegend die gleiche Informationsart zu wählen, zumal die verletzte Person gleichzeitig unter den Anwendungsbereich des Opferhilfegesetz fallen kann. IV. BERATUNGSSTELLEN Art. 15 Bezeichnung Erfahrungen aus dem In- und Ausland zeigen, dass Normen zum Schutz vor Gewalt unwirksam sind, wenn den verletzten und verletzenden Personen keine Beratung oder Unterstützung zuteil wird. Die Beratung soll durch bestehende spezialisierte Fachstellen erfolgen. Die Beratungsstellen sollen den betroffenen Personen einen nachhaltigen Schutz und Ausweg aus der Gewaltspirale aufzeigen, da eine temporäre Ausweisung die Gewaltdynamik in der Regel nur kurzfristig zu unterbrechen vermag. In jedem Fall erfordert die Finanzierung der Beratungshilfe eine gesetzliche Grundlage. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer gemeinsamen Leistungsvereinbarung aller Zentralschweizer Kantone mit der Fachstelle gegen Männergewalt in Luzern. Damit stünde für die Bevölkerung aller Zentralschweizer Kantone das gleiche Angebot zur Verfügung. Kernstück des Leistungsauftrages ist die Gewalt-Hotline, die als erste Anlaufstelle für gewaltausübende Personen, Betroffene aus dem Umfeld oder für Institutionen dient. Mögliche Inhalte dieser Vereinbarung sind Telefonberatung (Gewalt-Hotline), Gewaltberatung, Trainingsgruppen. Art. 16 Aufgaben Die Beratungsstellen erfassen den Sachverhalt, sind zuständig für die Erstberatung und bestimmen im konkreten Fall Notwendigkeit und Umfang des weiteren Vorgehens. Die Tatsache, dass Gewalt noch oft bagatellisiert wird, erfordert eine regelmässige Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung, damit den betroffenen Personen frühzeitig Hilfe zuteil wird. Art. 17 Koordination Neben Beratungshilfen für die Betroffenen muss eine gute Zusammenarbeit der beteiligten staatlichen und allenfalls privaten Institutionen gewährleistet werden. Aufgrund der Fach- und Branchenkenntnis ist das kantonale Sozialamt für diese Aufgabe geradezu prädestiniert. V. KOSTEN Art. 18 Sofortige Ausweisung Die Wegweisung erfolgt wie andere polizeiliche Massnahmen grundsätzlich im Rahmen der Ausübung des polizeilichen Grundauftrages und ist deshalb kostenlos. Wird gegen die verletzende Person ein Strafverfahren eröffnet und mit einer Verurteilung abgeschlossen, ist die Überbindung der Interventionskosten, soweit diese auch das Strafverfahren betreffen, auf den Verurteilten möglich. Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
11 Art. 19 Gerichtsverfahren Verlegung und Höhe der Gerichtskosten regelt die Zivilprozessordnung bzw. die Prozesskostenverordnung. Es handelt sich um ein Einparteienverfahren ohne Kostenvorschusspflicht. Letztere erweist sich mit Blick auf die kurzen Entscheidfindungsfristen unsinnig. Allerdings soll das Verfahren auch nicht unentgeltlich sein. Die Kostenpflicht soll den Gesuchsteller zwingen, sich vor der Gesuchseinreichung die notwendigen Überlegungen zu machen. Für mittellose Personen besteht grundsätzlich die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV), so dass der finanzielle Aspekt nicht massgebend für den Verzicht auf ein Überprüfungsgesuch sein sollte. Im Übrigen gelten die in der Prozesskostenverordnung verankerten Gebühren. Art. 20 Beratungsstellen; 1. Verletzte Person Das Opferhilfegesetz statuiert für die Opfer von Straftaten eine kostenlose Beratung durch die zuständige Stelle. Die Kostenbeiträge für die längerfristige Hilfe sind abhängig von den finanziellen Verhältnissen und erfolgen nicht generell. Das heisst, die betroffene Person muss nach Massgabe ihrer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit einen Anteil der effektiven Kosten übernehmen. Art Verletzende Person Mit der Kostenlosigkeit der erstmaligen Beratung der verletzenden Person, soll gewährleistet werden, dass die Inanspruchnahme des Beratungsangebotes nicht am Fehlen der finanziellen Mittel scheitern sollte. Auch die verletzende Person soll sich analog der verletzten Person nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an den anfallenden Kosten beteiligen. 4 Kosten A. Kantonspolizei Die Kantonspolizei Nidwalden hat jedes Jahr in über 20 Fällen von häuslicher Gewalt eine Krisenintervention zu leisten. Die Kosten für diese Einsätze fallen somit bereits heute an. B. Beratungsstelle gegen Männergewalt Die Regierungen der Zentralschweizer Kantone prüfen zur Zeit, ob mit der Fachstelle gegen Männergewalt Luzern, ein gemeinsamer Leistungsvertrag abgeschlossen werden soll. Dieser sieht in den einzelnen Teilbereichen die folgenden finanziellen Leistungen vor: 1. Teilbereich Gewalt Hotline a) Die Personal- und Infrastrukturkosten für die Telefonbereitschaft während 5000 Stunden pro Jahr werden jährlich mit einer Stundenpauschale von Fr. 5.- abgegolten. Daraus resultiert ein Jahresbeitrag von Fr. 25'000.- (Sockelbeitrag). b) Entschädigung für die telefonische Beratung und Krisenintervention: Aufwand von 1256 Personalstunden für ein Volumen von 210 Anrufen, davon 102 direk- Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
12 ten Interventionen (2004). Bei einem Stundenansatz von Fr ergibt dies ein Betrag von Fr. 24' Der Teilbereich Gewalt-Hotline kommt damit für den Kanton Luzern auf insgesamt Fr. 49' Von Januar bis September 2007 wurden bereits 188 Anrufe verzeichnet. Eine Aufteilung des Sockelbeitrages auf alle Zentralschweizer Kantone erscheint zweckmässig, da die Telefonbereitschaft unabhängig von der Anzahl der eingehenden Anrufe gewährleistet werden muss. Die Kosten für telefonische Beratungen und Kriseninterventionen sollten nach dem Einwohnerschlüssel gemäss Verteilschlüssel ZRK aufgeteilt werden. Daraus ergibt sich folgender Kostenteiler: - Sockelbeitrag an Personal- und Infrastrukturkosten für die Telefonbereitschaft je Fr. 4'166.- pro Kanton. - Kosten für die telefonische Beratung und Krisenintervention LU Fr. 12' SZ Fr. 4' NW Fr. 1' ZG Fr. 3' OW Fr UR Fr Teilbereich freiwillige Einzelberatung Weitere Kosten können sich durch die Subventionierung der freiwilligen Beratung ergeben mit max. Fr pro Stunde. Zur Zeit wird dieses Angebot von Personen aus dem Kanton Nidwalden jedoch kaum in Anspruch genommen. Die jährlichen Kosten werden ca. Fr. 1'000.- bis Fr. 2'000.- betragen. 3. Teilbereich Öffentlichkeitsarbeit Die Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit werden ebenfalls mittels ZRK Verteilschlüssel aufgeteilt. Für den Kanton Nidwalden ist ein jährlicher Anteil von Fr. 1'500.- geplant. C. Gerichtsverfahren Die Kosten für die gerichtlichen Verfahren werden den Parteien nach den Bestimmungen der Zivilrechtspflege belastet. Stans, 17. Dezember 2007 REGIERUNGSRAT NIDWALDEN Landammann Hugo Kayser Landschreiber Josef Baumgartner Beilage: - Entwurf Persönlichkeitsschutzgesetz - Auszug aus Zivilgesetzbuch (Art. 28 ff. ZGB) Bericht zur Vernehmlassung vom 17. Dezember
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